Bundesgerichtshof:
Urteil vom 29. Juli 2010
Aktenzeichen: Xa ZR 118/09

(BGH: Urteil v. 29.07.2010, Az.: Xa ZR 118/09)

Tenor

Auf die Anschlussrevision wird das am 23. September 2009 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden aufgehoben, soweit das Berufungsgericht seinen Beschluss vom 27. Juli 2007 auch insoweit aufgehoben hat, als durch diesen die Berufung gegen die Verurteilung wegen Verletzung der Sorte "Borweta" und die Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz wegen Verletzung der Sorte "Bordako" in der Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2006 zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird die Restitutionsklage abgewiesen.

Auf die Revision und die Anschlussrevision wird das vorbezeichnete Urteil ferner im Umfang der nachfolgenden Änderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 19. Oktober 2006 aufgehoben:

Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, soweit der Beklagte zur Unterlassung der Aufbereitung von Vermehrungsmaterial der Sorte "Bordako" nach dem 31. Dezember 2006 verurteilt worden ist. Auf die Berufung wird die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils insoweit abgewiesen, als der Beklagte zur Auskunft und Rechnungslegung über die Aufbereitung von Vermehrungsmaterial dieser Sorte nach dem 31. Dezember 2006 verurteilt und insoweit seine Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt worden ist.

Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und des Restitutionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Für die Klägerin, ein Saatzuchtunternehmen, als Sortenschutzinhaberin waren in der Sortenschutzrolle des Bundessortenamts die Sorten "Bordako" und "Borweta" (Klagesorten) der Art "Blaue Lupine" (Lupinus angustifolius L.) eingetragen. Der Beklagte wurde im Jahr 2006 durch das Landgericht Leipzig verurteilt, die Aufbereitung dieser beiden Sorten zu unterlassen sowie über die seit 1. Juli 1999 (Sorte "Borweta") und 1. Juli 2000 (Sorte "Bordako") durchgeführten Aufbereitungen von Vermehrungsmaterial Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Ferner stellte das Landgericht fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen aus solchen Handlungen entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Beklagte hatte im Jahr 2000 für die R. GmbH in J. 27 dt der Sorte "Borweta" und für die A. K. /B. e.G. 129 dt der Sorte "Bordako" aufbereitet. Die betreffenden Betriebe hatten erst nach der jeweiligen Aufbereitung die Erlaubnis zur Aussaat des aufbereiteten Materials erhalten. Die Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht Dresden durch Beschluss vom 27. Juli 2007 zurück.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 hatte die Beklagte auf den Schutz der Sorte "Bordako" zum 1. Januar 2007 und auf den Schutz der Sorte "Borweta" zum 1. Januar 2008 verzichtet. Mit der hierauf gestützten Restitutionsklage begehrt der Beklagte die Aufhebung des Beschlusses vom 27. Juli 2007 und die Abweisung der Verletzungsklage.

Das Oberlandesgericht hat seinen Beschluss vom 27. Juli 2007 aufgehoben und auf die Berufung des Beklagten dessen Verurteilung unter Abweisung der weitergehenden Klage auf den Zeitraum bis einschließlich Sommer 2002 beschränkt.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt mit der Anschlussrevision in erster Linie ihren Antrag weiter, die Restitutionsklage als unzulässig abzuweisen.

Gründe

Revision und Anschlussrevision haben teilweise Erfolg.

A. Zur Zulässigkeit und Begründetheit der Restitutionsklage I. Das Oberlandesgericht hat die Restitutionsklage als zulässig angesehen. Die Monatsfrist des § 586 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO sei gewahrt. Der Beklagte habe nach seinem unbestrittenen Vortrag am 26. Februar 2009 vom Bundessortenamt die Auskunft erhalten, dass die Klägerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 auf den Schutz der Sorten zu den angegebenen Zeitpunkten verzichtet habe. Der Beklagte sei ohne sein Verschulden außer Stande gewesen, den Restitutionsgrund vor der Erstentscheidung über die Berufung geltend zu machen.

Die Restitutionsklage sei auch begründet, weil die Vorlage der Auskunft des Bundessortenamts zu einer für den Beklagten günstigeren Entscheidung führe. Das Oberlandesgericht sei bei seiner Erstentscheidung über die Berufung vom Fortbestand der geltend gemachten Schutzrechte ausgegangen. Die Kenntnis von deren Beendigung hätte zu einer Befristung der Verurteilung geführt. Dies gelte auch für die Sorte "Borweta", bei der der Schutz zwar noch nicht abgelaufen gewesen sei, der Ablauf jedoch auf Grund einer eigenen Handlung der Klägerin in kurzer Zeit und vor Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer bevorgestanden habe. Das Urteil des Landgerichts sei hiernach - mangels eines abtrennbaren Verfahrensgegenstands insgesamt - aufzuheben, und über die Hauptsache sei neu zu entscheiden.

