Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Juli 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 307/05

(BPatG: Beschluss v. 31.07.2007, Az.: 21 W (pat) 307/05)

Tenor

Das Patent DE 101 14 290 wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Erteilung des am 23. März 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 101 14 290 mit der Bezeichnung "Desktop-Verfahren zur Herstellung von Dentalprodukten unter Verwendung des 3D-Plottings" ist am 12. August 2004 erfolgt.

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:

Verfahren zur Herstellung von dentalen Formteilen für die Zahnrestauration und/oder den Zahnersatz und/oder von Hilfsteilen dafür, durch schichtweises Auftragen von Mikrosträngen oder Mikrotropfen von Mischungen und/oder Kombinationen von schmelzbaren, polymerisierbaren, polykondensierbaren, polyaddierbaren, thermisch und/oder mit UV- und/oder sichtbarem Licht härtbaren ungefüllten oder verstärkten Monomeren, Oligomeren und/oder Polymeren sowie keramischen Massen mit der 3D-Plottechnologie auf eine feste Unterlage oder in eine Flüssigkeit zur Bildung der dentalen Formteile wobei jede Schicht vor dem Auftragen der nächsten Schicht wenigstens teilweise ausgehärtet oder mit Hilfe von Licht wenigstens teilweise polymerisiert wird und wobei alle Schichten nach dem Auftragen der letzten Schicht fertig ausgehärtet und/oder durchpolymerisiert werden.

Wegen der weiteren Ansprüche 2 bis 42 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent sind am 11. bzw. 12. November 2004 zwei Einsprüche erhoben worden mit der Begründung, der Patentgegenstand beruhe gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und die Ansprüche seien im Übrigen unzulässig erweitert. Hierzu verweisen die Einsprechenden u. a. auf folgende Druckschriften:

D1 R. Landers, R. Mülhaupt, "Desktop manufacturing of complex objects, prototypes and biomedical scaffolds by means of computerassisted design combined with computerguided 3D plotting of polymers and reactive oligomers", in Macromol. Mater. Eng. 2000, 282, S. 17 - 21 D8 EP 1 021 997 A2.

Die Einsprechenden stellen den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 101 14 290 beschränkt aufrechtzuerhalten mit dem Patentanspruch 1 gemäß der 3. Hilfsfassung, eingegangen bei Gericht am 30. Juli 2007, unter Streichung der Wörter "sowie keramischen Massen", dem sich die erteilten Unteransprüche 2 bis 18 unter Streichung der Wörter "oder Keramik" in Patentanspruch 15 anschließen sollen, hilfsweisedas Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit dem Patentanspruch 1 gemäß der 3. Hilfsfassung, eingegangen bei Gericht am 30. Juli 2007, unter Streichung der Wörter "sowie keramischen Massen", dem am Ende hinzugefügt wird: "wobei durch Variation der Materialien im Verlaufe des Plottens Gradientenmuster erzeugt werden", dem sich die erteilten Unteransprüche 2 bis 18 unter Streichung der Wörter "homogene oder" in den Patentansprüchen 3 und 4 und der Wörter "oder Keramik" in Patentanspruch 15 anschließen sollen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet mit einer Merkmalsgliederung:

M1 Verfahren zur Herstellung von dentalen Formteilen für diea Zahnrestauration und/oderb den Zahnersatz und/oderc von Hilfsteilen dafür, M2 durch schichtweises Auftragen von Mikrosträngen M3 von Mischungen und/oder Kombinationen vona schmelzbaren, b polymerisierbaren, c polykondensierbaren, d polyaddierbaren, M4 a thermisch und/oderb mit UV- und/oderc sichtbarem Licht härtbaren M5 a ungefüllten oderb verstärkten M6 a Monomeren, b Oligomeren und/oderc Polymeren M7 mit der 3D-Plottechnologie M8 auf eine feste Unterlage zur Bildung der dentalen Formteile, M9 wobei jede Schicht vor dem Auftragen der nächsten Schichta teilweise ausgehärtet oderb mit Hilfe von Licht teilweise polymerisiert wird, M10 wobei die Düse der Auftragsvorrichtung nach der Art eines Plotters gesteuert wird und währenddessen den Materialstrang abgibt und M11 wobei jede Schicht nicht vollständig durchpolymerisiert, sondern soweit polymerisiert wird, dass sie eine ausreichende Festigkeit für das Auftragen der nächsten Schicht über ein dreidimensionales Auftragsverfahren aufweist und M12 dass sie in dem nächsten und den folgenden Schritten fertig polymerisiert wird, M13 wobei alle Schichten nach dem Auftragen der letzten Schicht fertig ausgehärtet und/oder durchpolymerisiert werden1.

