Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 4. August 2009
Aktenzeichen: 7 O 379/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 04.08.2009, Az.: 7 O 379/08)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Be-klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der dem Zedenten, Herrn T durch den Kauf von Aktien der Beklagten entstanden ist.

Die Beklagte ist ein Kreditinstitut in Form einer Aktiengesellschaft, deren Kunden hauptsächlich mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe sind.

Seit 2001 gründete die Beklagte eine Reihe von Zweckgesellschaften, die in einem Verbund, dem "B", kurz B2, zusammengefasst waren. Einen Großteil seiner Erträge erwirtschaftete das B2 durch Investments in verbriefte internationale Forderungsportfolien, welche auch Forderungen aus dem US-Hypothekenmarkt beinhalteten. Zur Refinanzierung des Erwerbs der Forderungsportfolien gab das Conduit seinerseits sogenannte "C" (C2) heraus, welche am Kapitalmarkt platziert und gehandelt wurden.

Die Beklagte beteiligte sich an diesen Geschäften, indem sie den Zweckgesellschaften Liquiditätslinien zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen zur Verfügung stellte.

Im Geschäftsjahr ......#/......erzielte die Beklagte ein operatives Ergebnis von 263 Mio. € gegenüber 232,5 Mio. € im Jahr zuvor.

Anfang Juli 2007 geriet der Kurs der Aktie der Beklagten im Zuge der US-Immobilienkrise unter Druck. F kam zu einem Kursverfall, der seit dem 09.07.2007 beständig anhielt. Ab dem 25.07.2007 stürzte der Aktienkurs regelrecht ab.

Am 20.07.2007 veröffentlichte die Beklagte ihr vorläufiges Quartalsergebnis (1. April - 30. Juni) in Form einer Pressemitteilung. Darin bestätigte sie die Erwartungen eines operativen Jahresergebnisses von 280 Millionen € und erklärte, dass insoweit die Unsicherheiten im US-Hypothekenmarkt "praktisch keine Auswirkungen" haben würden. Die Veröffentlichung des vollständigen Quartalsberichts kündigte sie für den 14.08.2007 an. Wegen des genauen Inhalts der Pressemitteilung wird auf die Anlage B 10 Bezug genommen.

Ende Juli zeichnete sich ab, dass der Markt für C2 infolge der Probleme auf dem US-Hypothekenmarkt vollständig zusammenbrechen würde und das B2 seine Geschäfte mit den verbrieften Forderungsportfolien nicht würde refinanzieren können. Der Beklagten drohte aus den Liquiditätslinien, die sie zugunsten der B2 vergeben hatte, in Anspruch genommen zu werden.

Im Rahmen eines Standardgeschäfts am 27.07.2007, einem Freitag, erfuhr die Beklagte, dass einer ihrer wichtigen und langjährigen Geschäftspartner im Interbankenmarkt seine Handelslinie an die Beklagte für Neugeschäfte gesperrt hatte. Die Beklagte hatte versucht über ihren Händler in A einen Swap-Auftrag zu platzieren. Dieser Auftrag wurde abgelehnt.

Nach einer Krisensitzung am Wochenende des 28. und 29.07.2007 veröffentlichte die Beklagte am Montag, den 30.07.2007, um 1.49 Uhr eine Adhoc-Mitteilung mit einer Gewinnwarnung. Sie teilte unter anderem mit, dass ihre Bonität in Frage gestellt sei, dass das prognostizierte Jahresergebnis deutlich niedriger als 280 Millionen € ausfallen werde und dass der Vorstandsvorsitzende aus dem Vorstand der Beklagten ausgeschieden sei.

Der Zedent erwarb am 24.07.2007 über die Sparkasse G 200 Stück Aktien der Beklagten zu einem Kurs von 23,95 € und damit zu einem Gesamtpreis in Höhe von 4.844,54 €. Am 28.01.2008 verkaufte er die Aktien zu einem Kurswert von 6,56 €. Er erhielt hierfür 1.283,14 €. Den Differenzschaden macht der Kläger aus abgetretenem Recht als Schadensersatz gegen die Beklagte geltend.

