Bundespatentgericht:
Urteil vom 28. September 2010
Aktenzeichen: 3 Ni 50/08

(BPatG: Urteil v. 28.09.2010, Az.: 3 Ni 50/08)

Tenor

1.

Das europäische Patent 0 667 771 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 8. November 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Patentanmeldung 9213525 vom 10. November 1992 als internationale Patentanmeldung PCT/FR 93/01096 angemeldeten und u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland vor dem europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents 0 667 771 B1 (Streitpatent), dessen Erteilung am 15. April 1998 veröffentlicht worden ist. Vom Deutschen Patentund Markenamt wird es unter der Nummer DE 693 18 033 geführt. Das Streitpatent betrifft "Antitumorzusammensetzungen enthaltend Taxanderivate" und umfasst in der in französischer Sprache erteilten Fassung 8 Patentansprüche, die in der deutschen Übersetzung folgendermaßen lauten:

1. Kombinationen aus Taxol, Taxotere und ihren Analoga mit Mitosegiften, Epipodophyllotoxinen, Antibiotika, Topoisomeraseinhibitoren.

2.

Kombinationen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitosegifte aus Vinca-Alkaloiden, ihren synthetischen oder semisynthetischen Analoga oder Estramustin oder Taxoiden ausgewählt sind.

3.

Kombinationen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Epipodophyllotoxine aus Etoposid oder Teniposid ausgewählt sind.

4.

Kombinationen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Antibiotika aus Daunorubicin, Doxorubicin, Bleomycin oder Mitomycin ausgewählt sind.

5.

Kombinationen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Topoisomeraseinhibitoren aus Camptothecin und seinen Derivaten, ausgewählt aus CPT-11 und Topotecan, und den Pyridobenzoindolderivaten ausgewählt sind.

6.

Kombinationen nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie weiterhin Wachstumsfaktoren vom hämatopoietischen Typ enthalten.

7.

Kombinationen nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass sie 10 bis 90 Gew.-% Taxol, Taxotere oder ihre Analoga enthalten.

8.

Produkte die Taxol, Taxotere oder ihre Analoga und mindestens eine therapeutisch zur Behandlung von neoplastischen Krankheiten nützliche Substanz nach einem der Ansprüche 1 bis 7 enthalten, als Kombinationspräparat zur zeitlich gleichzeitigen, getrennten oder abgestuften Verwendung in der Antikrebstherapie.

Die Klägerinnen zu 1 und 2 stützen ihre Klagen darauf, dass der Gegenstand des Streitpatentes wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei. Die Klägerin zu 2 macht darüber hinaus unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung und unzureichende Offenbarung der Ausführbarkeit der Erfindung geltend.

Zur Begründung ihres Vorbringens stützen sich die Klägerinnen u. a. auf folgende Dokumente (zusammengefasst und bezeichnet nach der von der Beklagten als Anlage BB13/BB19 eingereichten Konkordanzliste):

KOK EP0667771B1 KK2 DE 693 18 033 T2 KK4 Mutschler, E. "Arzneimittelwirkungen", 5. Aufl., 1986, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, S. 657 bis 672 KK5 Brunner, K. W. und Nagel, G. A. "Internistische Krebstherapie" 3. Aufl. 1985, Springer Verlag Berlin, S. 75 bis 91 und 112 KK6 Moser, K. und Stacher, A. "Chemotherapie maligner Erkrankungen", 4. Aufl., 1989, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, S. 164 bis 171 KK9 Rowinsky, E. K. und Donehower, R. C., Pharmac. Ther., 1991, 52, S. 35 bis 84 KK10 Hanauske, A.-R. et al., Anti-Cancer Drugs, April 1992, 3, S. 121 bis 124 KK12 Rose, W. C., Anti-Cancer Drugs, August 1992, 3, S. 311 bis 321 KK13 Bissery, M. C. et al., Proceedings of the American Association for Cancer Research, März 1992, 33, S. 443, Abstract Nr. 2645 KK15 Holmes, F. A. et al., "Tagungsband Second National Cancer Institute Workshop on Taxol and Taxus", September 23 -24, 1992 KK16 Fisherman, J. et al., Tagungsband "Second National Cancer Institute Workshop on Taxol and Taxus", September 23 -24, 1992 KK19 Bissery, M.-C. et al., Cancer Research, 1991, 51, S. 4845 bis 4852 KK29 Markman, M., J. Cancer Res. Clin. Oncol., 1993, 119, S. 439 bis 440 KK30 Riou, J.-F. et al., Biochem. Biophys. Res. Comm., August 1992, 187, S. 164 bis 170 KK37 Schmoll, H.-J., Peters, H.-D. und Fink, U. "Kompendium Internistische Onkologie", Teil 2, 1987, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, S. 1158 bis 1168 KK42 Moser, K. und Stacher, A. "Chemotherapie maligner Erkrankungen"

4. Aufl., 1989, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, S. 270 bis 279.

Die Klägerinnen beantragen, das europäische Patent EP 0 667 771 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen HA1 und H2 aus dem Schriftsatz vom 14. September 2010 sowie den Hilfsanträgen HA3 bis HA6 aus dem Schriftsatz vom 27. September 2010 und beantragt, die Nichtigkeitsklagen abzuweisen, hilfsweise insoweit das Streitpatent mit den Hilfsanträgen HA1 bis HA6 verteidigt wird.

