Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 25. Januar 2010
Aktenzeichen: 17 W 8/10

(OLG Köln: Beschluss v. 25.01.2010, Az.: 17 W 8/10)

Zu den Anforderungen um eine "Einigung" i.S. der Nr. 1000, 1003 VV RVG, wenn die Parteien dem Gericht die Kostenentscheidung überlassen.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 18. Juni 2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Beschlusses der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19. August 2008 sind von dem Beklagten 3.208,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15. November 2008 an den Kläger zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 721,14 €.

Gründe

I.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger vom Beklagten Herausgabe zahlreicher benannter Gegenstände sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über im Besitz des Beklagten sich befindende weitere Gegenstände. Im Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Köln vom 27. Juni 2007 heißt es wie folgt:

"Die Parteien konnten Einigkeit dahingehend erzielen, dass die Gegenstände, die sich in den Containern befinden, herausgegeben werden."

Auf Bitten beider Parteien wurde das Verfahren hierwegen zum Ruhen gebracht. In der Folgezeit wurden die Sachen in den Containern in Augenschein genommen und sodann vom Kläger übernommen. Nunmehr erklärten beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das Landgericht legte dem Beklagten mit Beschluss die Kosten des Rechtsstreits auf.

Zur Festsetzung angemeldet hat der Kläger u.a. eine 1,0 Einigungsgebühr in Höhe von 721,14 € gemäß Nr. 1003, 1000 VV RVG. Hierzu verweist er auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls. Er ist der Ansicht, es sei für den Anfall der Einigungsgebühr nicht von Bedeutung, dass man dem Gericht die Kostenentscheidung überlassen habe.

Der Beklagte meint, es liege gar keine Einigung in gebührenrechtlichem Sinne vor, da es anlässlich der Besichtigung und Herausgabe der in den Containern gelagerten Sachen weiterhin zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien gekommen sei, unter anderem auch wegen der Tragung der Kosten der Einlagerung.

Der Rechtspfleger hat die Festsetzung der Einigungsgebühr mit der Begründung abgelehnt, es sei kein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden. Des Weiteren gehörten die außergerichtlichen Kosten des Vergleichs nur dann zu den zu erstattenden Kosten, wenn die Parteien Entsprechendes vereinbaren würden, woran es vorliegend fehle.

Nach Eingang der Rechtsmittelschrift ist der Rechtspfleger bei seiner Ansicht geblieben, die "Einigung" im Termin sei einem Vergleichsabschluss nicht gleichzustellen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so scheitere die Erstattungsfähigkeit zum einen an § 98 ZPO; zum anderen setze die Erstattungsfähigkeit voraus, dass die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO protokolliert ließen (BGH, Beschluss vom 26. September 2002 - III ZB 22/02).

Trotz weiteren Vorbringens des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur hat der Rechtspfleger zur Begründung seines Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses auf die im Kostenfestsetzungsbeschluss gegebene Begründung Bezug genommen und nunmehr erstmals ohne Begründung die Ansicht vertreten, das Übereinkommen der Parteien im Termin vom 27. Juni 2007 stelle keine Einigung, sondern ein Anerkenntnis dar, wodurch die Einigungsgebühr nicht ausgelöst worden sei.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst vollen Erfolg.

Die vom Rechtspfleger gegebenen wechselnden Begründungen sind rechtsirrig, beruhen insbesondere darauf, dass von ihm das inzwischen mehr als 5 ½ Jahre geltende Recht in Form des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wird und er - insoweit allerdings folgerichtig - sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes beruft, die noch zur Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung ergangen war, infolge der Rechtsänderung jedoch überholt ist.

1. Von der an sich gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung sieht der Senat nach alledem ab. Eine solche wäre geboten, weil ein Verstoß gegen den im Grundgesetz garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör vorliegt, Art. 103 Abs. 1 GG. Nach unbestrittener Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (s. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 572 Rn. 11 m. zahlr. Nwen.), der auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, ist ein Nichtabhilfebeschluss jedenfalls dann gesondert und nicht nur floskelhaft durch Bezugnahme auf die bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss gegebene Begründung zu bescheiden, wenn der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgebracht hat oder auf Literatur und Rechtsprechung hinweist. Dann ist der Rechtspfleger zwingend gehalten, sich mit der Argumentation des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Dem genügt die vom Rechtspfleger gegebene Begründung nicht ansatzweise, mit der er einerseits auf eine - wie noch auszuführen sein wird - völlig verfehlte Rechtsauffassung im Kostenfestsetzungsverfahren verweist und als weiteres Argument einen Gesichtspunkt heranzieht, der bis dahin von keinem der Beteiligten vorgebracht wurde, ohne dies näher zu erläutern (Anerkenntnis).

