Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. September 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 145/02

(BPatG: Beschluss v. 24.09.2002, Az.: 24 W (pat) 145/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenabteilung 9.1. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juni 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 8. Januar 1991 angemeldete Bildmarke 2 001 140 ist für Dienstleistungen der Klasse 42 am 16. April 1991 in das Markenregister eingetragen worden. Mit Bescheid vom 22. Mai 2001 hat die Markenabteilung 9.1. des Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 47 Abs. 3 MarkenG (aF) dem Vertreter der (früheren) Markeninhaberin mitgeteilt, die Schutzdauer der Marke sei mangels Zahlung der Verlängerungsgebühr am 8. Januar 2001 abgelaufen, so daß die Marke gelöscht werde, wenn die Markeninhaberin nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats, in dem die Mitteilung zugegangen sei, die Verlängerungsgebühr einschließlich eines Zuschlages entrichte. Da die Zahlung der Verlängerungsgebühr nicht innerhalb dieser Frist erfolgte, teilte das Deutsche Patent- und Markenamt mit Bescheid vom 23. Januar 2002 der Markeninhaberin mit, ihre Marke stehe zur Löschung an. Zwischenzeitlich war die Marke übertragen und mit Verfügung vom 22. Oktober 2001 auf die (jetzige) Markeninhaberin umgeschrieben worden.

Die Markeninhaberin hat mit am 11. Februar 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz vom 4. Februar 2002 unter Zahlung der Verlängerungsgebühr und des gesetzlichen Zuschlags Wiedereinsetzung in die Zahlungsfrist beantragt.

Nachdem die damalige Markeninhaberin den Bescheid nach § 47 Abs. 3 MarkenG (aF) erhalten habe, habe diese entschieden, die Marke auf die zwischenzeitlich gegründete und jetzige Markeninhaberin zu übertragen. Ursprünglich sei von der früheren Markeninhaberin und Geschäftsführerin der jetzigen Markeninhaberin zutreffend als Zahlungsfrist der 31. Dezember 2001 notiert und die mit der Durchführung von Überweisungen beauftragte Angestellte angewiesen worden, rechtzeitig die Gebühr sowie den Zuschlag zu überweisen. Als die Marke vor Ablauf der Zahlungsfrist umgeschrieben worden sei, habe diese ansonsten gewissenhafte, äußerst sorgfältige Mitarbeiterin irrtümlich angenommen, nach der Umschreibung werde eine erneute Kostenrechnung an die jetzige Markeninhaberin gesandt. Deshalb habe sie von einer Zahlung abgesehen.

Die Markenabteilung 9.1. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Die Entscheidung wird damit begründet, der geltend gemachte Rechtsirrtum der Angestellten der Markeninhaberin stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Die jetzige Markeninhaberin habe als Rechtsnachfolgerin alle mit der Marke zusammenhängenden Rechte und Pflichten übernommen. In der Mitteilung nach § 47 Abs. 3 MarkenG (aF) vom 22. Mai 2001 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß kein zweiter Bescheid ergehe. Auch treffe die Markeninhaberin ein Organisationsverschulden, wenn sie ihrer Mitarbeiterin Aufgaben übertrage, für die diese nicht ausgebildet oder im Einzelfall angeleitet werde. Da die Geschäftsführerin sich die Frist selbst notiert habe, sei sie verpflichtet gewesen, sich auch selbst von der Erledigung der Zahlung zu überzeugen. Insoweit hätte sie dann Gelegenheit gehabt, die fehlerhafte Auffassung ihrer Mitarbeiterin zu korrigieren. Im übrigen seien die näheren Umstände der Vorgänge nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht worden, so daß die Frage, wen das Verschulden treffe, ohnehin nicht beurteilt werden könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung trägt sie vor, da die Mitarbeiterin bisher immer zuverlässig und sorgfältig Überweisungen ausgeführt habe, habe sich die Geschäftsführerin der Markeninhaberin darauf verlassen können, daß dies auch im vorliegenden Fall geschehen werde, zumal die Geschäftsführerin gegenüber der Angestellten nie zu erkennen gegeben habe, daß sie der Meinung sei, es werde noch ein zweiter Bescheid ergehen. Da es allein auf ein Verschulden der Geschäftsführerin ankomme, nicht auf das der Angestellten, sei der Antrag auf Wiedereinsetzung begründet.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Dem form- und fristgerecht eingelegten Wiedereinsetzungsantrag (§ 91 Abs 2 MarkenG) ist stattzugeben, da weder ein Verschulden der Markeninhaberin selbst noch ihres Verfahrensbevollmächtigten zur Fristversäumung geführt haben.

Nach § 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, daß er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Dem Antragsteller ist dabei ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, nicht jedoch das Verschulden des eigenen Büropersonals oder des Büropersonals des Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen (§ 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG, § 85 Abs 2 ZPO). Bei der Beurteilung des Verschuldens ist als Maßstab die Beachtung der üblichen, im Einzelfall zumutbaren Sorgfalt zugrundezulegen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen (vgl BGH NJW 1995, 1710).

Danach hat die Markeninhaberin glaubhaft machen können, daß sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Zahlung der vollständigen Anmeldegebühren gehindert war. Aus dem Vortrag der jetzigen Markeninhaberin und der eidesstattlichen Versicherung der früheren Markeninhaberin und Geschäftsführerin der jetzigen Markeninhaberin, Frau K..., die die Vorgänge aus eigenem Wissen bekundet hat, ergibt sich, daß es sich um ein ausschließliches Versehen des Büropersonals der Markeninhaberin gehandelt hat. Es besteht kein Anlaß für Zweifel am Wahrheitsgehalt der konkreten Darstellung des Sachverhalts, denn die Vorgänge sind nachvollziehbar wiedergegeben und widersprechen nicht der Lebenserfahrung. Auch fehlen Anhaltspunkte für ein Organisationsverschulden. Die Geschäftsführerin der jetzigen Markeninhaberin hat in der eingereichten eidesstattlichen Versicherung ausgeführt, ihre Angestellte, Frau B..., nehme regelmäßig Überweisungen vor. Außerdem handle es sich um eine gewissenhafte, äußerst sorgfältige Mitarbeiterin, die angewiesen worden sei, die Gebühr rechtzeitig zu zahlen. Damit gibt es keinen Grund, die Durchführung der Zahlung nochmals selbst zu überprüfen oder die Überweisung selbst durchzuführen. Selbst Anwälte, für die erhöhte Sorgfaltspflichten gelten, dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Angestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, derartige Weisungen sorgfältig befolgt (vgl hierzu BGH, NJW 1996, S 130; vgl auch BPatG vom 7. Februar 2001 - 32 W (pat) 195/00, Zusammenfassung veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM). Es besteht keine Verpflichtung des Anwalts, sich anschließend über die Richtigkeit der Ausführung zu vergewissern (BGH NJW 2000, 2823). Insbesondere kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen eines Verfahrensbevollmächtigten für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn konkrete Anweisungen erteilt worden sind, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten (BGH NJW 2000, 2823). Diese Maßstäbe müssen erst recht für Geschäftsleute gelten. Da somit vorliegend selbst die strengen für Anwälte geltenden Anforderungen erfüllt sind, liegt kein Fehlverhalten der Geschäftsführerin vor, das die Anmelderin sich zurechnen lassen müßte.

Dr. Ströbele Dr. Hacker Guth Cl/Ko






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Az: 24 W (pat) 145/02


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