Der Hilfsantrag HA1 umfasst 4 Patentansprüche, von denen die unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 folgenden Wortlaut haben:

1. Kombinationen aus Taxotere und Doxorubicin zur Behandlung von neoplastischen Erkrankungen.

4. Produkte, die Taxotere und Doxorubicin enthalten, als Kombinationspräparat zur zeitlich gleichzeitigen, getrennten und abgestuften Verwendung in der Antikrebstherapie.

Gemäß Hilfsantrag HA2 verteidigt sie das Streitpatent mit 3 Patentansprüchen, von denen der einzige unabhängige Patentanspruch 1 folgendermaßen lautet:

Verwendung von Kombinationen aus Taxotere und Doxorubicin zur Behandlung von Brustkrebs.

Weiter hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag HA3. Gegenüber Hilfsantrag HA2 ist die beanspruchte Verwendung zusätzlich auf die Behandlung von Eierstockkrebs oder Lungenkrebs gerichtet.

Gemäß Hilfsantrag HA4 verfolgt sie das Streitpatent mit 3 Patentansprüchen, wobei der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

Verwendung von Kombinationen aus Taxotere und Antibiotika zur Behandlung von Brustkrebs, dadurch gekennzeichnet, dass die Antibiotika aus Daunorubicin, Doxorubicin, Bleomycin oder Mitomycin ausgewählt sind.

Weiter hilfsweise verfolgt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag HA5. Gegenüber Hilfsantrag HA4 ist die Verwendung zusätzlich auf die Behandlung von Eierstockkrebs oder Lungenkrebs gerichtet.

Weiter hilfsweise verfolgt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag HA6. Gegenüber Hilfsantrag HA5 wird neben der im Hilfsantrag HA5 genannten Kombination aus Taxotere und Antibiotika ferner auch die Verwendung von Kombinationen aus Taxotere und Mitosegiften, Epipodophyllotoxinen und Topoisomeraseinhibitoren zur Behandlung von Brustkrebs, Eierstockkrebs oder Lungenkrebs beansprucht.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen und verweist zur Stütze ihres Vorbringens auf folgende Dokumente:

BB1 Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Aufl., 1998, Walter de Gruyter Berlin New York, S. 430 und 1346 BB2 Knapp, R. C. und Berkowitz, R. S. "Gynecologic Oncology", 1986, Macmillan Publishing Company New York, S. 291 BB3 Slevin, M. L. und Staquet, M. J. "Randomized Trials in Cancer", 1986, Raven Press New York, S. 409 BB4 Gusberg, S. B., Shingleton, H. M. und Deppe, G. "Female Genital Cancer", 1988, Churchill Livingstone Inc. New York, S. 376 BB5 Bannasch, P. "Cancer Therapy", 1989, Springer-Verlag Berlin, S. 91 bis 92, 1 Seite "Summary of Discussion: Session 4"

BB6 Haskell, Ch. M. "Cancer Treatement", 3rd Ed., 1990, W.B. Saunders Company, Philadelphia, S. 26 BB7 Deppe, G. "Chemotherapy of Gynecologic Cancer" 2nd Ed., 1990, Alan R. Liss, Inc., New York, S. 132, 139, 169, 170 BB8 Sharp, F., Mason, W. P. und Leake, R. E. "Ovarian Cancer"1990, Chapman and Hall Ltd., London, S. 295/296 BB9 Bender, H. G. "Gynäkologische Onkologie" 2. Aufl., 1991, Georg Thieme Verlag Stuttgart, S. 387, 389 BB10 Rowinsky, E. K. und Donehower, R. C., JNCI 1991, 83, S. 1778 bis 1781 BB11 Bissery, M.-C. et al., Seminars in Oncology, 1995, 22, S. 3 bis 16 BB12 Hahn, S. M. et al., Cancer 1993, 72, S. 2705 bis 2711 BB14 WO 94/10995 A1 BB15 Gutachterliche Stellungnahme Prof. Dr. W. Eiermann vom 14. September 2010 mit Anlagen I bis XVIII BB16 Waud, W. R. et al., Cancer Chemother. Pharmacol. 1992, 31, S. 255 bis 257 BB17 Gupta, R. S., Cancer Treatment Reports 1985, 69, S. 515 bis 521 BB18 Presseerklärung der Fa. Aventis Pharma, 2000 Mit Beschluss vom 7. August 2009 sind die Nichtigkeitsklagen 3 Ni 50/08 (EU) und 3 Ni 10/09 (EU) miteinander verbunden worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die Akten verwiesen.

Gründe

Die Klagen sind zulässig und begründet.

Der von den Klägerinnen geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag und in der jeweils verteidigten Fassung gemäß den Hilfsanträgen HA1 bis HA6 (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a i. V. m. Art. 54, 56 EPÜ).

I.

1. Das Streitpatent betrifft Kombinationen von Taxol, Taxotere und seinen Analoga mit therapeutisch nützlichen Substanzen zur Behandlung neoplastischer Erkrankungen (vgl. KK1 Beschreibung S. 2 Z. 3 bis 4 i. V. m. Patentanspruch 1).

Nach den Angaben im Streitpatent besitzen Taxol, Taxotere und ihre Analoga beachtliche antitumorale und antileukämische Eigenschaften, die insbesondere bei der Behandlung von Eierstockkrebs, Brustkrebs oder Lungenkrebs nützlich sind. Dabei liegen die verwendeten Dosen üblicherweise, abhängig von den zu behandelnden Personen, bei intraperitonealer Verabreichung in einem Bereich zwischen 1 und 10 mg/kg und bei intravenöser Verabreichung in einem Bereich zwischen 1 und 3 mg/kg. Ferner -so wird in der Streitpatentschrift zudem ausgeführt -sei zum maßgeblichen Zeitpunkt als Kombination von Taxol mit Antikrebssubstanzen die Kombination von Taxol mit Cis-Platin bekannt gewesen (vgl. KK1 Beschreibung S. 2 Z.5bis 17).

