Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 14. Juli 2003
Aktenzeichen: NotZ 2/03

(BGH: Beschluss v. 14.07.2003, Az.: NotZ 2/03)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin vom 11. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsteller im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1962 geborene Antragsteller wurde im September 1990 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsund Landgericht F. zugelassen. In der Zeit vom 3. August 1992 bis zum 31. Dezember 1995 war er als weiterhin zugelassener Rechtsanwalt im Rahmen des "Anwaltsprojekts II" des Bundesministeriums für Justiz -Einsatz von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen zur beschleunigten Abwicklung offener Vermögensfragen bei Landkreisen und kreisfreien Städten in den neuen Ländern -auf der Grundlage von Honorarverträgen beim Landkreis E. -E. (vormals: Landkreis F. ) in B. tätig. Seit Mai 1996 ist er als Rechtsanwalt beim Landgericht Berlin und beim Kammergericht zugelassen.

Der Antragsteller bewarb sich um eine der im Amtsblatt für Berlin vom 31. März 2000 -mit am 2. Mai 2000 ablaufender Bewerbungsfrist -ausgeschriebenen 60 Notarstellen. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, daß beabsichtigt sei, die zu besetzenden Notarstellen anderen Bewerbern zu übertragen. Seine fachliche Eignung sei mit 99,65 Punkten zu bewerten, wobei die Tätigkeit beim Landkreis E. -

E. nicht als hauptberufliche Anwaltstätigkeit angerechnet worden sei. Die in der Besetzungsliste auf den Plätzen 1 bis 60 geführten Bewerberinnen und Bewerber hätten Punktzahlen von 123,45 (Rang 1) bis 100,35 (Rang 60) erreicht.

Mit seinem hiergegen gerichteten, mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung verbundenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller geltend gemacht, bei gebotener verfassungskonformer Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO müsse auch die vorliegende Tätigkeit als Syndikusanwalt für den Landkreis in B. als hauptberufliche Rechtsanwaltstätigkeit angerechnet werden.

Das Kammergericht (Notarsenat) hat den Hauptantrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Notarstelle zu übertragen, zurückgewiesen, jedoch auf den Hilfsantrag des Antragstellers die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antrag auf Bestellung zum Notar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und der Antragsgegnerin zugleich im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, eine der ausgeschriebenen Notarstellen bis zur Neubescheidung des Antrags freizuhalten. Das Kammergericht hat den Standpunkt vertreten, zwar sei die Anstellung des Antragstellers beim Landkreis E. -E. nicht einer hauptberuflichen Anwaltstätigkeit gleichzustellen, im Hinblick auf die Art seiner Tätigkeit müsse aber geprüft werden, ob die Vergabe von Sonderpunkten (Ziffer III 12 f AVNot) gerechtfertigt sei. Mit der sofortigen Beschwerde bekämpft die Antragsgegnerin die Entscheidung des Kammergerichts, soweit dieses den Anträgen des Antragstellers entsprochen hat.

II.

Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO in Verbindung mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Kammergericht hat zutreffend das vom Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung verfolgte Hilfsbegehren -auf Neubescheidung der Notarbewerbung des Antragstellers -für begründet erachtet; der Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2001 ist insoweit zu beanstanden, als darin die Zuerkennung von Sonderpunkten für den Antragsteller nicht geprüft worden ist.

1. a) Allerdings ist, wie das Kammergericht dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung zutreffend entgegengehalten hat, der Ausgangspunkt der Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 25. Oktober 2001 rechtsfehlerfrei, daß dem Antragsteller die Zeit seiner Beschäftigung beim Landkreis E. -E. im Rahmen des Projekts zur beschleunigten Abwicklung offener Vermögensfragen nicht als hauptberufliche Tätigkeit "als Rechtsanwalt" im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO beziehungsweise der Ziffer III. 12. b) der Berliner Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare (AVNot) vom 22. April 1996 angerechnet werden kann.

