Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 29/08

(BPatG: Beschluss v. 18.05.2011, Az.: 19 W (pat) 29/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H02K -hat die am 21. August 1999 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 3. März 2008 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat mit Schriftsatz vom 2. Mai 2011 neue Unterlagen eingereicht und beantragt die Patenterteilung auf der Basis der Ansprüche gemäß Hauptantrag, hilfsweise auf der Basis der Ansprüche gemäß Hilfsantrag (Schriftsatz vom 2. Mai 2011, S. 2).

Die Anmelderin ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Läufer für einen Elektromotor mit einem Läuferkern aus planparallel zu einem Lamellenpaket aufeinander geschichteten Lamellen, die aus einem Blechzuschnitt ausgestanzt sind, wobei die Lamellen des Lamellenpaketes über eine aufgebrachte und ausgehärtete Klebeschicht eines Binde-Mediums fest miteinander verbunden sind, wobei die Klebeschicht des Binde-Mediums auf Flächen des Lamellenpaketes aufgebracht ist, die sich über allen Lamellen des Lamellenpaketes erstrecken.

wobei die Lamellen (17) ein Basisteil (11) mit zentrischer Wellenaufnahme (16) aufweisen, von dem sich sternförmige Stege (12) radial nach außen erstrecken, und wobei zwischen den Stegen (12) Wicklungsschlitze (18) gebildet sind, und dass die Schicht des Binde-Mediums auf den durch die Stege (12) und die Wicklungsschlitze (18) gebildeten Außenflächen (15) des Lamellenpaketes aufgebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellen (17) in Bezug auf ihre Ausstanzlage auf der Zentriervorrichtung zueinander verdreht ausgerichtet sind, oder dass die Lamellen (17) unverdreht zu Teil-Lamellenpaketen aneinander geschichtet sind und die Teil-Lamellenpakete dann gegenüber ihrer Ausstanzlage verdreht aneinander gesetzt sind."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

1. Läufer für einen Elektromotor mit einem Läuferkern aus planparallel zu einem Lamellenpaket aufeinander geschichteten Lamellen, die aus einem Blechzuschnitt ausgestanzt sind, wobei die Lamellen des Lamellenpaketes über eine aufgebrachte und ausgehärtete Klebeschicht eines Binde-Mediums fest miteinander verbunden sind, wobei die Klebeschicht des Binde-Mediums auf Flächen des Lamellenpaketes aufgebracht ist, die sich über allen Lamellen des Lamellenpaketes erstrecken. wobei die Lamellen (17) ein Basisteil (11) mit zentrischer Wellenaufnahme (16) aufweisen, von dem sich sternförmige Stege (12) radial nach außen erstrecken, und wobei zwischen den Stegen (12) Wicklungsschlitze (18) gebildet sind, und dass die Schicht des Binde-Mediums auf den durch die Stege (12) und die Wicklungsschlitze (18) gebildeten Außenflächen (15) des Lamellenpaketes aufgebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Läufer (10) aus wenigstens zwei Teil-Lamellenpaketen zusammengesetzt ist, wobei die Lamellen (17) der Teil-Lamellenpakete mit identischen zentrischen Wellenaufnahmen (16) versehen sind, die Wellenaufnahmen (16) der Teil-Lamellenpakete jedoch unterschiedliche Öffnungsweiten aufweisen, dass die Wellenaufnahmen (16) der einzelnen Teil-Lamellenpakete zueinander bezüglich ihrer Mittellängsachse fluchtend angeordnet sind, dass die Lamellen (17) in Bezug auf ihre Ausstanzlage zueinander verdreht ausgerichtet sind, oder dass die Lamellen (17) unverdreht zu Teil-Lamellenpaketen aneinander geschichtet sind und die Teil-Lamellenpakete dann gegenüber ihrer Ausstanzlage verdreht aneinander gesetzt sind.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft einen Läufer für einen Elektromotor. Bei einem bekannten Läufer werde der gültigen Beschreibung (S. 1 Abs. 3 bis S. 2 Abs. 1) zufolge eine Klebeschicht aus Kunststoff auf die geschlossene Außenfläche des Läuferpaketes aufgebracht, um die einzelnen Lamellen im Lamellenpaket nach Entfernung des Zentrierkörpers in der ausgerichteten Stellung festzuhalten. Die Werkzeuge zum Herstellen der Lamellen seien aber kompliziert und teuer. Zudem verteuerten die Mittel zum Paketieren und Aufbringen der Klebeschicht die Herstellung des Läufers.