2.

Vor diesem Hintergrund ist die dem Streitpatent zugrunde liegende objektive technische Aufgabe darin zu sehen, Zusammensetzungen bereitzustellen, mit denen die Wirksamkeit von Taxol, Taxotere und ihren Analoga deutlich verbessert wird (vgl. Streitpatentschrift KK1 S. 2 Z. 18 bis 21).

3.

Gelöst wird diese Aufgabe gemäß erteiltem Patentanspruch 1, durch 1.

Kombinationen aus 2.

Taxol, Taxotere und ihren Analoga mit 3.a. Mitosegiften, 3.b. Epipodophyllotoxinen, 3.c. Antibiotika, 3.d. Topoisomeraseinhibitoren Gelöst wird diese Aufgabe im weiteren gemäß erteiltem Patentanspruch 8 durch Produkte, die solche Kombinationen enthalten, zur zeitlich gleichzeitigen, getrennten oder abgestuften Verwendung in der Antikrebstherapie.

4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team aus zu mindest einem Pharmakologen und einem auf dem Gebiet der Onkologie forschenden Mediziner, mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Krebstherapie bzw. in der Entwicklung von onkologischen Arzneimitteln (vgl. BGH GRUR 2010, 607, 611, Tz. 70 -Fettsäurezusammensetzung; GRUR 2010, 123, 125, Tz. 27 -Escitalopram; BGH GRUR 2007, 404, 406, Tz. 26 -Carvedilol II).

II.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig.

1. Es kann als nicht entscheidungswesentlich dahingestellt bleiben, inwiefern die von den Klägerinnen gleichfalls insbesondere geltend gemachte mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung für den Fachmann tatsächlich gegeben ist. Denn der Gegenstand gemäß den erteilten Patentansprüchen 1 bis 8 fällt bereits deshalb der Nichtigkeit anheim, weil die Kombination gemäß Patentanspruch 1 nicht nur gegenüber dem Abstract 2645 des Dokumentes KK13, das bereits Kombinationen von Taxotere mit Doxorubicin und Vincristin nennt, nicht mehr neu ist, sondern der Kombination von Taxol und Doxorubicin wie auch dem diese Wirkstoffe aufweisenden Produkt gemäß Patentanspruch 8 gegenüber dem von den Klägerinnen als Entgegenhaltung KK9 eingereichten Übersichtsartikel der Autoren Rowinsky, E. K. und Donehower, R. C. in "Pharmac. Ther. 1991, 52, S. 35 bis 84" die Neuheit fehlt.

2. Der Beitrag KK9 hat antimikrotubuläre Wirkstoffe in der Chemotherapie von Krebserkrankungen zum Thema. Der Fokus dieses Artikel ist dabei auf die Wirkstoff-Gruppen der Vinca-Alkaloide und Taxane gerichtet. Zwei Substanzgruppen, mit denen zum Veröffentlichungszeitpunkt bereits umfassende Erfahrungen sowohl im klinischen als auch präklinischen Bereich gesammelt worden waren (vgl.

S. 35 Titel und S. 36 li. Sp. "1. Introduction"). So sind in dem die Taxane betreffenden Abschnitt ausführlich jene Forschungsergebnisse beschrieben, die Taxol, den zum maßgeblichen Zeitpunkt am besten untersuchten Vertreter dieser Wirkstoff-Gruppe, betreffen (vgl. S. 56 li. Sp. le. Abs. bis S. 62 li. Sp. Abs. 1). In diesem Zusammenhang wird im Absatz "3.1.7. Future Directions" auch auf diverse klinische Studien der Phase II und Phase III, hingewiesen, die zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels gerade abgeschlossen, noch am Laufen bzw. in Planung waren. Diese betreffen nicht nur weitere therapeutische Einsatzmöglichkeiten der Monosubstanz zur Behandlung neoplastischer Erkrankungen, sondern darüber hinaus auch Untersuchungen zur Kombinationsfähigkeit von Taxol mit weiteren Zytostatika. Insbesondere wird dabei ausgeführt, dass auf Grund der im Rahmen von klinischen Studien der Phase II beobachteten bemerkenswerten Aktivität von Taxol bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs, gerade klinische Studien der Phase II mit Kombinationen von Taxol und Doxorubicin bei fortgeschrittenem Brustkrebs durchgeführt würden (vgl. S. 61 re. Sp. Abs. 2). Somit aber wird in diesem Dokument bereits die im Patentanspruch 1 beanspruchte Kombination von Taxol mit einem Antibiotikum, nämlich Doxorubicin, offenbart.

Der Patentanspruch 1 ist daher wegen mangelnder Neuheit nicht rechtsbeständig.

3.

