Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 5. Oktober 2011
Aktenzeichen: I-20 U 186/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 05.10.2011, Az.: I-20 U 186/10)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Oktober 2010 verkündete Urteil der 8 Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Ziffer 1. des Tenors die nach den Worten „mit folgenden Merkmalen“ folgenden drei Spiegelstriche durch folgende Merkmalsangaben ersetzt werden:

- Korpus in der Form eines Querovals - auch wenn an den Längsseiten die Begrenzungen im mittleren Abschnitt parallel verlaufen -;

- wobei die Längsausdehnung die Tiefenausdehnung um mehr als 60 und weniger als 80% übersteigt;

- wobei sich die Begrenzung des Korpus von unten nach oben ausweitet;

- wobei in den Korpus eine flach ausgebildete gepolsterte Sitzfläche eingelegt ist;

- wobei der obere Rand des Korpus von der vorderen Längsseite zur hin-teren im Bereich der Schmalseiten kontinuierlich ansteigt - auch ohne die Ausbildung einer Stufe in diesem Bereich -, so dass im hinteren Be-reich der höher liegende Rand als Rückenlehne dienen kann,

- wobei der obere Rand des Korpus auf der vorderen Längsseite unterhalb der Oberkante der Sitzauflage liegt;

- wobei auf den Schmalseiten und der hinteren Längsseite ein aufklappbares Sonnendach angebracht ist, das im zusammengefalteten Zustand auf dem Rand des Korpus aufliegt und das im aufgefalteten Zustand durch drei horizontale Rippen gehalten wird;

- wobei der Korpus aus einem Kunstrattangeflecht besteht und das Son-nendach aus Textil;

unabhängig von der farblichen Gestaltung.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterle-gung in Höhe von 65.000,00 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs eines Gartenmöbelstücks. Die Klägerin stellt unter anderem unter der Bezeichnung "P." ein mehrsitziges Gartensitzmöbel her, hinsichtlich von dessen Gestaltung auf die Anlage AS10 aus der beigezogenen Akte des vorangegangenen Verfügungsverfahrens 38 O 52/09 LG Düsseldorf/I-20 U 155/09 OLG Düsseldorf Bezug genommen wird. Dieses vertreibt sie bereits seit 2005 über verschiedene Händler, zum Beispiel T. und B.

Die Beklagte bewirbt und vertreibt seit 2007 unter der Bezeichnung "S." ebenfalls ein derartiges Möbelstück, dessen Gestaltung im Tenor des angefochtenen Urteils wiedergegeben ist und in dem die Klägerin eine fast identische Nachahmung ihres Produktes sieht. Die Klägerin sieht in dem Vertrieb in erster Linie eine vermeidbare Herkunftstäuschung und beruft sich hilfsweise auf eine Rufausbeutung bzw. eine Irreführung der Verbraucher über die betriebliche Herkunft.

Das Landgericht hat eine vermeidbare Herkunftstäuschung bejaht und die Beklagte antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, das im Tenor abgebildete Outdoor Möbelstück mit den Maßen 230 cm Gesamtlänge, 140 cm Gesamtbreite und 79 cm Gesamthöhe (ohne Verdeck) im Rahmen geschäftlicher Handlungen selbst oder durch Dritte zu bewerben, anzubieten, zu verkaufen und/oder anderweitig in den Verkehr zu bringen, mit den folgenden Merkmalen:

- Korpus, an den Breitseiten abgerundet, aus einem Kunstrattangeflecht, dessen Länge seine Breite um mehr als 60 und weniger als 80% übersteigt und dessen Umfang sich von unten nach oben vergrößert;

- mit einem aufklappbaren Sonnendach, das im zusammengefalteten Zustand auf dem oberen Rand des Korpus aufliegt; und

- der obere Rand des Korpus steigt von vorn nach hinten an, sinkt an der Vorderseite unter die Oberkante der Sitzflächenauflage und bildet an der Rückseite eine Rückenlehne;

unabhängig von der farblichen Gestaltung.

