Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. Dezember 2010
Aktenzeichen: 6 U 92/10

(OLG Köln: Urteil v. 10.12.2010, Az.: 6 U 92/10)

Tenor

1.) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28.4.2010 - 28 O 781/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klage wird auch nach dem zweitinstanzlich gestellten Hilfsantrag abgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger und der Beklagte waren mit weiteren Personen an der Erstellung eines Dokumentationsfilms über das Anti-WAAhnsinns-Festival am 26./27.7.1986 beteiligt, auf dem zahlreiche bekannte Künstler auftraten und das von rund 100.000 Personen besucht wurde. Die Einzelheiten der Erstellung des Films sind streitig. Der Kläger trägt vor, der Film sei von einer aus den Parteien sowie den Herren I und J bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gemacht worden; dabei hätten die Gesellschafter jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen. Alle Beteiligten hätten die Aufgabe gehabt, bereits während der Produktions- bzw. Drehphase ihre Kanäle zu nutzen, um einen späteren Vertrieb des Films zu fördern. Die Filmrechte seien nach Fertigstellung des Films für 10 Jahre an den Verleih "E GmbH" übertragen worden; die E GmbH habe die GbR als Produzentin des Films angesehen. Nach Ablauf dieser Frist seien die Nutzungsrechte wieder der GbR zugefallen.

Der Beklagte erteilte - unstreitig - im Jahr 2006 dem WDR eine Lizenz, den Film im Fernsehen zu zeigen, und erhielt hierfür 6.000 €. Der Kläger verlangt die Auszahlung dieses Betrags (nebst Zinsen) an die nicht auseinandergesetzte GbR. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter und beantragt nunmehr hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2006 zu zahlen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wendet sich auch gegen den Hilfsantrag. Er trägt vor, er sei an einer GbR mit dem Kläger nie beteiligt gewesen. Filmhersteller sei eine "Start GbR" gewesen, der der Kläger nicht angehört habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg; auch der zweitinstanzlich gestellte Hilfsantrag ist unbegründet, denn der Kläger ist auch insoweit nicht aktivlegitimiert.

Das Landgericht hat es zutreffend nach § 89 UrhG beurteilt, wer Inhaber der Nutzungsrechte an dem verfahrensgegenständlichen Film ist. Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 UrhG stehen im Zweifel sämtliche Nutzungsrechte an einem Film dem Filmhersteller zu. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die an der Herstellung eines Films Beteiligten, die Urheberrechte am Filmwerk erworben haben, eine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Hierfür hat der Kläger nichts vorgetragen; das Vertragsangebot, das die E GmbH mit Schreiben vom 24.11.1986 den "Regisseuren" und "Investoren" übermittelt hat und das nur zeitlich beschränkte Nutzungsrechte für die E GmbH vorsieht (Bl. 40 ff.), ist nicht angenommen worden. Nutzungsrechte an dem Film stünden dem Kläger daher nur dann zu, wenn er "Filmhersteller" im Sinne des § 89 UrhG wäre. Davon kann jedoch nach seinem Vortrag nicht ausgegangen werden.

1. Wer Filmhersteller ist, bestimmt sich nicht danach, wer einen künstlerischschöpferischen Beitrag zur Herstellung des Films geleistet hat, sondern wer das unternehmerische Risiko für die Filmherstellung trägt (vgl. Jan Bernd Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl., § 94 Rdn. 12). Entscheidend ist danach, wer die wirtschaftliche Verantwortung und die organisatorische Tätigkeit übernommen hat, die erforderlich sind, um den Film als fertiges Ergebnis der Leistungen aller bei seiner Schaffung Mitwirkenden und damit als ein zur Auswertung geeignetes Werk herzustellen (BGH GRUR 1993, 472 - Filmhersteller). Dabei ist nicht auf Vorarbeiten zur Erstellung des Films abzustellen, sondern auf die Herstellung der Erstfixierung eines Filmträgers - bei kommerzieller Produktion die sog. Nullkopie; wer diese inhaltlich und organisatorisch steuert, wirtschaftlich verantwortet und die zur Filmherstellung erforderlichen Immaterialgüterrechte sowie zumindest vorübergehend auch die Auswertungsrechte am Film erwirbt bzw. nacherwerben müsste, ist Filmhersteller. Dabei ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der anhand weiterer wirtschaftlicher Kriterien (u. a. Kostenüberschreitungs-, Abnahmerisiko, Fertigstellungs- und Auswertungsrisiko) festzustellen ist, wer von den an einer Produktion Beteiligten den unternehmerischen Schwerpunkt bildet (Wandtke/Bullinger/Manegold, UrhG, § 94 Rdn. 31).

