Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Oktober 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 27/00

(BPatG: Beschluss v. 11.10.2000, Az.: 7 W (pat) 27/00)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. März 2000 aufgehoben und dem Anmelder im Verfahren zur Erteilung des Patents Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Gründe

I Die Patentanmeldung ... mit der Bezeichnung "..." ist am 3. April 1999 beim Deutschen Patentamt eingegangen. Gleichzeitig hat der Anmelder eine Recherche nach § 43 PatG beantragt und um die Zusendung der erforderlichen Formulare für die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe gebeten. Er hat am 17. Mai 1999 die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und am 17. Juli 1999 Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren beantragt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat festgestellt, daß die Bedürftigkeit des Anmelders und Erfinders nachgewiesen ist.

Das Ergebnis der Recherche gemäß § 43 PatG ist dem Anmelder mit Bescheid vom 3. Dezember 1999 zugesandt worden. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 hat die Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts dem Anmelder unter Hinweis auf die deutschen Patentschriften 34 33 510 und 40 35 562 mitgeteilt, daß durch ein Zwischenstück (Kurbelschleife) verbundene Kolbenpaare, ihre Schmierung und die damit einhergehende Kühlung bekannt seien und daß daher keine hinreichende Aussicht auf die Erteilung eines Patents bestehe.

Der Anmelder hat dieser Auffassung mit Schriftsatz vom 11. Januar 2000 widersprochen und auf Unterschiede zwischen dem Gegenstand seiner Anmeldung und dem aufgezeigten Stand der Technik hingewiesen.

Mit Beschluß vom 28. März 2000 hat die Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts unter Bezugnahme auf ihren Bescheid vom 16. Dezember 1999 die Verfahrenskostenhilfe verweigert, da keine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents bestehe.

Gegen diesen am 14. April 2000 abgesandten Beschluß hat der Anmelder am 27. April 2000 Beschwerde eingelegt. Er hat erneut auf die Unterschiede zwischen dem Gegenstand seiner Anmeldung und dem Stand der Technik verwiesen und die Hoffnung ausgedrückt, durch seine Beschwerde die Bedenken zur Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe zerstreut zu haben.

Die Patentanmeldung umfaßt 8 Patentansprüche, 3 Seiten Beschreibung und 4 Blatt Zeichnungen. Der Patentanspruch 1 lautet:

"Hebelkolben Motor oder Kompressor mit wenigstens einem Zylinderpaar, dadurch gekennzeichnet, daß diese Kolbenpaare durch ein Zwischenstück verbunden sind, in dem Gleitsteine die Hebelradien ausgleichen."

II 1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Erklärungen des Anmelders im Beschwerdeschriftsatz sind als Antrag aufzufassen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Verfahrenskostenhilfe im Verfahren zur Erteilung des Patents zu bewilligen.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Eine zur Gewährung der Verfahrenskostenhilfe hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents kann der Anmeldung nicht abgesprochen werden.

In der Anmeldung werden einerseits Motoren mit einem Pleuel, Pleuelbolzen und Lagerelementen für jeden Zylinder und andererseits Motoren mit Kurbelschleifengetriebe, bei denen der Gleitsteinweg gleich dem Kurbelhub ist, als bekannt vorausgesetzt. Bei ersteren wird der beachtliche Schrägdruck der Pleuel auf die Kolben und der große Gleitweg im Pleuellager und bei letzteren der lange Gleitsteinweg und die unzureichende Schmierung als nachteilig angesehen (S 1, Abs 2 der Beschreibung).

Vor diesem Hintergrund soll die Aufgabe gelöst werden, einen verschleißarmen, billig herzustellenden Motor zu bauen, der geeignet ist für stationäre Krafterzeugung (S 1, Abs 4).

