Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Januar 2004
Aktenzeichen: 17 W (pat) 308/02

(BPatG: Beschluss v. 13.01.2004, Az.: 17 W (pat) 308/02)

Tenor

Das Patent 100 06 514 wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten. Der geänderten Fassung des Patents liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1-14, Beschreibung und 4 Blatt Zeichnungen, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2004.

Gründe

I.

Auf die am 15. Februar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 100 06 514.7 - 53 wurde das Patent mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Einbau von Chips in Kartenkörper"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 18. April 2002.

Gegen das (Streit-)Patent ist Einspruch eingelegt worden mit der Begründung, daß der Gegenstand des Patents aus in § 21 PatG genannten Gründen nicht patentfähig sei. Die Einsprechende macht diesbezüglich fehlende erfinderische Tätigkeit geltend.

Sie stützt ihren Einspruch neben den bereits im Erteilungsverfahren genannten Druckschriften noch auf folgenden Stand der Technik:

1) EP 0 763 798 A2 2) EP 0 935 215 A2.

Im Erteilungsverfahren wurden genannt:

3) DE 197 31 737 A1 4) DE 197 03 990 A1 5) DE 196 01 389 A1 6) DE 197 09 985 A1 7) DE 197 08 617 C2 8) DE 197 21 918 A1 9) WO 98/08 191 A1.

Die Einsprechende beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Streitpatent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten mit den in der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2004 überreichten Unterlagen (Patentansprüche 1-14, Beschreibung, 4 Blatt Zeichnungen).

Anspruch 1 - mit einer berichtigenden, nachfolgend unterstrichenen Ergänzung - und der nebengeordnete Anspruch 12 lauten wie folgt:

1. Verfahren zur Bestückung eines Grundkörpers, insbesondere eines Kartenkörpers (2), mit einem Chipmodul (4), umfassend ein Substrat (5), auf dessen Oberfläche ein integrierter Schaltkreis (IC) und Kontaktflächen (6), die sich auf der dem Kartenkörper (2) abgewandten Oberfläche des Substrats (5) befinden, untergebracht sind, wobei das Chipmodul (4) mit dem Kartenkörper (2) in Kontakt gebracht und durch Ausübung von Druck mittels Ultraschall-Schweißen mit dem Kartenkörper (2) verbunden wird, dadurch gekennzeichnet, dass - das Ultraschall-Schweißen mittels einer Sonotrode (11) erfolgt, die auf die Vorderseite (13) des Chipmoduls (4) aufgesetzt wird, wobei - die Sonotrode (11) an ihrer Kontaktfläche gegen das Substrat (5) weisende Vorsprünge (16) aufweist, die um mehr als die Dicke der Kontaktflächen (6) gegenüber dem Substrat (5) über die übrige Frontfläche (17) der Sonotrode (11) vorstehen,

- die Sonotrode unter Druckausübung ausschließlich außerhalb der Kontaktflächen (6) und des integrierten Schaltkreises (IC) am Chipmodul (4) angesetzt wird und - das Substrat (5) zunächst mit Druck in Richtung quer zur Kartenebene (10) und Ultraschallschwingung mit einer Schwingungsrichtung quer zur Kartenebene (10) beaufschlagt, und zum Abschluss der Ultraschallbefestigung mit Druck quer zur Kartenebene (10) und Ultraschallschwingungen mit Schwingungsrichtung in der Kartenebene (10), insbesondere beiden Raumrichtungen der Kartenebene (10), beaufschlagt wird.

12. Sonotrode zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass - die Sonotrode (11) an ihrer Frontfläche im Bereich der Kontaktflächen (6) Vertiefungen aufweist und - die Sonotrode (11) an ihrer Kontaktfläche gegen das Substrat (5) weisende Vorsprünge (16) aufweist, die um mehr als die Dicke der Kontaktflächen (6) gegenüber dem Substrat (5) über die übrige Frontfläche (17) der Sonotrode (11) vorstehen,

- die außerhalb der elektrischen Kontaktflächen (6) und außerhalb des Bereichs des ICs auf dem Substrat (5) anliegen,

- die Sonotrode (11) eine größere Grundfläche als das Substrat (5) aufweist,

- wobei die Sonotrode so ausgebildet ist, dass sie sowohl quer zu ihrer Frontfläche als auch in Richtung ihrer Frontfläche Ultraschallschwingungen vollziehen kann.