2. Nach dem Vortrag des Klägers ist davon auszugehen, dass nicht dieser, sondern die E GmbH im dargestellten Sinne Hersteller des Kinofilms "WAAhnsinn - der Wackersdorf Film" ist. Denn diese hat das wirtschaftliche Risiko für die Erstellung dieser Fassung des Films übernommen. Der Kläger hat vorgetragen, dass weder er noch die anderen (angeblichen) Gesellschafter der GbR über hinreichende finanzielle Mittel verfügten, um einen Film in die Kinos zu bringen. So hat der Kläger (ursprünglich) vorgetragen, die GbR habe zunächst das Material beschafft, nach Abschluss der Beschaffungsarbeiten für das Rohmaterial sei der Kontakt zur E GmbH zustande gekommen und erst dann sei eine "gemeinsame Konzeption für den zu erstellenden Film" gesucht worden (S. 3 des Schriftsatzes vom 6.4.2010 - Bl. 33 f.). Bereits das würde darauf hindeuten, dass ohne das Engagement der E GmbH ein Kinofilm nicht erstellt worden wäre. Tatsächlich bestand der Kontakt zur E GmbH - wie sich aus den vom Kläger mit Schriftsatz vom 19.11.2010 vorgelegten Unterlagen ergibt - sogar bereits, bevor das Festival stattfand (Bl. 146 f.). Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass die E GmbH bereits am oder vor dem 22.7.1986 angeboten hat, die Abdeckung der Produktionskosten in Höhe von 200.000 DM zu garantieren und auch die Startkosten vorzufinanzieren. Voraussetzung war, dass - wie dies für den Filmhersteller üblich ist - die weltweiten Verwertungsrechte auf die E GmbH übertragen werden sollten. Danach war also die E GmbH bereit, das gesamte wirtschaftliche Risiko der Herstellung des Films zu übernehmen.

Das genannte Angebot war zwar noch rechtlich unverbindlich, es deutet aber alles darauf hin, dass entsprechend diesem Schreiben der E GmbH verfahren worden ist - das gilt jedenfalls im Hinblick auf die in diesem Schreiben dargestellte Übernahme des unternehmerischen Risikos. Eine Änderung hat es insofern lediglich gegeben, als zusätzliche Investoren (vor allem auftretende Künstler) weitere 205.000 DM zu den Kosten der Herstellung und den Startkosten beigetragen haben. Eine wirtschaftliche Beteiligung der Mitglieder der GbR, die dort als "Regisseure" bezeichnet sind, ist dagegen nicht vorgesehen.