aa) Als beim Landkreis gegen Entgelt fest angestellter Rechtsanwalt war der Antragsteller in dem maßgeblichen Zeitraum August 1992 bis Dezember 1995 ein Syndikusanwalt (vgl. § 46 BRAO). Unter einem solchen versteht man einen zugelassenen Rechtsanwalt, der gleichzeitig aufgrund Dienstvertrags gegen feste Vergütung bei einem Unternehmen oder Verband als ständiger Rechtsberater tätig ist (vgl. BGHZ 141, 69, 71; BT-Drucks. III/120 S. 77). Der Syndikusanwalt hat zwei Arbeitsbereiche: einen als Arbeitnehmer, der keine Unabhängigkeit besitzt, sondern dem Prinzip der Überund Unterordnung unterliegt (BGHZ 33, 276, 279; 141, 69, 71), und einen als freier, unabhängiger Anwalt.

Im vorliegenden Zusammenhang ist entscheidend, daß der Syndikusanwalt bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn -gleich ob es sich bei diesem um einen privaten oder um einen öffentlichrechtlich korporierten Arbeitgeber handelt -nicht dem anwaltlichen Berufsbild entspricht, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht, nämlich dem des unabhängigen freiberuflich tätigen Rechtsanwalts (BGHZ 33, 276, 280; 141, 69, 76 f; BGH, Beschlüsse vom 13. März 2000 -AnwZ [B] 25/99 -NJW 2000, 1645 und 18. Juni 2001 -AnwZ [B] 41/00 -NJW 2001, 3130; vgl. auch BVerfGE 87, 287, 295, 327). Dies hat auch der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich im Hinblick auf das Erfordernis der örtlichen Wartezeit im Sinne einer hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt als Voraussetzung für den Notarberuf (vgl. jetzt: § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO) ausgesprochen (Beschluß vom 20. Januar 1969 -NotZ 7/68 -DNotZ 1969, 310).

bb) Nichts anderes gilt, soweit die hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt bei der Auswahl mehrerer geeigneter Bewerber für den Notarberuf angemessen zu berücksichtigen ist (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO). Das Gesetz benützt in diesem Zusammenhang dieselben Begriffe ("hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig ...") wie in § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO. Es gibt auch keinen sachlichen Grund, in dem einen oder dem anderen Zusammenhang dieselben Begriffe mit ihrem eindeutigen überkommenen Inhalt unterschiedlich zu verstehen. Es wird das einemal wie das anderemal angeknüpft an das Bild des unabhängigen, freiberuflich tätigen Rechtsanwalts. Dabei wird eben diese Art der Tätigkeit bei beiden Tatbeständen hauptberuflich vorausgesetzt. Das Regelerfordernis des Nachweises einer bestimmten Dauer hauptberuflicher Tätigkeit als freier, unabhängiger Anwalt als Voraussetzung für die Bestellung des Anwaltsnotars (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO) soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers sicherstellen, daß der Bewerber um das (Anwalts-)Notariat die organisatorischen Voraussetzungen für die Geschäftsstelle geschaffen und daß er umfangreiche Erfahrungen mit einer Vielzahl von Rechtsuchenden und Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen erlangt hat (BT-Drucks. 11/600 S. 10). Gleichermaßen erschien dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Dauer der Rechtsanwaltstätigkeit als Auswahlkriterium (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO) die Berücksichtigung nur einer als Hauptberuf ausgeübten anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt, wobei allerdings in der Begründung zum Gesetz das Abstellen auf die "hauptberufliche" Tätigkeit als Rechtsanwalt auch damit erklärt wurde, daß die Verbindung der Berufe des Rechtsanwalts und Notars auch dazu bestimmt sei, die wirtschaftliche Stellung der freiberuflichen Anwaltschaft zu stützen (BT-Drucks. 11/6007 S. 11).