II. Dagegen wendet sich die Anschlussrevision teilweise mit Erfolg.

1. Die Restitutionsklage ist unzulässig, soweit es um die Sorte "Borweta" geht; im Übrigen ist sie vom Oberlandesgericht zu Recht als zulässig angesehen worden.

a) Der Zulässigkeit der Restitutionsklage steht nicht entgegen, dass diese sich nicht, wie der Wortlaut von § 578 ZPO vorsieht, gegen ein Endurteil, sondern gegen einen "urteilsvertretenden" Beschluss nach § 522 ZPO richtet. Dass derartige Beschlüsse mit der Restitutionsklage angefochten werden können, entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. nur BGHZ 62, 19; BGH, Urt. v. 22.11.1994 - X ZR 51/92, GRUR 1995, 171 - Mitwirkungsplan III/Senatsbesetzung; BAG, Beschl. v. 11.1.1995 - 4 AS 24/94, NJW 1995, 2125).

b) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision scheitert die Zulässigkeit der Restitutionsklage auch nicht daran, dass die Kriterien des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht erfüllt wären. Ob dies der Fall war, kann dahinstehen. Die Restitutionsklage kann nämlich bei Rechten des gewerblichen Rechtsschutzes, an deren Bestand das Urteil im Verletzungsstreit gebunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.1967 - Ia ZR 114/64, GRUR 1967, 419, 423 - Favorit I, für den gemeinschaftlichen Sortenschutz ausdrücklich Art. 105 VO (EG) Nr. 2100/94) in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO jedenfalls darauf gestützt werden, dass der auf den konstitutiven Erteilungsakt gegründete Bestand des Schutzrechts vor Ablauf der regulären Laufzeit in Wegfall gekommen ist. Zwar ist dies außerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes offengelassen worden (in BGHZ 89, 114, 116 und in BGHZ 103, 121, 125). Jedenfalls für das Patentrecht wird diese Auffassung für die Fälle des Widerrufs im Einspruchsverfahren und der Nichtigerklärung aber mit Recht nahezu einhellig vertreten (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.8.2007 - 2 U 49/06, juris-Tz. 42; LG Düsseldorf GRUR 1987, 628; BPatGE 33, 240, 242 = GRUR 1993, 732; Rogge/Grabinski in Benkard, PatG, 10. Aufl. Rdn. 149 zu § 139; Moufang in Schulte, PatG, 8. Aufl. Rdn. 124 zu § 21; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl., Rdn. 389 zu § 143; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., § 36 VIII 5 S. 893; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl. Rdn. 1183 ff.; Schneider in Schramm, Der Patentverletzungsprozess, 6. Aufl., § 13 Rdn. 8; a.A. in jüngerer Zeit soweit ersichtlich nur Schickedanz, GRUR 2000, 570 ff.).

c) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO sind im Streitfall jedoch nur hinsichtlich der Verurteilung aus dem Schutzrecht für die Sorte "Bordako" erfüllt.

(1) Die Bindung des Verletzungsgerichts an den Erteilungsakt hat zur Folge, dass die Restitutionsmöglichkeit nicht auf die Fälle beschränkt ist, in denen das Schutzrecht mit Wirkung von Anfang an - im nationalen Sortenschutzrecht also durch Rücknahme, § 31 Abs. 2 SortG - erlischt. Vielmehr sind auch die Fälle mit einzubeziehen, in denen das Erlöschen vor Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Höchstlaufzeit eintritt. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Schutzrecht bereits während des Rechtsstreits erlischt.