Der Kläger trägt vor: Der Erwerber der Aktien, Herr T, habe ihm die Schadensersatzansprüche abgetreten. Dem Zedenten sei die Presserklärung vom 20.07.2007 bekannt gewesen. Außerdem habe ihm eine Einschätzung der Wirtschaftswoche vom 23.07.2007 (Bl. 77 GA) vorgelegen, in der der Beklagten ein positiver Ausblick attestiert worden sei. Ein Engagement auf dem US-amerikanischen Subprime-Markt sei ihm nicht bekannt gewesen. Dem Vorstandsvorsitzenden seien schon bei der Veröffentlichung der Presseerklärung die eingegangenen Risiken für die Beklagte aus den Investitionen in den US-Immobilienmarkt bewusst gewesen. Der Inhalt der Pressemitteilung vom 20.07.2007 sei, was der Vorstandsvorsitzende gewusst habe, unzutreffend gewesen. Er habe auch gewusst, dass seine falsche Erklärung zu entsprechenden fehlerhaften Anlageentscheidungen führen werde. Dies ergebe sich schon aus den 3-Monatsberichten der Beklagten zum 1. Quartal ......#/......(Bl. 78 ff GA). Danach habe die Beklagte für die B eine Liquiditätslinie von 8,1 Mrd. € zugesagt. Außerdem habe sie Geschäftsdaten (Steigerung des operativen Ergebnisses) verlautbart, die mit den tatsächlichen Verhältnissen nichts zu tun gehabt hätten. Aus der Erklärung ergebe sich für den unbefangenen Leser zugleich, dass die Beklagte in die US-Subprime-Krise praktisch nicht involviert gewesen sei. Selbst der Aufsichtratsvorsitzende habe ausweislich des Zitats Bl. 73 GA, die Presseerklärung in einem solchen T2 verstanden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 3.658,29 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2008 zu zahlen, die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 402,82 € außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht: Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil er die Abtretungsvereinbarung zwischen ihm und dem Zedenten und Aktienerwerber nicht schlüssig dargelegt habe. Der Kläger habe die erforderliche Kausalität zwischen der Kaufentscheidung des Zedenten und den angeblich falschen - tatsächlich nach dem damaligen Kenntnisstand aber richtigen - Informationen nicht dargelegt. Vielmehr habe der Zedent bewusst trotz stark fallender Kurse in die Aktien der Beklagten investiert und das Risiko eines weiteren Kursrückgangs in Kauf genommen. F erscheine schon fraglich, ob dem Zedenten die Presseerklärung, deren Inhalt er falsch wiedergebe, bekannt gewesen sei. Habe er nur durch Dritte von der Pressemitteilung Kenntnis erlangt, so müsse er einen doppelten Kausalitätsnachweis erbringen. Sollte sich dieser Zusammenhang aus dem von dem Kläger nicht näher bezeichneten Artikel in der Wirtschaftswoche ergeben, so müsse er nachweisen, dass dieser Artikel auf die Pressemitteilung zurückgehe und ferner, dass die selbstständige Einschätzung der Wirtschaftswoche, die der Beklagten einen positiven Ausblick attestiert habe, der Beklagten zuzurechnen sei. Ein solcher Kausalzusammenhang sei nicht erkennbar.

Die Beklagte behauptet des Weiteren: Der völlige Zusammenbruch des C3-Marktes und das daraus resultierende Scheitern einer Refinanzierung am Interbankenmarkt seien für sie vor dem 27.07.2007 nicht vorhersehbar gewesen. Im Einklang mit der gesamten Branche habe die Beklagte das Risiko für sehr gering gehalten und auf hohe Ratings der zugrunde liegenden Forderungen geachtet. Etliche andere Bankhäuser, vor allem die amerikanische D, seien von der Krise massiv betroffen. Die streitigen Geschäfte seien seit dem Jahr 2001 unter Hinzuziehung externer Experten und in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), der Deutschen Bundesbank und dem Aufsichtsrat vorbereitet und durchgeführt worden. Über die Umsetzung der festgelegten Strategie für das Segment Verbriefung sei regelmäßig, korrekt und in notwendigem und angemessenem Umfang intern und extern berichtet worden. Dies ergebe sich aus den Geschäftsberichten. Die Risikoeinschätzung der Beklagten decke sich mit derjenigen des Kapitalmarktes bis zur Krise im Sommer 2007. Führende Rating-Agenturen hätten die Risiken noch im März 2007 in einem Special Report für Investoren als gering eingeschätzt.