Auch der Umstand, daß erfahrungsgemäß nicht alle niedergelassenen Rechtsanwälte unter Bedingungen arbeiten, die eine selbständige und unabhängige Aufgabenerfüllung gewährleisten (vgl. Henssler/Prütting BRAO § 46 Rn. 8), ändert nichts daran, daß bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung der freiberufliche Rechtsanwalt vom Syndikusanwalt abzugrenzen ist und nur die (hauptberufliche) Tätigkeit des ersteren im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO Berücksichtigung finden kann. An diesem Verständnis des § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO wie des § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO hat sich bis heute nichts geändert. Der Versuch bestimmter standespolitischer Kreise, durch eine Textänderung des § 46 BRAO "klarzustellen", daß Syndikusanwälte auch bei ihrer Tätigkeit für den Arbeitgeber rechtsanwaltlich tätig werden, fand im Parlament keine Mehrheit (vgl. BGHZ 141, 69, 76 f; BT-Drucks. 12/7656 S. 49).

Schließlich geben auch die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2001 (aaO) und 13.Januar 2003 (AnwZ [B] 25/02 -NJW 2003, 883) keinen Anhalt für eine andere Sicht. In der erstgenannten Entscheidung wird der Grundsatz bekräftigt, daß der Syndikusanwalt innerhalb seines festen Geschäftsverhältnisses nicht anwaltlich tätig wird. Im Blick auf die Fachanwaltszulassung hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß bei der Gewichtung der Fälle, die der Bewerber um eine Fachanwaltsbezeichnung für den Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen nach § 5 FAO nachweisen muß, dann, wenn er schon eine erhebliche Zahl nicht unbedeutender Mandate im Rahmen selbständiger Tätigkeit wahrgenommen hat, die weiteren Erfahrungen als Syndikusanwalt auf dem betreffenden Fachgebiet berücksichtigt werden. In dem Beschluß vom 13. Januar 2003 hat der Anwaltssenat ausgesprochen, daß bei der Prüfung des für die Verleihung für das Arbeitsrecht erforderlichen Nachweises besonderer praktischer Erfahrungen im Arbeitsrecht (§ 5 FAO) neben den in freier anwaltlicher Tätigkeit bearbeiteten Fällen auch solche Fälle zu berücksichtigen sind, in denen der Rechtsanwalt als Syndikus eines Arbeitgeberoder Unternehmerverbandes die arbeitsrechtliche Beratung und Prozeßvertretung (§11 ArbGG) von Mitgliedern des Verbandes weisungsunabhängig durchgeführt hat. Die diese beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Verleihung von Fachanwaltsbezeichnungen begründenden Erwägungen lassen sich auf den Fragenkreis der Anrechnung von Rechtsanwaltstätigkeit bei der Auswahl von Notarbewerbern gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO nicht übertragen.

b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller in dem maßgeblichen Zeitraum außerhalb seiner Beschäftigung als Syndikusanwalt -bei 40 wöchentlichen Pflichtstunden während der normalen Dienstzeiten beim Landkreis und regelmäßigen Wochenendheimfahrten nach F. -in einem solchen Umfang als freipraktizierender Rechtsanwalt tätig geworden wäre, daß insoweit auch nur annähernd von einer "hauptberuflichen" Rechtsanwaltstätigkeit gesprochen werden könnte. Die von ihm ursprünglich genannten je zehn Wochenstunden für "anwaltliche Beratung des Landkreises F. bzw. E. -E. " und die Betreuung von Mandanten in F. sind nicht glaubhaft gemacht. Im Beschwerdeverfahren ist der Antragsteller der Feststellung des Kammergerichts, daß sich hieraus keine hauptberufliche Rechtsanwaltstätigkeit ableiten lasse, nicht näher entgegengetreten.

