Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 239/03

(BPatG: Beschluss v. 20.10.2004, Az.: 26 W (pat) 239/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Tee, Kaffee, Kakao; alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

eingetragene Marke 301 50 673 HERBAVERA ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 394 10 132 Herbadie für die Waren

"Tee, teeähnliche Erzeugnisse (Kräuter-/Früchtetee), auch aromatisiert, vitaminisiert und instantisiert (ausgenommen Tees/teeähnliche Erzeugnisse in flüssiger trinkfertiger Form)"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar seien die sich gegenüberstehenden Marken zur Kennzeichnung identischer und wirtschaftlich nahestehender Waren bestimmt, weshalb sie einen erheblichen Abstand einzuhalten hätten, um die Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke könne jedoch nicht ausgegangen werden, denn hierfür seien keine Nachweise vorgelegt worden, die für eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke sprechen könnten. Es sei vielmehr von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Als lateinisches Wort für "Pflanze" werde der Begriff "Herba" insbesondere auf dem Heilmittelsektor zahlreich verwendet und daher vom Verkehr nicht selten als Hinweis auf pflanzliche Inhaltsstoffe und Kräuter erkannt werden. Auch in bezug auf die Waren der Widerspruchsmarke sei dem Begriff ein beschreibender Anklang dahingehend zu entnehmen, daß die Tees Kräuter enthielten. Es sei mithin von einem verminderten Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen, weshalb an den Markenabstand allenfalls durchschnittliche Anforderungen zu stellen seien, denen die angegriffene Marke in jeder Hinsicht gerecht werde: Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sei offensichtlich zu verneinen. Auch die Voraussetzungen einer gedanklichen Verbindung lägen nicht vor, denn die jüngere Marke "HERBAVERA" stelle einen Gesamtbegriff dar, dessen einzelne Bestandteile miteinander zu einem Gesamtausdruck verschmolzen seien. Der Verkehr habe deshalb keine Veranlassung, aus dieser Gesamtaussage willkürlich einen Bestandteil herauszulösen. Auch der Umstand, daß die Widersprechende noch zwei weitere Marken mit dem Bestandteil "Herba" besitze, begründe keine Verwechslungsgefahr, denn der Verkehr sehe kennzeichnungsschwache und dazu noch sehr häufig verwendete Begriffe wie "Herba" von Haus aus nicht als Stammbestandteil einer Markenserie an.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung ihres Rechtsmittels verweist sie auf ihr Vorbringen gegenüber der Markenstelle. Ihr gegenüber hat sie die Identität oder zumindest enge Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken hervorgehoben. Darüber hinaus sei die Widerspruchsmarke bereits 1995 in das Markenregister eingetragen und seitdem millionenfach vertrieben und auch umfassend beworben worden, so daß sie eine hohe Kennzeichnungskraft besitze. Aber auch ohne den hohen Bekanntheitsgrad habe die Marke "Herba" zumindest normale Kennzeichnungskraft, da es sich bei diesem Wort um einen lateinischen Ausdruck handle, der für den Durchschnittsverbraucher ein Fantasiewort darstelle. Hiervon ausgehend halte die angegriffene Marke die an den Markenabstand zu stellenden strengen Anforderungen nicht mehr ein, denn die Widerspruchsmarke sei vollständig in der jüngeren Marke enthalten, die zudem von dem Bestandteil "Herba" geprägt werde. Durch das Hinzufügen des Bestandteils "VERA" sei kein anderer abweichender Wortsinn entstanden, der ein Auseinanderhalten der beiden Marken erleichtern könnte. Vielmehr bestehe im Gegenteil die Gefahr, daß die Marken auch gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Hierfür spreche, daß sie auch noch Inhaberin der Marken "HERBAFIT" und "HERBAQUICK" sei. Demgemäß beantragt die Widersprechende die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Löschung der jüngeren Marke.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen. Auch er beschränkt sich darauf, auf sein erstinstanzliches Vorbringen zu verweisen, wonach die Widerspruchsmarke "Herba" einen schutzunfähigen Gattungsbegriff für "Kräuter" darstelle, der aus diesem Grunde nicht geeignet sei, als Wortstamm einer Zeichenserie zu dienen.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der jüngeren Marke "HERBAVERA" und der Widerspruchsmarke "Herba" keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke.

