Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2011
Aktenzeichen: 35 W (pat) 45/09

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2011, Az.: 35 W (pat) 45/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "...".

Für das Eintragungsverfahren ist ihm mit Beschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 8. Januar 2003 Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, ebenso für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr mit einem weiteren Beschluss vom 5. April 2006.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Februar 2009, beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen per Fax am selben Tag, hat der Beschwerdeführer beantragt, ihm die "zweite Verlängerungsgebühr stünden", da sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert hätten. Dem Schreiben war die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 20. März 2008 und ein Folgebewilligungsbescheid des Landkreises Rotenburg (Wümme) für den Zeitraum von 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 beigefügt.

Mit Beschluss vom 4. August 2009 hat die Gebrauchsmusterstelle den als Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr behandelten Antrag zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer nicht, wie von ihm mit Bescheiden vom 11. März und 11. Mai 2009 gefordert, nachgewiesen habe, dass er sich ernsthaft um die Vermarktung seines Schutzrechts bemüht habe. Damit entspreche die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns und sei daher als mutwillig im Sinne des Gesetzes anzusehen.

Gegen den ihm am 10. August 2009 zugestellten Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde vom 10. September 2009, mit der der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe weiter verfolgt. Mit der Beschwerdebegründung legt er eine weitere Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. Juli 2009 zusammen mit einem Folgebewilligungsbescheid des Landkreises Rotenburg (Wümme) für den Zeitraum von 1. Mai bis 31. Oktober 2009 vor sowie eine Rechnung des Beschwerdeführers an eine belgische Firma über 7.290.--€ vom 11. Mai 2009.

Der Beschwerdeführer hat am 2. Februar 2010 zwischenzeitlich die 2. Aufrechterhaltungsgebühr nebst dem Zuschlag (unter Vorbehalt) gezahlt. Die Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters für 8 Jahre ist im Register vermerkt worden.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 4. August 2009 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster ... zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Gebrauchsmusterstelle hat den Antrag zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen, da weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.

Das Verfahren ist nicht aufgrund der Zahlung vom 2. Februar 2010 erledigt. Denn die bezahlten Gebühren wären im Fall des Erfolges der Beschwerde zurückzuerstatten gewesen.

1.

Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe -§ 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen.

2.

Ob eine an sich erfolgreiche Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich nach h. M. danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. 2003, § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, § 130 Rn. 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.; BPatG GRUR 1998, 42). Mutwilligkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht voneinem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).

3.

Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Der Beschwerdeführer hat im Verlauf des Verfahrenskostenhilfeverfahrens nicht die notwendigen Nachweise dafür erbracht, dass er seine Rechte so wahrnimmt, wie dies bei objektiver Betrachtung der einer vermögende Person in derselben Situation entsprechen würde.

3.1.Die Gebrauchsmusterabteilung hat bei der Zurückweisung des Antrags zu Recht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. Erfolg versprechende Versuche des Beschwerdeführers erkennen lassen, das Streitgebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungsund Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber alsbald nach der Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.

3.2.Dafür, dass der Antragsteller im Zeitraum zwischen der Eintragung des Gebrauchsmusters im Juni 2003 und seinem Antrag vom 12. Januar 2006 auf Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr Maßnahmen ergriffen hat, um sein Schutzrecht zu verwerten, ist weder etwas vorgetragen worden noch ist dies aus den Akten ersichtlich. Auch für die Zeit zwischen der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrecherhaltungsgebühr durch den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 5. April 2006 und dem jetzigen Antrag sind keine ernsthaften Bemühungen für eine wirtschaftliche Verwertung des Gebrauchsmusters erkennbar. Die Gebrauchsmusterstelle hat insoweit die vorgelegte Rechnung vom 27. Oktober 2007 als nicht ausreichend angesehen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem vermieteten Gegenstand "Magic Ring" um den Erfindungsgegenstand handelte, denn allein die Vermietung eines einzigen Exemplars kann nicht als ernsthafte Verwertungshandlung des Schutzrechts angesehen werden. Hierfür wären vielmehr weitere Nachweise für entsprechende Aktivitäten in den seit Eintragung bis zu Antragstellung vergangenen rund 61/2 Jahren erforderlich gewesen. Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch belegt, wann mit wem welche Vereinbarungen getroffen worden sind und dass für die Vermietung tatsächlich Gelder geflossen sind. Insbesondere enthält das Formblatt für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 20. März 2008 in der Rubrik "Bruttoeinnahmen" unter "Andere Einnahmen (auch einmalige oder unregelmäßige)" keinen entsprechenden Eintrag. Andererseits taucht der in der Rechnung enthaltene Betrag auch nicht an der Stelle im Formblatt auf, an der nach Vermögenswerten gefragt wird ("Sonstige Vermögenswerte, ... Forderungen, Außenstände€").

3.3.Gleiches gilt auch bezüglich der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Rechnung vom 11. Mai 2009. Abgesehen davon, dass es sich hierbei erst um den zweiten Verwertungsversuch innerhalb der 61/2 Jahre handeln würde, fehlt es auch hier am Nachweis für die zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen, eine tatsächlich erfolgte Lieferung und den Geldeingang, für den es wiederum in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. Juli 2009 keinerlei Hinweise gibt.

3.4.Eine Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen ergibt daher für eine bisherige wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Angesichts dieser Umstände kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage weitere Mittel einsetzen würde, um das Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten, von dem keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind und bei dem deswegen die Aufrechterhaltungsgebühr von vornherein verlorene Kosten bedeutet.

Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.

4. Insofern kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfüllt. Allerdings sind Angaben des Beschwerdeführers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Hinblick auf die oben genannten Lücken jedenfalls nicht vollständig. Darüber hinaus ist der Folgebewilligungsbescheid des Landkreises Rotenburg vom 7. Mai 2009 nur vorläufig. Welchen Fortgang das Verfahren über die Gewährung der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts genommen hat, ist nicht erkennbar. Hier wäre bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe weiterer Vortrag erforderlich gewesen, insbesondere zu der vom Landratsamt angeforderten monatlichen EinnahmeÜberschussrechnung.

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BPatG:
Beschluss v. 26.04.2011
Az: 35 W (pat) 45/09


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