1Das Merkmal "wobei alle Schichten nach dem Auftragen der letzten Schicht fertig ausgehärtet und/oder durchpolymerisiert werden" ist als unzulässige Erweiterung bei der Prüfung der Schutzfähigkeit nicht zu berücksichtigen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist zusätzlich noch die Merkmalsgruppe M14 auf:

M14 wobei durch Variation der Materialien im Verlaufe des Plottens Gradientenmuster erzeugt werden.

Die Patentinhaberin hält den Gegenstand des Anspruchs 1 für neu und erfinderisch. Sie führt im Wesentlichen aus, dass aus der Druckschrift D1 keine Teilpolymerisierung der Schichten, keine feste Unterlage und keine Gradientenerzeugung bekannt seien.

Nach Auffassung der Einsprechenden enthalten auch die Hilfsanträge nichts Patentfähiges und deren Ansprüche sind ebenfalls unzulässig erweitert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Fall nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung zuständig. Ablauf und Aufhebung dieser befristeten Zuständigkeitsregelung durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes" vom 26. Juni 2006 stehen dem nicht entgegen. Dies folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 17 Abs. 1 S. 1 GVG, 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit "perpetuatio fori" (vgl. hierzu ausführlich BPatG Beschl. v. 19. Oktober 2006 - 23 W (pat) 327/04 sowie BGH, Beschl. v. 17. April 2007 - X ZB 9/06 - Informationsübermittlungsverfahren I und BGH, Beschl. v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05 Informationsübermittlungsverfahren II).

Die zulässigen Einsprüche haben auch Erfolg, denn die Verfahren des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind nicht patentfähig. Die Verfahren der Patentansprüche 1 nach dem Haupt- und Hilfsantrag ergeben sich für den zuständigen Fachmann, hier aufgrund der behandelten Polymerchemie ein Dipl.-Chemiker mit Erfahrungen bei der Herstellung von dentalen Formteilen, in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik (§§ 1, 4 PatG).

Das Patent ist daher zu widerrufen (§ 61 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

Aufgrund der zutreffenden Rüge der Einsprechenden II, dass die Merkmalsgruppe M13 ursprünglich nicht offenbart sei, hat die Patentinhaberin den Anspruch 1 mit einem Disclaimer eingeschränkt, wonach dieses Merkmal hinsichtlich des Schutzumfanges zwar zu berücksichtigen ist, hinsichtlich der Patentfähigkeit aber mangels der ursprünglichen Offenbarung nicht zu berücksichtigen ist. Dieses Merkmal wird bei der folgenden Beurteilung der Patentfähigkeit außer Acht gelassen. Ob die weiteren Merkmale im Anspruch 1 ursprünglich offenbart sind, kann dahin stehen, da die Gegenstände der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag jedenfalls nicht patentfähig sind.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von dentalen Formteilen, die formfrei schichtweise zu 3-dimensionalen Objekten zusammengefügt werden (siehe PS, Absatz [0001]).

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von Dentalprodukten zu schaffen, das die Herstellung der verschiedenartig strukturierten Formteile aus den verschiedensten Materialien erlaubt und nur geringe Investitionskosten erfordert (siehe PS, Absatz [0013]).

1. Der Fachmann gelangt durch eine Zusammenschau der Druckschriften D1 und D8, ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Aus der Druckschrift D1 ist als nächstkommender Stand der Technik ein Verfahren zur Herstellung von Formteilen bekannt (siehe Titel), M2= durch schichtweises Auftragen von Mikrosträngen (siehe Fig. 1 "strand")

M3b= von Mischungen von polymerisierbaren, M4a= thermisch härtbaren (siehe Seite 19, Linke Spalte; Absatz 3 "thermally sensitiv biocomponents"), M5a= ungefüllten M6c= Polymeren M7= mit der 3D-Plottechnologie (siehe Seite 18, linke Spalte, Absatz 2, letzter Satz), M10= wobei die Düse der Auftragsvorrichtung nach der Art eines Plotters gesteuert wird und währenddessen den Materialstrang abgibt (siehe auch Fig. 1).

Neben dem Einbringen der Mikrostränge z. B. in Wasser zu ihrer reaktiven Aushärtung in der Flüssigkeit sind aus der Druckschrift D1 auch Zweikomponenten-Systeme bekannt (siehe Seite 19, linke Spalte, Absatz 3), die keine Flüssigkeit zur Aushärtung benötigen und dann selbstverständlich auch auf einer festen Unterlage aufgebracht werden können. Die Möglichkeit der Aufbringung der Polymere auf einer festen Unterlage zur Bildung der Formteile gemäß der Merkmalsgruppe M8 ist daher für den Fachmann aus der Druckschrift D1 ebenfalls entnehmbar.