Die herausgegebenen Presseinformationen seien korrekt gewesen. Nach umfassender interner Beratung habe sie sich zu der Pressemitteilung vom 20.07.2007 entschlossen, um - nach damaliger eigener Ansicht - unzutreffende Gerüchte, sie treffe mit Blick auf den US-Subprime Markt ein substanzielles Risiko, auszuräumen. Sie habe das durch Liquiditätslinien abgesicherte Engagement des B2 wegen der geringen Ziehungswahrscheinlichkeit als praktisch risikolos eingestuft. Sie habe daher die Presseerklärung auf die Risiken der Eigenbilanz konzentriert, die, wie die Analysen der Ratingagenturen X belegen, aus damaliger Sicht die Nervosität des Marktes in Bezug auf die IKB-Bonds nicht rechtfertigten. Sie habe mit der Presseerklärung klarstellen wollen, dass die Auswirkungen der Ratingherabstufungen auf ihr eigenes Portfolio geringer seien als vom Markt offensichtlich vermutet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Unabhängig davon, ob der Kläger infolge der Abtretung aktivlegitimiert ist, steht ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Pressemitteilungen gegen die Beklagte zu.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 826 BGB.

Eine sittenwidrige Schädigung erfordert ein Handeln, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). Dafür genügt im Allgemeinen die bloße Tatsache, dass der Täter eine gesetzliche Vorschrift verletzt, ebenso wenig wie der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss F sich um ein besonders verwerfliches Vorgehen handeln, wobei sich die Verwerflichkeit aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteile vom 19.07.2004, Az. II ZR 271/03, NJW 2004, 2668, 2670 und Az. II ZR 402/02, NJW 2004, 2971, 2973 - "Infomatec"). Das Verhalten der Organe der Beklagten erfüllt die beschriebenen Anforderungen nicht. Dies ergibt der Vergleich mit den Fällen, in denen eine Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen nach § 826 BGB angenommen wurde. So hatte der Vorstand in den oben zitierten "Infomatec"-Fällen wiederholt bewusst unzutreffende Adhoc-Mitteilungen veröffentlicht, beispielsweise über den Erhalt eines Großauftrags, der in Wirklichkeit ein wesentlich geringeres Auftragsvolumen aufwies. Darüber hinaus verfolgten die Vorstandsmitglieder in diesen Fällen mit der Herausgabe der falschen Meldungen auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise "eigene Zwecke". Denn sie besaßen im Millionenumfang Aktien ihres Unternehmens und profitierten auf diesem Wege zumindest mittelbar von eventuellen Kurssteigerungen. Vergleichbares ist der Beklagten nicht vorzuwerfen. Weder hat sie wiederholt nachweisbar falsche Meldungen veröffentlicht, noch haben ihre Vorstandsmitglieder bei den streitgegenständlichen Erklärungen den Kapitalmarkt bewusst getäuscht.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Angaben in der Pressemitteilung über den Umfang des Engagements im US Subprime Markt und die Steigerung des operativen Ergebnisses seien falsch gewesen und der Vorstandsvorsitzende habe dies auch gewusst, so trifft dies einerseits nicht zu und ist andererseits nicht ursächlich dafür geworden, dass die Beklagte in die existenzielle Krise geraten ist, die zu einem Abrutschen der Aktienkurse geführt hat.

Die Beklagte hat sich mit den Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt und dargelegt, dass die in der Presseerklärung dargestellten Geschäftsergebnisse zum damaligen Zeitpunkt zutreffend waren. Das Engagement der Beklagten im US-Hypothekenmarkt ergibt sich aus den Geschäftsberichten. Der Geschäftsbericht ......#/......, auf den der Kläger verweist, gibt auf den Seiten 51 ff die Struktur der verbrieften internationalen Kreditportfolien zum 31.03.2007 wieder . Die Bonitätsstruktur des B3 ist auf S. 52 erläutert. Ausgewiesen sind 11,5 Mrd €. Der Anteil der Investments mit AAA bzw. AA Rating betrug 85%. Vor dem Hintergrund einer Bilanzsumme von 63 Mrd. € zum 31.03.2007 ist auch nicht erkennbar, dass F sich um ein schwerpunktmäßiges Engagement am US-Immobilienmarkt mit schlechten Ratings handelt. Die Geschäftsberichte können im Internet unter http://www.ikb.de/content/de/ir/finanzberichte eingesehen werden.

