Kammergericht:
Beschluss vom 10. Juli 2012
Aktenzeichen: 5 W 248/11

(KG: Beschluss v. 10.07.2012, Az.: 5 W 248/11)

Ein Rechtsstreit, dessen Gegenstand eine Klage auf Honorar aus einem Patentanwaltsvertrag ist, ist jedenfalls nicht ohne weiteres als Patentstreitsache im Sinne des § 143 Abs. 1 PatG zu qualifizieren (entgegen OLG Naumburg GRUR-RR 2010, 402).

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger vom 13. Juli 2011 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juli 2011 € 16 O 47/09 € teilweise geändert:

Die nach dem Beschluss des Kammergerichts vom 25. Oktober 2010 von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden, im Antrag vom 29. Oktober 2010 berechneten Kosten werden auf 277,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 3. November 2010 festgesetzt.

Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 29. April 2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 232,80 €.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger sind Patentanwälte.

Die Beklagte beauftragte die Kläger, für eine Erfindung eine Patentanmeldung bei dem Europäischen Patentamt einzureichen.

Mit der Klage haben die Kläger Ansprüche auf Entgelt für ihre Tätigkeit und Aufwendungsersatz geltend gemacht.

Nachdem die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Berlin erfolglos geblieben ist und den Klägern mit Beschluss des Kammergerichts vom 25. Oktober 2010 die Kosten der Berufung auferlegt worden sind, hat das Landgericht Berlin, Rechtspflegerin, auf den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom 6. Juli 2011 unter anderem die Kosten der auf Seiten der Beklagten mitwirkenden Patentanwälte in Höhe von 232,80 € festgesetzt.

Gegen die Festsetzung dieser Kosten wenden die Kläger sich mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde der Kläger ist zulässig (§ 11 Abs. 1 und 2 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 569 ZPO) und begründet.

1.

Die durch den Tod der Klägerin zu 1) eingetretene Unterbrechung des Verfahrens ist beendet, nachdem der Kläger zu 2) mit Schriftsatz vom 30. April 2012 erklärt hat, das Verfahren weiterführen zu wollen (§ 239 Abs. 1 ZPO).

Der Kläger zu 2) ist Rechtsnachfolger der Klägerin zu 1). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. Juni 2012 mitgeteilt, dass der Kläger zu 2) Erbe der verstorbenen Klägerin zu 1) ist und dies durch eine Mitteilung des Amtsgerichts K... belegt.

2.

Nach § 143 Abs. 3 PatG sind von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache entstehen, die Gebühren nach § 13 RVG zu erstatten, und zwar ohne die Prüfung der Frage, ob die Mitwirkung des Patentanwalts notwendig war. (BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 10; Rogge/Grabinski in: Benkard, PatG, 10. Aufl., § 143, Rn 23; Mes, PatG., 3. Aufl., § 143, Rn 48; vgl. weiter zu der entsprechenden Bestimmung in § 140 Abs. 3 MarkenG: BGH GRUR 2003, 639 € Kosten des Patentanwalts I; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 140, Rn 56).

Dem widerspricht € entgegen der Auffassung der Kläger - die Entscheidung des BGH vom 24. Februar 2011, I ZR 181/09 € Kosten des Patentanwalts II (= GRUR 2011, 754) nicht. Diese Entscheidung verhält sich ausschließlich zu Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB) und materiell-rechtlichen Schadensersatzansprüchen (§ 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG). Die unmittelbare oder analoge Anwendung des einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch begründenden § 143 Abs. 3 PatG hat der BGH in dem dort entschiedenen Fall ausdrücklich verneint (BGH GRUR 2011, 754 € Kosten des Patentanwalts II, Rn 11 ff).

§ 143 Abs. 3 PatG ist jedoch auch hier nicht einschlägig. Der diesem Kostenfestsetzungsverfahren vorangegangene Rechtsstreit ist keine Patentstreitsache im Sinne des § 143 Abs. 1 PatG.

a)

Patentstreitsachen sind nur Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der im Patentgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (§ 143 Abs. 1 PatG).

