Bundesgerichtshof:
Urteil vom 15. Januar 2013
Aktenzeichen: II ZR 83/11

(BGH: Urteil v. 15.01.2013, Az.: II ZR 83/11)

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Februar 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die beklagte Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend eG ist eine eingetragene Genossenschaft mit Sitz in Berlin, deren Generalversammlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 der Satzung aus gewählten Vertretern der Mitglieder besteht (Vertreterversammlung). Der Kläger verlangt als Mitglied der Beklagten die Feststellung der Nichtigkeit verschiedener Bestimmungen der am 18. März 2009 von der Vertreterversammlung beschlossenen Wahlordnung für die Wahl der Vertreter sowie der im Zeitraum vom 4. bis 18. Mai 2009 durchgeführten Wahl zur Vertreterversammlung einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses.

Nach § 14 Abs. 1 der Satzung der Beklagten besteht die Vertreterversammlung aus mindestens 50 gewählten Mitgliedern. § 15 der Satzung bestimmt:

(1) Die Mitglieder wählen ihre Vertreter auf die Dauer von vier Jahren. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

(2) Auf je angefangene 1.000 Mitglieder entfällt ein Vertreter. (...)

(3) Nähere Bestimmungen über das Wahlverfahren, den Wahlvorstand einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses werden in einer Wahlordnung geregelt, die vom Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund übereinstimmender Beschlüsse erlassen wird. Sie bedarf der Zustimmung der Vertreterversammlung.

(4) Die Wahl findet in Wahlbezirken statt. Der Wahlvorstand bestimmt mit Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat die Wahlbezirke, die so eingerichtet werden sollen, dass die Gleichheit der Wahl gewährleistet ist. (...)

(5) Ist ein Vertreter weggefallen, tritt an seine Stelle der für den betreffenden Wahlbezirk gewählte Ersatzvertreter. Fällt auch dieser weg, rückt unabhängig vom Wahlbezirk der Ersatzvertreter mit der höchsten Stimmenzahl nach.

(...)

Am 18. März 2009 stimmte die Vertreterversammlung einer vom Vorstand und vom Aufsichtsrat vorgelegten Wahlordnung zu (Beschluss-Nr. 9/41/2009) und beschloss eine Ergänzung von § 11 der Satzung (Beschluss-Nr. 10/41/2009). Die Wahlordnung bestimmt u.a.:

§ 1 Wahlvorstand

(1) Zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl von Vertretern und Ersatzvertretern zur Vertreterversammlung sowie aller damit zusammenhängenden Entscheidungen wird ein ehrenamtlicher Wahlvorstand bestellt.

(2) Der Wahlvorstand besteht aus:

a) einem Vorstandsmitglied, b) drei Aufsichtsratsmitgliedern undc) fünf weiteren Genossenschaftsmitgliedern.

Die Mitglieder gem. a) und b) werden vom Vorstand bzw. dem Aufsichtsrat gewählt. Die Mitglieder gem. c) werden von der Vertreterversammlung gewählt. Die Mitglieder des Wahlvorstandes dürfen nicht zugleich Kandidaten sein.

(...)

§ 5 Wahlbezirke und Wählerlisten

(1) Nach § 15 Abs. 4 der Satzung bestimmt der Wahlvorstand mit Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat die Wahlbezirke, die so eingerichtet werden sollen, dass die Gleichheit der Wahl gewährleistet ist.

(...)

(3) Der Wahlvorstand stellt fest, wie viele Vertreter und Ersatzvertreter in den einzelnen Wahlbezirken unter Beachtung von § 15 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 3 der Satzung zu wählen sind. Maßgebend ist der am Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres bekannte Mitgliederstand.

§ 7 Kandidaten und Wahlvorschläge

(1) Der Wahlvorstand stellt Kandidaten für die Wahl zur Vertreterversammlung auf.

(2) Andere Wahlvorschläge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit zwanzig Unterstützungsunterschriften aus dem Wahlbezirk. (...)

(...)

§ 8 Form der Wahl

(1) Die Wahl findet als Urnenwahl statt. Davon ausgenommen sind die Wahlbezirke, die nicht in Berlin liegen. Hier kann die Wahl auch als Briefwahl durchgeführt werden.

(2) Die Vertreter und Ersatzvertreter werden in allgemeiner, unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl gewählt.

(...)

§ 9 Wahlhelfer

(1) Zum Wahlhelfer darf nicht bestimmt werden, wer für die Wahl zur Vertreterversammlung kandidiert oder wer einen Wahlvorschlag mit seiner Unterschrift unterstützt hat.

(...)

§ 11 Briefwahl

(1) Die Mitglieder, die ihren Wohnsitz in einem Wahlbezirk außerhalb Berlins haben, wählen per Briefwahl. (...)

(...)

§ 11 Abs. 2 der Satzung, der einzelne Rechte der Mitglieder aufzählt, wurde um folgende Nummer 10 ergänzt:

10. Wahlvorschläge für die Vertreterversammlung einzureichen; hierzu bedarf es der Unterschriften von 20 Mitgliedern aus dem Wahlbezirk.

Der Kläger nahm als Mitgliedervertreter an der Vertreterversammlung teil und stimmte gegen die Beschlüsse. Gegen den Beschluss Nr. 9/41/2009 erklärte er Widerspruch zu Protokoll.