Auch die vom Kläger vorgelegte, vom Beklagten zum 31.12.1986 erstellte Abrechnung (Bl. 100 ff.) belegt zum einen, dass die E GmbH alle Kosten übernommen hat, und zum anderen, dass die Kosten zuvor nicht von einer GbR verauslagt worden sind, sondern von Einzelpersonen, und dass dies nicht, wie es bei einer GbR zu erwarten gewesen wäre, entsprechend der Regel des § 706 Abs. 1 BGB in gleicher Höhe erfolgt ist. So hat der Kläger von den Gesamtkosten in Höhe von netto 128.179,36 DM nur rund 5.000 DM verauslagt, während der weit überwiegende Teil durch den Zeugen I und zu einem geringeren Anteil vom Beklagten aufgebracht worden ist. Zudem liegen die von den Regisseuren verauslagten Kosten deutlich unter dem Kostenanteil der "Endfertigung" (einschließlich MAZ-Bearbeitung, Mischung, Kopierwerk, Honorare), der von der E GmbH unmittelbar zu tragen war (nämlich 183.681 DM).

Dies fügt sich mit dem Schreiben der E GmbH vom 21.1.1987 (Bl. 98). Zwar sind dort die (angeblichen) Gesellschafter als "Regisseure/Produzenten" bezeichnet; sie werden aber nicht als Produzenten im Sinne von Filmherstellern gemäß § 89 UrhG behandelt. Denn sie erhalten ihre Nebenkosten erstattet und ein pauschales Honorar von jeweils 4.000 DM; dass sie unternehmerische Verantwortung getragen hätten, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Die Kosten der Herstellung des Films sind vielmehr gemäß einer bereits vor dem Festival getroffenen Absprache entweder - und zwar zum überwiegenden Teil - unmittelbar von der E GmbH beglichen und im Übrigen von der E GmbH an Einzelpersonen erstattet worden; das Risiko, dass diese Kosten nicht wieder eingespielt würden, hat damit die E GmbH getragen.

Auch bei der Erstellung der Endfassung des Kinofilms, also der maßgeblichen Nullkopie, hat sich schließlich gezeigt, dass die E GmbH die unternehmerische Verantwortung getragen hat. Denn sie hat entgegen den künstlerischen Vorstellungen insbesondere des Klägers die unternehmerische Entscheidung getroffen, eine Fassung mit geringerer politischer Aussagekraft und einer stärkeren Fokussierung auf die Musik in die Kinos zu bringen.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Gesellschafter hätten sich die Finanzierung so vorgestellt, "dass im Zuge der Materialbeschaffung … Teile des Filmmaterials schon einzeln für einmalige Veröffentlichungen veräußert werden könnte" (Bl. 33), kann dies allenfalls die Finanzierung der Materialbeschaffung betreffen. Dass auf diese Weise die Herstellung eines Kinofilms (einschließlich der erforderlichen Kopien) hätte finanziert werden können und sollen, liegt dagegen fern. Jedenfalls waren die so erzielten Einnahmen (nach der Aufstellung in der Abrechnung vom 31.12.1986 - Bl. 104: insgesamt 26.573,50 DM) für diesen Zweck bei weitem nicht auskömmlich. Dadurch dass die (angeblichen) Gesellschafter diese Finanzierungsidee entwickelt haben, haben sie daher das wirtschaftliche Risiko der Herstellung des Kinofilms nicht übernommen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, alle Beteiligten sollten ihre "Kanäle" nutzen, um den späteren Vertrieb zu fördern (S. 5 des Schriftsatzes vom 13.7.2010 - Bl. 89). Denn zum einen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass es überhaupt einen Kinofilm geben würde. Zum anderen ergibt sich daraus gerade nicht, dass die vier beteiligten Personen selbst ein unternehmerisches Risiko übernehmen wollten. Eine Abrede, ggf. auch die Verluste zu tragen, haben sie nicht getroffen, sondern wollten einen Dritten finden, der das unternehmerische Risiko der Herstellung des Kinofilms übernehmen sollte. Dies ist ihnen in der E GmbH auch gelungen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 713 ZPO.

2. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf der Anwendung der hinreichend geklärten Grundsätze zum Begriff des Filmherstellers im Sinne des § 89 UrhG.

3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.000 € (da der Hilfsantrag denselben Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG betrifft wie der Hauptantrag).






OLG Köln:
Urteil v. 10.12.2010
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