Der Begriff der Patentstreitsache wird grundsätzlich weit ausgelegt. Als Patentstreitsache anzusehen sind Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonstwie mit einer Erfindung eng verknüpft sind. Hierzu können insbesondere Klagen gehören, deren Anspruchsgrundlage sich aus einem Patent oder einer nicht geschützten Erfindung ergibt, sowie solche, deren Ansprüche auf einem Lizenz- oder sonstigem Verwertungsvertrag beruhen. (vgl. BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 9; Rogge/Grabinski in: Benkard, PatG, 10. Aufl., § 143, Rn 1; Mes, PatG. 3. Aufl., § 143, Rn 4)

Ob die Honorarklage eines Patentanwalts wegen seiner Mitwirkung in einer Patentstreitsache danach als Patentstreitsache anzusehen ist, ist streitig (Patentstreitsache bejahend: OLG Karlsruhe GRUR 1997, 359; OLG Naumburg GRUR-RR 2010, 402; Rogge/Grabinski in: Benkard, PatG, 10. Aufl., § 143, Rn 4 a.E. (entgegen der Vorauflage); Mes, PatG., 3. Aufl., § 143, Rn 4; Patentstreitsache verneinend: OLG Frankfurt GRUR-RR 2001, 199; Hansens RVGReport 2011, 247; vgl. weiter zum entsprechenden § 140 MarkenG: Fezer, MarkenG, 4. Aufl., § 143, Rn 6: Kennzeichenstreitsache bejahend; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 143, Rn 11: Kennzeichenstreitsache verneinend).

Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des § 143 PatG ist eine Auslegung der Vorschrift, die so weit geht, Klagen auf Honoraransprüche und Aufwendungsersatzansprüche aus einem Patentanwaltsvertrag generell als Patentstreitsachen zu qualifizieren, nicht gerechtfertigt.

Ein Rechtsstreit ist nicht stets vor einer Zivilkammer eines für Patentstreitsachen zuständigen Landgerichts zu verhandeln, allein weil ein Patent zu dem den Streitgegenstand bildenden Sachverhalt gehört, denn eine solche Konstellation kann sich auch zufällig ergeben. Die damit verbundene, ohne eine Erforderlichkeitsprüfung zu tragende Kostenbelastung der unterlegenen Partei gemäß § 143 Abs. 3 PatG wäre allein mit einem Zufall nicht zu rechtfertigen. Bei Klagen, deren Anspruchsgrundlage sich nicht - entsprechend dem Wortlaut des § 143 PatG - aus dem Patentgesetz ergibt und bei denen das den Klagegrund bildende Rechtsverhältnis auch keine sonstige Regelung durch das Patentgesetz erfährt, ist deshalb der Sinn und Zweck der Zuständigkeit gemäß § 143 PatG zu beachten. Die Zuweisung einer Patentstreitsache an das hierfür zuständige Landgericht, bei dem regelmäßig nur bestimmte Spruchkörper mit Patentstreitsachen betraut werden, und die für Patentstreitsachen vorgesehene Mitwirkung von Patentanwälten sollen gewährleisten, dass sowohl das Gericht als auch die zur Vertretung einer Partei berufenen und die bei der Prozessvertretung mitwirkenden Anwälte über besonderen Sachverstand verfügen, um die technische Lehre einer Erfindung und die für ihr Verständnis und die Bestimmung ihrer Reichweite maßgeblichen tatsächlichen Umstände erfassen und beurteilen zu können. An dieser Rechtfertigung fehlt es, wenn das den Streitgegenstand bildende Rechtsverhältnis ausschließlich Anspruchsvoraussetzungen und sonstige Tatbestandmerkmale aufweist, für deren Beurteilung das Gericht und die Prozessvertreter der Parteien auch bei summarischer Betrachtung zweifelsfrei keines solchen Sachverstandes bedürfen. In diesen Fällen kann deshalb, sofern das Rechtsverhältnis nicht entsprechend dem Wortlaut des § 143 PatG im Patentgesetz geregelt wird, die Zuweisung eines Rechtsstreits an das Patentstreitgericht weder auf den Sinn und Zweck dieser Vorschrift noch auf die Zweckmäßigkeit einer prozessökonomischen Handhabung gestützt werden. (vgl. BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 10)

b)