Im Zeitraum vom 4. bis 18. Mai 2009 fand bei der Beklagten eine Wahl zur Vertreterversammlung statt, bei der der Kläger kandidierte. Einen Wahlvorschlag mit 20 Unterstützungsunterschriften gab es nicht. Der Wahlvorstand berücksichtigte auch Wahlvorschläge, die ohne die erforderlichen Unterstützungsunterschriften eingereicht wurden. Die Zahl der Mitglieder wurde mit 74.247 angegeben, wobei in sieben Wahlbezirken für jeweils angefangene 1000 Mitglieder insgesamt 79 Vertreter zu wählen waren. Im kleinsten Wahlbezirk Friedrichshain/Kreuzberg wurden fünf Vertreter unter Zugrundelegung einer Mitgliederzahl von 4.021 gewählt; im größten Wahlbezirk Pankow/Prenzlauer 4 Berg/Weißensee 17 Vertreter unter Zugrundelegung einer Mitgliederzahl von 16.690.

Der Wahlvorstand gab am 25. Mai 2009 das Wahlergebnis bekannt, nach dem der Kläger in seinem Wahlbezirk als zweiter Ersatzvertreter gewählt wurde. Er wies den vom Kläger am 22. Juni 2009 gegen die Wahl erhobenen Einspruch mit Schreiben vom 29. Juni 2009 zurück.

Mit seiner am 25. Juni 2009 eingegangenen und am 24. August 2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Regelungen in § 1 Abs. 2 Satz 4, § 7 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung - letztere Bestimmung hinsichtlich der Beschränkung des Briefwahlrechts auf Mitglieder mit Wohnsitz außerhalb Berlins - sowie die im Mai 2009 durchgeführte Wahl zur Vertreterversammlung und der Beschluss des Wahlvorstands über die Feststellung des Wahlergebnisses nichtig sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Feststellung der Nichtigkeit von § 11 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung gerichtet ist, und ihr im Übrigen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter verfolgt.

Gründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

A. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: 7 Ein zur Anfechtbarkeit oder gar zur Nichtigkeit der durchgeführten Wahl sowie des Beschlusses des Wahlvorstands führender Verstoß gegen § 43a Abs. 2 GenG könne nicht darin gesehen werden, dass nach § 1 Abs. 2 Satz 4 und § 9 der Wahlordnung Mitglied des Wahlvorstands oder Wahlhelfer nicht sein könne, wer für die Vertreterversammlung kandidiere oder einen Wahlvorschlag mit seiner Unterschrift unterstütze. Die Regelungen schränkten nicht in unzulässiger Weise das passive Wahlrecht ein, sondern bestimmten, wer dem Wahlvorstand angehören bzw. als Wahlhelfer tätig werden dürfe.

Dass es zulässig sei, die Wirksamkeit eines Wahlvorschlags von Unterstützungsunterschriften abhängig zu machen, ergebe sich mittelbar aus § 43a Abs. 4 Satz 6 GenG. Die Zahl von 20 Unterstützungsunterschriften im jeweiligen Wahlbezirk stelle weder wegen Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme zu anderen Mitgliedern als Unterstützer noch im Hinblick auf die Mitgliederzahlen in den Wahlbezirken eine unzumutbare, gegen demokratische Wahlgrundsätze verstoßende Erschwerung eines Wahlvorschlags dar.

Ein zur Nichtigkeit oder zumindest zur Anfechtbarkeit von § 7 Abs. 2 der Wahlordnung bzw. des Beschlusses über die Feststellung des Wahlergebnisses führender Verstoß gegen die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl liege nicht darin, dass die Wahlordnung in § 7 Abs. 2 zwischen Vorschlägen des Wahlvorstands und solchen anderer Mitglieder differenziere. Dem Wahlvorstand stehe ein eigenes Vorschlagsrecht zu. Die unterschiedliche Behandlung von Wahlvorschlägen der Mitglieder und des Wahlvorstands sei sachlich durch das Bestreben gerechtfertigt, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken und dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und der Gefahr einer Stimmzersplitterung vorzubeugen. Anders als bei Wahlvorschlägen von Mitgliedern reiche es für die Wirksamkeit eines Wahlvorschlags des Wahlvorstands aus, dass er von diesem mehrheitlich getragen 11 werde, weil jedenfalls bei den Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitgliedern im Wahlvorstand davon ausgegangen werden könne, dass sie auf Grund ihrer Tätigkeit beurteilen könnten, welcher Kandidat für eine Mitarbeit in der Vertreterversammlung geeignet sei und ob dieser realistische Chancen habe, von den Mitgliedern gewählt zu werden.

Es gehöre nicht zu den Wahlgrundsätzen, in jedem Fall die Möglichkeit einer Briefwahl zu eröffnen. Soweit das Briefwahlverfahren nur für Mitglieder mit Wohnsitz außerhalb Berlins eröffnet sei, liege ein sachgerechtes Kriterium für eine Differenzierung vor. Einerseits könne den Genossenschaftsmitgliedern mit Wohnsitz außerhalb Berlins nicht zugemutet werden, ihre Stimme in Berlin abzugeben. Andererseits sei es der Beklagten organisatorisch ersichtlich nicht möglich, eine Urnenwahl in räumlicher Nähe der theoretisch über das gesamte Bundesgebiet zerstreut lebenden Mitglieder durchzuführen. Es gebe keinen zwingenden Grund, den in Berlin wohnenden Mitgliedern ebenfalls die Möglichkeit einer Briefwahl zu gewähren. Der Hinweis der Beklagten auf die hiermit verbundenen Kosten sei unabhängig davon beachtlich, ob das Urnenwahlverfahren kostengünstiger sei, weil diese Erwägung der richterlichen Überprüfung nicht zugänglich sei.