Es hat die Beklagte ferner zu näher umschriebenen Auskünften verurteilt, deren Schadensersatzpflicht festgestellt sowie der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 1.880,30 € nebst Zinsen zugesprochen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie hält die erstinstanzliche Merkmalsbeschreibung für unzureichend und folgert hieraus, dass der Klageantrag bereits unbestimmt sei. Das Produkt der Klägerin weise keine wettbewerbliche Eigenart auf. Ihr, der Beklagten, Produkt stelle auch keine Nachahmung dar, was bereits aus den von ihr in Bezug genommenen Unterschieden folge. Schließlich habe sie alles Zumutbare getan, um eine Herkunftstäuschung zu vermeiden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe, dass die Merkmalsbeschreibung des angegriffenen Gegenstandes wie folgt gefasst werden soll:

- Korpus in der Form eines Querovals - auch wenn an den Längsseiten die Begrenzungen im mittleren Abschnitt parallel verlaufen -;

- wobei die Längsausdehnung die Tiefenausdehnung um mehr als 60 und weniger als 80% übersteigt;

- wobei sich die Begrenzung des Korpus von unten nach oben ausweitet;

- wobei in den Korpus eine flach ausgebildete gepolsterte Sitzfläche eingelegt ist;

- wobei der obere Rand des Korpus von der vorderen Längsseite zur hinteren im Bereich der Schmalseiten kontinuierlich ansteigt - auch ohne die Ausbildung einer Stufe in diesem Bereich -, so dass im hinteren Bereich der höher liegende Rand als Rückenlehne dienen kann,

- wobei der obere Rand des Korpus auf der vorderen Längsseite unterhalb der Oberkante der Sitzauflage liegt;

- wobei auf den Schmalseiten und der hinteren Längsseite ein aufklappbares Sonnendach angebracht ist, das im zusammengefalteten Zustand auf dem Rand des Korpus aufliegt und das im aufgefalteten Zustand durch drei horizontale Rippen gehalten wird;

- wobei der Korpus aus einem Kunstrattangeflecht besteht und das Sonnendach aus Textil;

unabhängig von der farblichen Gestaltung.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Sie meint, die Behauptung einer unabhängigen Schöpfung sei in der Berufungsinstanz neu und daher nicht zu berücksichtigen.

Der Senat hat die Akten des vorangegangenen Verfügungsverfahrens 38 O 52/09 LG Düsseldorf/I-20 U 155/09 OLG Düsseldorf beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen - auch aus der beigezogenen Akte - Bezug genommen.

B)

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Senat macht sich die Ausführungen des Landgerichts zu Eigen und nimmt hierauf Bezug.

Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Klageanträge hinreichend konkret. Der Senat hat hierzu bereits im Verfügungsverfahren ausgeführt:

"Dazu gehört, dass der Antrag und der dementsprechende Verbotsausspruch auch dann, wenn das Verbot wie hier durch die Einblendung von Abbildungen des Verletzungsgegenstandes konkretisiert wird, unzweideutig erkennen lassen muss, in welchen Merkmalen des angegriffenen Erzeugnisses die Grundlage und der Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes liegen soll (BGH GRUR 2002, 86, 88 - Laubhefter). Dies ist erforderlich, um Inhalt und Grenzen des begehrten Verbots aufzuzeigen, was ebenfalls vom Gericht - ungeachtet der Erörterungs- und Hinweispflichten - nicht an Stelle des Antragstellers vorgenommen werden kann (vgl. BGH a.a.O. S. 89). Erforderlich ist daher, dass die übernommenen Merkmale der Verfügungsform, die die wettbewerbliche Eigenart begründen, im Antrag enthalten sind. Ob diese tatsächlich die wettbewerbliche Eigenart begründen, ist dann eine Frage der Begründetheit (BGH GRUR 2002, 820, 823 - Bremszangen). Dies bedeutet, dass der Antragsteller mit seiner Angabe der Merkmale den Verbotsumfang bestimmt. Es führt jedoch auch dazu, dass dann, wenn die von ihm angeführten Merkmale nicht die wettbewerbliche Eigenart seines Produktes zu begründen vermögen, das Verbot also in jedem Fall auch Produkte betrifft, deren Angebot nicht wettbewerbswidrig ist, der Antrag insgesamt zurückzuweisen ist, unabhängig davon, ob nicht andere - vom Antragsteller nicht in sein Begehren aufgenommene - übernommene Merkmale möglicherweise doch einen Anspruch aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz begründen könnten."