In dem Geschäftsbericht ......#/......, der gleichfalls unter der angegeben Internetadresse einsehbar ist, heißt F hierzu:

"Am 15. Oktober 2007 wurde dem Aufsichtsrat

über die Ergebnisse der Sonderuntersuchung durch

PwC berichtet. Die Sonderuntersuchung bestätigte,

dass F vor dem 27. Juli 2007 (Präsidium) bzw. 29. Juli

2007 (Aufsichtsrat) keine Hinweise gegeben hat,

die eine Erörterung des Suprime-Exposures oder der

US-Hypothekenmarktkrise bzw. etwaige daraus für

die IKB resultierender existenzbedrohender Folgen

oder Risiken im Aufsichtsrat erforderlich gemacht

hätten. Der Aufsichtsrat war zwar über die Liquiditätszusagen

an die Ankaufsgesellschaften von

B unterrichtet worden, nicht jedoch

über die weitgehenden Risikoübernahmen für die

Liquiditätslinien anderer Liquiditätsliniengeber an die

Ankaufsgesellschaften von B sowie

die komplexen Verflechtungen der Gesellschaft mit

der B und die Risiken einer möglichen

Marktstörung des Asset-Backed-Commercial

Paper-Marktes für die Gesellschaft. Die Sonderuntersuchung

bestätigte ferner, dass das Thema Subprime-

Risiko in der Aufsichtsratssitzung am 27. Juni 2007

durch Fragen von Aufsichtsratsmitgliedern an den

Vorstand angesprochen worden war."

Die Beklagte hat weiter im Einzelnen nachvollziehbar vorgetragen, dass die finanzielle Krise vor dem 27.07.2007 nicht erkennbar war. Hierzu führt sie aus, dass sie auf Grund interner Analysen vom 11. und 19.07.2007 zu dem Schluss gekommen sei, durch die US-Immobilienkrise lediglich in Höhe eines mittleren einstelligen Millionenbetrages betroffen zu sein, so dass sie sich aus ihrer damaliger Sicht unproblematisch refinanzieren konnte. Ferner verweist die Beklagte darauf, dass die Existenz bedrohende M erst eingetreten ist, nachdem ein wichtiger und langjähriger Geschäftspartner im Interbankenmarkt am 27.07.2007 überraschend seine Kreditlinie gekündigt hat, zur gleichen Zeit der C3-Markt zusammengebrochen und dadurch eine Refinanzierung für sie unmöglich geworden ist. Diese Umstände hat sie am frühen Morgen des 30.07.2007 und damit im Hinblick auf das dazwischen liegende Wochenende unverzüglich veröffentlicht. Gründe für eine frühere Veröffentlichung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten bestanden nicht.

Aus dem Vergleich der 3-Monatsberichte ......#/......April-Juni ergibt sich hinsichtlich der Prognose des operativen Ergebnisses auch nicht der Schluss auf eine grobe Falschinformation durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden. Die Informationen zu Neugeschäft und inländischem Kreditgeschäft sind deckungsgleich. Allein die Prognosen der Steigerung des operativen Ergebnisses gehen auseinander. Dies ist zurückzuführen, auf ein negatives Fair-Value-Ergebnis von - 43 Mio € durch die Ausweitung der Credit Spreads. Allerdings beruhen diese Korrekturen auf einer Ex-Post-Betrachtung. Auch dies ergibt sich aus den vorgelegten 3-Monatsberichten. Auf Seite 4 (Bl. 81 GA) heißt F, dass die Verschiebung der Veröffentlichung des Zwischenberichts für das erste Quartal ......#/......die Beklagte dazu veranlasst habe, die Bilanzansätze und Bewertungen zum 30.06.2007 auf der Basis aktueller, wertaufhellender Informationen zum Aufstellungsstichtag am 19.09.2007 nochmals zu überprüfen. Hieraus resultierten nachträgliche Anpassungen von Bewertungen und Finanzlagen, die sich im Fair-Value-Ergebnis niederschlügen. Das operative Ergebnis weiche daher deutlich von den in der Pressemitteilung der Bank zum 20.07.2007 genannten 63 Mio € ab. Die in den 3-Monatsberichten April-Juni 2007 enthaltenen Zahlen lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten diese Zahlen bekannt waren und er mithin bewusst eine falsche Prognose des operativen Erebnisses publiziert hat. Die Unterschiede ergeben sich vielmehr aus einer nachträglichen Wertberichtigung in Kenntnis der auf den 20.07.2007 folgenden Ereignisse.