Der nebengeordnete Patentanspruch 8 betrifft Produkte der im erteilten Patentanspruch 1 genannten Kombinationen zur Behandlung neoplastischer Krankheiten zur gleichzeitigen, getrennten oder zeitlich abgestuften Verwendung. Es entspricht üblicher Praxis, Wirkstoffe in formulierter Form zu verabreichen, somit in Form eines Produktes, auch um so gegebenenfalls überhaupt erst eine Wirkstoff-Aufnahme durch den Patienten zu ermöglichen. Dies trifft vorliegend für den Wirkstoff Taxol ebenso zu, denn diese Substanz ist nur in Form einer geeigneten galenischen Zubereitung in Lösung zu bringen, bevor sie im Rahmen einer Infusion dem Patienten verabreicht werden kann (vgl. KK9 S. 59 re. Sp. "3.1.5. Dose and Schedule" und S. 62 re. Sp. 2. Abs. 1. Satz). Somit aber sind auch für die im Dokument KK9 beschriebenen klinischen Studien der Phase II Produkte zum Einsatz gekommen, die Taxol und Doxorubicin als Kombinationspräparate enthalten. Da aus dem Übersichtsartikel KK9 zudem nicht ersichtlich ist, dass das Verabreichungsschema einem anderen Prinzip gefolgt ist, als dem üblichen, nämlich einer gleichzeitigen, getrennten oder zeitlich abgestuften Verabreichung, betrifft der Patentanspruch 8 keinen anderen Sachverhalt, als er mit dem geltenden Patentanspruch 1 vorliegt, weshalb die zum Patentanspruch 1 dargelegten Gründe hier ebenfalls vollumfänglich gelten.

4.

Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den Gegenständen der nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 7 zu erkennen. Die Beklagte hat Der Gegenstand des Patentanspruches 8 ist daher ebenfalls mangels Neuheit nicht rechtsbeständig.

i. V. m. diesen gemäß Hauptantrag verteidigten Patentansprüchen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Diese Patentansprüche, deren selbständiger patentfähiger Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.

III.

Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen HA1 bis HA6 erweisen sich ebenfalls als nicht patentfähig.

1.

Es kann auch hier dahingestellt bleiben, inwiefern der Vortrag der Klägerinnen zutrifft, dem Gegenstand gemäß den jeweils verteidigten Patentansprüchen nach den Hilfsanträgen HA1 bis HA6 fehle es an der Ausführbarkeit, bzw. die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen HA1 und HA2 seien unzulässig erweitert, denn auch die nach Hilfsantrag HA1 beanspruchte Kombination ist jedenfalls nicht mehr neu und die Bereitstellung des Gegenstandes in den verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen HA2 bis HA6 beruht auch bei unterstellter Ausführbarkeit jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

2.

Die Kombination nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag HA1 ist im Unterschied zum erteilten Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nur noch auf eine Kombination der Wirkstoffe Taxotere und Doxorubicin zur Behandlung neoplastischer Erkrankungen gerichtet.

Diese Wirkstoff-Kombination wird auch in Verbindung mit den im Abstract 2645 des Dokumentes KK13 angegebenen Versuchen beschrieben. Verwendet wird sie zur Behandlung eines in Mäuse transplantierten Tumors, eines Pankreas-Adenocarcinoms in fortgeschrittenem Stadium. Dabei wird sie -entgegen dem Vortrag der Beklagten -ebenso wie die streitpatentgemäße Kombination aus Taxotere und Doxorubicin hinsichtlich ihrer Wirkung gegenüber diesem implantierten Tumor, somit einer neoplastischen Erkrankung, untersucht. Die Autoren kommen im Rahmen dessen nämlich nicht nur zu dem Ergebnis, dass die Kombination von Taxotere und Doxorubicin einen dosisilimitierenden toxischen Effekt zeige, sondern auch, dass mit den höchsten tolerierbaren Dosen vergleichbare Aktivitäten erzielt worden seien, wie sie mit den meisten Wirkstoffen dieser Kombinationen bei deren Anwendung in der Monotherapie beobachtet würden. Damit wird in der aus diesem Abstract bekannten Studie die in Rede stehende Wirkstoffkombination gleichfalls zur Behandlung einer neoplastischen Erkrankung eingesetzt, weshalb die im Patentanspruch 1 genannte Kombination aus Taxotere und Doxorubicin mit diesem Abstract neuheitsschädlich vorweggenommen wird.

Auch der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag HA1 ist daher wegen mangelnder Neuheit nicht bestandsfähig.

3. Die Patentansprüche 1 der Hilfsanträge HA2 bis HA6 unterscheiden sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern, als sie ebenfalls nur noch auf die Verwendung von Wirkstoff-Kombinationen mit Taxotere gerichtet sind.

3.1. Die Patentansprüche gemäß diesen -unabhängig von der medizinischen Indikation -Hilfsanträgen betreffen die gleiche Anspruchskategorie, es besteht aber ein qualitativer Unterschied dahin gehend, dass der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag HA6 die Verwendung von Kombinationen von Taxotere mit nicht weiter definierten Wirkstoffen aus den Wirkstoff-Gruppen der Mitosegifte, Epipodophyllotoxinen, Antibiotika oder Topoisomeraseinhibitoren beansprucht, während die gemäß den Hilfsanträgen HA2 bis HA5 als Komponenten in einer Kombination mit Taxotere genannten Wirkstoffe auf Doxorubicin, bzw. Daunorubicin, Doxorubicin, Bleomycin oder Mitomycin beschränkt sind. Da mit der Nummerierung der von der Streitpatentinhaberin verteidigten Fassungen der Patentansprüche des Streitpatentes dem Gericht grundsätzlich keine bindende Prüfungsreihenfolge vorgegeben wird und ständiger Rechtsprechung folgend regelmäßig unabhängig von der Nummerierung zunächst die am wenigsten beschränkte Fassung zu prüfen ist, sind nach Auffassung des Senates vorliegend die Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag HA6 vor den jeweiligen Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß den Hilfsanträgen HA2 bis HA5 zu prüfen (vgl. Schulte 8. Aufl. § 81 Rdn. 136, BPatGE 34, 230; BPatG GRUR 2008, 892 -Memantin; 2 Ni 29/94 Urteil vom 14. September 1995 -Wirbelplatzhalter).

