Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 12. August 2011
Aktenzeichen: 11 C 11.1785

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 12.08.2011, Az.: 11 C 11.1785)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 5. Oktober 2010 teilte die € Sachversicherung AG der Beklagten mit, dass für ein Kraftfahrzeug, hinsichtlich dessen die Klägerin Versicherungsnehmerin ist, seit dem 7. September 2010 keine Haftpflichtversicherung mehr bestehe.

Durch Bescheid vom 5. Oktober 2010 forderte die Beklagte die Klägerin in sofort vollziehbarer Weise und unter Androhung der Ersatzvornahme auf, innerhalb der nächsten drei Tage nach der Zustellung des Bescheids (sie erfolgte am 6.10.2010) entweder der Zulassungsbehörde eine neue Haftpflicht-Versicherungsbestätigung für das betroffene Kraftfahrzeug vorzulegen oder das Fahrzeug außer Betrieb setzen zu lassen. Unter der Nummer 3 dieses Bescheids setzte die Beklagte eine Gebühr in Höhe von 32,15 € und Auslagen in Höhe von 3,45 € fest; unter der Nummer 4 bestimmte sie, dass der Fahrzeughalter die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

Am 8. Oktober 2010 ging der Beklagten eine Mitteilung der € Versicherung AG zu, der zufolge das betroffene Kraftfahrzeug seit dem 30. August 2010 bei ihr haftpflichtversichert war.

Am 20. Oktober 2010 richtete die Beklagte ein als "Kostenbescheid und Kostenrechnung" bezeichnetes Schreiben an die Klägerin. Darin wurde ausgeführt, für die Anordnung vom 5. Oktober 2010 würden Kosten in Höhe von 35,60 € bis zum 22. November 2010 fällig. Die Klägerin wurde gebeten, diesen Betrag bis dahin auf ein näher bezeichnetes Konto der Beklagten zu überweisen.

Mit einem undatierten Schreiben, das der Beklagten am 3. November 2010 zuging, legte die Klägerin Widerspruch gegen den Kostenbescheid vom 20. Oktober 2010 ein. Sie habe ihre frühere Haftpflichtversicherung zum 30. August 2010 gekündigt und einen ab dem gleichen Tag gültigen Versicherungsschein ihrer jetzigen Haftpflichtversicherung erhalten. Wenn ihre Versicherung diese Informationen nicht an die Beklagte weitergeleitet habe, sei das nicht von ihr verschuldet worden.

Am 5. November 2010 ging dieses Schreiben zusammen u. a. mit einer Ablichtung des Haftpflichtversicherungsscheins und einer Versicherungsbestätigung der € Versicherung AG auch beim Verwaltungsgericht Würzburg ein. Das Verwaltungsgericht wertete diese Zuleitung als Klageerhebung. Die in der Folgezeit erfolgte Mitteilung der Klägerin, dass sie Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalte, legte das Verwaltungsgericht als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Klageverfahren aus.

Durch Beschluss vom 19. Juli 2011 lehnte das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da die Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

Mit Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 21. Juli 2011, dort eingegangen am 25. Juli 2011, brachte die Klägerin zum Ausdruck, dass sie diesen Beschluss nicht annehme. Sie vermöge nicht einzusehen, dass sie für Fehler der €-Versicherung, die Daten nicht rechtzeitig an die Zulassungsstelle übermittelt habe, zahlen solle.

Das Verwaltungsgericht wertete diese Zuschrift als Beschwerde gegen den Beschluss vom 19. Juli 2011 und half diesem Rechtsmittel nicht ab.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ging zutreffend davon aus, dass die am 5. November 2010 erhobene Klage allen derzeit erkennbaren Umständen nach erfolglos bleiben wird.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass Gegenstand des Klageverfahrens sowohl der Bescheid vom 5. Oktober 2010 als auch die Verwaltungsakte sind, die die Beklagte am 20. Oktober 2010 erlassen hat. Das folgt allerdings nicht aus dem Wortlaut der am 5. November 2010 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Zuschrift. Denn die Klägerin hat in jenem Schriftstück den Bescheid vom 5. Oktober 2010 weder ausdrücklich erwähnt noch sich mittelbar darauf in einer Weise bezogen, die die Annahme rechtfertigen könnte, sie wolle auch diesen Bescheid gerichtlich angreifen. Vor allem aber gebietet der Umstand, dass die Klägerin dem am 5. November 2010 beim Verwaltungsgericht eingereichten Schreiben nur den Bescheid vom 20. Oktober 2010 in Ablichtung beigefügt hat, die Auslegung, dass sie ursprünglich nur die darin enthaltenen Verwaltungsakte im Klageweg angreifen wollte.