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Warenidentität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind ua für "Tee" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann - zugunsten der Widersprechenden - allenfalls als durchschnittlich angenommen werden. Entgegen ihrer Ansicht enthält das Wort "Herba" für einen erheblichen Teil der Durchschnittsverbraucher durchaus einen (beschreibenden) Hinweis auf pflanzliche Bestandteile der damit gekennzeichneten "Tees". Hierfür spricht zum einen, daß das lateinische Wort "herba" auch in weiteren Begriffen wie "Herbarium" (= Sammlung getrockneter Pflanzen) vorkommt und darüber hinaus in einer erheblichen Anzahl von Drittmarken enthalten ist (vgl dazu 25 W (pat) 60/00 - HERBATONIN/Herbin-Stodin, veröffentl. in PAVIS PROMA; BGH GRUR 1970, 85, 86 - Herba). Demgegenüber ist der Vortrag der Widersprechenden zur behaupteten umfangreichen Benutzung und Bewerbung ihrer Widerspruchsmarke völlig unsubstantiiert und damit ungeeignet, für eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu sprechen. Selbst wenn danach an den Abstand der Marken durchschnittliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.

Bei der Prüfung der klanglichen oder schriftbildlichen Ähnlichkeit der Vergleichszeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwNachw). Klangliche oder schriftbildliche Verwechslungen der zu beurteilenden Kennzeichnungen im Gesamteindruck sind durch den zusätzlichen Bestandteil "-VERA" offensichtlich ausgeschlossen.

Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesamteindruck der jüngeren Marke allein von dem Wort "HERBA" geprägt wird. Zwar kann eine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auch dann bestehen, wenn einzelne Bestandteile der Marken Ähnlichkeiten aufweisen und diese ähnlichen Bestandteile den Gesamteindruck der Marken prägen. So kann eine das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft einem einzelnen Markenbestandteil ausnahmsweise dann zugemessen werden, wenn ihm in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Feststellung der Prägung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil setzt aber voraus, daß die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH GRUR 2000, 233 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Für diese Beurteilung maßgeblich ist ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren (vgl BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND). Hiervon ausgehend kann eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "HERBA" nicht angenommen werden. Bereits wegen der einheitlich verwendeten Großbuchstaben wirkt die jüngere Marke als Einheit. Darüber hinaus weist das Wort "HERBA" aufgrund seiner Bedeutung "Pflanze; pflanzlich" für Tees zumindest einen erkennbaren beschreibenden Anklang auf. Eine allein kennzeichnende Stellung des Bestandteils "HERBA" ist mithin zu verneinen (vgl dazu Ströbele/ Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 403 ff).

Für eine etwaige gedankliche Verbindung der Vergleichszeichen aufgrund des übereinstimmenden Bestandteils "HERBA" liegen ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte vor: Zwar will die Widersprechende über zwei weitere "Herba"-Zeichen verfügen; über deren Verwendung hat sie aber keinerlei Angaben gemacht. Von einer (liquiden) Zeichenserie kann deshalb nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus verfügt die Widerspruchsmarke - wie bereits ausgeführt - ohnehin nur über eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft.

Der Beschwerde war deshalb der Erfolg zu versagen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß. Für ein Abweichen von dem Grundsatz, daß jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt, bedarf es besonderer Umstände (vgl Ströbele/Hacker aaO, § 71 Rdn 25). Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor.

Albert Eder Kraft Fa






BPatG:
Beschluss v. 20.10.2004
Az: 26 W (pat) 239/03


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