3.2. Geltender Rechtsprechung folgend, ist bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit zunächst zu klären, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet (BGH GRUR 2003, 693 -Hochdruckreiniger) und ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern. Dabei besteht bei der Wahl des Ausgangspunktes jedoch kein Vorrang eines "nächstkommenden Standes der Technik" (BPatG GRUR 2004, 317 -Programmartmitteilung; BGH GRUR 2009 382, 387 [51] -Olanzapin). Vielmehr bedarf es für die Auswahl der Rechtfertigung, die in der Regel in dem Bemühen des Fachmannes liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt. Um die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, bedarf es dafür daher über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH GRUR 2009, 746 Ls. -Betrieb einer Sicherheitseinrichtung sowie BGH GRUR 2009, 1039 Ls. 2 -Fischbissanzeiger).

Diese Voraussetzungen für die Auswahl des als Ausgangspunkt maßgeblichen Standes der Technik werden vorliegend von dem Übersichtsartikel KK9 erfüllt. Denn dieser hat -wie vorstehend bereits dargelegt -den Einsatz von antimikrotubulären Wirkstoffen in der Chemotherapie neoplastischer Erkrankungen und als Vertreter dieser Wirkstoff-Gruppe ausschließlich die Substanz-Gruppen der Vinca-Alkaloide und der Taxane zum Thema, jene zwei Verbindungs-Gruppen dieser antimikrotubulären Wirkstoff-Klasse mit denen zum Veröffentlichungszeitpunkt bereits umfangreiche experimentelle und klinische Erfahrungen existierten (vgl. S. 35 Titel sowie Inhaltsverzeichnis und S. 36 li. Sp. "1. Introduction"). In der Gruppe der Taxane sind es zwei Verbindungen, denen jeweils ein eigener Abschnitt in diesem Übersichtsartikel gewidmet ist. Dabei handelt es sich um Taxol und Taxotere (vgl.

S. 56 li. Sp. "3. Taxanes" bis S. 65 re. Sp. Abs. 3). Wie aus diesen Zusammenfassungen der bis dahin veröffentlichten Daten zu den beiden Wirkstoffen ersichtlich ist, hatten zum gegebenen Zeitpunkt aufgrund der in verschiedenen klinischen Studien der Phase II -insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs -erhaltenen bemerkenswerten Ergebnisse mit Taxol bereits auch klinische Studien der Phase II mit Kombinationen von Taxol und Doxorubicin begonnen (vgl. KK9 S. 61 re. Sp. Abs. 2). Bei dem Wirkstoff Doxorubicin -dies sei in diesem Zusammenhang ergänzend ausgeführt -handelt es sich um ein zum maßgeblichen Zeitpunkt gebräuchliches Zytostatikum zur Behandlung von Brustkrebs, insbesondere auch in der Kombinationstherapie (vgl. KK42 S. 271, Tabelle 70 und S. 274 2. Abs. nach Tabelle 74 ). Die im Rahmen der im Dokument KK9 beschriebenen Studien erhaltenen ermutigenden Ergebnisse sah die Fachwelt zum damaligen Zeitpunkt jedoch als in der klinischen Praxis in größerem Umfang als nicht nutzbar an, da der Wirkstoff Taxol nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stand, um weitere klinische Studien der Phase II oder sogar Phase III durchzuführen. Ein in Betracht zu ziehender Weg zur Lösung dieses Problems ist von der Fachwelt -den Ausführungen weiter folgend -allerdings in der Hemisynthese von Taxol oder einem vergleichbar wirkenden Analogon ausgehend von einer aus Taxus baccata isolierten Vorstufe gesehen worden. Diese Suche führte jedoch nicht nur zum Auffinden eines Syntheseweges für Taxol, im Rahmen dessen wurde auch ein Derivat dieses Wirkstoffes aufgefunden, die Verbindung Taxotere, einer mit Taxol strukturverwandten Substanz (vgl. S. 61/62 re./li. Sp. übergreifender Absatz).

Diese Verbindung hat aufgrund ihrer bemerkenswerten antineoplastischen Aktivität ebenfalls das besondere Interesse der Fachwelt auf sich gezogen. Daher wurde auch der Wirkstoff Taxotere Gegenstand intensiverer Studien, die zum Veröffentlichungszeitpunkt des Artikels KK9 bereits zu dessen Einsatz in klinischen Studien der Phase I geführt hatten. Dieses ergibt sich aus dem der Verbindung Taxotere in dem Übersichtsartikel KK9 -als einzigem weiteren Mitglied der Taxan-Familie -gewidmeten eigenen Abschnitt. Aus diesem ist im weiteren zu ersehen, dass dieser Wirkstoff nicht nur ebenfalls über den im Zusammenhang mit Taxol festgestellten einzigartigen Wirkungsmechanismus verfügt, sondern es sich insbesondere auch erwiesen hatte, dass er hinsichtlich seiner Aktivität dem Taxol überlegen ist und zudem über eine bessere Wasserlöslichkeit als dieser Wirkstoff verfügt (vgl. S. 56 li. Sp. le. Abs., re. Sp. 1. Abs. sowie S. 65 li./re. Sp. übergreifender Absatz).

