Niedersächsisches Finanzgericht:
Urteil vom 9. Dezember 2003
Aktenzeichen: 6 K 138/02

(Niedersächsisches FG: Urteil v. 09.12.2003, Az.: 6 K 138/02)

Private PKW-Nutzung als vGA bei fehlender vertraglicher Regelung.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für ein betrieblich genutztes Kraftfahrzeug die Privatanteile mittels der 1 % Regelung geschätzt werden dürfen und ob die dem Geschäftsführer erteilte Pensionszusage steuerlich anzuerkennen ist.

Die Klägerin wurde im August 1995 in der Rechtsform einer GmbH errichtet. Allein-Gesellschafterin war zunächst die A GmbH, deren Anteile Frau P hielt. Deren Ehemann wurde zum Geschäftsführer bestellt. Im Streitjahr 1996 wurden die Anteile auf den Treuhänder W übertragen.

Nach dem Anstellungsvertrag vom 29.09.1995 erhält der Geschäftsführer u.a. einen gesellschaftseigenen Pkw für Dienstfahrten einschl. Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb. Neben einem Gehalt sagte die Klägerin ihrem Geschäftsführer am 30.11.1995 eine Pension zu in Form einer Altersrente, Invalidenrente und Witwen- und Vollwaisenrente. Wegen der Einzelheiten der Geschäftsführervergütung wird auf den Anstellungsvertrag vom 29.09.1995 (Vertragsakte) und wegen der Versorgungszusage auf die Pensionsvereinbarung vom 30.11.1995 (Vertragsakte) verwiesen.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung ging der Beklagte davon aus, dass der Dienstwagen vom Geschäftsführer auch privat genutzt worden sei. Die geführten Fahrtenbücher enthielten nur Zeit- und Ortsangaben, nicht aber Reisezweck und Geschäftspartner. Ausgehend von der 1 % Regelung setzte der Beklagte daher die entsprechenden Aufwendungen als vGA an. Die Aufwendungen für die Pensionszusage hielt der Beklagte für gesellschaftsrechtlich veranlasst, weil sie unmittelbar nach Errichtung der Klägerin vereinbart worden sei. Der Beklagte erhöhte das Einkommen der Klägerin wie folgt:

vGA: 1996 1997

Pkw-Nutzung 12.000 12.000

Pensionszusage 20.226 21.144

Entsprechender dieser Feststellungen erließ der Beklagte am 21.09.2000 geänderte Bescheide. Den Einspruch gegen die Änderungsbescheide wies er mit Entscheidung vom 29. Januar 2002 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttungen rückgängig zu machen. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, dass die 1 % Regelung für die Streitjahre 1996 und 1997 nicht anzuwenden sei, weil ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorliege. Aus diesen Unterlagen ergebe sich die Aufteilung der Kosten.

Zudem sei die Pensionszusage anzuerkennen, da die Klägerin von der Firma S GmbH den Geschäftsführer mit Anstellungsvertrag übernommen habe. Die vertraglichen Beziehungen hätten zu beiderseitigen Vorteilen geführt, weil die Klägerin durch die Beziehungen sofort über Kundenkontakte verfügt habe. Zudem sei bei Nichtberücksichtigung der Pensionszusage der Aktivwert aus der Rückdeckungsversicherung zu verrechnen.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuer-Bescheide 1996 und 1997, die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 KStG zum 31.12.1996 und 1997 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1996 und 1997 jeweils vom 21.09.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 29.01.2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage unbegründet sei, da die Fahrtenbücher nicht ordnungsgemäß seien. Entgegen der Aussage der Klägerin sei nach den vertraglichen Vereinbarungen keine bestehende Pensionszusage der S GmbH übernommen worden. Über das Vermögen der S sei im übrigen am 02.10.1995 das Konkursverfahren eröffnet worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

Gründe

I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die verdeckten Gewinnausschüttungen zu Recht angesetzt.

1. a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 des Aktiengesetzes --AktG--, § 43 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 29. April 1992 I R 21/90, BFHE 168, 151, BStBl II 1992, 851). Der durch die Sorgfaltspflichten des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters objektivierte Maßstab erfordert einen Fremdvergleich, den Vergleich des Verhaltens der Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter mit dem Verhalten gegenüber einem Nichtgesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248, 249; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 KStG a.F. Rz. 108; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 66; Streck, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 8 Anm. 89). Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen der Kapitalgesellschaft an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786; vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631).

b) Wie der BFH und der erkennende Senat wiederholt entschieden haben (vgl. z.B. Urteile vom 30. September 1992 I R 75/91, BFH/NV 1993, 330; vom 11. Februar 1998 I R 73/97, BFH/NV 1998, 1262), ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer neu gegründeten GmbH ihrem Geschäftsführer eine Pension erst dann zusagen wird, wenn er die künftige wirtschaftliche Entwicklung und damit die künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ebenso wie die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers zuverlässig abzuschätzen vermag. Ohne Erprobung des Geschäftsführers und ohne gesicherte Kenntnis der künftigen Ertragsentwicklung der Kapitalgesellschaft würde eine Pension nicht zugesagt werden.

