Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 76/00

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2000, Az.: 28 W (pat) 76/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 10. September 1996 erfolgte Eintragung der für

"Teile von Landfahrzeugen, insbesondere Anlasser, Auspufftöpfe, Bremsen, Fahrtrichtungsanzeiger, Hupen, Getriebe, Kupplungen, Motoren und Treibriemen, Ventilatoren und Zylinder für Motoren, Karosserien, Fahrzeugsitze, Lenkräder, Räder, Reifen, Radfelgen, Reifenventile, Stoßdämpfer, Zündanlagen für Motoren, Anhängerkupplungen, Gepäckträger, Skiträger, Schmutzfänger, Schneeketten, Windabweiser, Kopfstützen, Sicherheitsgurte, Kindersitze, alle vorstehenden Waren nicht zur Verwendung für Landfahrzeuge für körperbehinderte Menschen, insbesondere für Rollstühle und Kinderwagen; Leuchtmittel, Leuchten für Kraftfahrzeuge, alle vorstehenden Waren nicht zur Verwendung für Landfahrzeuge für körperbehinderte Menschen, insbesondere für Rollstühle und Kinderwagen; Beleuchtungsanlagen, nämlich Scheinwerfer als Teile für Landfahrzeuge, alle vorstehenden Waren nicht zur Verwendung für Landfahrzeuge für körperbehinderte Menschen, insbesondere für Rollstühle und Kinderwagen; Lüftungsanlagen, nämlich Klima-, Lüftungs- und Luftkonditionierungsapparate als Teile für Landfahrzeuge, alle vorstehenden Waren nicht zur Verwendung für Landfahrzeuge für körperbehinderte Menschen, insbesondere für Rollstühle und Kinderwagen"

eingetragenen Marke 395 16 064 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

"Kältemaschinen, kühltechnische Apparate, Kältekompressoren, stationäre und transportable Kälte- und Klimaanlagen"

geschützten Marke 995 176 siehe Abb. 2 am Ende Die Markenstelle für Klasse 12 hat mit Beschluß vom 18. November 1999 die Löschung der eingetragenen Marke angeordnet. Bei bestehender Warenidentität, bzw auch geringerer Warenähnlichkeit und hochgradiger Markenähnlichkeit, liege eine Prägung durch das Markenwort "Bock" vor. Aufgrund normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei daher insgesamt mit der Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu rechnen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie rügt die Annahme der kollisionsbegründenden Eigenschaft des Wortelements BOCK, denn dies sei nicht alleine für die sich gegenüberstehenden Marken prägend. Darüber hinaus sei auch keine Warenähnlichkeit anzunehmen, denn bei den Waren der Widerspruchsmarke handele es sich alleine um "Kältemaschinen", wohingegen die der Markeninhaberin "Zulieferteile für die Kfz-Industrie" seien. Damit wiesen die zu vergleichenden Waren einen unterschiedlichen Verwendungszweck auf und träfen sich auch nicht auf den Vertriebswegen. Hilfsweise mache sie geltend, daß der Widerspruch sich auch nur gegen die eingetragenen Waren "Lüftungsanlagen" der jüngeren Marke wende.

Sie stellt den Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 18. November 1999 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende hingegen schließt sich den Ausführungen der Markenstelle an und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

1. Der Widerspruch war in vollem Umfange hinsichtlich des Warenverzeichnisses der jüngeren Marke zu prüfen. Der Widerspruchsvertreter hatte in dem Schreiben vom 20. Mai 1997 den am 20. Februar 1997 unbeschränkt erhobenen Widerspruch nicht eingeschränkt auf "Ventilatoren für Motoren; Lüftungsanlagen, nämlich Klima-, Lüftungs- und Luftkonditionierungsapparate als Teile für Landfahrzeuge", denn in seinem Vorbringen liegt keine Erklärung, die ausreichend ist, hierin eine Einschränkung des Widerspruchs anzusehen. Als eine den Umfang des Widerspruchsverfahrens vor dem DPMA bestimmende Erklärung muß sie hinsichtlich ihres Inhalts in dem Sinne wenigstens auslegungsfähig sein, daß der Wille auf Beschränkung des Widerspruchs für das DPMA erkennbar war (ZPO, Komm Thomas-Putzo, 18. Aufl, Einl III Rdn 16). Dies ist hier nicht der Fall. Der Wortlaut "vor allem richtet sich der Widerspruch gegen die Waren ..." konnte von der Markenstelle nicht als ein Verzicht auf Prüfung hinsichtlich der übrigen Waren verstanden werden. Die Worte "vor allem" bedeuten im Deutschen nämlich die Vorgabe eines Vorrangs in einer Reihenfolge, die Angabe einer Präferenz, nicht jedoch den Ausschluß anderer sich in der Reihenfolge befindlicher Themen oder Prüfungsgegenstände.