In subjektiver Hinsicht erfordert § 826 BGB bedingten Vorsatz, das heißt, der Schädiger muss so leichtfertig gehandelt haben, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 826 Rn. 9). Ein derartig leichtfertiges Vorgehen kann den Organen der Beklagten nicht zur Last gelegt werden. Hierzu hat der Kläger gleichfalls nichts vorgetragen mit Ausnahme der pauschal aufgestellten Behauptung, Herr P habe natürlich gewusst, dass die Angaben in der Presserklärung unrichtig gewesen seien. Der der Beklagten in Bezug auf die Beweggründe für die Pressemitteilung vom 20.07.2007 obliegenden sekundären Darlegungslast ist diese aus den oben im Einzelnen dargelegten Gründen hinreichend nachgekommen.

Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB liegen schon nicht vor. Aus diesem Grund bedarf die Frage der Kausalität keiner abschließenden Entscheidung.

An der Kausalität zwischen Pressemitteilung und Kaufentscheidung des Zedenten bestehen allerdings erhebliche Zweifel. Zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des offenen Tatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB muss für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen stets der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen der fehlerhaften Meldung und der individuellen Anlageentscheidung geführt werden, selbst wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist (BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 173/05, Rz. 16 zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 147/05, Rz. 16 zitiert nach juris). Dies hat seinen Grund darin, dass die Anlageentscheidung eines potenziellen Aktienerwerbers einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss darstellt, so dass F grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt (BGH, aaO, jeweils Rz. 13 zitiert nach juris).

Der Kläger hat schon nicht darzulegen vermocht, dass der Zedent überhaupt konkrete Kenntnis von der Pressemitteilung im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gehabt hat. Den Inhalt der Pressemitteilung zitiert er nur mit einem Satz und verweist im Übrigen auf einen positiven Ausblick in einem Artikel der Wirtschaftswoche, den er gleichfalls nicht näher kennzeichnet. Vor diesem Hintergrund besteht nur ein vager Zusammenhang zwischen der Pressemitteilung und dem Aktienerwerb des Zedenten. Dass gerade die Pressemitteilung und nicht eher der positive Ausblick in der Wirtschaftswoche, der der Beklagten nicht unmittelbar zuzurechnen ist, zu dem Kaufentschluss geführt hat, ist nicht dargelegt.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.

Unabhängig davon, dass wie oben ausgeführt F Organen der Beklagten bereits an dem erforderlichen Vorsatz des § 263 StGB fehlte, ist auch nicht ersichtlich, dass der damalige Vorstandsvorsitzende potenziellen Anlegern falsche Tatsachen vorgespiegelt hat. Bei Tatsachen handelt F sich um gegenwärtige oder vergangene Zustände oder Geschehnisse, dagegen grundsätzlich nicht um all dasjenige, das noch in der Zukunft liegt (RGSt 56, 227, 232). Die streitgegenständliche Presserklärung enthält dagegen - jedenfalls im Hinblick auf die streitentscheidenden Formulierungen - keine Tatsachen, sondern gibt Prognosen wieder.

III.

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG.

1.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder ein Abwickler die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Ein Schadensersatzanspruch erfordert also, dass die Pressemitteilung der Beklagten vom 20.07.2007 als Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand anzusehen ist. Dies verlangt einen Bericht, der den Vermögensstand umfassend wiedergibt, so dass er ein Gesamtbild über die wirtschaftliche M ermöglicht und den Eindruck der Vollständigkeit erweckt (BGH, Urteil vom 09.05.2005, Az. II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451; Kropf, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage 2006, § 400 Rn. 21). Ein solcher Bericht kann auch ein Quartalsbericht sein. Denn der Quartalsbericht ist gekennzeichnet durch den Anspruch auf vollständige Information der Adressaten über die Unternehmenssituation im Berichtszeitraum (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Diese Anforderungen sind bei den Erklärungen der Beklagten nicht erfüllt. Denn Bestandteil eines Quartalsberichts sind zwingend Zahlenangaben über Umsatzerlöse und das Ergebnis vor und nach Steuern bzw. eine Gewinn- und Verlustrechnung (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Die Äußerungen bzw. Mitteilungen der Beklagten enthalten diese Angaben jedoch nicht. In der Pressemitteilung vom 20.07.2007 heißt F unter der Überschrift "Vorläufiges Quartalsergebnis", dass angesichts der guten Entwicklungen das operative Ergebnis im 1. Quartal voraussichtlich um 15 % gegenüber dem gleichen Vorjahrsquartal auf 63 Mio. € gesteigert werden könne. Ferner findet sich in der Mitteilung der Hinweis, dass der vollständige Quartalsbericht am 14. August veröffentlicht werde. In den Erklärungen der Beklagten ist also lediglich von Erwartungen und vorläufigen Ergebnissen die Rede. Endgültige Zahlenangaben sind in ihr hingegen nicht enthalten, sondern werden ausdrücklich für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Zudem erwecken beide Informationen nicht den Eindruck der Vollständigkeit. Vielmehr wird klargestellt, dass eine vollständige Übersicht der Vermögensverhältnisse noch herausgegeben wird.