Wenn das Schutzrecht wegen Ablaufs der Höchstschutzdauer erlischt, bedarf es in einem Rechtsmittelverfahren weder einer teilweisen Erledigungserklärung noch einer Einschränkung einer in den Vorinstanzen erfolgten Verurteilung; vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Klageantrag und eine diesem stattgebende Entscheidung immanent auf den nach dem Gesetz höchstens in Betracht kommenden Schutzzeitraum beschränkt sind (BGHZ 107, 46, 60 - Ethofumesat; BGH, Urt. v. 22.11.1957 - I ZR 152/56, GRUR 1958, 179, 180 - Resin). Eine immanente Beschränkung für den Fall des vorzeitigen Erlöschens kann einem Klageantrag und einer Verurteilung hingegen nicht entnommen werden. Ob und zu welchem Zeitpunkt ein Schutzrecht vor Ablauf der Höchstschutzfrist erlischt, ist im Allgemeinen nicht mit Sicherheit vorhersehbar. Die Frage, ob das Schutzrecht erloschen ist, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen und zwischen den Parteien in Streit sein. Ein diesbezüglicher Vorbehalt in einer Verurteilung würde dazu führen, dass alle diese Fragen im Vollstreckungsverfahren zu klären wären. Dies wäre mit Sinn und Zweck des Vollstreckungsverfahrens nicht zu vereinbaren. Angesichts dessen sind ein ohne zeitliche Beschränkung gestellter Klageantrag und ein entsprechendes Urteil grundsätzlich dahin auszulegen, dass sie bis zum Ablauf der Höchstschutzfrist Geltung behalten sollen.

Daraus folgt, dass der Schutzrechtsinhaber sein Begehren auf den Zeitraum bis zum Erlöschen beschränken und den Rechtsstreit in der Hauptsache im Übrigen für erledigt erklären muss, wenn das Schutzrecht während des Erkenntnisverfahrens vorzeitig erlischt (insoweit zutreffend Kühnen, GRUR 2009, 288, 289 f.). Ist das Schutzrecht in dem für die Beurteilung im Erkenntnisverfahren maßgeblichen Zeitpunkt noch in Kraft, braucht das Gericht hingegen nicht zu prüfen, ob Umstände vorliegen, auf Grund deren damit zu rechnen ist, dass das Schutzrecht in absehbarer Zeit vorzeitig erlöschen wird. Ob es in Zukunft tatsächlich zum vorzeitigen Erlöschen des Schutzrechts kommen wird, ist in der Regel ungewiss. Auch wenn bereits Vorkehrungen getroffen worden sind, die ein baldiges Erlöschen wahrscheinlich machen, kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass es tatsächlich zum vorzeitigen Erlöschen des Schutzrechts kommen wird. Selbst wenn der Rechtsinhaber auf das Schutzrecht zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt verzichtet hat, was jedenfalls im Sortenschutzrecht statthaft ist (vgl. Leßmann/Würtenberger, Deutsches und europäisches Sortenschutzrecht, 2. Aufl. 2009, § 6 Rdn. 16 unter Hinweis auf VG Hannover, Urt. v. 18.12.1996 - 11 A 569/94), ist es möglich, dass die Verzichtswirkung im Ergebnis doch nicht eintritt. Dabei kann offenbleiben, ob eine mit Wirkung zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ausgesprochene Verzichtserklärung vor dem Eintritt dieses Zeitpunkts wirksam widerrufen werden kann. Möglich ist jedenfalls eine Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums (vgl. Keukenschrijver, Sortenschutzgesetz, § 31 Rdn. 4; Leßmann/Würtenberger, aaO Rdn. 18). Zudem ist es möglich, dass das Schutzrecht wegen einer weiteren Verzichtserklärung oder aus einem anderen Grund zu einem früheren Zeitpunkt erlischt. Solange das Schutzrecht noch in Kraft steht, ist mithin allenfalls eine Prognose, aber keine sichere Beurteilung über die voraussichtliche Schutzdauer möglich. In dieser Situation wäre keiner Partei damit gedient, die Zulässigkeit einer zeitlich unbeschränkten Verurteilung davon abhängig zu machen, dass ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand des Schutzrechts besteht. Solange das Schutzrecht besteht, ist deshalb eine unbefristete Verurteilung - die immanent auf den Zeitraum der höchstmöglichen Schutzdauer beschränkt ist - zulässig (vgl. BGHZ 117, 264, 278 f. - Nicola m.w.N.). Die Interessen des Beklagten sind dadurch hinreichend gewahrt, dass er eine weitere Vollstreckung jedenfalls im Weg der Vollstreckungsgegenklage abwenden kann, wenn das Schutzrecht nach dem für die Beurteilung im Erkenntnisverfahren maßgeblichen Zeitpunkt vorzeitig erlischt.