Gemäß der Merkmalsgruppe M9 soll jede Schicht vor dem Auftragen der nächsten Schicht teilweise ausgehärtet sein, wodurch zwangsläufig auch gemäß Merkmalsgruppe M11 jede Schicht nicht vollständig durchpolymerisiert ist. Gemäß Merkmalsgruppe M11 sollen die Schichten dadurch auch eine ausreichende Festigkeit für das Auftragen der nächsten Schicht aufweisen. Aus der Druckschrift D1 ist bekannt, dass die schichtweise aufzubringenden Polymerstränge eine ausreichende Viskosität aufweisen müssen, um eine Deformation der Formteile zu verhindern (siehe Spalte 19, linke Spalte, Absatz 2: "Very low viscosities should be avoided to prevent deformation of plottet architectures."). Die rheologischen Eigenschaften der Polymermasse müssen nach dem Aufbringen allerdings auch zu einer Verfestigung der Masse führen (siehe Seite 19, rechte Spalte, Absatz 2: "Rheological properties must be balanced to achieve flow during dispensing and preferably high thixotropy, i.e., rapid viscosity buildup with decreasing shear rates."). Die Polymerstränge müssen daher zwangsläufig teilweise polymerisiert sein und eine ausreichende Festigkeit aufweisen, um die weiteren Schichten aufbringen zu können, ohne die Struktur zu zerstören. Da die Formteile gemäß dem Plotverfahren nur Schicht für Schicht aufgebaut werden können, und die weiteren Schichten nur nach einer entsprechenden Polymerisierung und Verfestigung der vorangehenden Schicht aufgebracht werden können, ist der Aufbau entsprechender Formteile sehr zeitaufwändig. Der Fachmann wird daher zwangsläufig nicht bis zur vollständigen Durchpolymerisierung der vorangehenden Schicht warten und bei einer ausreichenden Festigkeit das Verfahren gemäß der Druckschrift D1 mit der nächsten Schicht fortsetzen. Damit sind auch die Merkmale der Merkmalsgruppen M9 und M11 in der Druckschrift D1 offenbart, zumal eine quantitative Angabe, was unter einer vollständigen Polymerisation einer Schicht im Anspruch 1 zu verstehen ist, nicht beansprucht wird und die Aushärtung ein asymptotischer Prozess ist, der je nach vorgegeben zu erreichendem "Härtegrad" beliebig lange dauern kann. Dass sich gemäß Merkmalsgruppe M12 die einzelnen Schichten in den nächsten und den folgenden Schritten fertig polymerisieren, ist bei den aus der Druckschrift D1 bekannten selbsthärtenden Zweikomponenten-Systemen ebenfalls zwangsläufig durch die zeitlich fortschreitende Aushärtung gegeben.

Somit unterscheidet sich das Verfahren gemäß dem Streitpatent von dem Verfahren gemäß der Druckschrift D1 lediglich in seiner Anwendung für dentale Formteile wie z. B. Zahnersatz. Die Druckschrift D1 erwähnt aber bereits medizinische Anwendungen der 3D-Plottechnologie (siehe Seite 17, Introduction, linke Spalte, biomedical scaffolds, drug release systems) und deren Anwendung in weiteren "rapid prototyping" Verfahren (siehe Seite 21, rechte Spalte, letzter Satz). Da dem Fachmann "rapid prototyping" Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz allgemein bekannt sind, bei denen ebenfalls die Formteile formfrei schichtweise zu 3-dimensionalen Objekten zusammengefügt werden (siehe z. B. die Druckschrift D8, Absätze [0001, 0002, 0004]), ist es für ihn nahe liegend, das Verfahren gemäß der Druckschrift D1 ebenfalls zur Herstellung von Zahnersatz zu verwenden.

2. Der Fachmann gelangt ebenfalls durch eine Zusammenschau der Druckschriften D1 und D8 ohne erfinderisch tätig zu werden zum Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist zusätzlich noch den Verfahrensschritt gemäß Merkmalsgruppe M14 auf, "wobei durch Variation der Materialien im Verlaufe des Plottens Gradientenmuster erzeugt werden". Gemäß der Beschreibung der Streitpatentschrift sind darunter Formteile aus unterschiedlichen Schichten zu verstehen (siehe Absatz [0018]). Aus der Druckschrift D1 ist ebenfalls die Verwendung von unterschiedlichen Materialien in den Schichten im Verlaufe des Plottens bekannt (siehe Seite 21, linke Spalte "In addition to variation of CAD, variation of resins during the plotting process can be used to fabricate complex scaffolds, e.g., simply by exchanging cartridges the type of materials can be easily varied during the plotting process.") Beim Aufbringen von unterschiedlichen Materialien in aufeinanderfolgenden Schichten ergibt sich somit zwangsläufig ein "Gradientenmuster", dessen Ausprägung bzw. Verlauf im Streitpatent im Übrigen auch nicht näher spezifiziert ist.

Mit dem nicht gewährbaren Ansprüchen 1 des Haupt- und Hilfsantrags fallen aufgrund der Antragsbindung auch die weiteren untergeordneten Patentansprüche 2 bis 18 (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Häußler Dr. Morawek Pü






BPatG:
Beschluss v. 31.07.2007
Az: 21 W (pat) 307/05


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