2.

Darüber hinaus fehlt F, aus den bereits oben erörterten Gründen, zumindest auch an dem erforderlichen Verschulden der Beklagten. Aufgrund der Strafnormqualität des § 400 AktG setzt letzteres Tatbestandsmerkmal - wie § 826 BGB - ebenfalls vorsätzliches Handeln voraus.

IV.

Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG aus.

1.

Nach § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist ein Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, Dritten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er F unterlässt, unverzüglich eine Insiderinformation zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft. Der Beklagten lag vor dem Aktienkauf des Klägers am 24.07.2007 keine Insiderinformation vor, deren unverzügliche Veröffentlichung sie unterlassen hat.

Eine Legaldefinition von Insiderinformationen findet sich in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG. Danach ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktwert der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Als Umstände gelten nach § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet dabei, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte zumindest eine überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit, das heißt eine Wahrscheinlichkeit von über 50 %, vorliegen muss (BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris). Einen solchen Umstand hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargetan. Sein Vortrag beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, die Beklagte habe keineswegs nur einen einstelligen Millionenbetrag in faule US-Kredite investiert. Das Risiko habe vielmehr bei ca. 10 Milliarden gelegen.

Wie im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal einer vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB bereits erläutert, beruhten die finanziellen Probleme der Beklagten und damit der Wertverfall ihrer Aktien auf dem Zusammentreffen des vollständigen und dauerhaften Zusammenbruchs des C3-Marktes und der Kappung der Handelslinie am 27.07.2007 durch einen wichtigen Geschäftspartner der Beklagten. Beide Umstände waren für die Beklagte nach ihrem damaligen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Presseveröffentlichung nicht vorhersehbar. Von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ihrer Bonität musste die Beklagte also vor dem Aktienerwerb des Zedenten am 24.07.2007 nicht ausgehen. Vielmehr führten erst die Geschehnisse am 27.07.2007 zu einer Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Beklagten und damit zu einer Pflicht zur unverzüglichen Adhoc-Mitteilung. Mit der Veröffentlichung am frühen Morgen des 30.07.2007 ist die Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen. Mangels Vorliegen einer Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 WpHG im Zeitraum vor dem 27.07.2007 kann mithin die Frage, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit in dem oben beschriebenen Sinne für § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG ausreicht, oder ob sogar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit notwendig ist, dahinstehen (ebenfalls offen gelassen durch BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris).

Das allgemeine Risiko einer Inanspruchnahme ist nicht publikationspflichtig. Aus der Tatsache, dass die Beklagte der B zur Verfügung gestellt hat, folgt das allgemeine Risiko, aus diesen Garantien in Anspruch genommen zu werden. Über dieses Risiko geben die Geschäftsberichte Auskunft. Eine darüber hinausgehende besondere Warnpflicht der Beklagten im Wege einer Adhoc-Mitteilung bestand nicht, weil die Beklagte nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ihrer Bonität vor dem Aktienerwerb am 24.07.2007 ausgehen musste. Die in Bezug genommene X Analyse datiert vom 11.07.2007 und die Analyse von X2 vom 19.07.2007. Die aus Sicht der beiden Analysen kritischen Tranchen hat die Beklagte in der Klageerwiderung dargelegt, ohne dass der Kläger im Folgenden seinen Vortrag zur Unrichtigkeit der Presseerklärung konkretisiert hätte.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert: 3.658,29 €






LG Düsseldorf:
Urteil v. 04.08.2009
Az: 7 O 379/08


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