(2) Im Streitfall kommt dem vorzeitigen Erlöschen der Schutzrechte damit nur hinsichtlich der Sorte "Bordako" Bedeutung zu. Nachdem der Sortenschutz für diese zum 1. Januar 2007 erloschen war, konnte die erstinstanzlich erfolgte Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung keinen Bestand mehr haben und hätte die Verurteilung im Übrigen in der Berufungsinstanz auf den Zeitraum bis 31. Dezember 2006 beschränkt werden müssen. Hinsichtlich der Sorte "Borweta" war das Schutzrecht zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung hingegen noch in Kraft. Deshalb war aus den oben genannten Gründen eine Verurteilung ohne ausdrückliche zeitliche Beschränkung weiterhin zulässig. Die angefochtene Entscheidung zur Sorte "Borweta" beruht insoweit nicht auf einer unzutreffenden Beurteilung des Bestands des Schutzrechts.

d) Der Senat hat keine Bedenken, davon auszugehen, dass der Beklagte schuldlos daran gehindert war, das Erlöschen der Sorte "Bordako" in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Nachdem die Sortenschutzrechte für beide Sorten einmal in der Sortenschutzrolle eingetragen waren, deren mögliche Laufzeit bei weitem noch nicht abgelaufen war und die Klägerin Rechte aus diesen Schutzrechten geltend gemacht hatte, hieße es unter den von der Vorinstanz zutreffend gewürdigten Umständen die Sorgfaltsanforderungen an den Beklagten überspannen, wollte man von diesem verlangen, sich angesichts des Vorgehens der Klägerin aus diesen Schutzrechten weiterhin und laufend über deren - allerdings aus der Sortenschutzrolle als einem öffentlichen Register ersichtlichen - Fortbestand zu vergewissern (vgl. zum Markenrecht BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515, 518 Tz. 38 - Motorradreiniger). Der Beklagte konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Klägerin von ihr veranlasste Änderungen im Bestand des Schutzrechts im Rahmen der ihr obliegenden prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) vortragen werde.

e) Die Restitutionsklage ist innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO erhoben worden.

Der Beklagte hat vorgetragen, er habe am 25. Februar 2009 und mithin innerhalb der Monatsfrist eine Auskunft des Bundessortenamts erhalten, dass für beide Klagesorten bereits während des Berufungsverfahrens der Sortenschutz erloschen oder die Löschung beantragt gewesen (d.h. ein Verzicht nach § 31 Abs. 1 SortG erklärt worden) sei. Anhaltspunkte dafür, dass er diese Kenntnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt erlangt hat - was der Beklagte auf Befragen durch den Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verneint hat - ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus sonstigen Umständen. Angesichts dessen bedurfte es trotz § 589 Abs. 2 ZPO keiner Glaubhaftmachtung.

Das von der Klägerin als Anlage zur Anschlussrevisionsbegründung in Kopie vorgelegte Schreiben des Beklagten vom 18. Dezember 2008 gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte schon zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Erlöschen der Schutzrechte hatte. In diesem Schreiben hat der Beklagte der Klägerin vorgeworfen, sie habe die Klage eingereicht, obwohl sie den landwirtschaftlichen Betrieben, für die die Aufbereitung erfolgt sei, den Nachbau ausdrücklich erlaubt habe. Im unmittelbaren Anschluss an diese Ausführungen hat er die Auffassung vertreten, ein "erloschener Sortenschutz" könne durch eine neue Lizenz des Rechteinhabers nicht wieder aufleben. Diesen Äußerungen kann nur entnommen werden, dass der Beklagte die von ihm behauptete Erlaubnis als Erlöschensgrund ansah, nicht aber, dass er die Klage auch deshalb für unbegründet hielt, weil die Klägerin gegenüber dem Amt auf ihre Schutzrechte verzichtet hatte, und dass er von entsprechenden Verzichtserklärungen Kenntnis hatte.

Eine Glaubhaftmachung der Fristwahrung kann allerdings auch dann erforderlich sein, wenn der Vortrag des Restitutionsklägers nicht angezweifelt wird. Gemäß § 589 Abs. 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage fristgerecht erhoben worden ist. Hieraus ergibt sich zwar keine Pflicht des Gerichts zur eigenen Ermittlung des Sachverhalts. Das Gericht hat jedoch gegebenenfalls auch dann auf Bedenken hinzuweisen, wenn der Gegner keine Rüge erhoben hat (BGH, Urt. v. 31.1.1991 - III ZR 150/88, NJW 1991, 3095, juris-Tz. 24 m.w.N.). Dies schließt es indes nicht aus, schlüssigen Tatsachenvortrag des Restitutionsklägers, den der Restitutionsbeklagte nicht bestritten hat, auch ohne Glaubhaftmachung als zutreffend anzusehen (vgl. BAG, Urt. v. 7.5.1998 - 2 AZR 344/97, NZA 1998, 1301, 1302).

2. Die Restitutionsklage ist jedoch nur insoweit begründet, als der Beklagte wegen Verletzung der Sorte "Bordako" zur Unterlassung verurteilt worden ist und sich seine Verurteilung zur Auskunft und zur Rechnungslegung sowie die Feststellung seiner Verpflichtung zum Schadensersatz (auch) auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2007 beziehen.