Ein noch junges Unternehmen muss sich erst am Markt bewähren. Ein langfristiges finanzielles Engagement zugunsten des Geschäftsführers wie eine betriebliche Altersversorgung muss deshalb sorgfältig bedacht sein. Aufgabe eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist es, unmittelbar im unternehmerischen Interesse der Körperschaft und damit nur mittelbar im Interesse der Gesellschafter, nicht aber unmittelbar im Interesse einzelner Gesellschafter zu handeln (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1991 I R 13/90, BFHE 166, 251, BStBl II 1992, 359; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Anhang § 8 KStG Rdnr. 174). Da der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung für die Pensionszusage zu zusätzlichen finanziellen Lasten für das im Aufbau befindliche Unternehmen führt, kann die Tatsache der Rückdeckung allein nicht die Annahme rechtfertigen, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines jungen Unternehmens hätte die Pension gleichermaßen einem Gesellschaftsfremden zugesagt. Der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung ist nur Indiz für die Ernstlichkeit der Zusage. Darüber hinaus hat sie im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG keine Bedeutung (vgl. auch BFH-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316; vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318).

c) Allerdings hat der BFH das Erfordernis einer Probezeit bei solchen Unternehmen für verzichtbar gehalten, die aus eigener Erfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben und die die Ertragserwartungen aufgrund ihrer bisherigen unternehmerischen Tätigkeit hinreichend deutlich abschätzen können. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen als erfüllt angesehen worden, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung (vgl. Senatsurteile in BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 18. Februar 1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225). Gleiches muss im Grundsatz aber auch bei einem sog. Management-buy-out gelten, wenn bisherige leitende Angestellte eines Unternehmens dieses "aufkaufen" und sodann in Gestalt eines anderen Unternehmens fortführen (vgl. auch -sch, Deutsches Steuerrecht -DStR- 1998, 489).

d) Hieran fehlt es im Streitfall, da die Zusage bereits im Jahr der Errichtung der Klägerin erteilt wurde. Anhaltspunkte für einen oben beschriebenen Ausnahmefall sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat weder vorgetragen, dass sie die Tätigkeit eines anderen Unternehmens rechtlich oder wirtschaftlich fortführt noch behauptet, dass sie aus anderen Gründen die Ertragsaussichten des Unternehmens bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit zuverlässig einschätzen konnte. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie den Geschäftsführer mit Anstellungsvertrag von der Firma S GmbH übernommen habe, kann dies nach den tatsächlichen Vertragsgestaltungen indes allenfalls bedeuten, dass der Geschäftsführer vor Anstellung durch die Klägerin bei einer anderen GmbH tätig war. Denn die Klägerin hat mit dem Geschäftsführer aufgrund seiner Bestellung einen neuen erstmaligen Anstellungsvertrag geschlossen und ist keineswegs im Wege der Vertragsübernahme in einen bestehenden Anstellungsvertrag eingestiegen. Bei dieser Konstellation lässt sich aus der früheren Tätigkeit des Geschäftsführers allenfalls etwas zur Eignung des Geschäftsleiters sagen, nicht jedoch zu den Ertragsaussichten der Klägerin.

2. Der Beklagte hat den Nutzungswert für die private Pkw-Nutzung ebenfalls zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt.

a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Davon abweichend kann die private Nutzung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden (tatsächlichen) Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Fahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

b) Wann ein Fahrtenbuch "ordnungsgemäß" ist, sagt das Gesetz nicht. Nach Abschnitt 31 Abs. 7 Nr. 2 LStR 1996 sind für dienstliche Fahrten mindestens die folgenden Angaben erforderlich: Datum und Kilometerstand zu Beginn und am Ende jeder einzelnen Auswärtstätigkeit, Reiseziel und Reiseroute, Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner. Für Privatfahrten genügen jeweils Kilometerangaben. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte reicht ein kurzer Vermerk im Fahrtenbuch aus. Diese Anforderungen sind nach Auffassung des Senats sachgerecht und auf die Abgrenzung betrieblich und privat genutzter Pkw übertragbar, da nur so die betriebliche und private Veranlassung einer Fahrt sicher bestimmt werden kann. Diesen Anforderungen genügen die Fahrtenbücher im Streitfall nicht, weil zu den Fahrten nicht jeweils der Reisezweck und die aufgesuchte Zielperson angegeben worden ist. Damit ist für die Schätzung des privaten Nutzungsanteils von der Ein-Prozent-Regelung auszugehen.

c). Die unentgeltliche Überlassung des Pkw zu privaten Fahrten stellt grds. lediglich die Zuwendung eines lohnsteuerpflichtigen Vorteils im Rahmen des Dienstvertrages dar. Im Streitfall ist jedoch aus der vertraglichen Regelung zu entnehmen, dass dem Geschäftsführer der Pkw nur zu Dienstfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte überlassen wurde. Soweit folglich darüber hinaus private Nutzungsanteile zu erfassen waren, beruhen diese nicht auf einer vertraglichen Regelung zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer. Wird dem Geschäftsführer als nahestehender Person einer beherrschenden Gesellschafterin etwas unentgeltlich zugewandt, ohne dass hierfür eine vertragliche Verpflichtung der Gesellschaft besteht, weil es insoweit an einer vertraglichen Regelung fehlt, beruht die Zuwendung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage. Die gesellschaftsrechtlich veranlasste Zuwendung darf als verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der Klägerin nicht mindern.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.






Niedersächsisches FG:
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