Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 18. September 2001
Aktenzeichen: 3 Ws 372/01

(OLG Hamm: Beschluss v. 18.09.2001, Az.: 3 Ws 372/01)

Tenor

Die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils der 3 a. kleinen Straf-

kammer - Jugendkammer - des Landgerichts Bielefeld vom 10.08.1999 wird dahin ergänzt, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen des Neben-

klägers trägt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen trägt der Verurteilte.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Jugendrichter - S hatte den Angeklagten am 09.02.1999 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60,- DM verurteilt.

Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte Berufung eingelegt. Zum auf den 10.08.1999 anberaumten Termin zur Berufungshauptverhandlung waren auch der Nebenkläger sowie sein anwaltlicher Vertreter geladen worden. Vor dem Termin hatte der Angeklagte mit Telefax seines Verteidigers vom 05.08.1999 die Berufung auf das Strafmaß beschränkt. Mit Urteil vom 10.08.1999 hat die Berufungskammer sodann die Berufung des Angeklagten auf seine Kosten mit der Maßgabe ver-

worfen, dass die Tagessatzhöhe auf 40,- DM festgesetzt wird. Eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Berufungsrechtszug ist erkennbar versehentlich unterblieben. Mit Antrag vom 28.11.2000 hat der anwaltliche Vertreter des Nebenklägers die Festsetzung u.a. der notwendigen Auslagen für das Berufungsverfahren gem. § 85 Abs. 3 BRAGO gegen den Angeklagten beantragt. Mit Verfügung des Rechtspflegers vom 29.06.2001 ist der Vertreter des Nebenklägers sodann darüber unterrichtet worden, dass eine Festsetzung der notwendigen Auslagen des Berufungsverfahrens gegen den Angeklagten mangels eines entsprechenden Kostenausspruchs im Berufungsurteil nicht möglich sei. Letzterer hat daraufhin mit Schriftsatz vom 18.07.2001 "Entscheidung über die Kosten des Neben-

klägers in der II. Instanz" begehrt. Die Akten sind daraufhin der Berufungskammer erneut vorgelegt worden, die sie wiederum mit dem Vermerk, dass der Kostenfest-

setzungsantrag des Nebenklägervertreters vom 28.11.2000 als - mangels Zustel-

lung des Berufungsurteils rechtzeitige - sofortige Beschwerde gegen die unvoll-

ständige Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts vom 10.08.1999 auszulegen sei, dem Senat vorgelegt hat.

II.

1.

Der Senat legt mit dem Landgericht den Kostenfestsetzungsantrag vom 28.11.2000, jedenfalls aber das Schreiben des Nebenklägervertreters vom 18.07.2001 als sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsurteils vom 10.08.1999 (§ 464 Abs. 3 StPO) aus. Der Nebenkläger begehrt die nachträgliche Abänderung der aus seiner Sicht unvollständigen Kosten- und Auslagenentscheidung des vorgenannten Berufungsurteils. Hierfür steht ihm als Weg nur die sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 StPO zur Verfügung. Insbesondere scheidet hier - anders als bei einer unvollständigen Kostenentscheidung im Beschlussverfahren - die Anwendung des § 33 a StPO aus, da die angegriffene Kostenentscheidung in einem rechtskräftigen Berufungsurteil getroffen wurde. Die Anwendbarkeit des § 33 a StPO ist aber auf das Beschlussverfahren beschränkt (BGH NStZ 1992, 27; Stuttgart MDR 1990, 271; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 33 a Rdnr. 1 m.w.N.).

2.

Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig eingelegt worden. Der Nebenkläger war nämlich weder in der Hauptverhandlung vor der Berufungskammer anwesend noch ist ihm das Berufungsurteil förmlich zugestellt worden, ebensowenig erfolgte eine förmliche Zustellung an seinen anwaltlichen Vertreter. Die Beschwerdefrist aus §§ 464 Abs. 3 S. 1, 311 Abs. 2 StPO war daher vor Einlegung der sofortigen Beschwerde mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 28.11.2000 bzw. mit dem Schreiben des Vertreters des Nebenklägers vom 18.07.2001 noch nicht in Lauf gesetzt worden.