Gemäß § 590 ZPO wird die Hauptsache auf eine zulässige Restitutionsklage nur insoweit von neuem verhandelt, als sie von dem Anfechtungsgrund betroffen ist. Wenn nur ein Teil des Streitgegenstands betroffen ist, über den zulässigerweise im Wege des Teilurteils entschieden werden kann, ist nur darüber erneut zu verhandeln (MünchKommZPO/Braun, 3. Aufl., § 590 Rdn. 3; Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 590 Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 590 Rdn. 4).

Im Streitfall bilden die auf das Sortenschutzrecht gestützten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche jeweils einen einheitlichen Streitgegenstand. Insoweit ist jedoch eine Trennung nach Zeitabschnitten grundsätzlich möglich. Das gilt auch hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs. Zwar kommt es für sein Bestehen darauf an, ob zu dem dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gleichgestellten Zeitpunkt das Schutzrecht in Kraft stand und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs bestanden haben. Jedoch bleibt jedenfalls dann, wenn die Entscheidung im Restitutionsverfahren auf das Erlöschen des Schutzrechts ex nunc gestützt wird, die Unterlassungsverurteilung für die Vergangenheit unberührt, und sie kann auch für das Vollstreckungsverfahren weiterhin Bedeutung haben. Der Umstand, dass eine Verurteilung zur Unterlassung für die Vergangenheit prozessual nur in der Weise bestehen bleiben kann, dass die Unterlassungsverurteilung durch den Ausspruch ersetzt wird, dass das Unterlassungsbegehren (mit Erlöschen des Schutzrechts) in der Hauptsache erledigt ist, hindert nicht, die erneute Sachprüfung in der Sache darauf zu beschränken, ob der Unterlassungsanspruch nach Erlöschen des Schutzrechts noch besteht.

Nur eine solche Beschränkung der erneuten Sachprüfung auf den Zeitraum nach Erlöschen des Schutzrechts entspricht dem Zweck der Restitutionsklage, eine neue Verhandlung der Hauptsache insoweit zu eröffnen, als sie von dem Anfechtungsgrund betroffen ist. Der Restitutionsgrund des Erlöschens des Schutzrechts ex nunc gebietet es nicht, die rechtskräftige Entscheidung der Hauptsache auch insoweit aufzuheben, als sie durch diesen Restitutionsgrund sachlich nicht betroffen ist. Die Gefahr eines Widerspruchs zu der für den Zeitraum vor Erlöschen des Schutzrechts bestehen bleibenden Entscheidung ist in diesem Fall ausgeschlossen. Über alle Ansprüche ist daher nur insoweit neu zu entscheiden, als sie den Zeitraum betreffen, zu dem das Schutzrecht erloschen war.

B. Demnach hat folgendes zu gelten:

I. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht, in der sie in erster Linie auf Abweisung der Restitutionsklage als unzulässig angetragen hat, hilfsweise - soweit die Hauptsache neu verhandelt werden sollte - beantragt festzustellen, dass sich die Hauptsache im Hinblick auf die geltend gemachten Unterlassungsansprüche erledigt hat, und "die Restitutionsklage im Übrigen als unbegründet abzuweisen". Sie hat damit ihre Erledigungserklärung zulässigerweise unter eine innerprozessuale Bedingung gestellt.

II. Danach ist darüber zu entscheiden, ob durch das Erlöschen des Sortenschutzes eine Erledigung des Unterlassungsbegehrens in der Hauptsache eingetreten ist. Für die Zeit vor Erlöschen des Schutzrechts ist dagegen von der ausgeurteilten und vom Restitutionsverfahren nicht betroffenen Unterlassungsverpflichtung auszugehen. Mit dem Erlöschen des Klageschutzrechts vom 1. Januar 2007 an sind alle sich aus § 37 Abs. 1 SortG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SortG für die Zukunft ergebenden Unterlassungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten entfallen. Damit hat sich die Hauptsache hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs erledigt.

III. Die Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunft sind für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 ohne weiteres unbegründet und wegen Nichtbestands des Schutzrechts, aus dessen Verletzung sie hergeleitet werden, abzuweisen. Eine Erledigungserklärung ist insoweit nicht abgegeben worden.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Bacher Hoffmann Vorinstanzen:

LG Leipzig, Entscheidung vom 19.10.2006 - 5 O 7774/04 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 23.09.2009 - 11 U 422/09 -






BGH:
Urteil v. 29.07.2010
Az: Xa ZR 118/09


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