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 und der auf den Anspruch 12 rückbezogenen Ansprüche 13 und 14 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Einspruch ist form- und fristgerecht erhoben sowie nach Maßgabe des § 59 Abs. 1 S. 4 PatG begründet worden und folglich zulässig. Er hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als er zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents führt.

1. Der geltende Anspruch 1 enthält Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 7 und 9. In den geltenden Nebenanspruch 12 sind Merkmale aus den erteilten Ansprüchen 14 und 15 sowie aus der Beschreibung Sp. 4, Z. 40-46, Sp. 7, Z. 7-10 und Sp. 7, Z. 23-26 aufgenommen worden. Die geltenden Ansprüche 2 bis 11 entsprechen mit jeweils angepasster Rückbeziehung den erteilten Ansprüchen 2 bis 6, 8 und 10 bis 13.

Die in Rückbeziehung zum geltenden Nebenanspruch 12 stehenden Ansprüche 13 und 14 entsprechen den erteilten Ansprüchen 16 und 17. Die Ansprüche 1 bis 14 sind demzufolge zulässig.

2. Das Streitpatent bezieht sich auf ein Verfahren zur Bestückung eines Grundkörpers, insbesondere eines Kartenkörpers, mit einem Chipmodul sowie auf eine Sonotrode zur Durchführung des genannten Verfahrens.

Die diesbezüglich in den Ansprüchen 1 und 12 vermittelte technische Lehre lautet (mit ergänzter Gliederung) wie folgt:

1. Verfahren zur Bestückung eines Grundkörpers, insbesondere eines Kartenkörpers, mit einem Chipmodul (4), 1a) umfassend ein Substrat (5), auf dessen Oberfläche ein integrierter Schaltkreis (IC) und Kontaktflächen (6), die sich auf der dem Kartenkörper (2) abgewandten Oberfläche des Substrats (5) befinden, untergebracht sind, 1b) wobei das Chipmodul (4) mit dem Kartenkörper (2) in Kontakt gebracht und durch Ausübung von Druck mittels Ultraschall-Schweißen mit dem Kartenkörper (2) verbunden wird, dadurch gekennzeichnet, dass 1c) das Ultraschall-Schweißen mittels einer Sonotrode (11) erfolgt, die auf die Vorderseite (13) des Chipmoduls (4) aufgesetzt wird, wobei 1d) die Sonotrode (11) an ihrer Kontaktfläche gegen das Substrat (5) weisende Vorsprünge (16) aufweist, die um mehr als die Dicke der Kontaktflächen (6) gegenüber dem Substrat (5) über die übrige Frontfläche (17) der Sonotrode (11) vorstehen, 1e) die Sonotrode unter Druckausübung ausschließlich außerhalb der Kontaktflächen (6) und des integrierten Schaltkreises (IC) am Chipmodul (4) angesetzt wird und 1f) das Substrat (5) zunächst mit Druck in Richtung quer zur Kartenebene (10) und Ultraschallschwingung mit einer Schwingungsrichtung quer zur Kartenebene (10) beaufschlagt, 1g) und zum Abschluss der Ultraschallbefestigung mit Druck quer zur Kartenebene (10) und Ultraschallschwingungen mit Schwingungsrichtung in der Kartenebene (10), insbesondere beiden Raumrichtungen der Kartenebene (10), beaufschlagt wird.

12. Sonotrode zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass 12a) die Sonotrode (11) an ihrer Frontfläche im Bereich der Kontaktflächen (6) Vertiefungen aufweist und 12b) die Sonotrode (11) an ihrer Kontaktfläche gegen das Substrat (5) weisende Vorsprünge (16) aufweist, die um mehr als die Dicke der Kontaktflächen (6) gegenüber dem Substrat (5) über die übrige Frontfläche (17) der Sonotrode (11) vorstehen, 12c) die außerhalb der elektrischen Kontaktflächen (6) und außerhalb des Bereichs des ICs auf dem Substrat (5) anliegen, 12d) die Sonotrode (11) eine größere Grundfläche als das Substrat (5) aufweist, 12e) wobei die Sonotrode so ausgebildet ist, dass sie sowohl quer zu ihrer Frontfläche als auch in Richtung ihrer Frontfläche Ultraschallschwingungen vollziehen kann.