Die Kläger haben in dem vorangegangenen Rechtsstreit jedenfalls keinen Anspruch aus dem Patentgesetz geltend gemacht. Ihrem Klagebegehren lag auch kein im Patentgesetz geregeltes Rechtsverhältnis zugrunde. Der Patentanwaltsvertrag beurteilt sich als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter nach den Bestimmungen des BGB. (vgl. auch OLG Frankfurt GRUR-RR 2001, 199; Hansens RVGReport 2011, 247; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 140, Rn 11)

Ein solches Vertragsverhältnis grundsätzlich als sonstwie mit einer Erfindung eng verknüpftes Rechtsverhältnis zu betrachten, widerspricht dem oben dargestellten Sinn und Zweck des § 143 PatG. Der Bezugspunkt des der Klage zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zu einer Erfindung beschränkt sich auf den Gegenstand des Auftrags, für eine Erfindung der Beklagten ein Patent anzumelden. Jede Auseinandersetzung über Honoraransprüche eines Patentanwalts schon aufgrund des Auftragsgegenstandes und unabhängig davon als Patentstreitsache zu qualifizieren, ob die technische Lehre des anzumeldenden Patents nach dem Klagevorbringen unter irgendeinem Gesichtspunkt Bedeutung erlangen kann, ist danach nicht gerechtfertigt. (vgl. BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 12).

Da der Inhalt des Schutzrechts und der Umstand, dass es sich bei ihm um ein Patent handelte, für die Begründung der Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Rolle gespielt hat, kann der diesem Kostenfestsetzungsverfahren vorangegangene Rechtsstreit nicht als Patentstreitsache angesehen werden (vgl. BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 12).

Die Erwägung, dass bei Streitigkeiten aus einem Vertrag mit einem Patentanwalt häufig die gleichen patentrechtlichen Fragen als Vorfragen zu beantworten sind, über die im Verletzungsprozess zu entscheiden ist (vgl. hierzu OLG Karlsruhe GRUR 1997, 359; OLG Naumburg GRUR-RR 2010, 402), spricht nicht für eine andere Entscheidung.

Soweit die patentrechtlichen Fragen in einem Gebührenprozess durch Einwendungen des Beklagten aufgeworfen werden, ist sehr zweifelhaft, ob dies allein überhaupt zu einer Qualifikation eines Rechtsstreits als Patentstreitsache führen kann (vgl. Rogge/Grabinski in: Benkard, PatG, 10. Aufl., § 143, Rn 3; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 143, Rn 8; Mes, PatG. 3. Aufl., § 143, Rn 6). Mit dem Wortlaut des § 143 Abs. 1 PatG erscheint dies jedenfalls nicht vereinbar (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 143, Rn 8).

Im Einzelfall kann sich eine Erstattungspflicht für die dem Beklagten durch die Einschaltung eines Patentanwalts entstandenen Kosten auch in einem nicht als Patentstreitsache einzuordnenden Verfahren ohnehin aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergeben (vgl. BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 15; Hansens RVGReport 2011, 247).

3.

Über die Fälle des § 143 PatG hinaus sind die Kosten eines Patentanwalts als notwendige Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nur zu erstatten, wenn in einem Rechtsstreit technische oder patentrechtliche Fragen eine Rolle spielen, die in das typische Arbeitsfeld eines Patentanwalts gehören (vgl. BGH GRUR 2011, 662 - Patentstreitsache, Rn 15; Hansens RVGReport 2011, 247).

Dies war hier nicht der Fall.

Auch die Beklagte macht dies nicht geltend. Auf die Beschwerde der Kläger, in der diese die aus ihrer Sicht nicht gegebene Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Patentanwalts beanstandet haben, hat die Beklagte mitgeteilt, es sei nicht beabsichtigt, eine Stellungnahme abzugeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über den Wert der Beschwerde auf § 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).






KG:
Beschluss v. 10.07.2012
Az: 5 W 248/11


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