Die Klägerin hat den Bescheid vom 5. Oktober 2010 jedoch dadurch nachträglich zum Klagegegenstand gemacht, dass sie in Replik auf die Klageerwiderung vom 1. Dezember 2010, in der die Beklagte die - nach damaligem Verfahrensstand zutreffende - Auffassung vertrat, der Bescheid vom 5. Oktober 2010 sei nicht angefochten worden, mit Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 8. Dezember 2010 ausführte, sie weise auch "den Kostenbescheid vom 5.10.2010 energisch zurück".

Dieser Bescheid konnte damals noch im Wege der Klageerweiterung in zulässiger Weise mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden, da im Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens vom 8. Dezember 2010 beim Verwaltungsgericht die Klagefrist noch nicht verstrichen war. Denn diese betrug, da der Bescheid vom 5. Oktober 2010 mit einer den Erfordernissen des § 58 Abs. 1 VwGO nicht genügenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr ab der Zustellung dieses Bescheids.

Nach § 58 Abs. 1 VwGO muss eine Rechtsbehelfsbelehrung u. a. die Angabe des Gerichts enthalten, bei dem der statthafte Rechtsbehelf angebracht werden kann. Die dem Bescheid vom 5. Oktober 2010 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung führt dazu aus:

"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht€ schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden."

Der weitere Text entspricht - abgesehen von der fehlenden konkreten Bezeichnung des richtigen Beklagten - dem Rechtsbehelfsbelehrungsmuster 2a nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Art. 15 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 13. August 2007, AllMBl S. 425, geändert durch Bekanntmachung vom 22. Februar 2010, AllMBl S. 39.

Im Anschluss an den Text dieser Rechtsbehelfsbelehrung wird der hinter dem Wort "Verwaltungsgericht" angebrachte Asteriskus wiederholt und ausgeführt: "Zuständiges bayerisches Verwaltungsgericht für den Regierungsbezirk". Dem schließt sich eine mit den vollständigen Anschriften versehene Aufzählung der sechs Verwaltungsgerichte in Bayern unter jeweiliger Voranstellung des Regierungsbezirks (bzw. der Regierungsbezirke) an, auf den (bzw. auf die) sich nach Art. 1 Abs. 2 AGVwGO die örtliche Zuständigkeit der einzelnen Verwaltungsgerichte erstreckt.

Eine so gefasste Rechtsbehelfsbelehrung genügt den sich aus § 58 Abs. 1 VwGO ergebenden Mindestanforderungen nicht. Denn eine rechtsunkundige Person vermag aus dem Text, der sich insoweit auf der Rückseite des formblattmäßigen Bescheids vom 5. Oktober 2010 findet, nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, welches Gericht im konkreten Fall zur Erhebung einer Klage örtlich zuständig ist. Zum einen lassen die vorstehend referierten Ausführungen nicht erkennen, ob es für die Bestimmung des zuständigen Gerichts auf den Sitz der erlassenden Behörde oder auf den (Wohn-)Sitz des Rechtsschutzsuchenden ankommt; beide Orte können auch in Verfahren, denen Streitigkeiten auf dem Gebiet der Fahrzeug-Zulassungsverordnung zugrunde liegen (z.B. in den von § 46 Abs. 2 Satz 4 FZV erfassten Fällen oder dann, wenn ein Fahrzeug nicht bei der nach § 46 Abs. 2 Sätze 1 oder 2 FZV zuständigen Zulassungsbehörde angemeldet wurde), auseinanderfallen. Zum anderen darf insbesondere bei Betroffenen, die außerhalb Bayerns wohnen, aber auch z.B. bei Ausländern nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden, in welchem bayerischen Regierungsbezirk die Behörde ihren Sitz hat, von der der streitgegenständliche Bescheid stammt.

2. Im Übrigen folgt der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der vorliegenden Beschwerdeentscheidung grundsätzlich den Darlegungen in Abschnitt II der Gründe des Beschlusses vom 19. Juli 2011, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen wird. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht ausführlich aufgezeigt, dass sich die Klägerin die vorübergehend eingetretene Lücke hinsichtlich des Nachweises über das Bestehen einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von Rechts wegen selbst dann zurechnen lassen muss, wenn ihr insoweit kein eigenes Verschulden zur Last fallen sollte (vgl. die auf Seite 9 unten des Beschlusses vom 19.7.2011 beginnenden und mit dem vorletzten Absatz der Beschlussgründe endenden Ausführungen). Das Beschwerdevorbringen wurde deshalb der Sache nach schon in der angefochtenen Entscheidung umfassend gewürdigt.