Die Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents durch den angesprochenen Fachmann, einen Elektroingenieur mit mehrjähriger einschlägiger Berufstätigkeit, hat die Einsprechende hinsichtlich des Merkmals 1g des Anspruchs 1 und des Merkmals 12e des Anspruchs 12 in Abrede gestellt. Dieser Argumentation der Einsprechenden ist zu widersprechen, da die Sonotrodentechnologie zum üblichen Wissen des Fachmanns gehört. Hierzu wird beispielsweise auf die Druckschrift 2 - Fig 6 mit zugehöriger Beschreibung - verwiesen, worin die Prinzipien dieser Technologie dargestellt sind. Hat der Fachmann, wie nachfolgend dargestellt, aufgrund erfinderischer Überlegungen die Vorteile einer entsprechend Merkmal 12e ausgestalteten Sonotrode für das gattungsgemäße Verfahren erkannt und demgemäß dieses Verfahren um den Verfahrensschritt 1g ergänzt , so ist ihm die für die Ausführung der Verfahrenschritte 1f und 1g erforderliche Realisierung der zugehörigen Sonotrode durch sein diesbezügliches Fachwissen ohne erfinderisches Handeln möglich.

3. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 12 sind patentfähig, da sie bezüglich des im Verfahren befindlichen Standes der Technik neu sind und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

In D1 (EP 0 763 798 A2) wird ein Verfahren zur Herstellung einer Chipkarte beschrieben, bei der der Chipmodul 5 am Kartenteil 7 durch Ultraschall-Energie (auch ohne Einsatz von Kleber, vergl. Sp. 2, Z. 4-10 und Sp. 3, Z. 58 ff.) befestigt wird. Hierbei wird eine senkrecht zur Kartenebene schwingende Sonotrode 8 eingesetzt, deren Stirnseite einen umlaufenden, hochgezogenen Rand 9 aufweist, mit dem sie ausschließlich außenseitig auf dem Chipmodul 5 aufsitzt (Ansprüche 1 und 8; Fig. 1, 2 und 3 mit Sp. 3, Z. 34-38). Demnach ist die Sonotrode so gestaltet ist, daß sie nur jene Randbereiche des Chipmoduls 5, die auf dem Kartenteil 7 aufliegen, erwärmt und somit nur in diesen Randbereichen einen Schweißvorgang durchführt. Hiermit wird erreicht, daß die durch Ultraschall erzeugte Wärme genau dort entsteht, wo sie gebraucht wird, so daß ein unerwünschtes Erwärmen anderer Bereiche der Chipkarte verhindert wird (Sp. 1, Z. 51-58; Sp. 2, Z. 11-18). Es ist folglich bei diesem Stand der Technik anzunehmen, daß auch zum Chipmodul gehörende elektrische Kontaktflächen von der Sonotrode nicht mit Ultraschall-Energie beaufschlagt werden, da andernfalls über diese die Wärme gut leitenden Kontaktflächen der eigentliche Chip Schaden nehmen würde. Die letzterem Widersprechende, auf die Verwendung des Begriffes "Modulkontaktfläche" in D1, Sp. 2, Z. 44 gestützte Argumentation der Patentinhaberin vermag den Senat nicht zu überzeugen, da die vorhergehenden Ausführungen in D1 (Sp. 2, Z. 26-43) sich bereits mit der Verklebung von Chipkarte und Chipmodul beschäftigen. Hierbei wird auch von der "Auflagefläche für das Chipmodul", d.h. dem Berührungsbereich zwischen Chipkarte und Chipmodul, gesprochen. Dieser Berührungsbereich wird dann in Sp. 2, Z. 44 als "Modulkontaktfläche" bezeichnet.

