Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 28. Juli 2004
Aktenzeichen: 6 U 39/04

(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 28.07.2004, Az.: 6 U 39/04)

Tenor

I. Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt der Verfügungskläger.II. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien 250.000 Euro, für die Zeit danach 25.000 Euro.

Gründe

I. Mit Beschlussverfügung vom 18.12.2003 hat das LG Mannheim den Verfügungsbeklagten (Beklagte) untersagt, Fotos des Verfügungsklägers (Kläger) für Werbezwecke zu verwenden bzw. verwenden zu lassen, wie in BILD, Ausgabe Rhein-Neckar vom 14.11.2003 (Anlage K 1) geschehen.

Die beanstandete Werbeanzeige nimmt vergleichend Bezug auf eine Konkurrentenwerbung für eine so genannte Playstation vom Vortag, für die der Kläger sein Bildnis zur Verfügung stellte. Ein Ausschnitt aus dieser Werbung wurde in der Anzeige der Beklagten zum Zwecke der Preisgegenüberstellung wiedergegeben. Der Kläger sieht hierin eine grobe Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und ist der Ansicht, er brauche die Verwendung seines Bildnisses zu Werbezwecken durch die Beklagten nicht hinzunehmen.

Das LG hat auf Widerspruch der Beklagten die einstweilige Verfügung aufrechterhalten. Die angegriffene Werbung verletze den Kläger in seinem Recht am eigenen Bild nach § 22 KunsturhG und damit (auch) in seinem Persönlichkeitsrecht.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die zunächst Aufhebung der Beschlussverfügung und Abweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags begehrt haben.

Mit Rücksicht auf das inzwischen ergangene Urteil des LG Mannheim im Hauptsacheverfahren u.a. auch gegen die Beklagten haben die Parteien im Senatstermin das einstweilige Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

Wegen des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die Schriftsätze sowie auf die Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) verwiesen.

II. Die Kosten des Verfügungsverfahrens sind gem. § 91a Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen, weil dieser im Rechtsstreit unterlegen wäre.

Der Senat ist im Unterschied zu dem landgerichtlichen Urteil der Auffassung, dass weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch das Recht am eigenen Bild als dessen besondere Erscheinensform das Unterlassungsbegehren des Klägers rechtfertigen.

1. Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild (§§ 22 f. KunsturhG) kann in der Werbeanzeige vom 14.11.2003 entgegen der Auffassung des LG nicht erblickt werden, weil es an einem Bildnis des Klägers i.S.v. § 22 KunsturhG fehlt.

a) Allerdings trifft der Ausgangspunkt des LG zu, dass der Begriff des Bildnisses nach ständiger Rechtsprechung die Erkennbarkeit der abgebildeten Person voraussetzt. Ein Bildnis im Sinne dieser Bestimmung ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (BGHZ 26, 349 [351] - Herrenreiter; BGH NJW 1961, 558 - Familie Schölermann; NJW 1965, 2148 [2149] - Spielgefährtin I; NJW 1974, 1947 [1948] - Nacktaufnahme; NJW 1979, 2005 - Fußballtor; NJW 2000, 754 [756] - Blauer Engel). Hierzu genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann. Entscheidend für den Bildnisschutz ist der Zweck des § 22 KunsturhG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden (BGH NJW 1979, 2205 - Fußballtor). Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KunsturhG dadurch Rechnung, dass sie zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt.

b) Diese Anforderungen an ein Bildnis und an den Bildnisschutz sind im Streitfall nicht erfüllt.

Das LG hat es genügen lassen, dass die Person des Klägers in der Werbung der Beklagten von einem erheblichen Teil der Verkehrsteilnehmer an seiner Frisur und Kleidung identifiziert und wiedererkannt wird, obwohl seine Konturen und sein Gesicht nicht abgebildet sind. Dabei stellt das LG auf den hohen Bekanntheitsgrad des Klägers und insb. auf die Veröffentlichung der Werbeanzeige der Marktkonkurrenten der Beklagten vom Vortag ab, die ein entsprechendes Erinnerungsbild bei dem angesprochenen Publikum und namentlich im Bekanntenkreis des Klägers hervorrufe. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Im Unterschied zu den bisher von der Rechtsprechung zu beurteilenden Personenabbildungen liegt im Streitfall ein Personenbild und damit ein Bildnis i.S.v. § 22 KunsturhG nicht vor. Eine Person ist in der streitigen Werbung der Beklagten nicht zu erkennen. Gezeigt wird lediglich ein Bildfragment, das nicht das Abbild einer Person wiedergibt. Es ist weder die Andeutung eines Gesichts noch überhaupt eine menschliche Kontur zu sehen, sodass nichts auf das Bild eines Menschen hindeutet. Dem Betrachter wird ersichtlich kein Mensch in seiner persönlichen Eigensphäre vorgestellt, insb. kann in dem Bildausschnitt weder die Haartracht noch der Nadelstreifenanzug gerade des Klägers entdeckt werden. Es kann im Übrigen nicht angenommen werden, dass sich der Kläger auf Frisur und Nadelstreifen als Kennzeichen seiner Persönlichkeit(smerkmale) reduzieren (lassen) will. Die erkennbaren Bildelemente lassen sich daher entgegen der Auffassung des LG auch nicht zu einem Persönlichkeitsabdruck des Klägers verdichten.

