Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Januar 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 24/02

(BPatG: Beschluss v. 13.01.2004, Az.: 14 W (pat) 24/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Patent 39 15 327 wird aufrechterhalten.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Dezember 2001 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 39 15 327 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von kalorienarmen, milchfetthaltigen Aufstrichprodukten"

widerrufen.

Dem Beschluss liegen die erteilten Ansprüche 1 bis 8 zugrunde, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

siehe Abb. 1 am Ende 1. Verfahren zur Herstellung eines Aufstrichproduktes mit einem Fettgehalt von 20 bis 50 % vom Emulsionstyp WasserinÖl unter Zusatz der für derlei Produkte üblichen Stabilisatoren in trockener Form, dadurch gekennzeichnet, dassa) man Rahm auf einen Fettgehalt von 40 bis 85 % aufkonzentriert und dessen Emulsion durch mechanische Bearbeitung in einem semi- oder vollkontinuierlichen Verfahren zerstört, b) die Stabilisatoren entweder inline nach zeitweiliger Separation der Fett von der Wasserphase oder in einem separaten Ansatz in Fett dispergiert und anschließend dem Emulsionsansatz zufügt undc) aus der Fett- und Wasserphase dann die gewünschte Emulsion herstellt, wobeid) die Fettphase Milchfettanteile zwischen 10 und 100 % enthält.

Der Widerruf des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 von dem aus

(8) DD 218 832 A1 bekannten Verfahren neuheitsschädlich vorweggenommen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberinnen. Sie machen geltend, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 sowohl gegenüber den Druckschriften (8) und

(2) DE 25 08 133 A1 neu sei, als auch von einer Kombination dieser Schriften mit

(10) US 4 696 826 nicht nahegelegt werde und damit patentfähig sei.

Die Patentinhaberinnen beantragen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 7, im übrigen wie Hauptantrag.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberinnen und macht im wesentlichen geltend, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 sowohl von (8) als auch von (2) neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Dies verdeutliche die von ihr in der mündlichen Verhandlung überreichte Merkmalsanalyse. Im übrigen beruhe das Verfahren gemäß Anspruch 1 gegenüber einer Kombination von (8) und (10) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hauptanspruch gemäß Hilfsantrag mit Proteinen als Stabilisatoren sei ebenfalls gegenüber (2) nicht neu.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 8, welche besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffen, sowie der Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberinnen ist zulässig (PatG § 73); sie führt auch zum Erfolg.

1. Die erteilten und weiterhin geltenden Ansprüche gemäß Hauptantrag sind zulässig. Der Anspruch 1 geht aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 4 iVm S 1 Z 1 u 2 von unten hervor. Der Anspruch 2 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 15 und die Ansprüche 3 bis 8 entsprechen den Ansprüchen 5, 6, 7, 8, 16 und 17 der Erstunterlagen. Der Ansprüche sind auch sonst nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für das Merkmal b) im Anspruch 1, denn die Stabilisatoren sollen entweder inline nach zeitweiliger Separation oder in einem separaten Ansatz in Fett dispergiert werden. Dadurch wird eindeutig die Dispergierung der Stabilisatoren auf die Fettphase festgelegt.

Im Hinblick auf die unterschiedliche Auslegung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 durch die Beteiligten hinsichtlich der Frage, ob die üblichen Stabilisatoren in trockener Form ausschließlich in der Fettphase dispergiert werden oder ob vom Anspruch 1 auch eine Dispergierung solcher Stabilisatoren in der Wasserphase umfasst wird, sei Folgendes angemerkt. Im Anspruch 1 ist angegeben und damit eindeutig festgelegt, dass gemäß Merkmal b) die Stabilisatoren, d.h. die gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs üblichen Stabilisatoren in trockener Form für Emulsionen vom Typ WasserinÖl, in Fett dispergiert werden. Durch die Angabe des bestimmten Artikels "die" für die Stabilisatoren bleibt kein Raum für die Auslegung, solche Stabilisatoren auch zusätzlich in der Wasserphase, sei es gemäß Merkmal b) oder in einem anderen Verfahrenschritt des Verfahrens nach Anspruch 1, zu dispergieren. Zusätze zur Wasserphase werden im Anspruch 1 hingegen nicht aufgeführt. Auch in der Beschreibung wird ein Hinzufügen von Stabilisatoren zur Wasserphase nicht beschrieben, sondern lediglich angegeben, dass die zur Einstellung der Fettgehaltsstufe erforderliche Wassermenge gegebenenfalls die wasserlöslichen Additive, wie beispielsweise Säureregulatoren oder Kochsalz, enthält (Sp 1 Z 55-61). Die Erläuterungen in der Beschreibung bestätigen also, dass vom Anspruch 1 keine Verfahren umfasst werden, bei denen Stabilisatoren neben der Fettphase auch in der Wasserphase dispergiert werden.