Der auf Feststellung der Unwirksamkeit von § 1 Abs. 2 Satz 4 und § 9 Abs. 1 der Wahlordnung gerichtete Antrag bleibe schon deswegen erfolglos, weil diese Bestimmungen nicht nichtig seien und die Anfechtung dieser am 18. März 2009 beschlossenen Regelungen nicht innerhalb der Monatsfrist des § 51 Abs. 1 Satz 2 GenG erfolgt sei.

Weder die Anfechtung der Wahl noch diejenige des Beschlusses des Wahlvorstands über das Wahlergebnis habe Erfolg. Die vom Kläger unter Hinweis auf den unterschiedlichen Zuschnitt der Wahlbezirke beanstandete Dis-14 proportionalität zwischen der Zahl der Vertreter für den kleinsten Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg (Mitgliederzahl 4.021) und für den größten Bezirk Pankow/Prenzlauer Berg/Weißensee (Mitgliederzahl 16.690) beruhe allein auf der Regelung, dass für jeweils angefangene 1000 Mitglieder ein Vertreter gewählt werde. Der Gleichheitsgrundsatz werde dadurch nicht verletzt, weil ein Vertreter von durchschnittlich 945,15 Mitgliedern gewählt worden sei und die Abweichung von diesem Durchschnittswert um rund 15% im Wahlbezirk Friedrichshain/Kreuzberg im noch hinzunehmenden Toleranzbereich liege. Hinzu komme, dass eine praktikable Möglichkeit einer anderweitigen Sitzverteilung nicht bestanden habe und die Ausgestaltung des Wahlsystems gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei.

B. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

I. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die auf Feststellung der Nichtigkeit von § 1 Abs. 2 Satz 4, § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung gerichtete Klage unbegründet ist.

1. Der auf Feststellung der Nichtigkeit der genannten Bestimmungen der Wahlordnung gerichtete Antrag des Klägers ist dahin auszulegen, dass er sich gegen den Beschluss der Vertreterversammlung vom 18. März 2009 richtet, mit dem diese der vom Vorstand und Aufsichtsrat vorgelegten Wahlordnung nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 Satz 2 der Satzung der Beklagten zugestimmt hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1973 - II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, 386; Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231).

2. Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen die in der Vertreterversammlung einer Genossenschaft gefassten Beschlüsse nicht nur der Anfechtung nach Maßgabe des § 51 GenG, sondern es finden auch die aktien-17 rechtlichen Grundsätze über die Nichtigkeitsklage und die Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG entsprechende Anwendung (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 - II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 323 f.; Urteil vom 23. Februar 1978 - II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, 387; Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231). Ein Beschluss der Vertreterversammlung ist daher entsprechend § 241 Nr. 3 Fall 1 AktG nichtig, wenn er mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar ist (BGH, Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231). Hiervon ist auszugehen, wenn die von der Vertreterversammlung beschlossenen Regelungen der Wahlordnung gegen elementare Wahlgrundsätze verstoßen.

3. Hieran gemessen bleiben die Angriffe der Revision ohne Erfolg.

a) Die Regelungen in § 1 Abs. 2 Satz 4 und § 9 Abs. 1 der Wahlordnung verstoßen nicht gegen § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG oder den in § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG verankerten Grundsatz der allgemeinen Wahl. Die Würdigung des Berufungsgerichts, das passive Wahlrecht werde durch § 1 Abs. 2 Satz 4 und § 9 Abs. 1 der Wahlordnung nicht eingeschränkt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gegenstand der angegriffenen Bestimmungen ist die Unvereinbarkeit von Kandidatur und Mitgliedschaft im Wahlvorstand sowie der Tätigkeit als Wahlhelfer. Sie zielen schon ihrem Wortlaut nach - das hat das Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben - nicht auf eine Einschränkung der Wählbarkeit, sondern auf den Ausschluss der Wahlbewerber von der Wahlorganisation. Ihnen kommt auch nicht die Wirkung einer Beschränkung des passiven Wahlrechts durch eine Unvereinbarkeitsregelung (Inkompatibilität) oder einen (rechtlichen) Ausschluss der Wählbarkeit (Ineligibilität) zu (im Ergebnis ebenso: Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 27; Bauer, Genossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 52). 21 aa) Wesentliches Merkmal einer das passive Wahlrecht einschränkenden Inkompatibilitätsvorschrift ist, dass sich der von ihr Betroffene als Wahlbewerber aufstellen lassen, gewählt werden und die Wahl annehmen kann, die Annahme der Wahl aber von der Beendigung einer mit dem angestrebten Amt unvereinbaren Tätigkeit abhängig gemacht wird (für Art. 137 Abs. 1 GG: BVerfGE 58, 177, 192 f.; Klein/B. Pieroth in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 64. Erg., Art. 137 Rn. 64). Darum handelt es sich hier nicht. Der Ausschluss der Wahlbewerber von der Wahlorganisation wirkt sich nur im Vorfeld der Wahl aus. Er verhindert lediglich die vorübergehende, auf die konkrete Wahl zur Vertreterversammlung begrenzte Mitwirkung bei der Durchführung und Organisation der Wahl neben einer Kandidatur.

bb) Der Ausschluss der Wahlkandidaten von der Wahlorganisation ist auch nicht als unzulässige (beschränkte) Ineligibilitätsregelung anzusehen (hierzu Klein/B. Pieroth in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 64. Erg., Art. 137 Rn. 65). Die Wählbarkeit ist nicht rechtlich ausgeschlossen, weil sich ein Mitglied des Wahlausschusses oder ein Wahlhelfer zwischen der Wahrnehmung dieser Funktion und einer Kandidatur als Vertreter entscheiden kann. Es fehlt aber auch an der - für eine sogenannte faktische Ineligibilität erforderlichen - typischen Konfliktsituation für den potentiellen Bewerber, sich für eine Kandidatur nur unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile oder Risiken entscheiden zu können, die die Wählbarkeit zwar nicht rechtlich ausschließen, aber - bis hin zu einem faktischen Ausschluss - geeignet sind, die Entscheidung für oder gegen eine Kandidatur zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 98, 145, 156).