Aufgabe der Erfindung sei es, einen aus einzelnen, gestanzten Lamellen zusammengesetzten Läufer zu schaffen, der mit einfachen Werkzeugen herstellbar ist und die Ausrichtung und Festlegung im Lamellenpaket so vereinfacht das die Klebeschicht gut aufgebracht werden kann (S. 2, Abs. 2 der Beschreibung vom 7. Dezember 2004).

Diese Aufgabe werde mit den folgenden -für den Beschluss aufgegliederten -Merkmalen des Anspruchs 1 (nach Hilfsantrag) gelöst.

"Läufer für einen Elektromotora) mit einem Läuferkern aus planparallel zu einem Lamellenpaket aufeinander geschichteten Lamellen, die aus einem Blechzuschnitt ausgestanzt sind, b) wobei die Lamellen des Lamellenpaketes über eine aufgebrachte und ausgehärtete Klebeschicht eines Binde-Mediums fest miteinander verbunden sind, c) wobei die Klebeschicht des Binde-Mediums auf Flächen des Lamellenpaketes aufgebracht ist, die sich über allen Lamellen des Lamellenpaketes erstrecken, d) wobei die Lamellen (17) ein Basisteil (11) mit zentrischer Wellenaufnahme (16) aufweisen, von dem sich sternförmige Stege (12) radial nach außen erstrecken, unde) wobei zwischen den Stegen (12) Wicklungsschlitze (18) gebildet sind, f) und dass die Schicht des Binde-Mediums auf den durch die Stege (12) und die Wicklungsschlitze (18) gebildeten Außenflächen (15) des Lamellenpaketes aufgebracht ist, dadurch gekennzeichnet, g) dass der Läufer (10) aus wenigstens zwei Teil-Lamellenpaketen zusammengesetzt ist, wobei die Lamellen (17) der Teil-Lamellenpakete mit identischen zentrischen Wellenaufnahmen (16) versehen sind, die Wellenaufnahmen (16) der Teil-Lamellenpakete jedoch unterschiedliche Öffnungsweiten aufweisenh) dass die Wellenaufnahmen (16) der einzelnen Teil-Lamellenpakete zueinander bezüglich ihrer Mittellängsachse fluchtend angeordnet sindi) dass die Lamellen (17) in Bezug auf ihre Ausstanzlage auf der Zentriervorrichtung zueinander verdreht ausgerichtet sind, oderk) dass die Lamellen (17) unverdreht zu Teil-Lamellenpaketen aneinander geschichtet sind und die Teil-Lamellenpakete dann gegenüber ihrer Ausstanzlage verdreht aneinander gesetzt sind."

Im Anspruch 1 nach Hauptantrag fehlen die Merkmale g) und h).

2.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Herstellung von Blechpaketen für Motoren als Fachmann an.

3.

Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:

Das Bindemedium soll nach Merkmal b) eine Klebeschicht bilden, die die Lamellen fest verbindet. Diese Schicht soll nach Merkmal f) auf den Außenflächen 12 der Stege 15 aufgebracht werden. Damit stellt diese Schicht eine Auskleidung der Nutschlitze dar, die zugleich die Lamellen des Blechpakets zusammenhält. Das Merkmal schließt aber eine Klebeschicht außerhalb der Nutschlitze nicht aus.

Nach Merkmal i) und k) sollen die Lamellen in Bezug auf ihre Ausstanzlage auf der Zentriervorrichtung zueinander verdreht ausgerichtet werden. Das lässt (unter anderem) die folgenden Möglichkeiten zu:

a) geschrägte Nutschlitze, die spiralförmig verlaufenb) eine Verdrehung um jeweils exakt eine oder mehrere Nutteilungen, mit dem Ergebnis von axial verlaufenden Nutschlitzen. Damit könnte bei variierenden Blechstärken eine Krümmung des Lamellenpakets vermieden werden (s. DE 29 07 261 C2, Sp. 5, Z. 62 bis 67). Diese Krümmung könnte die Ursache für die auf Seite 4 Absatz 2 der ursprünglichen Beschreibung erwähnte Unwucht sein.

Der Senat zieht zur Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beide Möglichkeiten in Betracht.

4. Der Entscheidung liegt folgender Stand der Technik zugrunde:

Die US 5 922 413 zeigt in den Figuren 1 bis 4 und 9 das Lamellenpaket eines Läufers für einen Elektromotor. Es wird pulverbeschichtet (Sp. 4 ab Z. 38), wobei auch Hohlräume wie die Nutschlitze beschichtet werden (Sp. 5, Z. 3 bis 8, Sp. 7, Z. 41 bis 49). Das Pulver besitzt im ausgehärteten Zustand eine Klebewirkung.