Ausgenommen von der Bezugnahme nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO sind zum einen die Verweise des Verwaltungsgerichts auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 16 Abs. 5 des (bayerischen) Kostengesetzes (vgl. Seite 8 des angefochtenen Beschlusses). Da § 6 a Abs. 3 Satz 1 StVG ausdrücklich das Verwaltungskostengesetz des Bundes für anwendbar erklärt (vgl. auch § 6 GebOSt), muss statt auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG und statt auf Art. 16 Abs. 5 KG auf § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG abgestellt werden (vgl. zur Anwendbarkeit des Verwaltungskostengesetzes auch § 1 Abs. 2 Satz 2 VwKostG). Ein sachlicher Unterschied ergibt sich hieraus im konkreten Fall indes nicht. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass von den in § 9 Abs. 1 VwKostG genannten Bemessungsparametern nur auf den Gesichtspunkt des mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwandes abgestellt werden darf, da die Erhebung von Kosten für einen ausschließlich belastenden Verwaltungsakt in Frage steht (vgl. zur Relevanz des Aspekts der "Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner" nur bei begünstigenden straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsakten § 6 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StVG, ferner Rebler, SVR 2010, S. 206/209 sowie allgemein Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht für Staats- und Gemeindebehörden in Bayern, Anm. 5 a zu Art. 6 KG).

Auszunehmen von der Bezugnahme nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO sind zum anderen die mit dem letzten Absatz auf Seite 7 beginnenden und bis zum Ende des zweiten Absatzes auf Seite 8 des angefochtenen Beschlusses reichenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts über die rechtskonforme Höhe der angesetzten Gebühr und die damit zusammenhängenden Fragen der Ermessensausübung. Insoweit ist seitens des Verwaltungsgerichtshofs anzumerken:

Bei der Gebühr nach der Nummer 254 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebTSt) handelt es sich um eine Rahmengebühr. Die Bestimmung der konkreten Gebührenhöhe innerhalb eines normativ eröffneten Rahmens stellt grundsätzlich eine Ermessensentscheidung dar (vgl. dazu eingehend Rott/ Stengel, a.a.O., Anm. 9 zu Art. 6 KG). Obwohl weder die Begründung des Bescheids vom 5. Oktober 2010 (unter Einschluss der Ausführungen auf der Rückseite des Bescheidsvordrucks) noch die Darlegungen im Bescheid vom 20. Oktober 2010 erkennen lassen, dass die Beklagte bei der Festsetzung der Gebührenhöhe Ermessen ausgeübt hat, muss nach Sachlage davon ausgegangen werden, dass sie sich des Umstands bewusst war, insoweit über einen normativ nicht strikt determinierten Handlungsspielraum zu verfügen. Denn anders ist nicht erklärbar, warum sich die Beklagte angesichts des von 14,30 € bis 286,00 € reichenden Rahmens, den die Nummer 254 GebTSt eröffnet, dafür entschieden hat, gerade einen Betrag von 32,15 € zu verlangen. Vom Ermessenscharakter dieser Gebührenfestsetzung wäre selbst dann auszugehen, wenn sich der handelnde Amtsträger hierbei von Vorgaben hätte leiten lassen, die z.B. eine übergeordnete Behörde, ein behördeninterner Vorgesetzter, der Stadtrat der Beklagten oder einer seiner beschließenden Ausschüsse über die Höhe der in solchen Fällen anzusetzenden Gebühr aufgestellt hätten. Denn ein der Verwaltung eingeräumtes Ermessen kann in der Weise "zentral gebunden" werden, dass Amtsträger oder Stellen, denen die Befugnis zusteht, Weisungen oder Richtlinien für den Verwaltungsvollzug zu erteilen bzw. aufzustellen, eine bestimmte Ermessensausübung vorgeben.