Danach fehlt es dem Klageantrag hier nicht an der Bestimmtheit, denn durch die Produktabbildungen wird die konkrete Verletzungsform bezeichnet und die übernommenen Merkmale, die nach Ansicht der Klägerin die wettbewerbliche Eigenart begründen, sind im Klageantrag und im Tenor des Urteils ausdrücklich angegeben. Ob diese Merkmale tatsächlich die wettbewerbliche Eigenart begründen können, ist wiederum eine Frage der Begründetheit. Danach entspricht bereits der in der angefochtenen Entscheidung beschiedene Antrag dem Bestimmtheitserfordernis, nachdem die Klägerin die Merkmalsbeschreibung in der Berufungsverhandlung nochmals präzisiert hat, hat sie das erstrebte Verbot jedenfalls so hinreichend präzisiert, dass danach kein Zweifel mehr an dem Umfang des Verbotes bestehen kann. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das im Verfügungsverfahren bestehende Problem im Kern darin lag, dass die von der Klägerin seinerzeit gebrachte Merkmalsbeschreibung zum Teil Merkmale enthielt, die der Verletzungsgegenstand, nicht aber das zu schützende Erzeugnis aufweist, zum Beispiel die exakten Abmessungen, zum Teil aber derart weit gefasst war, dass sie eine Vielzahl unstreitig keine Nachahmung darstellende Gestaltungen, beispielsweise das Geschmacksmuster der Firma D., welches beide Parteien in Bezug genommen haben, erfasst hätte. Dies ist bei der im Klageverfahren gegenständlichen Merkmalsbeschreibung nicht mehr der Fall.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 9 a) UWG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das Produkt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (BGH GRUR 2008, 1115 Tz. 18 - ICON). Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 984 Tz. 16 - Gartenliege, GRUR 2008, 1115 Tz. 20 - ICON). Dabei genügt es, dass der Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Produktes die Vorstellung hat, es könne nur von einem bestimmten Anbieter oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2007, 984 Tz. 23 - Gartenliege). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich aus den übernommenen Merkmalen ergeben; es müssen also gerade diese sein, die geeignet sind, den Verkehr auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 795 - Handtaschen). Wettbewerbliche Eigenart liegt damit vor, wenn entweder bestimmte Merkmale für sich genommen das Produkt von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maße abhebt, dass der Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließen kann oder jedenfalls eine als neu empfundene Kombination für sich genommen bekannter Merkmale das Produkt in entsprechendem Maße aus den vergleichbaren Erzeugnissen heraushebt (BGH GRUR 2006, 79 Tz. 24, 26 - Jeans).

Die Klägerin sieht die wettbewerbliche Eigenart in der Kombination folgender Merkmale begründet:

Sitzmöbel mit Sonnendach

- Korpus in der Form eines Querovals - auch wenn an den Längsseiten die Begrenzungen im mittleren Abschnitt parallel verlaufen -;

- wobei die Längsausdehnung die Tiefenausdehnung um mehr als 60 und weniger als 80% übersteigt;

- wobei sich die Begrenzung des Korpus von unten nach oben ausweitet;

- wobei in den Korpus eine flach ausgebildete gepolsterte Sitzfläche eingelegt ist;

- wobei der obere Rand des Korpus von der vorderen Längsseite zur hinteren im Bereich der Schmalseiten kontinuierlich ansteigt - auch ohne die Ausbildung einer Stufe in diesem Bereich -, so dass im hinteren Bereich der höher liegende Rand als Rückenlehne dienen kann,

- wobei der obere Rand des Korpus auf der vorderen Längsseite unterhalb der Oberkante der Sitzauflage liegt;

- wobei auf den Schmalseiten und der hinteren Längsseite ein aufklappbares Sonnendach angebracht ist, das im zusammengefalteten Zustand auf dem Rand des Korpus aufliegt und das im aufgefalteten Zustand durch drei horizontale Rippen gehalten wird;

- wobei der Korpus aus einem Kunstrattangeflecht besteht und das Sonnendach aus Textil.