c) Der Senat folgt dem Kammergericht auch darin, daß die in Rede stehende gesetzliche Regelung (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO) und ihre Handhabung durch die Justizverwaltung (AVNot Ziff. III. 12. b) weder im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG noch auf Art. 3 Abs. 1 GG durchgreifenden Bedenken unterliegt. Wie das Kammergericht zutreffend ausführt, liegt § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO die berechtigte Annahme zugrunde, daß ein Bewerber typischerweise um so mehr praktische Erfahrung in der eigenverantwortlichen Rechtsberatung und Rechtsbesorgung, seiner Sicherheit im Umgang mit rechtsuchenden Bürgern und dem Verständnis für ihre Anliegen sowie der Fähigkeit zur reibungslosen Organisation seiner Kanzlei gesammelt haben wird, und deshalb um so geeigneter für das Amt des Notars erscheint, je länger er hauptberuflich als selbständiger Anwalt tätig gewesen ist. Zugleich durfte der Gesetzgeber, wie das Kammergericht ebenfalls hervorhebt, davon ausgehen, daß freiberuflich tätige Rechtsanwälte im Vergleich zu Syndikusanwälten regelmäßig über eine deutlich größere Bandbreite an Erfahrungen im Umgang mit dem rechtsuchenden Publikum verfügen, und daß eine längere Dauer der durch Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägten Ausübung des Anwaltsberufs zusätzlich für das Amt eines Notars qualifiziert.

2. Andererseits hat das Kammergericht den Bescheid der Antragsgegnerin mit Recht insoweit beanstandet, als bei der Auswahlentscheidung nicht die Vergabe von Sonderpunkten an den Antragsteller geprüft worden ist.

a) Das Auswahlermessen der Antragsgegnerin wird durch Ziffer III. 12. f) AVNot dahin beeinflußt, daß im Rahmen der Gesamtentscheidung in Ausnahmefällen bis zu zehn weitere Punkte hinzugerechnet werden können, wenn zusätzliche Umstände, die den Bewerber für das Amt des Notars in ganz besonderer Weise qualifizieren, dies erfordern, um die fachliche Eignung des Bewerbers besser zu kennzeichnen.

Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin darauf, daß im Streitfall für eine Prüfung der Bewerbung des Antragstellers unter diesem Gesichtspunkt schon deshalb kein Raum gewesen sei, weil der Antragsteller den -wie vom Kammergericht dargelegt: in einigen Teilen durchaus "notarspezifischen" -Inhalt seiner Tätigkeit beim Landkreis E. -E. erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist im Auswahlverfahren (2. Mai 2000) mitgeteilt habe (zur Maßgeblichkeit dieses Stichtags vgl. Senatsbeschluß vom 16. März 1998 -NotZ 13/97 NJW-RR 1998, 1599 unter 2 b aa; siehe jetzt aber auch § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO i.d.F. vom 31. August 1998 [BGBl. I S. 2585]). Wie der Antragsteller mit Recht anführt, enthält bereits der von ihm fristgerecht mit den Bewerbungsunterlagen vorgelegte tabellarische Lebenslauf die Angabe, daß der Antragsteller von August 1992 bis Dezember 1995 "beratender Rechtsanwalt beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises ... im Rahmen des Anwaltsprojektes" war. Diese Angabe erforderte zwar (nach dem Stichtag) zusätzliche Erläuterungen, aus denen sich der möglicherweise für die Vergabe von Sonderpunkten nähere eignungsrelevante Sachverhalt ergab. Berücksichtigt man aber, daß der Antragsteller den gesamten in Rede stehenden Zeitraum als "Rechtsanwalts"-Zeit benannt hatte, so muß ihm zugute gehalten werden, daß er diese Tätigkeit bei der Notarbewerbung als anrechnungsfähig einbringen wollte. Das genügte, um dem Erfordernis einer vollständigen Bewerbung zum Stichtag gerecht zu werden. Die weitere Klärung zu diesem Punkt war Sache der Justizverwaltung (vgl. § 64a BNotO).