Von der Problematik, ob beim Erlass eines Ermessensverwaltungsakts überhaupt Ermessen im Sinn von Art. 40 BayVwVfG "ausgeübt" wurde, ist die Frage zu unterscheiden, ob angestellte Ermessenserwägungen in der gebotenen Weise dargelegt wurden. Die letztgenannte Thematik betrifft den Gesichtspunkt der Begründung des Verwaltungsakts im Sinn von Art. 39 BayVwVfG. Wurden die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit einer durch Verwaltungsakt zu treffenden Regelung z.B. nachweislich in einem (kommunalen) Beschlussgremium oder in Besprechungen von Amtsträgern erörtert, wurden die insoweit angestellten Erwägungen in einem Aktenvermerk festgehalten oder lässt sich sonst dartun, dass Ermessen ausgeübt wurde (bzw. muss aufgrund der Eigenart der zu beurteilenden Verwaltungsentscheidung davon ausgegangen werden), wurden die angestellten Ermessenserwägungen jedoch in der Begründung des Ermessensverwaltungsakts nicht zum Ausdruck gebracht, so liegt kein Ermessensausfall vor, der auf eine Anfechtungsklage des Betroffenen hin regelmäßig zur gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsakts wegen Ermessensausfalls führen würde, da ein nicht zumindest ansatzweise wahrgenommenes Ermessen auch nach § 114 Satz 2 VwGO nicht erstmals im gerichtlichen Verfahren ausgeübt werden kann. Wenn Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG bestimmt, dass die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen "soll", von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist, und wenn nach Art. 39 Abs. 2 BayVwVfG auch bei Ermessensverwaltungsakten ggf. von einer Begründung abgesehen werden darf, so folgt daraus ebenfalls, dass die Frage, ob Ermessen ausgeübt wurde, unabhängig davon beantwortet werden muss, ob in einer vorhandenen Begründung des Verwaltungsakts Ermessenserwägungen zum Ausdruck kommen.

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG davon absehen durfte, die Ermessensgesichtspunkte darzulegen, von denen sie sich bei der Festsetzung der konkreten Gebührenhöhe leiten ließ. Denn auch wenn diese Frage zu verneinen sein sollte, wäre die Beklagte nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG berechtigt, entsprechende Darlegungen noch während des gerichtlichen Verfahrens nachzuholen. Es darf - zumal angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im vorliegenden Beschluss - davon ausgegangen werden, dass sie das noch in der gebotenen Weise tun wird.

Bereits jetzt lässt sich ferner mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen, dass die Beklagte bei der Festsetzung der konkreten Gebühr die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens (vgl. Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) eingehalten hat. Bei belastenden Amtshandlungen kommt einerseits die Festsetzung einer Gebühr, die den Verwaltungsaufwand überschreitet, nicht in Betracht (Rott/Stengel, a.a.O., Anm. 5 a zu Art. 6 KG). Von seltenen Fällen abgesehen, in denen die Bemessung einer Gebühr in Höhe des entstandenen Aufwandes grob unbillig wäre und damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße, ist aber kein Grund ersichtlich, eine nicht kostendeckende Gebühr zu erheben. Denn grundsätzlich entspricht es dem Gerechtigkeitspostulat, dass nicht die Allgemeinheit, sondern die Person, die durch eine Verwaltungsmaßnahme zur Erfüllung einer sie treffenden Verpflichtung angehalten wird, die damit einhergehenden Kosten trägt. Sollte eine in kostendeckender Höhe angesetzte Gebühr im Einzelfall aus sachlichen oder persönlichen Gründen unbillig sein, wäre diesem Umstand ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen im Sinn von § 19 VwKostG Rechnung zu tragen (vgl. zu alledem Rott/Stengel, ebenda).

Diese Überlegungen beanspruchen hier umso mehr Geltung, als § 6 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVG davon ausgeht, dass der Verwaltungsaufwand, der mit einer von dieser Bestimmung erfassten Amtshandlung verbunden ist, durch die hierfür erhobene Gebühr abgedeckt wird. § 6 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVG richtet sich unmittelbar zwar nur an den Verordnungsgeber. Die Bindung des Verordnungsgebers an den Kostendeckungsgrundsatz schlägt jedoch auch auf die Gebührenbemessung im Einzelfall - d.h. die Festsetzung der konkreten Gebührenhöhe - durch (BVerwG vom 18.3.2004 NVwZ 2004, 991/993 zu der ähnlich lautenden Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 LuftVG). § 6 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVG enthält deshalb die erforderliche gesetzliche Regelung, ohne die das Kostendeckungsprinzip im Gebührenrecht keine Geltung beansprucht (vgl. dazu z.B. BVerwG vom 8.12.1961 BVerwGE 13, 214/222 ff.).