Demnach zeigt D1 ein Verfahren zur Bestückung eines Kartenkörpers mit den Merkmalen 1a bis 1f. Der nach Merkmal 1g vorgesehene Verfahrensschritt, nach welchem das Substrat zum Abschluss der Ultraschallbefestigung mit Druck quer zur Kartenebene (10) und Ultraschallschwingungen mit Schwingungsrichtungen in der Kartenebene (10), insbesondere beiden Raumrichtungen der Kartenebene (10), beaufschlagt wird, ist jedoch durch D1 weder bekannt noch nahegelegt.

Auch den Druckschriften D2 (EP 0 935 215 A2) und D3 (DE 197 31 737 A1) läßt sich kein Hinweis auf den im Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents enthaltenen Verfahrensschritt 1g entnehmen.

D2 beschreibt ebenfalls ein Verfahren zur Herstellung einer Chipkarte mit Ultraschall-Verschweißung des Chipmoduls 20 am Kartenteil 10.

Der Stirnbereich 44 der Sonotrode 43 ist in der Mitte mit einer Absaugkammer 45 (mit Absaugröhre 46) und mit einem umlaufenden Randbereich zum Aufsetzen auf den entsprechenden Modulbereich ausgestattet (Fig. 6, 7; Sp. 6, Z. 30 bis Sp. 7, Z. 1).

In D3 ( DE 197 31 737 A1) geht es um die Befestigung eines Chipmoduls 1 an einem Kartenkörper 3. Hierzu ist der Modul 1 mit Verankerungselementen 5 (aus Metall) ausgestattet, die in den aus thermoplastischem Material bestehenden Kartenkörper 3 eingeschweißt werden. Hierzu werden die entsprechenden Stellen am Kartenkörper 3 mittels Ultraschall erhitzt und die Verankerungselemente des Moduls in die weich gewordenen Stellen eingedrückt. Nach der Abkühlung existiert eine feste Verbindung zwischen Modul und Kartenkörper (Sp. 1, Z. 41-55; Sp. 2, Z. 5-10; Fig. 2).

In den D'en 4) DE 197 03 990 A1 5) DE 196 01 389 A1 6) DE 197 09 985 A1 7) DE 197 08 617 C2 8) DE 197 21 918 A1 7) WO 98/08191 A1 werden übliche Klebtechniken (ohne Einsatz von Ultraschall) für die Verbindung von Chipmodul und Kartenteil beschrieben.

Folglich vermögen die angesprochenen Druckschriften D2 bis D7 weder einzeln noch bei verbindender Betrachtungsweise eine Anregung zu geben, das aus D1 bekannte Verfahren um den Verfahrensschritt 1g zu ergänzen, mit dem nach Sp. 4, Z. 55-60 der Streitpatentschrift der Vorteil eines verbesserten Fließprozesses des bei der Verbindung von Chipmodul und Kartenkörper beteiligten Materials erzielt wird. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist folglich neu, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und somit patentfähig.

Für die Beurteilung der Patentierungsvoraussetzungen der zur Durchführung dieses Verfahrens eingesetzten Sonotrode gemäß dem nebengeordneten Anspruch 12 gelten in vergleichbarer Weise die zum Verfahrensanspruch 1 genannten Gründe. Demzufolge ist auch die Sonotrode gemäß Anspruch 12 patentfähig.

4. Die Unteransprüche 2 bis 11 bzw 13 und 14 beinhalten nicht selbstverständliche Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. der Sonotrode nach Anspruch 12. Die Gegenstände dieser Unteransprüche sind somit in Verbindung mit Anspruch 1 bzw. 12 ebenfalls patentfähig.

5. Durch die Einfügung der Worte "untergebracht sind " am Ende des Merkmals 1a im Anspruch 1 wird ein offensichtlicher Fehler im Satzbau behoben, § 95 PatG.

Bertl Dr. Schmitt Dr. Kraus Schuster Ko






BPatG:
Beschluss v. 13.01.2004
Az: 17 W (pat) 308/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c6e90a706707/BPatG_Beschluss_vom_13-Januar-2004_Az_17-W-pat-308-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share