2. Das Verfahren zum Herstellen von Verzehrgütern nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist neu. In keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ist ein Verfahren mit sämtlichen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen beschrieben.

(8) betrifft ein Verfahren zur Herstellung von energiereduzierten, also kalorienarmen Fett- und Wasseremulsionen als Lebensmittel u.a. vom Typ WasserinÖl, bei dem ein Teil eines Emulgatorgemisches der Fettphase zugesetzt wird (Anspruch 1). Dabei wird gemäß Beispiel 5 eine rekonstituierte, kalorienreduzierte Butter mit einem Fettgehalt von 45% aus Butterschmalz, dem u.a. ein Polyglycerolester zugesetzt wurde, und einer Wasserphase mit Zusätzen von Magermilchpulver, Maisstärke und einem Monoglyceridemulgator durch Verarbeitung in einem Margarine-Kombinator hergestellt. Polyglycerolester fallen nach Anspruch 2 des Streitpatents unter die in der Fettphase dispergierten Stabilisatoren. Damit wird nach (8) zwar einer der Stabilisatoren gemäß Anspruch 2 des Streitpatents der Fettphase zugesetzt. Bei den energiereduzierten Emulsionen nach (8) werden aber immer auch Stabilisatoren, wie Proteine und Polysaccharide, die unter die Stabilisatoren gemäß Streitpatent fallen, der Wasserphase zugefügt (Anspruch 1 iVm sämtlichen Beispielen). Da gemäß Streitpatent aber die Stabilisatoren ausschließlich in der Fettphase zu dispergieren sind, wird das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents von (8) nicht vorweggenommen.

Das Gleiche gilt für das Aufstrichmittel mit niedrigem Fettgehalt (38-50%) auf Butterfettbasis gemäß (2). Diese Aufstrichmittel liegen zwar als WasserinÖl-Emulsion vor, und der Fettphase kann wenigstens ein Teil der Milchproteine, also Stabilisatoren im Sinne des Streitpatents, in Pulverform zugesetzt werden (Ansprüche 1 und 3 sowie S 9 Abs 2). Aber auch hier werden Stabilisatoren gemäß Streitpatent, nämlich nicht von Milch stammende hochmolekuare Substanzen, insbesondere Hydrokolloide, wie die Polysaccharide Pektin oder Carrageen, zwingend immer der Wasserphase zugesetzt (Ansprüche 1 und 11 iVm S 6 Abs 2 und den Beispielen).

Beim Verfahren zur Herstellung einer Sojaprotein enthaltenden Emulsion gemäß (10) wird der Einsatz von Milchfett, der nach den Merkmalen a) und d) des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgeschrieben ist, ausgeschlossen (Anspruch 1 iVm Sp 2 Z 38-39). Die weiteren im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens genannten Druckschriften liegen dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ferner und können daher ebenfalls seine Neuheit nicht in Frage stellen.

3. Das Verfahren zum Herstellen eines Aufstrichproduktes nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Patent betrifft mit seinem Anspruch 1 ein Verfahren zur Herstellung eines Aufstrichproduktes mit einem Fettgehalt von 20 bis 50 % gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Bekannte Verfahren dieser Art sind mit Nachteilen verbunden, die darin bestehen, dass aufwändige Installationen oder Technologien erforderlich sind, sensorische Probleme auftreten, die hergestellten Emulsionen nicht die nötige Stabilität aufweisen oder die hergestellten Produkte bakteriologisch gefährdet sind (vgl Sp 1 Z 18 - 25). Zur Lösung dieser Probleme schlägt das Patent das im Anspruch 1 im Einzelnen angegebene Verfahren vor.