2. Bei Anwendung des vom Rechtspfleger übergangenen geltenden Rechts steht dem Kläger die zur Festsetzung beantragte Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG unbedenklich zu. Nach den Motiven des Gesetzgebers zu VV 1000 (s. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 18. Auflage, Nr. 1000 Rn. 1) hängt das Entstehen der Einigungsgebühr nicht mehr davon ab, ob die Parteien einen Vergleich im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB geschlossen haben, was bei § 23 BRAGO Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen der Vergleichsgebühr war. Damit wollte der Gesetzgeber die sich häufig darum drehenden Streitigkeiten beenden. Zudem hat der er deshalb bewusst die Bezeichnung von "Vergleichsgebühr" in "Einigungsgebühr" geändert, um auch dergestalt nach außen hin die Rechtsänderung zu dokumentieren. Es genügt zur Verwirklichung des Gebührentatbestandes, dass die Parteien außergerichtlich (Nr. 1000 VV RVG) oder in einem anhängigen Verfahren (Nr. 1003 VV RVG) ihren Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beenden. Allerdings reichen weder ein Anerkenntnis, noch ein Verzicht aus, um die Einigungsgebühr auszulösen.

Zusammengefasst gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung folgendes:

"Unter der Geltung des RVG kommt es für die Entstehung einer Einigungsgebühr nicht mehr auf einen Vergleich i. S. v. § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 280/05 - = NJW-RR 2007, 359). "Für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr reicht es aus, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Parteien eine Vereinbarung i. S. v. Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 RVG VV geschlossen haben. Die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 779 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht erforderlich." (BGH, Beschluss vom 13. April 2007 - II ZB 10/06 - = AGS 2007, 366 = BGHReport 2007, 847). "Die Ausarbeitung des Entwurfs eines Vertrages, der danach abgeschlossen wird, kann - sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird - eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrags i. S. d. Nr. 1000 RVG VV bedeuten." (BGH, Urteil vom 20. November 2008 - IX ZR 186/07 - = MDR 2009, 293 = BGHReport 2009, 375).

Das Entstehen der Einigungsgebühr setzt auch kein gegenseitiges Nachgeben (mehr) voraus. Es soll vielmehr die Beilegung des Streits honoriert und ein Anreiz geschaffen werden, diesen Weg der Erledigung des Rechtsstreites zu gehen. Entscheidendes Kriterium für den Gebührenanfall insoweit ist die Einigung selbst. Dadurch soll das Bemühen und die erhöhte Verantwortung der beteiligten Anwälte honoriert werden, nicht zuletzt auch mit dem Ziel, die Gerichte zu entlasten (BGH BGHReport 2007, 847 = AGS 2007, 366).

3. Dies vorausgeschickt, unterliegt es keinem durchgreifenden Zweifel, dass zu Gunsten des Klägers eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG festzusetzen ist. Dafür genügt es, wie sich der klägerseits zutreffend angegebenen Kommentarstelle entnehmen lässt (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a., Nr. 1000 Rn. 143), dass sich die Parteien nur in der Hauptsache einigen, nicht aber über die Kosten. Einigungsgegenstand ist in diesem Fall die gesamte Streitsache, da über sie keine Entscheidung mehr getroffen werden muss. Dass es noch einer Kostenentscheidung bedarf, ist gebührenrechtlich unschädlich.

Vorliegend haben die Parteien im Termin eine Einigung dahingehend erzielt, dass die Gegenstände, die sich in den Containern befinden, an den Kläger herauszugeben seien. Darin lag bereits eine überwiegende Beilegung des Rechtsstreites. Diese Übereinkunft hat schließlich dazu geführt, dass die Parteien den Rechtsstreit auf der Grundlage ihrer Einigung aufgrund des Ortstermins in der Hauptsache insgesamt übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Dass dies zum Zeitpunkt des Termins zur mündlichen Verhandlung noch unsicher oder nicht voraussehbar gewesen sein mag, ändert nichts an der Erfüllung des Gebührentatbestandes. Denn nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und im Schrifttum bedeutet Mitwirkung i. S. d. Nr. 1000 VV RGG, dass der Anwalt eine auf das Zustandekommen der Einigung gerichtete Tätigkeit vornimmt und diese sich mitursächlich auf den Vertragsschluss auswirkt, d. h. es genügt hierfür jede Tätigkeit, die auf den Abschluss der Einigung ausgerichtet ist (BGH BGHReport 2009, 375, 376 m. zahlr.Nwen).

4. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des OLG Köln (Beschluss v. 15. August 2005 - 4 WF 110/05 - = OLGR 2006, 30 = MDR 2006, 539). Erklären die Parteien des Rechtsstreites, ohne eine vorhergehende oder gleichzeitige Übereinkunft wie im hier zu entscheidenden Fall getroffen zu haben, diesen lediglich in der Hauptsache für erledigt, so liegen bloße Prozesshandlungen vor, die die Rechtshängigkeit der bisher streitigen Ansprüche beenden. Wenn die Parteien nicht zugleich in einem sachlichrechtlichen Streitpunkt eine Einigung erzielen, liegt kein Vertrag i. S. d. Nr. 1000 VV RVG vor, so dass der hier in Rede stehende Gebührentatbestand nicht ausgelöst wird (N. Schneider, in: N. Schneider/Wolf, RVG, 5. Auflage, Nr. 1000 VV RVG Rn. 85; Hartmann, Kostengesetze, Nr. 1000 VV RVG, Rn. 27). In dem vorliegend zu entscheidenden Fall haben die Parteien jedoch über die Abgabe der Erledigungserklärungen hinaus zuvor die erforderliche Einigung erzielt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.






OLG Köln:
Beschluss v. 25.01.2010
Az: 17 W 8/10


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