Diese Merkmale sind grundsätzlich geeignet, in ihrer Kombination die wettbewerbliche Eigenart zu begründen. Zwar finden sich - mit Ausnahme der elliptischen Grundform - die Merkmale auch im wettbewerblichen Umfeld. Ein Sitzmöbel mit elliptischer Form in der Kombination mit diesen weiteren Merkmalen fehlt aber. Die Parteien zeigen derartige Sitzmöbel nicht auf. Am nächsten kommt der Form nach das Muster der Firma D., welches allerdings ganz auffallend durch die kreisrunde Form geprägt ist. Die Ovalform prägt den Gesamteindruck des Erzeugnisses entscheidend. Die weiteren Gestaltungsmittel wirken bei ihr angewandt deutlich anders als etwa bei einer Rechteck- oder auch Kreisform.

Die Merkmalskombination weist damit einen derart großen Abstand vom vorbekannten Formenschatz auf, dass der Verkehr mit dieser Gestaltung Herkunftsvorstellungen verbinden kann. Während beispielsweise das Geschmacksmuster der Firma D. durch die kreisrunde Gestaltung gekennzeichnet ist, handelt es sich beispielsweise bei dem in der Anlage AS12 des beigezogenen Verfügungsverfahrens Modell "K." um einen Halbkreis, dem zudem die andere Hälfte hinzugefügt werden kann, so dass wieder eine Kreisform entsteht. Eine Gestaltung, die durch eine elliptische Form ein mehrsitziges Sitzmöbel schafft, wird von den Parteien nicht aufgezeigt.

Diese, den Gesamteindruck prägenden Merkmale, sind in der angegriffenen Gestaltung auch übernommen. Die aufgezeigten Unterschiede vermögen keinen anderen Gesamteindruck hervorzurufen.

Der Umstand, dass bei dem angegriffenen Produkt der obere und untere Korpusrand im Mittelteil geradlinig und nicht leicht gekrümmt verläuft nimmt dem Produkt der Klägerin nicht den Eindruck einer Ellipse. Der Unterschied fällt insoweit nur bei sehr genauer Betrachtung auf. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verbraucher die beiden Produkte in der Regel nicht nebeneinander sieht, sondern in zeitlichem Abstand. Dies führt dazu, dass der Verbraucher sich in der Regel an die Grundform eher erinnern wird, als an derartige Details.

Das gleiche gilt für den bei dem Produkt der Klägerin vorliegenden "Knick". Bei dem Produkt der Klägerin findet sich an der Schmalseite ein stufenförmiger Anstieg, während bei dem Produkt der Beklagten ein gleichförmiger Anstieg festzustellen ist. Dieser Umstand fällt dem Verbraucher noch weniger auf, wenn man berücksichtigt, dass in diesem Bereich auch das Sonnendach befestigt ist, was den "Knick" in der Wahrnehmung zurücktreten lässt.

Die Form des Sonnendaches, welche bei dem Produkt der Klägerin die ovale Gesamtform aufnimmt, während es bei der Beklagten im mittleren Bereich gerade ist, vermag hieran ebenfalls nichts zu ändern. Abgesehen davon, dass der Verbraucher mit geringfügig abweichenden Gestaltungen des an der Schmalseite befestigten Sonnendaches rechnen dürfte, gilt hier das Gleiche wie für die Gesamtform. Der elliptische Gesamteindruck fehlt auch der angegriffenen Gestaltung nicht. Die geringfügige Abweichung ist im Übrigen auch auf die geringfügig abweichende Form des Korpus zurückzuführen, denn das Dach soll ja im zusammengefalteten Zustand auf dem Korpus aufliegen und muss daher dessen Form aufnehmen.