Wie die Revision zutreffend sieht, könnten die vom Kläger beanstandeten Regelungen allerdings zu einer unzulässigen Einschränkung des passiven Wahlrechts führen, wenn die Mitglieder der Beklagten verpflichtet wären, als Mitglied des Wahlvorstands oder als Wahlhelfer tätig zu werden oder wenn sie 23 nach Übernahme einer solchen Funktion nicht mehr die Möglichkeit hätten, das übernommene Amt niederzulegen und sich für eine Kandidatur als Vertreter zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat dies indes ohne Rechtsfehler verneint.

cc) Die Würdigung des Berufungsgerichts, § 1 Abs. 2 Satz 4 der Wahlordnung beschränke das passive Wahlrecht nicht, steht schließlich nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 28, 203, 206 ff.) oder zu derjenigen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 13, 296, 297 f.) zu den Voraussetzungen für die Wählbarkeit von Mitgliedern des Wahlvorstands zum Betriebsrat bzw. zum Personalrat. Schließen die gesetzlichen Vorschriften, die die Wählbarkeit eines Arbeitnehmers (§ 8 BetrVG) bzw. Beschäftigten regeln, und die auf ihrer Grundlage erlassenen Wahlordnungen Mitglieder des Wahlvorstands nicht von einer Wahlbewerbung im Rahmen einer Personal- oder Betriebsratswahl aus, ist nach dieser Rechtsprechung auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen des Wahlrechts von der Unvereinbarkeit der Wahlbewerbung mit der Mitgliedschaft im Wahlvorstand auszugehen. Die Frage, ob dieser Grundsatz auch für die Wahl zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft gilt, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet (vgl. Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 12; Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 27 einerseits und Bauer, Genossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 52 andererseits). Sie bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil hier die Unvereinbarkeit ausdrücklich in der gem. § 43a Abs. 4 Satz 7 und 8 GenG beschlossenen Wahlordnung geregelt ist. Zudem enthalten sowohl das Betriebsverfassungsgesetz (§ 16) als auch das Bundespersonalvertretungsgesetz (§ 20) ausdrückliche Regelungen über die Zusammensetzung des Wahlvorstands, die eine Unvereinbarkeitsbestimmung nicht vorsehen (vgl. BAGE 28, 203, 206 f.; BVerwGE 13, 296, 297 f.). In den Vorschriften über das Wahlverfahren für die Vertreterversammlung im Genossenschaftsgesetz finden sich demgegenüber keine Regelungen zur Zusammensetzung des Wahlvorstands. Nach § 43a 26 Abs. 4 Satz 7 GenG sind entsprechende Festlegungen der Wahlordnung vorbehalten.

b) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, ein § 7 Abs. 1 der Wahlordnung zu entnehmendes Vorschlagsrecht des Wahlvorstands sei unwirksam, weil es zum einen der Satzung widerspreche, die in § 11 Abs. 2 Nr. 10 nur den Mitgliedern ein Vorschlagsrecht einräume, und zum anderen dem Wahlvorstand grundsätzlich die Kandidatenaufstellung nicht übertragen werden dürfe. Es fehlt schon an einem korrespondierenden, auf Feststellung der Nichtigkeit dieser Bestimmung gerichteten Antrag, weil der Kläger nur § 7 Abs. 2 der Wahlordnung angegriffen hat und diese Vorschrift das Vorschlagsrecht der Mitglieder betrifft.

c) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt § 7 Abs. 2 der Wahlordnung, der für die Wirksamkeit von Wahlvorschlägen der Mitglieder der Beklagten 20 Unterstützungsunterschriften aus dem jeweiligen Wahlbezirk verlangt, nicht gegen elementare Wahlgrundsätze.

aa) Der Grundsatz der allgemeinen und gleichen Wahl gebietet, dass jeder Wahlberechtigte sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können (BVerfGE 13, 243, 246; 28, 220, 225; 34, 81, 98 f.; 36, 139, 141; 60, 162, 167). Dies gilt nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern bezieht sich auch auf die Wahlvorbereitung, insbesondere das Wahlvorschlagsrecht (BVerfGE 4, 375, 386 f.; 11, 266, 272; 11, 351, 363; 14, 121, 132 f.; 30, 227, 246; 41, 399, 417; 60, 162, 167). Für die Wahl der Vertreterversammlung folgt daraus, dass jedem Wahlberechtigten die gleichen Möglichkeiten bei der Kandidatenaufstellung einzuräumen sind (Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 22b; Cario in Lang/Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 43a Rn. 33; Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 9, 12; Bauer, Genossenschafts-27 Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 37). Das Erfordernis von Unterstützungsunterschriften für die Einreichung gültiger Wahlvorschläge schränkt diese Möglichkeit ein, weil sich zum einen nur derjenige zur Wahl stellen kann, der für seine Kandidatur die vorherige schriftliche Unterstützung anderer Personen findet, und zum anderen die Wahlvorschläge derjenigen, die nicht die erforderliche Unterschriftenzahl beigebracht haben, unberücksichtigt bleiben (BVerfGE 60, 162, 167 f.).

