Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Beschluss vom 28. August 2014
Aktenzeichen: 10 LA 39/13

(Niedersächsisches OVG: Beschluss v. 28.08.2014, Az.: 10 LA 39/13)

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 28. Februar 2013 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands für das Zulassungs-verfahren wird auf 49.930,48 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 49.930,48 EUR für die Verlegung einer in ihrem Eigentum stehenden Telekommunikationslinie.

Die Klägerin ist die Netzgesellschaft im EWE-Konzern und Eigentümerin einer Telekommunikationslinie (Lichtwellenleiter), verlegt im Seitenbereich des P-wegs in der Gemeinde Stelle. Die Beklagte ist die Infrastrukturgesellschaft im DB-Konzern und Vorhabenträgerin für den dreigleisigen Ausbau der Bahntrasse Stelle/Lüneburg der Eisenbahnstrecke 1720 Lehrte-Cuxhaven gemäß Planfeststellungsbeschluss vom 31. Juli 2009. Der unmittelbar neben der Trasse verlaufende P-weg musste für die Verbreiterung der Bahntrasse im Bereich Stelle ca. zwischen Bahnkilometer 157,190 und 157,800 verlegt werden. Bei diesem Weg handelt es sich um einen gewidmeten öffentlichen Verkehrsweg, dessen Eigentümerin und Trägerin der Straßenbaulast die Gemeinde Stelle war bzw. ist. Im Rahmen der Verlegung der Straße hat die Beklagte das bisherige Wegegrundstück erworben. Der Planfeststellungsbeschluss trifft keine Aussagen zur Kostentragung für die notwendige Verlegung der Telekommunikationslinie. Im Zuge des Ausbaus der Bahntrasse wandte sich die DB Projekt Bau GmbH in Vertretung der Beklagten an die Klägerin. Diese erklärte sich gegenüber der DB Projekt Bau GmbH zur Umlegung der von der Baumaßnahme betroffenen Telekommunikationslinie bereit. Es kam zu Verhandlungen, in deren Rahmen die Klägerin unter dem 9. Februar 2010 ein Angebot an die DB Projekt Bau GmbH zur Ausführung der Umlegungsarbeiten übersandte. Dieses wies die DB Projekt Bau GmbH per Fax mit mehreren handschriftlichen Zusätzen zurück, u.a. mit der Nichterteilung des vorgesehenen Bankeinzugs und der Ergänzung €Rechnungslegung erforderlich€. Mit weiterem Schreiben vom 16. Februar 2010 erklärte die DB Projekt Bau GmbH Folgendes für die Beklagte:

€die DB Netz AG [€] erklärt sich bereit, folgende Kosten für die Verlegung bzw. Sicherung Ihrer Leitungen zu übernehmen:

[€] 2. ca. Km 157,170 € ca. 157,800 LWL - Kabel , parallel (P-weg)

Das vorhandene LWL - Kabel liegt im Seitenbereich des P-weges. Der Weg muss aufgrund der Bauarbeiten verschoben werden. Demzufolge ist auch eine Umverlegung des LWL - Kabels für den o. b. Bereich erforderlich. Entsprechend den Bestimmungen des TKG sind die Kosten dafür von der DB zu tragen. [€]

Die Kostenübernahmeerklärung wird unter dem Vorbehalt unterzeichnet, dass keine anderweitige gesetzliche oder vertragliche Regelung (z.B. Konzessionsverträge, Gestattungsverträge oder Richtlinien) eine Kostenpflicht € ganz oder teilweise € der EWE hier Anwendung findet.

Es wäre nett, wenn Sie uns kurz den Inhalt unseres heutigen Schreibens bestätigen würden. €

Eine schriftliche Bestätigung von Seiten der Klägerin erfolgte nicht. In der Folge wurden der P-weg sowie - durch die Klägerin - die dortigen Telekommunikationsleitungen verlegt. Mit Schreiben vom 2. September 2010 erklärte die DB Projekt Bau GmbH gegenüber der Klägerin, dass sie bzw. die DB Netz AG von ihrem Vorbehalt im Schreiben vom 10. März 2010 - richtig: 16. Februar 2010 - Gebrauch mache und die Kostenübernahme widerrufe. Denn zwischenzeitlich habe sie vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 1999 - 4 A 27/98 - Kenntnis erlangt, aus welchem sich ergäbe, dass in Fällen wie dem Vorliegenden die Pflicht zur Kostentragung eindeutig beim Versorgungsunternehmen und nicht bei der Beklagten liege.

Nachdem sich die Beklagte geweigert hatte, die Verlegungskosten zu begleichen, hat die Klägerin am 17. Februar 2011 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sie einen vertraglichen Anspruch auf Erstattung der Verlegungskosten habe. Jedenfalls stelle das Schreiben der Beklagten vom 16. Februar 2010 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin den geltend gemachten Anspruch weder aus einem öffentlich-rechtlichen noch einem zivilrechtlichen Vertrag herleiten könne. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis. Auch entspreche es den gesetzlichen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (im Folgenden: TKG), dass die Klägerin die Kosten der Verlegung der Telekommunikationslinie zu tragen habe. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt.

II.