2. Eine eingetragene Marke ist auf Widerspruch zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (EuGH WRP 1998, 39/41 - Sabel/Puma). Dies impliziert eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; BGH GRUR 1999, 995 - HONKA).

3. Nachdem sich Benutzungsfragen nicht stellen, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Es sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen, wozu eine umfassende Berücksichtigung der maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge gehört, wie Zweckbestimmung, Verwendungsweise der Waren und die Eigenschaft als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (BGH MarkenR 1999, 93, 94 - TIFFANY). Hier stehen sich gegenüber die beanspruchten Waren der Markeninhaberin "Teile von Landfahrzeugen" als Oberbegriff für eine mit dem Wort "insbesondere" beispielhaft aufgezählte Vielzahl einzeln angeführter Waren und die mit der Widerspruchsmarke geschützten Waren, nämlich "Kältemaschinen, kühltechnische Apparate, Kältekompressoren, stationäre und transportable Kälte- und Klimaanlagen". Eine Relativierung des Oberbegriffes nur auf "Ventilatoren für Motoren" ist nicht möglich (Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 38). "Teile von Landfahrzeugen" sind im übrigen auch die nach dem Semikolon angeführten "Leuchtmittel, Leuchten für Kraftfahrzeuge, Beleuchtungsanlagen, nämlich Scheinwerfer als Teile für Landfahrzeuge" sowie "Lüftungsanlagen, nämlich Klima-, Lüftungs- und Luftkonditionierungsapparate als Teile für Landfahrzeuge" ausweislich des Wortlauts. Sie gehören damit sachlich zu den im ersten Satz als Oberbegriff genannten Waren "Teile für Landfahrzeuge". Insoweit liegt eine rechtlich unbedeutende doppelte Aufzählung der Waren im Warenverzeichnis vor. Der Schutzbereich der Marke ist auch nicht abschließend durch die Klassifikation bestimmt, so daß der Klasseneinteilung keine unmittelbare Bedeutung idS zukommt, daß die Waren verschiedener Klassen stets unähnlich sind (Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 39).

4. Die Waren der Widerspruchsmarke können als Spezialwaren zum Einbau in Landfahrzeuge dienen und dafür bestimmt sein. Sie finden sich sowohl in Kühlfahrzeugen als auch in Transportern oder in Personenkraftfahrzeugen, Omnibussen, zT im Rahmen einer eigens bestellbaren Sonderausstattung des Fahrzeugs, zT gehören sie zur wesensgemäßen Ausstattung, wie zB bei großen Lebensmitteltransportern, bei mobilen Fleisch- oder Fischverkaufstransportern. Damit fallen sie unter den im Warenverzeichnis angegebenen Oberbegriff "Teile von Landfahrzeugen" und sind daran gemessen, mit den Waren der Markeninhaberin teilweise identisch, teilweise umfassen sie einen weiteren Ähnlichkeitsbereich, wie er bei "Beleuchtungsanlagen" oder "Leuchtmitteln" vorliegen mag (Richter/Stoppel 11. Aufl, S 339 liSp und S 205 mi/reSp). Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich die Waren auf den Vertriebswegen, nämlich bei Bestellungen der Zubehörteile durch den Fahrzeughersteller begegnen. Solche erfolgen nämlich sowohl unmittelbar beim Produzenten der Fahrzeugteile, als auch beim Zulieferbetrieb als Zwischenhändler für eine Vielzahl von Einzelteilen. Der Verkehr wird daher aufgrund der Verwendungsweise, Nutzung und der Eigenschaft der Waren als einander ergänzende Waren bei der Herstellung von Landfahrzeugen tatsächlich Anlaß haben den Eindruck zu gewinnen, daß die Waren vom selben Unternehmen in eigenständiger wirtschaftlicher Betätigung stammen können.

5. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen. Anhaltspunkte für einen gesteigerten Schutzumfang liegen nicht vor.

6. Davon ausgehend, ist auch angesichts des informierten, aufmerksamen und verständigen Fachverkehrs, ein deutlich zwischen den beiden Zeichen liegender Abstand zu fordern.

7. Zwar ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (BGH GRUR 2000, 233 - RAUSCH/ELFI RAUCH), denn das angesprochene Publikum nimmt die Marke in der Regel als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (BGH GRUR 1998, 932 f - MEISTERBRAND; 1998, 927, 928 - COMPO-SANA). Insofern ist der Unterschied in der Gesamtwirkung beider sich gegenüberstehender Zeichen offensichtlich, denn die jüngere Marke ist eine kombinierte Wort/Bildmarke, wohingegen es sich bei der älteren Marke allein um eine Wortmarke handelt. Auch die Widersprechende hält die Marken jedoch nur wegen ihrer Gemeinsamkeit im Wort "BOCK" für verwechselbar. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr anzunehmen ist daher nur hinsichtlich desselben gemeinsamen Bestandteils, nämlich des Wortes "BOCK" möglich. Einen Elementenschutz eines aus einer mehrgliedrigen Marke herausgelösten Bestandteils zu begründen ist dem Markenrecht jedoch grundsätzlich fremd, es sei denn die Übereinstimmung in einem Markenbestandteil liegt in einem Bestandteil, der den Gesamteindruck der Marke alleine prägt. Hierfür genügt es im allgemeinen nicht, daß er an Kennzeichnungskraft gleichwertig neben den anderen Markenbestandteilen steht (BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze; GRUR 1996 775, 776 - Sali Toft; Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 151 mwN).

7.1. Bei der Widerspruchsmarke ist der neben dem Namen "BOCK" in kleinerer Schrift stehende Wortbestandteil "die zuverlässige Kälte" eine unmittelbare qualitative Sachaussage für die Waren und daher aus Rechtsgründen nicht geeignet herkunftshinweisend zu wirken. Dieser Bestandteil geht auch in sonstiger Weise keine Verbindung dergestalt mit dem Wort "BOCK" ein, daß sich daraus ein neuer herkunftshinweisender Gesamteindruck ergibt. Die Widerspruchsmarke ist daher allein von dem Wort "BOCK" geprägt.

7.2. Bei der jüngeren Marke wiederholt sich der Sinngehalt des Wortes, unabhängig davon, daß es sich dabei auch um einen Familiennamen handeln kann, in dem Bildbestandteil.

7.3. Bei Prüfung der klanglichen Verwechslungsgefahr, die hier aufgrund des Bestellverhaltens der angesprochenen Verkehrskreise nicht auszuschließen ist, stehen sich somit gegenüber die von dem Wortbestandteil allein geprägte Widerspruchsmarke "BOCK" und die Wort/Bildmarke "Bock", die aufgrund der sich im Bild wiederholenden und mit dem Wortelement übereinstimmenden Bedeutung des springenden Bockes ebenfalls nur als "BOCK" bezeichnet werden kann (BGH GRUR 1999, 990, 992 - Schlüssel). Damit sind die Marken in klanglicher Hinsicht identisch.

Bei der gegebenen Warenähnlichkeit, selbst soweit sie bei einzelnen Waren nur im entfernteren Bereich anzusiedeln wäre, ist daher von Verwechslungsgefahr in rechtserheblichem Ausmaß auszugehen und die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Für die Auferlegung von Kosten sah der Senat keine Veranlassung (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Grabrucker Martens Sekretaruk Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)76-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)76-00.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2000
Az: 28 W (pat) 76/00


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