In Kenntnis dieses Standes der Technik bedurfte es keines erfinderischen Zutuns, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe eine Kombination von Taxotere mit einem weiteren zytostatischen Wirkstoff gemäß Patentanspruch 1, wie z. B. einem Antibiotikum, in Betracht zu ziehen. Auch wenn zugunsten der Beklagten die Ausführbarkeit der Erfindung unterstellt wird und deshalb die beanspruchte Lehre als das von der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich Geleistete zuerkannt wird. Um zu der beanspruchten Lösung zu gelangen musste der Fachmann lediglich der in der Veröffentlichung KK9 auf S. 61/62 li./re. Sp. übergreifender Absatz gegebenen Anregung folgen und in der bereits bekannten Kombination den Wirkstoff Taxol gegen dessen Derivat Taxotere austauschen. Der Fachmann war aber auch deshalb dazu veranlasst, in der in Rede stehenden Kombination Taxotere anstelle von Taxol einzusetzen, weil sich Taxotere -wie aus dem im Jahr 1992, somit ein Jahr nach dem Übersichtsartikel KK9, erschienenen Beitrag KK10 der Autoren Hanauske, A.-R. et. al. in "Anti-Cancer Drugs" zu ersehen ist -nicht nur bei gleichen Konzentrationen erheblich wirksamer als Taxol erwiesen hatte. Zudem lag diese Vorgehensweise deshalb für den Fachmann nahe, weil Taxotere diese Aktivität insbesondere gegenüber BrustLungenund Eierstockkrebs zeigte und die mit diesem Wirkstoff erhaltenen Untersuchungsergebnisse so hoffnungsvoll waren, dass die Autoren dieses Beitrages diese Verbindung bereits für klinische Studien der Phase II ins Auge fassten (vgl.

S. 121 li. Sp. Zusammenfassung sowie S. 123 re. Sp. Abs. 1 und S. 123/124 re./li. Sp. übergreifender Absatz und S. 124 li. Sp. 3. Abs.). Im Übrigen bedurfte es auch deshalb keiner Überlegungen erfinderischer Art, Taxotere in Kombinationen mit weiteren Zytostatika in Erwägung zu ziehen, weil -wie sich anhand des Dokumentes KK13 erweist -das Augenmerk der Fachwelt zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits auf solche Kombinationen gerichtet war (vgl. KK13 S. 443 Abstract 2645). Danach stand aber nicht nur das Antibiotikum Doxorubicin als Wirkstoff-Komponente in einer Kombination neben Taxotere im Blickfeld des Fachmanns, sondern ebenso andere Zytostatika, darunter auch Wirkstoffe mit einem von Doxorubicin unterschiedlichen Wirkungsmechanismus. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat daher auch nicht zu sehen, inwiefern es eines erfinderischen Zutuns erforderte, außer Doxorubicin noch weitere gebräuchliche Wirkstoff-Klassen, wie sie im Patentanspruch genannt sind, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe in Betracht zu ziehen.

Der Einwand der Beklagten, der Fachmann habe einen Austausch von Taxol in der Wirkstoff-Kombination Taxol/Doxorubicin nicht in Erwägung gezogen, weil weder diese Kombination noch Taxotere zum maßgeblichen Zeitpunkt zugelassen gewesen seien, kann ebenso wenig zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führen, wie der Vortrag, der Fachmann ziehe für die Bereitstellung neuer Wirkstoff-Kombinationen nur solche Wirkstoffe in Betracht, die bereits ausgetestet seien. Diese Voraussetzung für Taxotere treffe aber nicht zu, da für diesen Wirkstoff zum Prioritätstag lediglich klinische Studien der Phase I vorgelegen hätten. Auch seien die Daten im Stand der Technik -wie anhand der Dokumente BB10 und KK19 zu ersehen sei -nicht eindeutig hinsichtlich der Aktivität von Taxotere gewesen. Dieser Argumentation steht bereits das Dokument KK13 entgegen, gemäß dem Kombinationen von Taxotere mit weiteren Zytostatika bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatentes an transplantierten Tumoren bei Mäusen untersucht worden sind (KK13 S. 443 Abstract 2645). Dies zeigt, dass die Fachwelt den noch nicht zugelassenen und bis dahin lediglich in der klinischen Phase I untersuchten Wirkstoff Taxotere für solche Kombinationen sehr wohl bereits in Betracht gezogen hatte. Diese Vorgehensweise, nämlich die Austestung eines Wirkstoffes unter verschiedenen Bedingungen im Labor, bevor weitere, aufwändige, teure und mit einem höheren Risiko behafteten Studien an Menschen folgen, entspricht zudem üblicher Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Suche nach geeigneten Arzneimitteln. Die Argumentation trifft vorliegend aber auch deshalb nicht zu, weil dem Fachmann mit Taxotere eine gegenüber Taxol besser wirkende Alternative zu Verfügung stand. Der Hinweis in der Veröffentlichung BB10 S. 1779/1780 re./li. Sp. übergreifender Satz, Taxotere könne möglicherweise die Aktivität von Taxol nicht aufweisen, kann den Vortrag der Beklagten ebenfalls nicht stützen. In später veröffentlichten Publikationen, wie z. B. dem Beitrag KK10 wird diese Aussage widerlegt und Taxotere nicht nur als wirksamer als Taxol beschrieben, es wird zu diesem Zeitpunkt bereits für die klinische Phase II ins Auge gefasst (vgl.