Die geringfügig andere Flechtung des Rattanmaterials fällt ebenfalls nur bei sehr genauer Betrachtung auf und ist jedenfalls dann, wenn man die Produkte nicht unmittelbar nebeneinander sieht, als Unterschied nicht zu erkennen.

Die Übernahme der genannten Merkmale ist geeignet, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, die Produkte stammten vom gleichen Hersteller. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass der Verbraucher den Hersteller kennt. Insoweit ist aber erheblich, dass die Klägerin ihr Produkt in erheblichem Umfang (unstreitig über 7.000 Exemplare) über verschiedene große Handelsketten angeboten hat, so dass dem Verbraucher das Produkt aus verschiedenen Quellen bekannt ist. Wenn der Verbraucher dann ein die gleichen Merkmale aufweisendes Produkt bei der Beklagten sieht, wird er geneigt sein, anzunehmen, es handele sich um ein Produkt der Klägerin, mag sie ihm namentlich auch nicht bekannt sein.

Soweit die Beklagte geltend macht, es liege eine Parallelschöpfung vor, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag durch die Bezugnahme auf das Verfügungsverfahren in erster Instanz bereits gehalten wurde oder ob er in zweiter Instanz neu ist. Gegen die Beklagte spricht nämlich bereits der Beweis des ersten Anscheins. Die Produkte unterscheiden sich nur in gestalterisch unwesentlichen Details. Neben den prägenden Merkmalen sind auch die Abmessungen der beiden Produkte fast identisch. Bei einem derart hohen Grad der Übernahme besteht aber eine Vermutung für die Nachahmung, die die Beklagte nicht widerlegt hat. Insoweit fehlt es schon an einem Beweisantritt, wie schon die Kammer zutreffend festgestellt hat. Ein solcher erfolgt auch mit der Berufungsbegründung nicht.

Die Beklagte hat schließlich auch nicht alles Zumutbare getan, um eine Herkunftstäuschung auszuschließen. Die unauffällig angebrachte Kennzeichnung ist hierzu nicht geeignet. Abgesehen von der vom Landgericht zu Recht hervorgehobenen Tatsache, dass das Kennzeichen klein und an einer unauffälligen Stelle angebracht ist und zum Beispiel in der Werbung gar nicht wahrgenommen wird handelt es sich unstreitig um eine Handelsmarke. Dies wird der Verbraucher auch erkennen, denn er ist an derartige Handelsmarken durchaus gewohnt. Der Beklagten ist es insoweit ohne weiteres zumutbar, einen größeren Abstand zum Modell der Klägerin zu wahren, zumal das wettbewerbliche Umfeld einen breiten Gestaltungsspielraum aufweist.

Der Klägerin steht daher auch ein Anspruch auf Schadensersatz zu, § 9 S. 1 UWG, denn die Beklagte hätte bei sorgfältiger Auswahl des von ihr vertrieben Produktes erkennen können, dass es sich um eine Nachahmung des klägerischen Produktes handelt und eine Herkunftstäuschung durch Wahrung eines größeren Abstandes auch vermeiden können. Da der Umfang der Verletzungshandlungen im Einzelnen nicht bekannt ist, ist sowohl das Feststellungsinteresse gegeben, als auch der aus § 242 BGB begründete Auskunftsanspruch, da die Klägerin zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs auf diese Auskünfte angewiesen ist, schuldlos in Unkenntnis über diese Umstände ist und die Auskunftserteilung der Beklagten unschwer möglich ist.

Da demnach die vorgerichtliche Abmahnung berechtigt war, steht der Klägerin nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auch ein Anspruch auf Ersatz der hierdurch entstandenen Kosten zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert: 125.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 05.10.2011
Az: I-20 U 186/10


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