3.

Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde scheitert hier auch nicht an der Vorschrift des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz StPO. Nach dieser Bestimmung ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 des § 464 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Diese Bestimmung wird in der Rechtsprechung (OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 128

m.w.N.) sowie in der Kommentarliteratur (vgl. nur KK-Franke, StPO, 4. Aufl., § 464 Rdnr. 8) teilweise dahin ausgelegt, dass in den Fällen, in denen infolge wirksamer Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch der Schuldspruch rechtskräftig geworden ist, der Nebenkläger wegen der Rechtsmittelbeschränkung des § 400 Abs. 1 StPO nicht mehr die Möglichkeit haben soll, das Fehlen einer ihn begünstigenden Auslagenentscheidung im Berufungsurteil mit der sofortigen Beschwerde anzufechten. § 400 Abs. 1 StPO bestimme nämlich u.a., dass der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten könne, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt werde. Sei demnach ein mit der Berufung angefochtenes Urteil durch wirksame Rechtsmittelbeschränkung im Schuldspruch rechtskräftig und habe das Berufungsgericht deshalb nur noch über die den Angeklagten betreffenden Rechtsfolgen zu verhandeln und zu entscheiden, sei das hierauf ergangene Urteil auch in der Kosten- und Auslagenentscheidung der Anfechtung der Nebenklage entzogen (OLG Frankfurt, a.a.O.; ebenso OLG Stuttgart, NStZ 1989, 548 und

KK-Franke, a.a.O.).

Demgegenüber vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise im Beschluss des Senats vom 22.09.1994 - 3 Ws 458/94 OLG Hamm -) die Auffassung, dass die Bestimmung des § 400 Abs. 1 StPO nicht zur Begründung der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Nebenklägers gegen die unterlassene Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsurteils herangezogen werden kann. § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz StPO knüpft nämlich den Ausschluss der Beschwerdebefugnis ausdrücklich an die fehlende Statthaftigkeit einer Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer. Dies führt hier zur Zulässigkeit der Beschwerde. Die beschränkte Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers gem. § 400 Abs. 1 StPO beruht nämlich gerade auf dessen fehlender Beschwer im Einzelfall, nämlich in den Fällen, in denen es allein um die verhängte Rechtsfolge der Tat geht bzw. in denen es bereits an einem Anschlussdelikt fehlt (Senat, a.a.O.; LR-Hilger, § 464 Rdnr. 58; ebenso Krehl in HK-StPO, § 464 Rdnr. 16; OLG Brandenburg,

NStZ-RR 1998, 255).

Die hiervon offenbar abweichende Ansicht des 2. Strafsenats des erkennenden Oberlandesgerichts (NStZ-RR 2001, 288; NStZ-RR 1999, 54) teilt der Senat aus den genannten Gründen nicht.

4.

Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers hat auch in der Sache vollen Erfolg. Die notwendigen Auslagen des Nebenklägers waren gem. § 472 Abs. 1 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen. Insoweit war die Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsurteils zu ergänzen. Der Verurteilte hatte seine Berufung nämlich unbe-

schränkt eingelegt. Zu dem Berufungshauptverhandlungstermin waren sodann zunächst auch der Nebenkläger und sein Vertreter, der vor dem Termin auch Akteneinsicht genommen hatte, geladen worden. Erst wenige Tage vor dem Termin zur Berufungshauptverhandlung hatte der Angeklagte sodann über seinen Verteidiger die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Daraufhin sind der Nebenkläger und sein Vertreter zur Berufungshauptverhandlung nicht mehr erschienen. Entsprechend macht der Vertreter des Nebenklägers mit seinem Kostenfestsetzungsantrag allein die Gebühren für das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung gem. § 85 Abs. 3 BRAGO geltend. Auch sonst sind hier keine Umstände erkennbar, die es gebieten würden, gem. § 472 Abs. 1 S. 2 StPO von der regelmäßigen Folge der Belastung des verurteilten Angeklagten mit den notwendigen Auslagen des Nebenklägers gem. §§ 472 Abs. 1 S. 1, 473 Abs. 1 StPO abzusehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer anlogen Anwendung des § 473 Abs. 3 StPO.






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