Diese vom Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hergeleiteten Grundsätze, die nach § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG für die Wahl der Vertreterversammlung unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten entsprechend gelten (BGH, Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 232), schließen Differenzierungen nicht grundsätzlich aus (BVerfGE 11, 266, 272; 60, 162, 168). Aus § 43a Abs. 4 Satz 6 GenG, nach dem eine Zahl von 150 Mitgliedern in jedem Fall ausreichend ist, um einen Wahlvorschlag einzureichen, ergibt sich zum einen, dass es zulässig ist, einen Wahlvorschlag von der Unterstützung mehrerer Mitglieder abhängig zu machen, und zum anderen, dass das Recht der Mitglieder, bei der Aufstellung der Kandidaten mitzuwirken, nicht unzumutbar erschwert werden darf (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts, BR-Drucks. 71/06, S. 238; Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 12; Keßler in Berliner Kommentar GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 15). Da das Genossenschaftsgesetz keine weiteren Regelungen trifft, sind solche nach § 43a Abs. 4 Satz 7 GenG der Wahlordnung vorbehalten. Diese muss gewährleisten, dass Minderheiten ihre genossenschaftlichen Zweck- und Zielvorstellungen durch Vertreter ihres Vertrauens in der Vertreterversammlung zur Geltung bringen und bei qualifizierten Mehrheitsentscheidungen mitwirken können (BGH, Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 219/81, BGHZ 83, 30 228, 233). Der Genossenschaft verbleibt insoweit ein gewisser Spielraum bei der normativen Umsetzung (vgl. BVerfGE 60, 162, 168).

bb) Die Regelung in § 7 Abs. 2 der Wahlordnung der Beklagten ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden.

(1) Sie dient dem Ziel, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, um dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr einer Stimmzersplitterung vorzubeugen (vgl. BVerfGE 3, 19, 27; 4, 375, 381 f.; 60, 162, 168). Ob der im genossenschaftsrechtlichen Schrifttum vertretenen Ansicht zu folgen ist, dass die Wahlordnung zwingend eine Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts der Mitglieder vorzusehen hat (Noelle, Mitgliederrepräsentation in Genossenschaften mit Vertreterversammlung, 1988, S. 125), kann offen bleiben. Jedenfalls beurteilt sich die Erforderlichkeit der Einführung eines Unterschriftenquorums entgegen der Auffassung der Revision nicht nach den konkreten Gegebenheiten etwaiger bereits durchgeführter Wahlen zur Vertreterversammlung. Ebenso wie ein Unterschriftenquorum bereits für Wahlvorschläge zur ersten Wahl zur Vertreterversammlung vorgesehen werden kann, muss die Genossenschaft nicht erst den Eintritt von Missständen abwarten, bevor der abstrakt stets gegebenen Gefahr einer Stimmzersplitterung und der damit verbundenen Entwertung des Gewichts einzelner Stimmen durch die Einführung eines Unterschriftenquorums vorgebeugt werden darf. Im Übrigen ist diese Gefahr in besonderer Weise gegeben, wenn - wie die Revision geltend macht - die Wahlbeteiligung äußerst gering ist.

(2) Das Erfordernis von 20 Unterstützungsunterschriften aus dem jeweiligen Wahlbezirk erschwert das Recht einzelner Mitglieder, einen Wahlvorschlag zu unterbreiten, nicht unzumutbar. Angesichts einer Mitgliederzahl von mehr als 70.000 ist es dem einzelnen Mitglied bei einer auf die Wahrung der Gleich-31 heit des Wahlrechts ausgerichteten Einteilung der Wahlbezirke (§ 15 Abs. 4 Satz 2 der Satzung) möglich und auch zumutbar, 20 Mitglieder für die Unterstützung eines Wahlvorschlags zu gewinnen. Bei der hier zu beurteilenden Wahl hatte der kleinste Wahlbezirk noch mehr als 4.000 Mitglieder. Anders als die Revision meint, kann eine unzumutbare Erschwerung des Wahlvorschlagrechts auch nicht aus der niedrigen Wahlbeteiligung hergeleitet werden. Diese besagt nichts über die Bereitschaft der Mitglieder, sich auf direkte Ansprache an einem Wahlvorschlag zu beteiligen.

(3) Soweit das Bundesverfassungsgericht für Personalratswahlen ausgesprochen hat, die Zahl der Unterstützungsunterschriften dürfe nicht so hoch bemessen sein, dass auch solche Bewerber vom Wahlvorgang ausgeschlossen würden, die schon nach der Zahl der für ihren Wahlvorschlag beizubringenden Unterschriften absehbar ernsthafte Aussichten auf einen Sitz in der Vertreterversammlung hätten (BVerfGE 60, 162, 174), lag dieser Entscheidung eine andere Fallgestaltung zu Grunde. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in einem Fall angenommen, in dem der Wahlvorschlag zur Wahl des Personalrats durch ein Quorum von 1/10 der Wahlberechtigten - dies entsprach 1.848 Unterschriften - unterstützt werden musste und hierdurch auch Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen wurden, die bei zehn zu besetzenden Sitzen und durchschnittlicher Wahlbeteiligung absehbar Erfolgsaussichten hatten (BVerfGE 60, 162, 163, 174; vgl. zu einem entsprechenden Unterstützungsquorum bei der Wahl zur Vertreterversammlung: Schmitz-Herscheidt, Die Vertreterversammlung der Genossenschaft als rechtliches und organisatorisches Problem, 1981, S. 15). Hier geht es jedoch um eine absolute Zahl von Unterstützungsunterschriften, die - wie dargestellt - für sich genommen unabhängig von der späteren Wahlbeteiligung keine unzumutbare Erschwerung einer Kandidatur darstellen. Im Übrigen genügt der Hinweis des Klägers auf die geringe Wahlbeteiligung bei der Vertreterwahl im Jahr 2005 nicht, um eine absehbar verschwin-34 dend geringe Wahlbeteiligung zu belegen. Diese Wahl wurde während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten durchgeführt und ließ schon wegen der besonderen Situation des Insolvenzverfahrens keine ausreichend sicheren Rückschlüsse auf spätere Vertreterwahlen zu.