Ausgangspunkte waren dabei für einen Fachmann, einen Lebensmittelingenieur oder Lebensmittelchemiker mit Erfahrung in der Molkereitechnik, die aus (2) und (8) bekannten Verfahren. Aus beiden Druckschriften geht nämlich hervor, dass zur Herstellung von kalorienarmen Aufstrichprodukten auf Milchfettbasis in Form von WasserinÖl-Emulsionen sowohl Emulgatoren als auch Stabilisatoren zugesetzt werden müssen, um die Emulsionen mit ihrem erhöhten Wasseranteil stabil zu halten ((2) Anspruch 1 iVm S 2 Abs 2, (8) Anspruch 1 iVm S 4 Abs 3). Nach (2) und (8) kann zwar wenigstens ein Teil der Stabilisatoren gegebenenfalls in Fett dispergiert werden (vgl (2) S 9 Abs 2 und (8) Beispiel 5). Bei diesen bekannten Verfahren wird aber immer zugleich vorgeschrieben, Stabilisatoren im Sinne des Streitpatents auch der Wasserphase zuzusetzen. Ein Hinweis, im Gegensatz dazu jetzt alle solche Stabilisatoren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ausschließlich der Fettphase zuzusetzen, erhält der Fachmann aus (2) und (8) nicht.

Auch unter Hinzuziehen der Druckschrift (10) konnte der Fachmann nicht dazu angeregt werden, bei einem Verfahren zur Herstellung kalorienarmer Aufstrichprodukte mit einem Fettgehalt von 20 bis 50 % vom Emulsionstyp WasserinÖl auf Milchfettbasis, die Stabilisatoren ausschließlich der Fettphase zuzufügen. Denn (10) betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Emulsionen, bei dem zwar Sojaprotein einem Nichtmilchfett, also einer Fettphase, zugefügt wird, aber im Gegensatz zum Gegenstand des Streitpatents Ölin-Wasser-Emulsionen gebildet werden, die bekanntlich durch Öltröpfchen in einer kontinuierlichen Wasserphase charakterisiert sind (Anspruch 1 iVm Sp 1 Z 44-50 u Sp 2 Z 31-34). Aus der Angabe in (10), wonach die Dispergierung des Proteins in der Ölphase der Dispergierung in der Wasserphase vorzuziehen sei, da das Protein durch die kleinere Wegstrecke innerhalb der Öltröpfchen schneller zur Grenzfläche gelange (Sp 2 Z 24-34), musste der Fachmann aber schließen, zur Stabilisierung einer WasserinÖl-Emulsion, die durch Wassertröpfchen in einer kontinuierlichen Ölphase gekennzeichnet ist, dann die Proteine in der Wasserphase zu dispergieren, wie es auch bei (2) und (8) der Fall ist. Damit gelangt der Fachmann auch unter Hinzuziehen der Druckschrift (10) nicht zum Verfahren gemäß Anspruch 1. Er musste vielmehr erfinderisch tätig werden, um im Gegensatz zu den bekannten Verfahren zur Herstellung kalorienarmer Aufstrichprodukte auf Butterfettbasis nunmehr mit einem Verfahren gemäß Anspruch 1, bei dem die Stabilisatoren in der Fettphase dispergiert werden, die vorstehend beschriebenen Probleme zu lösen.

Die Berücksichtigung der weiteren dem Senat vorliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.

4. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit.

Der dem Hauptantrag zugrundeliegende erteilte Anspruch 1 hat somit Bestand. Die geltenden erteilten Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und sind somit mit diesem rechtsbeständig.

Bei dieser Sachlage bleibt für ein Eingehen auf den Hilfsantrag der Patentinhaberinnen kein Raum.

Schröder Harrer Gerster Schuster Pü/wa Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 13.01.2004
Az: 14 W (pat) 24/02


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