Es entspricht nach Auffassung des beschließenden Senats in aller Regel pflichtgemäßer Ermessensausübung, Gebühren, die ihre Rechtsgrundlage in Verordnungen finden, die auf der Grundlage von § 6 a Abs. 2 StVG erlassen wurden, so zu bemessen, dass der mit einer belastenden Amtshandlung einhergehende Verwaltungsaufwand zumindest im Wesentlichen vom Gebührenschuldner bestritten wird. Das Kostendeckungsprinzip in der Ausgestaltung, die es in § 6 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVG gefunden hat, bildet deshalb nicht nur eine Obergrenze für die zulässige Gebührenhöhe; in gewissem Umfang - nämlich in Gestalt einer Ermessensleitlinie - ergeben sich aus ihm auch Rechtsfolgen, die der Festsetzung einer unangemessen niedrigen Gebühr entgegenstehen. Hiermit in Einklang steht, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 9. März 2005 (Buchholz 442.066 § 50 TKG Nr. 2) die in der Nummer 261 GebTSt geregelte Rahmengebühr als "eine den mit der Amtshandlung verbundenen Personal- und Sachaufwand deckende Verwaltungsgebühr (§ 6 a Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz StVG)" charakterisiert hat.

Dahinstehen kann aus Anlass des vorliegenden Falles, ob der "mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand" im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG anhand des durchschnittlichen Aufwands zu bestimmen ist, den Amtshandlungen "dieser Art" verursachen (so OVG Berlin vom 25.8.1992 Az. 8 B 59.91 <juris> RdNr. 20; ebenso OVG RhPf vom 1.9.1960 OVGE 8, 116/120; vgl. ferner BVerwG vom 24.3.1961 BVerwGE 12, 162/166), oder ob es auf die speziellen Kosten der konkreten Amtshandlung - wenn auch unter anteilsmäßiger Einbeziehung der einschlägigen Gesamtkosten - ankommt (so BayVerfGH vom 21.2.1967 VerfGH 20, 21/34 zu der mit Art. 6 KG heutiger Fassung insoweit übereinstimmenden Vorschrift des Art. 8 KG in der Fassung vom 17.12.1956, BayBS III S. 442; ebenso Rott/Stengel, a.a.O., Anm. 4.a zu Art. 6 KG). Denn der Aufwand, der bei der Beklagten im Gefolge der Mitteilung der € Sachversicherung AG vom 5. Oktober 2010 angefallen ist, unterscheidet sich - wie aufgrund der wiederholten Befassung des beschließenden Senats mit vergleichbaren Verfahren gerichtsbekannt ist - weder nach oben noch nach unten hin von dem Aufwand, der in solchen Fällen typischerweise entsteht. Die Anwendung eines generalisierenden und eines einzelfallbezogenen Maßstabs wird daher aller Voraussicht nach zu annähernd identischen Ergebnissen führen.

Der Bescheid vom 5. Oktober 2010 wurde durch eine als Sachbearbeiterin tätige Mitarbeiterin der Beklagten vorbereitet und durch einen Verwaltungsamtmann verantwortlich schlussgezeichnet. Die Vorbereitung von auf § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV gestützten Verwaltungsakten erfordert eine fachliche Qualifikation, die derjenigen von Beamten des bisherigen mittleren Dienstes oder von Angestellten in vergleichbaren Entgeltgruppen entspricht. Die Personalvollkosten (vgl. zu ihrer gebotenen Heranziehung bei der Ermittlung des Verwaltungsaufwands Rott/Stengel, a.a.O., Anm. 4.c zu Art. 6 KG) beliefen sich ab dem 1. März 2010 - mithin bei Bescheidserlass - nach der Anlage zum Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 8. März 2010 (abgedruckt bei Rott/Stengel, ebenda) für die ehemalige Laufbahn des mittleren Dienstes je Stunde auf durchschnittlich 37,67 €; die stündlichen Personalvollkosten eines Verwaltungsamtmanns betrugen damals 43,81 €. Geht man auf der Grundlage einer vorsichtigen Beurteilung davon aus, dass die Arbeitskraft der Bediensteten, die an der Erstellung eines auf § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV gestützten, "typischen" Bescheids beteiligt sind, hierdurch insgesamt mindestens eine Dreiviertelstunde lang in Anspruch genommen wird, und berücksichtigt man den anteiligen Einsatz sachlicher Verwaltungsmittel, erscheint es einerseits als ausgeschlossen, dass die angesetzte Gebühr von 32,15 € zu einer Kostenüberdeckung führt; andererseits war die Gebührenbemessung der Beklagten erkennbar von dem Bestreben geprägt, eine annähernde Abgeltung des entstandenen Verwaltungsaufwands zu erzielen.

Einer Kostenentscheidung und einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da sich bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt, dass die Klägerin die im Beschwerdeverfahren nach der Nummer 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz angefallene Festbetragsgebühr zu tragen hat, und außergerichtliche Kosten der Beteiligten nach § 127 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 166 VwGO nicht erstattet werden.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO kein Rechtsmittel eröffnet.






Bayerischer VGH:
Beschluss v. 12.08.2011
Az: 11 C 11.1785


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