(4) Schließlich verstößt auch die unterschiedliche Behandlung der Wahlvorschläge des Wahlvorstands gegenüber "anderen" Wahlvorschlägen nach § 7 Abs. 2 der Wahlordnung nicht gegen elementare Wahlgrundsätze. Die Auslegung des Berufungsgerichts, nach der § 7 Abs. 1 der Wahlordnung das Recht zur Kandidatenaufstellung dem Wahlvorstand als Gremium zuweist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Formulierung in § 7 Abs. 2 der Wahlordnung: "andere Wahlvorschläge" ergäbe ansonsten keinen Sinn. Zwar kann danach bereits eine Mehrheit von fünf Mitgliedern des Wahlvorstands einen Wahlvorschlag durchsetzen, obwohl das "einfache Mitglied" zwanzig Unterstützer benötigt. Diese Differenzierung ist aber - wie das Berufungsgericht zumindest im Ergebnis zutreffend angenommen hat - durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Dem Wahlvorstand obliegt nach der Wahlordnung die Gesamtverantwortung für die Aufstellung der Kandidaten im jeweiligen Wahlbezirk. Er muss bei entsprechend wenigen Wahlvorschlägen nach § 7 Abs. 2 der Wahlordnung so viele Wahlbewerber finden, dass eine den gesetzlichen Vorschriften und der Satzung entsprechende Vertreterversammlung gewählt werden kann. Dem Recht des Wahlvorstands nach § 7 Abs. 1 der Wahlordnung kommt damit eine ergänzende Funktion zu, bei deren Wahrnehmung er verpflichtet ist, die Eignung der von ihm benannten Kandidaten für das Vertreteramt und die Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbung zu prüfen. Die Einschätzung, dass ein zumindest mehrheitlich von der Vertreterversammlung gewähltes Gremium in der Lage ist, dieser Verantwortung im Interesse der Gesamtheit der Mitglieder der Genossenschaft gerecht zu werden, ist vertretbar. Demgegenüber untersteht derjenige, der einen "anderen Wahlvorschlag" nach § 7 Abs. 2 der Wahlordnung ein-35 reicht, keiner vergleichbaren Pflichtenbindung. Er kann, begrenzt durch die mitgliedschaftliche Treuepflicht, denjenigen Kandidaten für die Wahl zum Vertreteramt benennen, durch den er seine persönlichen Interessen innerhalb der Genossenschaft bestmöglich gewahrt sieht. Diese unterschiedliche Ausrichtung des Vorschlagsrechts rechtfertigt es, "andere Wahlvorschläge" von der Unterstützung durch eine größere Zahl von Mitgliedern abhängig zu machen.

d) Der Grundsatz der Wahlgleichheit wird durch § 11 Abs. 1 der Wahlordnung, der nur für Mitglieder mit Wohnsitz in einem außerhalb von Berlin gelegenen Wahlbezirk die Durchführung des Briefwahlverfahrens vorsieht, nicht verletzt.

aa) In § 43a Abs. 4 GenG ist nicht abschließend geregelt, in welcher Weise das Wahlrecht auszuüben ist. § 43a Abs. 4 Satz 2 GenG verweist für die Vertretung der Mitglieder bei der Wahl auf § 43 Abs. 4 und 5 GenG und sieht im Grundsatz die persönliche Wahlrechtsausübung vor (§ 43 Abs. 4 Satz 1 GenG), lässt aber auch die Erteilung einer Stimmvollmacht zu (§ 43 Abs. 5 Satz 1 GenG). Die weiteren Einzelheiten der Stimmrechtsausübung können nach § 43a Abs. 4 Satz 7 GenG in der Wahlordnung bestimmt werden. Bei der Ausgestaltung eines Wahlsystems kann nicht jeder Wahlgrundsatz uneingeschränkt verwirklicht werden (vgl. BVerfGE 59, 119, 124). Es liegt vielmehr im Ermessen der Genossenschaft zu entscheiden, ob und inwieweit Abweichungen von einzelnen Wahlrechtsgrundsätzen im Interesse der Einheitlichkeit des Wahlsystems und zur Sicherung legitimer Ziele geboten sind.

bb) Gegen eine auf die in den Wahlbezirken außerhalb von Berlin wohnenden Genossenschaftsmitglieder beschränkte Briefwahl ist von diesen Grundsätzen ausgehend nichts zu erinnern.

(1) Mit der Eröffnung der Briefwahl für die in einem Wahlbezirk außerhalb von Berlin wohnenden Mitglieder der Beklagten wird dem Grundsatz der allgemeinen Wahl in besonderer Weise Rechnung getragen, weil für diese eine Möglichkeit geschaffen wird, sich an der Wahl mit zumutbarem Aufwand zu beteiligen (vgl. BVerfGE 59, 119, 125). Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.