S. 121 li. Sp. Zusammenfassung, re. Sp. 1. Abs., S. 123/124 re./li.Sp. übergreifender Absatz und S. 124 li. Sp. 3. Abs.). Auch die Angabe im Dokument KK19, S. 4849 li. Sp. 1. Abs., Taxotere habe sich bei vier resistenten Leukämie-Zell-Linien als unwirksam erwiesen, deutet nicht auf eine unklare Datenlage bei Taxotere hin. Dieser Absatz betrifft die Reaktionsfähigkeit gegenüber Zellen, die bereits eine Resistenz entwickelt haben. Solche Zellen aber sind nicht dazu geeignet, die Unwirksamkeit eines Zytostatikums an sich festzustellen. Die mit ihnen erhaltenen Ergebnisse sind nur zur Überprüfung gegebenenfalls vorliegender Resistenzen bzw. Kreuzresistenzen wesentlich. Der Fachmann wird solche Angeben daher nicht als widersprüchlich erachten bzw. verallgemeinern.

Die Beklagte hat ferner vorgetragen, der Fachmann habe keine Veranlassung gehabt, Kombinationen von Zytostatika an sich in Betracht zu ziehen, weil die Fachwelt -dies sei z. B. anhand der Dokumente KK12, KK15, KK16, KK29 und BB15/XVIII ersichtlich -im Zuge solcher Kombinationen erhebliche Nebenwirkungen befürchten musste bzw. sich herausgestellt hatte, dass Kombinationen mit Taxol nicht die erhoffte Aktivitätsverbesserung mit sich brächten. Jedoch auch dieser Argumentation widersprechen bereits die Angaben im Übersichtsartikel KK9 und dem Abstract KK13, die zeigen, dass die Fachwelt sowohl für Taxol als auch im Zusammenhang mit dem zum maßgeblichen Zeitpunkt noch in der Erprobungsphase befindlichen Wirkstoff Taxotere Kombinationen mit weiteren Zytostatika zur weiteren Wirkungsverbesserung von vornherein in Erwägung zog. Unabhängig davon stellte die Kombinationstherapie mit Zytostatika zum maßgeblichen Zeitpunkt eine vom Fachmann bevorzugte Vorgehensweise in der Chemotherapie neoplastischer Erkrankungen dar, sei es um möglichst rasch die Tumorzellen zu reduzieren, sei es um eine Resistenzentwicklung der Tumorzellen zu verzögern oder eine Steigerung der Effizienz der Wirkstoffe ohne Erhöhung der Toxizität zu erreichen (vgl. KK4 S. 659 li. Sp. Abs. 2 bis re. Sp. 1. Abs., KK5 S. 88 bis S. 90 "Kombinationschemotherapie, KK6 S. 166 3. vollst. Satz und S. 168 Abs. 1 bis 3 sowie KK42 S. 274 li. Sp. Abs. 2). Eine allgemeine ablehnende Haltung der Fachwelt dieser Therapiemaßnahme gegenüber kann vom Senat daher nicht gesehen werden. Der Vortrag kann auch nicht durch den Hinweis der Beklagten auf das Dokument BB15/XVIII gestützt werden, nach dem Studien mit der Kombination Taxol/Doxorubicin aufgrund beobachteter starker Nebenwirkungen abgebrochen worden seien (vgl. S. 3 re. Sp. Abs. 2). Wie vorstehend dargelegt, verfügt Taxotere über eine gegenüber Taxol höhere Zytotoxizität. Dies hat zur Folge, dass mit Taxotere eine zu Taxol vergleichbare Wirkung bereits mit erheblich geringeren Dosen erreicht werden kann (vgl. auch KK30 S. 167 Tabelle III). Damit aber besteht die Möglichkeit, das Risiko von Nebenwirkungen zu reduzieren. Der Fachmann, der -wie bereits in KK9 ausgeführt -im Prioritätszeitpunkt die überlegene Aktivität von Taxol kannte, hatte daher nach Überzeugung des Senates gerade in einem solchen Fall Anlass, die in Rede stehende Kombination einer zytotoxisch mindestens gleichwirkenden, aber niedriger dosierbaren Alternative -die ihm vorliegend mit Taxotere zur Verfügung stand -gegenüber einem Wirkstoff mit gleichem Wirkungsmechanismus, aber schlechterem therapeutischen Index -dem Taxol -den Vorzug zu geben. Dieses trifft um so mehr zu, als ihm mit dem Kolonie stimulierenden Faktor CSF zum Prioritätstag ein weiterer Wirkstoff zur Verfügung stand, mit dem gerade solche Nebenwirkungen, wie sie bei Behandlungen mit Taxol oder Taxotere auftreten, vermindert werden können (vgl. KK9 S. 61 re. Sp. Abs. 2 sowie KK16 "Conclusions"). Auch mit dem im Dokument KK12 beschriebenen Fehlen einer Wirkung, die über jene der jeweiligen Einzelsubstanz hinausginge, kann die Argumentation der Beklagten nicht zum Erfolg führen (vgl. S. 318 li. Sp. Abs. 2 bis re. Sp. Abs. 2). Wie in diesem Dokument sowie weiteren Druckschriften ausgeführt wird, ist nämlich sowohl die Wirksamkeit als auch die Toxizität vom Verabreichungsschema, d. h. der gleichzeitigen oder getrennten Verabreichung bzw. der gewählten Reihenfolge der Wirkstoff-Verabreichung, abhängig (vgl. KK12 S. 320 re. Sp. Abs. 2, KK4 S. 659 li. Sp. Abs. 2 bis re. Sp. Abs. 1 sowie KK15 Abs. 2 "The second trial (2)" 9. Satz). Zu keinem anderen Ergebnis können die im nachveröffentlichten Dokument KK29 zusammengefassten Beiträge zu dem im September 1992 statt gefundenen "Second National Cancer Institute Workshop on Taxol and Taxus" führen. Denn zum einen wird dort berichtet, dass die Toxizität einer Kombination von Cisplatin und Taxol von der Reihenfolge der Verabreichung abhängig sei (vgl. S. 439 re. Sp. Abs. 1) und zum gegebenen Zeitpunkt noch keine synergistische Wirkung zwischen Taxol und anderen neoplastischen Wirkstoffen festgestellt werden konnte (vgl. S. 439 re. Sp. Abs. 2), zum anderen aber auch, dass weitere Untersuchungen zu Taxol als Komponente einer Kombination bei verschiedenen Institutionen noch im Gange seien (vgl. S. 440 re. Sp. 3. Abs.). Aus diesem Grunde wird der Fachmann daher selbst dann, wenn eine bestimmte Versuchsdurchführung nicht zum erstrebten Erfolg führt, nicht davon abgehalten sein, auf diesem Wege weiter zu arbeiten, sondern die Versuchsbedingungen entsprechend diesen Vorgaben variieren. Dies bedarf im allgemeinen keiner Überlegungen erfinderischer Art. Entsprechendes lässt sich auch nicht der Streitpatentschrift entnehmen.