In den Anmeldungsunterlagen ist unter anderem eine Vierzylinderanordnung beschrieben (S 2 und 3 iVm S 1, Abs 1 und Zeichnung 1), bei der sich die vier Zylinder jeweils paarweise gegenüber liegen. Die zugehörigen Kolbenpaare sind jeweils durch ein Verbindungsteil verbunden, in dem Gleitstücke geführt sind, die drehbar an einem Hebelpaar gelagert sind. Das Hebelpaar ist mit einer Welle verbunden, die im Betrieb eine Hin- und Herdrehung ausführt. Mit dieser Welle ist ein Hebel bzw ein Pleuel verbunden, über den bzw das eine Kurbelwelle mit einem einzigen Kurbelzapfen in Drehung versetzt wird.

In der Anmeldung werden auch Maßnahmen zur Schmierung und zum hydraulischen Spielausgleich der Gleitstücke vorgeschlagen (S 2 und 3, Nr 6 bis 8 und Zeichnung 2).

Ein weiterer Aspekt der Anmeldung ist die Ausnutzung von Abgasenergie durch Entspannung eines Abgas-Dampf-Gemisches in einem zusätzlichen mittleren Zylinderpaar (S 3, Nr 11 bis 15).

Die deutschen Patentschriften 34 33 510 und 40 35 562 betreffen Kurbelschleifengetriebe für Hubkolbenmaschinen bzw Gleitsteine für solche Getriebe. Bei diesen Getrieben sind einander gegenüberliegende Kolben über ein Zwischenstück verbunden, in dem Gleitsteine die Hebelradien ausgleichen. Damit ist zwar der Gegenstand des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung vorweggenommen, die Lehre der Anmeldung geht aber, wie oben dargestellt, erheblich über den Wortlaut ihres Anspruchs 1 hinaus. Bei den bekannten Kurbelschleifengetrieben sind die Gleitsteine auf den Kurbelzapfen einer Kurbelwelle gelagert und durchlaufen bei jeder halben Umdrehung der Kurbelwelle einen dem Kolbenhub entsprechenden Gleitweg. Diese Anordnungen liefern dem Fachmann, als welcher hier ein Ingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion von Hubkolbenmaschinen anzusehen ist, keine Anregung dafür, die Kolbenbewegung zunächst über ein Hebelpaar in die oszillierende Drehung einer Welle umzusetzen und erst anschließend über ein Pleuel eine Kurbelwelle in Drehung zu versetzen.

Ein solcher Mechanismus ist zwar aus der im Zuge der Recherche nach § 43 PatG ermittelten deutschen Patentschrift 749 283 bekannt. Bei dem in dieser Druckschrift beschriebenen Motor sind jedoch die Kolbenstangen anders als beim Gegenstand der vorliegenden Anmeldung nicht starr an den Kolben befestigt sondern an diesen angelenkt und am anderen Ende nicht über ein starres Zwischenstück verbunden sondern drehbar an einem Schwinghebel gelagert. Gleitsteine sind daher nicht vorhanden, und es fehlen demzufolge auch alle Hinweise auf deren Lagerung und einen eventuellen Spielausgleich.

Der aus übrigen bei der Recherche nach § 43 PatG ermittelten Druckschriften bekannte Stand der Technik liegt vom Gegenstand der vorliegenden Anmeldung noch weiter ab.

Bei dieser Sachlage kann eine Patenterteilung unter Berufung auf den aufgezeigten Stand der Technik nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Insbesondere kann eine Erfolgsaussicht der Patentanmeldung nicht mit der Begründung verneint werden, daß Gegenstände von Patentansprüchen durch den ermittelten Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen werden. Der Anmelder ist an seine ursprünglichen Ansprüche nämlich nicht gebunden und kann im Verlaufe des Prüfungsverfahrens alle in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als erfindungswesentlich offenbarten Merkmale in die Patentansprüche aufnehmen.

Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Hochmuth Mü/Fa






BPatG:
Beschluss v. 11.10.2000
Az: 7 W (pat) 27/00


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