(2) Entgegen der Sicht der Revision gebietet es der Grundsatz der Wahlgleichheit nicht, auch für die in einem in Berlin gelegenen Wahlbezirk wohnenden Mitglieder der Beklagten die Möglichkeit einer Briefwahl vorzusehen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Anknüpfung an den Wohnsitz ein sachgerechtes Kriterium für eine Differenzierung darstellt. Dem liegt die bei typisierender Betrachtung zulässige Erwägung zu Grunde, dass es den in Berlin wohnenden Mitgliedern möglich und zumutbar ist, ihr Wahlrecht entweder selbst oder gem. § 43a Abs. 4 Satz 2, § 43 Abs. 5 Satz 1 GenG durch einen Vertreter auszuüben. Der Hinweis der Revision auf die bedeutend höhere Wahlbeteiligung bei der Briefwahl führt zu keinem anderen Ergebnis. Diesem Umstand könnte die Genossenschaft mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung insgesamt zu erhöhen, nur durch die Einführung einer flächendeckenden Möglichkeit zur Briefwahl Rechnung tragen. Eine dahin gehende Verpflichtung besteht aber nicht. Denn die Briefwahl birgt ihrerseits die Gefahr einer Beeinträchtigung der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses in sich (vgl. BVerfGE 21, 200, 205; 59, 119, 126). Es besteht auch keine Verpflichtung, die Möglichkeit der Briefwahl allgemein für Wahlberechtigte vorzusehen, die am Wahltag verhindert oder außer Stande sind, den Wahlraum aufzusuchen. Abgesehen davon, dass ein solches Wahlverfahren deutlich aufwändiger wäre, ist es einem Mitglied der Genossenschaft, das diese Voraussetzungen erfüllt, möglich, einen Vertreter für die Ausübung des Stimmrechts zu bestellen. 39 II. Zutreffend - und von der Revision auch nicht beanstandet - hat das Berufungsgericht die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nicht durchgreifen lassen, weil die Anfechtungsfrist vom Kläger nicht gewahrt wurde (§ 51 Abs. 1 Satz 2 GenG).

III. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Wahl zur Vertreterversammlung und der das Wahlergebnis feststellende Beschluss weder anfechtbar noch nichtig sind.

1. Insoweit rügt die Revision nur noch die fehlerhafte Berechnung der zu wählenden Vertreter nach § 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung und die Durchführung der Wahl auf der Grundlage einer zum Teil nichtigen Wahlordnung. Die weiteren in den Vorinstanzen geltend gemachten Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe sind damit nicht Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung (vgl. zur Möglichkeit einer solchen Beschränkung: BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 3; Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 10 jeweils zur AG; Beschluss vom 24. Juli 2012 - II ZR 185/10, juris Rn. 6 zur GmbH & Co. KG).

2. Entgegen der Meinung der Revision leiden weder die Wahl noch der das Wahlergebnis feststellende Beschluss daran, dass die Wahl der Vertreter auf der Grundlage der vom Kläger als nichtig gerügten Bestimmungen der Wahlordnung durchgeführt wurde (s.o. unter I.).

3. Ein Verstoß gegen die Satzung oder das Gesetz liegt nicht darin, dass die Wahl nach § 7 Abs. 1 der Wahlordnung auf der Grundlage von Wahlvorschlägen des Wahlvorstands durchgeführt wurde.

a) Die Satzung schließt ein Vorschlagsrecht des Wahlvorstands nicht aus. § 11 der Satzung regelt die Rechte der Mitglieder. Soweit diesen durch 41 § 11 Abs. 2 Nr. 10 der Satzung ausdrücklich ein Vorschlagsrecht eingeräumt wird, bedeutet das nicht, dass dieses Recht ausschließlich den Mitgliedern zustehen soll.

b) Ob dem Wahlvorstand in der Satzung oder in der Wahlordnung ein Wahlvorschlagsrecht übertragen werden kann, ist im Schrifttum umstritten. Die Einräumung eines Vorschlagsrechts an den Wahlvorstand wird teilweise mit der Begründung abgelehnt, dies sei wegen der fehlenden mitgliedschaftlichen Stellung des Wahlvorstands als Organ der Genossenschaft nicht zulässig (Müller, GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 29; Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 43a Rn. 12). Überwiegend werden demgegenüber gegen ein Vorschlagsrecht des Wahlvorstands zumindest dann keine Einwände erhoben, wenn es - wie hier - auch den Genossenschaftsmitgliedern möglich ist, Wahlvorschläge zu unterbreiten (Bauer, Genossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 43a Rn. 55; Cario in Lang/ Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 43a Rn. 33; Keßler in Berliner Kommentar GenG, 2. Aufl., § 43a Rn. 15; Schmitz-Herscheidt, in Freundesgabe für Erik Boettcher, 1984, 221, 228 f.; Noelle, Mitgliederrepräsentation in Genossenschaften mit Vertreterversammlung, 1988, S. 124; vgl. auch Beuthien, Die Vertreterversammlung eingetragener Genossenschaften, 1984, S. 40 f.). Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung mit der Maßgabe an, dass dem Wahlvorstand ein Vorschlagsrecht für die Kandidaten der Vertreterwahl jedenfalls dann eingeräumt werden kann, wenn dieser aus Mitgliedern der Genossenschaft besteht und diese zumindest mehrheitlich von der Vertreterversammlung oder Generalversammlung gewählt werden.