Mit den Worten des Anspruchs 1 ist damit bekannt ein:

Läufer für einen Elektromotora) mit einem Läuferkern aus planparallel zu einem Lamellenpaket aufeinander geschichteten Lamellen, die aus einem Blechzuschnitt ausgestanzt sind (Sp. 1, Z. 16 bis 24), b) wobei die Lamellen des Lamellenpaketes über eine aufgebrachte und ausgehärtete Klebeschicht 9 eines Binde-Mediums (Pulver) fest miteinander verbunden sind, c) wobei die Klebeschicht des Binde-Mediums auf Flächen des Lamellenpaketes aufgebracht ist, die sich über allen Lamellen des Lamellenpaketes erstrecken (Fig. 9), d) wobei die Lamellen ein Basisteil mit zentrischer Wellenaufnahme 1 aufweisen, von dem sich sternförmige Stege 2 radial nach außen erstrecken, unde) wobei zwischen den Stegen Wicklungsschlitze gebildet sind, f) und dass die Schicht des Binde-Mediums auf den durch die Stege und die Wicklungsschlitze gebildeten Außenflächen des Lamellenpaketes aufgebracht ist (Sp. 7, Z. 41 bis 59).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort über die Wellenaufnahme und eine mögliche Verdrehung der Lamellen nichts ausgesagt.

Die DE 29 07 261 C2 beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung von Rotorund Statorblechpaketen für elektrische Maschinen. Die Blechpakete können dabei verdrallt werden (Sp. 9, Z. 14 bis 29; Fachbegriff "geschrägte Nuten"). Außerdem können die Bleche durch eine Anblasvorrichtung um einen zufälligen Winkel verdreht werden, um die bereits erwähnte Krümmung von Blechstapeln (Sp. 5, Z. 62 bis 67) auszugleichen. Die Ausrichtstifte 50 sorgen dabei für einen Verdrehwinkel im Raster der Nutteilung (Sp. 10, Z. 63 bis Sp. 11, Z. 12).

5.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).

Die in der gültigen Beschreibung genannte Aufgabe ist bereits durch den Stand der Technik nach US 5 922 413 gelöst, denn bereits dort wird die Klebeschicht in gleicher Weise und damit genauso einfach wie beim Gegenstand des Anspruchs 1 aufgebracht. Die Verdrehung der Lamellen gemäß Merkmal i) und k) hat nach Überzeugung des Senats damit nichts zu tun. Die Wirkung der Verdrehung richtet sich nach der nicht beanspruchten und auch nicht näher offenbarten Art der Verdrehung. So dient beispielweise die bekannte Schrägung der Nutschlitze (DE 29 07 261 C2, Sp. 9, Z. 14 bis 29) der Oberwellenverminderung. Das rechnet der Senat dem Grundwissen des Konstrukteurs elektrischer Maschinen zu. Die Verdrehung um eine oder mehrere Nutteilungen, um einer Verkrümmung des Lamellenpakets entgegenzuwirken, wie es in der DE 29 07 261 C2 beschrieben wird, rechnet der Senat ebenfalls dem Fachwissen zu. Andernfalls könnte der Fachmann die Aussage in der Anmeldungsbeschreibung, die Lamellen würden zur Minimierung einer Unwucht verdreht, überhaupt nicht verstehen oder interpretieren, und könnte dann auch die Verdrehwinkel nicht in geeigneter Weise festlegen. Irgendein Kombinationseffekt mit der aufgebrachten Klebeschicht ist nicht ersichtlich. Es handelt sich somit um eine nicht erfinderische Aggregation bekannter Merkmale.

5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist ebenfalls nicht erfinderisch.

Nach Merkmal g) sollen die zentrischen Wellenaufnahmen jedes Teil-Lamellenpakets identisch sein, andererseits bezüglich bei der Lamellenpakete jedoch unterschiedliche Öffnungsweiten aufweisen. In der Beschreibung ist dazu ausgeführt, dass dies den Einsatz von im Durchmesser gestuften Läuferwellen ermöglichen soll. Gestufte Läuferwellen sind allgemein üblich, und setzen entsprechende Öffnungsweiten über die Läuferlänge voraus, die auch fluchten müssen (Merkmal h).

Der Fachmann gelangt damit auch ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag.

6. Damit ist der Anspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag, sowie die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 nach Hauptantrag sowie 2 bis 5 nach Hilfsantrag nicht patentfähig.

Bertl Dr. Kaminski Kirschneck Dr. Scholz Pü






BPatG:
Beschluss v. 18.05.2011
Az: 19 W (pat) 29/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c643ae70d577/BPatG_Beschluss_vom_18-Mai-2011_Az_19-W-pat-29-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share