b) Die Vergabe von Sonderpunkten läßt sich hier auch nicht, wie die Antragsgegnerin meint, mit dem Argument ausschließen, hierbei seien Umstände betroffen, die bereits als Standardkriterien in das Prüfungsschema für die sachliche Eignung (Examensnote, Dauer der hauptberuflichen Anwaltstätigkeit, Fortbildungskurse, Notarvertretungen) Eingang gefunden hätten. Es geht hier um die etwaige zusätzliche Berücksichtigung (eines Teils) von Tätigkeiten, die dem Antragsteller nach dem obigen Ausgangspunkt (zu 1.) nicht als Rechtsanwaltstätigkeit -also bisher: überhaupt nicht -angerechnet werden sollen. Sollten diese Tätigkeiten (teilweise) den Antragsteller für das Amt des Notars in ganz besonderer Weise qualifizieren, so steht einer Berücksichtigung unter dem Gesichtspunkt der Ziffer III. 9. f) AVNot nichts im Wege. Auch der von der Antragsgegnerin zitierte Senatsbeschluß vom 25. April 1994 -NotZ 19/93 -Nds.Rpfl. 1994, 330, 333 stünde nicht entgegen. In diesem Beschluß hat der Senat es lediglich abgelehnt, der Justizverwaltung im Auswahlverfahren eine "inhaltliche und nicht lediglich auf die Dauer begrenzte Bewertung" der anwaltlichen Berufstätigkeit anzusinnen, schon weil es dafür an einem praktikablen Maßstab fehlt. Um die Bewertung einer (angerechneten) Rechtsanwaltstätigkeit geht es hier nicht, sondern um die Frage, ob der Antragsteller während der nicht angerechneten Zeit als Syndikusanwalt in besonders qualifizierender Weise zusätzliche notarspezifische Eignung erworben hat.

c) Die vom Kammergericht für letzteres zur Sprache gebrachten Gesichtspunkte sind für diese Prüfung nicht von vornherein ungeeignet. Das Kammergericht verweist darauf, daß sich aus den Angaben des Antragstellers ergeben habe, daß er während seiner Beschäftigung beim Landkreis schwerpunktmäßig mit Fragen aus dem Grundstücksund dem Gesellschaftsrecht befaßt gewesen sei, also mit Rechtsgebieten, aus denen ein großer Teil der von einem Notar zu beurkundenden Rechtsgeschäfte stamme. Beim Amt für offene Vermögensfragen sei er insbesondere auf dem Gebiet des Grundstücksund Grundbuchrechts tätig gewesen; er habe zum einen die Mitarbeiter des Amts in diesen Bereichen geschult, zum anderen Rückübertragungsanträge nach dem Vermögensgesetz bearbeitet, Verhandlungen mit Antragstellern, Verfügungsberechtigten und sonstigen Beteiligten in diesen Fällen geführt sowie Entscheidungen über die Erteilung von Genehmigungen nach dem Grundstückverkehrsgesetz getroffen. Daneben habe er das Liegenschaftsamt bei der Veräußerung und dem Erwerb von Grundstücken beraten und schwierige Fälle nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zur Entscheidung gebracht. Weiterhin sei er auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts tätig gewesen, in dem er den Landkreis bei der Gründung und Ausgestaltung kommunaler Unternehmen betreut und für verschiedene Eigengesellschaften bzw. Eigenbetriebe des Landkreises die Gesellschaftsverträge bzw. Satzungen entworfen habe, wobei es sich nach den Angaben des Landkreises um einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt des Antragstellers gehandelt habe.

Der Senat tritt dem Kammergericht darin bei, daß angesichts der Dauer der Tätigkeit von drei Jahren die Annahme, daß der Antragsteller in dieser Zeit Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hat, die ihn für das Amt eines Notars besonders qualifizieren, nicht so fernliegend ist, daß diesbezüglich nicht eine Prüfung durch die Justizverwaltung erforderlich wäre, auch im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin selbst genannten Fälle, in denen sie Sonderpunkte vergeben hat. Daß der Antragsteller -der die maßgebliche Zeit als Rechtsanwaltstätigkeit geltend gemacht hatte -nicht von sich aus ausdrücklich Sonderpunkte verlangt hat, ist nicht entscheidend.

III.

Da es bei der den ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin aufhebenden und dieser eine erneute Prüfung der Bewerbung des Antragstellers aufgebenden Entscheidung des Kammergerichts bleibt, behält auch die vom Kammergericht getroffene -nicht selbständig anfechtbare -einstweilige Anordnung (Ziff. 2 des Urteilstenors) ihre Gültigkeit.

Rinne Streck Seiffert Lintz Bauer






BGH:
Beschluss v. 14.07.2003
Az: NotZ 2/03


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