Die Beklagte hat darüber hinaus argumentiert, der Fachmann habe Kombinationen von Taxotere mit weiteren Zytostatika auch deshalb nicht in Erwägung gezogen, weil es bekannt gewesen sei, das Kreuzresistenzen bei Taxol mit weiteren Zytostatika zu beobachten seien. Diesem Vortrag kann sich der Senat ebenfalls nicht anschließen. Denn der Fachmann verwirft auch in den Fällen, in denen ihm Kreuzresistenzen bekannt sind, nicht von vornherein Kombinationen dieser Wirkstoffe, wie der Übersichtsartikel KK9 zeigt. So wird in diesem Beitrag darauf verwiesen, dass mit Taxol bei bestimmen Zell-Linien eine multidrug-Resistenz, dabei auch eine Kreuzresistenz mit Doxorubicin, zu beobachten sei (vgl. S. 58 li. Sp. 2. Abs.). Wie anhand der darauf folgenden Ausführungen zu ersehen ist, ist dies aber kein Hinderungsgrund, nichtsdestotrotz Kombinationen von Taxol und Doxorubicin zur Behandlung von fortgeschrittenem Brustkrebs für klinische Studie der Phase II einzusetzen (vgl. S. 61 re. Sp. Abs. 2). Vielmehr wird im Stand der Technik im Zusammenhang mit diesem Phänomen darauf hingewiesen, dass Patienten bei denen Kreuzresistenzen gegen die einzelnen Wirkstoffe der Kombination auftreten könnten, nicht mit dieser behandelt werden sollten bzw. während der Behandlung intensiver überwacht werden sollten (vgl. BB16 S. 255 "Summary"). Der Fachmann war im vorliegenden Fall aber um so weniger davon abgehalten, Taxotere trotz bekannter Kreuzresistenzen des strukturverwandten Taxols mit weiteren Zytostatika in einer Kombinationstherapie zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe in Betracht zu ziehen, weil sich in Versuchen gezeigt hatte, dass Taxol und Taxotere unterschiedliche Kreuzresistenzen entwickeln und Taxotere dabei z. T. auch in bemerkenswert geringerem Ausmaß diese Resistenzen aufweist als Taxol (vgl. KK19 S. 4850 re. Sp. le. Abs. sowie KK30 S. 164 Abstract sowie S. 168/169 übergreifender Absatz).

Nachdem somit bereits die Kombination der Wirkstoffe für den Fachmann nahe liegend war, kann -wie in den BGH-Entscheidungen "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" und "Fettsäurezusammensetzung" (vgl. BGH GRUR 2003, 317 Ls. sowie BGH GRUR 2010, 607, 612 Abs. [80]) ausgeführt -auch der von der Beklagten geltend gemachte synergistische Effekt nichts zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit beitragen.

Der Patentanspruch 1 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig.

3.3. Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 6 zu erkennen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Diese Patentansprüche, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.

3.4. Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen HA2 bis HA5 erweisen sich ebenfalls als nicht bestandsfähig.

Die Patentansprüche 1 bis 3 gemäß den Hilfsanträgen HA2 bis HA5 unterscheiden sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag HA6 insofern, als mit ihnen nunmehr die Verwendung von Kombinationen beansprucht wird, die entweder nur Taxotere und Doxorubicin gemäß den Hilfsanträgen HA2 und HA3 enthalten, oder gemäß den Hilfsanträge HA4 und HA5 Taxotere und Antibiotika, die ausgewählt sind aus Daunorubicin, Doxorubicin, Bleomycin oder Mitomycin, und diese Verwendung gemäß den Hilfsanträgen HA2 und HA4 nur auf Brustkrebs gerichtet ist.

Diese Änderungen führen zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit. Die Patentansprüche mögen im Hinblick auf den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag HA6 damit zwar beschränkt worden sein, sie betreffen aber keinen anders zu bewertenden Sachverhalt, nachdem die Verwendung weiterhin die aus dem Stand der Technik auch für die beanspruchte Indukation nahe gelegte Kombination von Taxotere mit weiteren Zytostatika, insbesondere Doxorubicin, umfasst. Die zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag HA6 dargelegten Nichtigkeitsgründe treffen daher hier jeweils ebenso zu.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO, wonach die Beklagte als unterlegene Partei die Kosten aufzuerlegen waren.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Engels Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Richterin Prietzel-Funk ist an der Unterschrift aufgrund Abordnung zum EPA gehindert. Dr. Münzberg Engels Pr






BPatG:
Urteil v. 28.09.2010
Az: 3 Ni 50/08


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