aa) Ein Vorschlagsrecht des Wahlvorstands verstößt nicht gegen die Wahlgrundsätze des § 43 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG. Die Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl gebieten nur, das Wahlvorschlagsrecht der Mitglieder der Genossenschaft nicht auszuschließen oder unzumutbar zu erschwe-47 ren (vgl. BVerfGE 41, 399, 417). Das Vorschlagsrecht der Mitglieder wird jedoch dadurch, dass auch dem Wahlvorstand ein Vorschlagsrecht eingeräumt wird, für sich genommen nicht beeinträchtigt. Dementsprechend lässt sich aus diesen Grundsätzen auch nicht herleiten, dass die Stellung als Mitglied zwingende Voraussetzung für das Wahlvorschlagsrecht ist (vgl. Schmitz-Herscheidt, in Freundesgabe für Erik Boettcher, 1984, 221, 228). Ebenso wenig schließt § 43a Abs. 4 Satz 6 GenG ein Wahlvorschlagsrecht des Wahlvorstands aus.

bb) Die Übertragung eines Wahlvorschlagsrechts an den Wahlvorstand verletzt auch nicht den genossenschaftlichen Selbstverwaltungsgrundsatz (vgl. hierzu Bauer in Genossenschafts-Handbuch, Lfg. 3/2012, § 1 Rn. 97 f.; Schulte in Lang/Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 1 Rn. 6; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/ Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 1 Rn. 26) oder das in § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG zum Ausdruck kommende Prinzip der Gewaltenteilung (vgl. hierzu Beuthien, Die Vertreterversammlung eingetragener Genossenschaften, 1984, S. 36 f.; Cario in Lang/Weidmüller, GenG, 37. Aufl., § 43a Rn. 23). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Wahlvorstand ausschließlich mit Mitgliedern der Genossenschaft besetzt ist und diese mehrheitlich von der Vertreterversammlung oder Generalversammlung gewählt werden. Zumindest unter diesen Voraussetzungen ist ausreichend gewährleistet, dass ein Wahlvorschlag des Wahlvorstands von Mitgliedern der Genossenschaft legitimiert ist und nicht einseitig von Vorstand oder Aufsichtsrat vorgegeben werden kann.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Wahlvorstand ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der Wahlordnung i.V.m. mit § 21 Abs. 1 bzw. § 24 Abs. 3 Satz 1 der Satzung ausschließlich mit Mitgliedern der Genossenschaft zu besetzen. Die Mehrheit der Mitglieder des Wahlvorstands wird nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c, Satz 3 der Wahlordnung von der Vertreterversammlung gewählt. 49 cc) Die Wahl bzw. der das Wahlergebnis feststellende Beschluss verstoßen entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen § 43a Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 GenG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung, weil insgesamt 79 Vertreter bei einer festgestellten Gesamtmitgliederzahl von 74.247 gewählt wurden. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung die Zahl der Mitglieder in dem jeweiligen Wahlbezirk meint, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Satzung der Beklagten ist nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus auszulegen; diese Auslegung kann das Revisionsgericht selbst vornehmen (BGH, Beschluss vom 24. April 2012 - II ZB 8/10, WM 2012, 1009 Rn. 17; Urteil vom 21. Januar 1991 - II ZR 144/90, BGHZ 113, 237, 240; Urteil vom 6. März 1967 - II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 179 f. jeweils zum Verein). Soweit § 15 Abs. 2 der Satzung entsprechend § 43a Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 GenG festlegt, dass für je 1.000 Mitglieder der Beklagten ein Vertreter zu wählen ist, spricht die Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 1 der Satzung, nach der eine Bezirkswahl durchzuführen ist, dafür, dass die Anzahl der zu wählenden Vertreter sich nicht nach der Gesamtmitgliederzahl, sondern nach der Mitgliederzahl in dem jeweiligen Wahlbezirk richtet. Diese nach Gesetz und Satzung mögliche Auslegung, die Mitgliederzahl im jeweiligen Wahlbezirk zu Grunde zu legen, wird durch die Wahlordnung bestätigt. Der Wahlvorstand hat die Zahl der wahlberechtigten Mitglieder und der zu wählenden Vertreter in den jeweiligen Wahlbezirken festzustellen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Wahlordnung), und zwar nach § 5 Abs. 3 Satz 1 der Wahlordnung unter Beachtung von § 15 Abs. 2 der Satzung. Ähnliche Regelungen enthalten auch § 26c Abs. 1 Satz 2 der vom Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. herausgegebenen Mustersatzung (abgedruckt bei Korte/Schaffland, Genossenschaftsgesetz, 7. Aufl. 2009, S. 105) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 der Musterwahlordnung (abgedruckt bei Beuthien, GenG, 15. Aufl., Anhang zu § 43a). Ob es eine andere, in einer Genossenschaft wie der Beklagten durch-51 führbare Möglichkeit der Sitzverteilung gäbe, die dem Grundsatz der Wahlgleichheit besser Rechnung zu tragen in der Lage wäre, ist ohne Bedeutung. Eine dahin gehende Vorgabe lässt sich weder dem Gesetz noch der Satzung, insbesondere auch nicht den in § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG normierten Wahlgrundsätzen entnehmen.

Bergmann Strohn Reichart Drescher Born Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 06.07.2010 - 13 O 290/09 -

KG, Entscheidung vom 17.02.2011 - 19 U 79/10 -






BGH:
Urteil v. 15.01.2013
Az: II ZR 83/11


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