Damit fehlt es an einem Abbild, das den Bildnisschutz auch nach dem weit zu verstehenden Schutzzweck des § 22 KunsturhG auslösen könnte. Der Senat ist überzeugt davon, dass die vom Kläger angeführten Identifizierungsmerkmale nicht geeignet sind, ein (Vorstellungs-) Bild vom Kläger bei dem einen oder anderen Betrachter zu evozieren. § 22 KunsturhG sichert für seinen Anwendungsbereich die Unverfügbarkeit der Persönlichkeit; der Betroffene soll selbst darüber bestimmen können, ob und auf welche Weise er der Öffentlichkeit in seinem äußeren Erscheinungsbild vorgeführt wird. § 22 KunsturhG bezweckt jedoch nicht den Schutz von assoziativen Bildern, welche möglicherweise vor dem inneren Auge des Betrachters entstehen und eine bloße Verbindung zu der Person des Klägers im Sinne eines geistigen Erinnerungsbildes herstellen. Ein Bild, das lediglich eine Assoziation der Abbildung einer Person beim Betrachter hervorruft, aber keine Merkmale dieser Person wiedergibt, ist kein Bildnis i.S.v. § 22 KunsturhG.

2. Die Herbeiführung einer bloß gedanklichen Verknüpfung und geistigen Reproduktion des Bildnisses des Klägers bei dem angesprochenen Publikum kann jedoch als Verfügung über seine Person das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. § 823 Abs. 1 BGB verletzen. Ob ein rechtswidriger Eingriff vorliegt, ist jeweils anhand des Einzelfalles festzustellen; denn wegen der Eigenart des durch das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite, hier insb. mit den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beklagten (Art. 12, 14 GG), bestimmt werden. Hierzu sind in der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH Abwägungskriterien u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Hiernach sind neben der besonders hohen Schutz genießenden Geheim- und Intimsphäre (vgl. BGH NJW 1974, 1947 [1949] - Nacktaufnahme), die aber im Streitfall nicht in Rede steht, auch die Individual- und Privatsphäre anerkannt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 823 Rz. 87 m.w.N.).

Im Streitfall ist die Sozialsphäre des Klägers betroffen, der seine Person (mit Bildnis) aus kommerziellen Gründen fremden Werbeinteressen zur Verfügung gestellt hat. Damit hat er, was sine Außendarstellung anlangt, von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dient seit je her auch dem Schutz kommerzieller Interessen der Persönlichkeit (BGH v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 = MDR 2000, 1147 = NJW 2000, 2195 [2196] - Marlene Dietrich m.w.N.). Dieses Recht besteht in der sozialen Realität jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur innerhalb der bestehenden Rechts- und Wettbewerbsordnung. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung der beteiligten Interessen kann der Kläger nicht beanspruchen, dass den Beklagten untersagt werde, seine Person im Preiswettbewerb auch nur gedanklich ins Spiel zu bringen bzw. zu zitieren. Bei der angegriffenen Anzeige der Beklagten handelt es sich um eine vergleichende Werbung in Form einer Preisgegenüberstellung, die nach § 2 UWG a.F. = § 6 UWG n.F. zulässig ist. Hiernach ist Voraussetzung für ein rechtmäßiges Wettbewerbsverhalten, dass nicht nur der vom Konkurrenten beworbene und der eigene Preis genannt werden, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, um welchen Wettbewerber und um welche Referenzwerbung es sich handelt.

Mit der Wiedergabe der in Bezug genommenen Werbung knüpfen die Beklagten mit der größtmöglichen Authentizität an das zum Gegenstand des Vergleichs gemachte Preisangebot des Mitbewerbers an (BGH WRP 2001, 1441 [1444] - Preisgegenüberstellung). Das von der Beklagten veröffentlichte Fragment der Werbung des Marktkonkurrenten dient ersichtlich lediglich dazu, die Originalwerbung zu belegen. Dies geschieht unter Schonung der Persönlichkeitsinteressen des Klägers, dessen kennzeichnende Persönlichkeitsmerkmale aus dem Abbild eliminiert worden sind, jedenfalls bis auf einen kleinen Restbestand, der als eine Art Puzzlestück den Nachweis für die Wiedergabe der Originalwerbung liefern soll. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Kläger gegen seinen Willen in die Werbung der Beklagten eingespannt und als Werbeträger ausgenutzt worden wäre.

Das angegriffene Wettbewerbsverhalten unterliegt damit nicht dem Verbietungsrechts des Klägers. Vielmehr muss der Kläger, der sich seinerseits für den Marktkonkurrenten exponiert hat, ein solches Verhalten am Markt hinnehmen. Seine Persönlichkeitsinteressen können insoweit einen Vorrang vor der wirtschaftlichen Interessesphären der Beklagten nicht beanspruchen.

3. Der Streitwert ist gem. § 3 ZPO festgesetzt worden.






OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 28.07.2004
Az: 6 U 39/04


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