Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. April 2005
Aktenzeichen: 15 W (pat) 10/05

(BPatG: Beschluss v. 06.04.2005, Az.: 15 W (pat) 10/05)

Tenor

1. AUF DIE BESCHWERDE DER ANMELDER WIRD DER BESCHLUSS DES DEUTSCHEN PATENT- UND MARKENAMTES VOM 9. DEZEMBER 2004 AUFGEHOBEN UND DIE SACHE ZUR ERNEUTEN PRÜFUNG ÜBER DEN ANTRAG AUF FRISTVERLÄNGERUNG UND SODANN ZUR ABSCHLIEßENDEN PRÜFUNG IN DER SACHE AN DAS DEUTSCHE PATENT- UND MARKENAMT ZURÜCKVERWIESEN.

2. DIE BESCHWERDEGEBÜHR WIRD ZURÜCKGEZAHLT.

GRÜNDE I.

Die Anmelder stellten am 2. Oktober 1999 den Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Detektionsmittel und ihre Anwendung".

Mit Bescheid vom 22. Juni 2001 teilte das Deutsche Patent- und Markenamt den Anmeldern mit, der Antrag auf Erteilung des Patents habe zu dem Ergebnis geführt, dass eine Patenterteilung aufgrund der aufgezeigten Mängel nicht in Aussicht gestellt werden könne; zur Äußerung werde eine Frist von 6 Monaten gewährt.

Unter dem 6. November 2001 beantragten die Anmelder unter Hinweis auf den komplexen Sachverhalt eine Fristverlängerung zur Beantwortung des Prüfungsbescheides von einem Jahr. Diese gewährte ihnen das Deutsche Patent- und Markenamt mit Bescheid vom 13. November 2001 bis zum 6. November 2002.

Nachdem die Anmelder mit Schriftsatz vom 18. September 2002 unter Hinweis auf die internationale Patentanmeldung PCT WO 01/01126 A2 vom 4. Januar 2001, in der die deutsche Patentanmeldung als innere Priorität enthalten sei, eine weitere Fristverlängerung von einem Jahr bis zum 6. November 2003 beantragt hatten, gewährte das Deutsche Patent- und Markenamt eine weitere Fristverlängerung bis zum 6. November 2003.

Unter dem 6. Oktober 2003, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 8. Oktober 2003, beantragten die Anmelder unter Hinweis auf ihre internationale Patentanmeldung PCT WO 01/01126 A2, die nunmehr als europäische Patentanmeldung 943 855.7 (EP 1 127 274) weitergeführt werde und in der die deutsche Patentanmeldung als innere Priorität enthalten sei, eine weitere Fristverlängerung von einem Jahr bis zum 6. November 2004.

Ein schriftlicher Bescheid des Deutschen Patent- und Markenamtes über das Fristgesuch befindet sich nicht in den Amtsakten.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2004, an die Anmelder am 14. Dezember 2004 abgesandt, hat das Deutsche Patent- und Markenamt die Patentanmeldung unter Hinweis auf § 48 PatG zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Anmelder mit dem am 11. Januar 2005 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung haben sie vorgetragen, Frau S... vom DPMA habe am 12. Juli 2004 auf Anfrage hin mitgeteilt, dem Antrag auf Fristverlängerung sei stattgegeben worden. Der als Begründung für den Fristverlängerungsverfahren angegebene Grund der deutschen Patentanmeldung als innere Priorität für das Verfahren PCT WO 01/01126 A2 bzw EP 1 127 274 sei immer noch gegeben. Deshalb werde vorsorglich Antrag auf Fristverlängerung bis zum 6. November 2005 gestellt.

Die Anmelder beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ihnen eine Fristverlängerung bis zum 6. November 2005 zu gewähren sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

II.

Die Beschwerde der Anmelder ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 73 Abs 1 und 2 PatG.

Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Fortsetzung der Prüfung über das Fristverlängerungsgesuch und sodann zur abschließenden Prüfung in der Sache.

Nach § 79 Abs 3 Nr 2 PatG kann das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall. Die Prüfungsstelle hat den Anspruch der Anmelder auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs 1 GG verletzt. Diese Vorschrift enthält zwar nach ihrer wörtlichen Fassung nur den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht. Es ist jedoch seit langem anerkannt, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs als rechtsstaatliches Prinzip mit Verfahrensrang für alle Verfahren vor Behörden und Gerichten gilt (vgl BGH GRUR 1966, 583 - Abtastverfahren).

Die Prüfungsstelle hat dem ersten Fristverlängerungsantrag der Anmelder stattgegeben und Fristverlängerung von einem Jahr bewilligt. Auch auf den zweiten Fristverlängerungsantrag mit Hinweis auf die PCT-Anmeldung und auf die innere Priorität der deutschen Patentanmeldung ist eine weitere Fristverlängerung von einem Jahr gewährt worden. Die Anmelder haben einen gleichlautenden Antrag unter dem 6. Oktober 2003 gestellt und konnten davon ausgehen, dass das Deutsche Patent- und Markenamt auch über diesen Fristverlängerungsantrag entscheiden und ihm ggfls. stattgeben würden. Ein schriftlicher Bescheid über das Fristgesuch befindet sich indes nicht in den Verwaltungsvorgängen. Stattdessen ist mit Beschluss vom 9. Dezember 2004 in der Sache entschieden worden. Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn über ein Fristverlängerungsgesuch nicht entschieden worden ist, wohl aber bereits in der Sache. Damit wird der Vortrag der Anmelder in der Sache abgeschnitten. Dies gilt umso mehr, wenn stattdessen sogar, wie nach den Ausführungen der Antragsteller, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, eine Mitarbeiterin des Deutschen Patent- und Markenamtes den Anmeldern mündlich eine Fristverlängerung gewährt hat.

2. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.

Nach § 80 Abs 3 PatG kann das Patentgericht anordnen, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird. Dies erfordert Billigkeitserwägungen, die es als nicht sachgerecht erscheinen lassen, die erfolgsunabhängige Beschwerdegebühr in Ausnahmefällen zurückzuzahlen. Dies ist für den Fall anerkannt, dass das Verfahren vor dem Patentamt an einem schweren Mangel leidet. Bei Verstößen gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs als rechtsstaatliches Prinzip mit Verfassungsrang entspricht die Rückzahlung der Billigkeit.

Kahr Niklas Klante Egererwa






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Az: 15 W (pat) 10/05


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