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), auf welche die Klägerin ihr Zulassungsbegehren stützt, nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt sind.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (Nds. OVG, Beschluss vom 1. Dezember 2011 - 1 LA 79/11 = DVBl 2012, 122; BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634; Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546; vgl. Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragenden Gründe gestützt, kann ein Berufungszulassungsantrag daher nur dann Erfolg haben, wenn für jedes der die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts selbstständig tragenden Begründungselemente ein Zulassungsgrund dargelegt worden ist und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 1990 - 7 OB 19.90 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22; Nds OVG, Beschluss vom 17. November 2011 - 8 LA 54/11 -, juris Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 4. Januar 2012 - 5 LA 85/10 - = Nds. Rechtsprechungsdatenbank = juris Rn. 16).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen der Klägerin nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Es kann offen bleiben, ob dem Zulassungsbegehren der Klägerin nicht schon deshalb der Erfolg versagt bleiben muss, weil sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist. Denn der Planfeststellungsbeschluss gemäß § 18 AEG für das Bauvorhaben €Ausbaustrecke (Hamburg) Stelle - Lüneburg, P A I Stelle€, Bahn-km 153,000 bis Bahn-km 158,062 der Strecke 1720 Lehrte - Cuxhaven vom 31. Juli 2009 hat eine Pflicht der Beklagten als Vorhabenträgerin, die von der Klägerin geltend gemachten Verlegungskosten zu tragen, nicht begründet. Nach diesem Planfeststellungsbeschluss (B.4.11 Infrastrukturleitungen und ähnliche Anlagen Dritter) hat die Beklagte lediglich zugesichert, €den Bestand der Leitungen/Anlagen zu sichern und über den Bauablauf rechtzeitig zu informieren€. Es spricht daher viel dafür, dass die Klägerin als beteiligte Versorgungsträgerin im Planfeststellungsverfahren (B.1.2.2.2.1 Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, lfd. Nr. 13: EWE AG) den Belang der Kostentragung hätte förmlich erheben müssen. Da sie den Planfeststellungsbeschluss ferner nicht fristgerecht angefochten hat und der unanfechtbar gewordene Planfeststellungsbeschluss nach § 18 c AEG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die Rechtswirkungen entfaltet, dass alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt werden, dürfte eine nachträgliche Geltendmachung der durch das Vorhaben verursachten Kosten der Verlegung der Telekommunikationslinie außerhalb des Planfeststellungsverfahrens von vornherein ausgeschlossen sein. Die Beantwortung der Frage, ob dem Planfeststellungsbeschluss eine derartige Ausschlusswirkung zukommt, kann allerdings dahinstehen, weil das Zulassungsvorbringen der Klägerin - ungeachtet dessen - keinen Erfolg hat.

Das Vorbringen der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 54 ff. VwVfG ausgegangen, ist nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat das Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Beteiligten unabhängig davon, ob dieser öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Rechtsnatur ist, tragend mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin das Angebot der Beklagten vom 16. Februar 2010 nicht angenommen habe. Es hat auf Seite 7 UA ausdrücklich festgestellt, dass €selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden von der Möglichkeit eines zivilrechtlichen Vertrages ausginge, ein solcher vorliegend nicht wirksam zustande gekommen [ist]€. Denn die Klägerin habe das Angebot der Beklagte weder ausdrücklich noch konkludent angenommen. Damit hat das Verwaltungsgericht einen vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der geltend gemachten Kosten generell ausgeschlossen.

Die Klägerin dringt ferner nicht mit ihrem Vortrag durch, zwischen den Beteiligten sei ein wirksamer zivilrechtlicher Vertrag geschlossen worden, denn sie habe das Angebot der Beklagten vom 16. Februar 2010, die Kosten für die Verlegung der Telekommunikationslinie zu übernehmen, konkludent durch Vornahme der Ausführungsarbeiten angenommen. Das Verwaltungsgericht hat eingehend begründet, weshalb die bloße Ausführung dieser Arbeiten keine konkludente Annahme des Angebots der Beklagten vom 16. Februar 2010 darstellt. Zum einen hat es zutreffend darauf abgestellt, dass €das €OB€ der Ausführung der Arbeiten durch die Klägerin nach den zutreffenden Vorstellungen der Beteiligten als mittelbare Folge des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahnbundesamtes zur Trassenverbreiterung nicht zu ihrer Disposition [stand]€. Es hat den Ausführungsarbeiten in Hinblick auf den Planfeststellungsbeschluss daher einen weitergehenden Erklärungsinhalt nicht beigemessen. Zum anderen hat es zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Beklagte erkennbar nicht von einer Annahme durch die bloße Ausführung der Arbeiten ausgegangen sei, weil sie erfolglos um schriftliche Bestätigung ihres Vorschlages vom 16. Februar 2010 gebeten habe. Das Zulassungsvorbingen der Klägerin vermag diese Ausführungen nicht in Frage zu stellen. Entgegen ihrer Auffassung lässt sich der Vornahme der Verlegungsarbeiten auch bei einer €Gesamtschau der vorvertraglichen Verhandlungen - selbst unter der Geltung eines Planfeststellungsbeschlusses -€ nicht der konkludente Erklärungswert beimessen, dass sie das Angebot der Beklagten habe annehmen wollen. Denn die Umstände allein, dass es neben dem Angebot der Beklagten vom 16. Februar 2010 auch einen Kostenvoranschlag vom 9. Februar 2010 gegeben habe und sie €die TK-Linien ohne Zeitverzug und vereinbarungsgemäß verlegte€, rechtfertigen keine andere Bewertung. Vielmehr wiederholt die Klägerin damit lediglich ihre gegenteilige Rechtsauffassung. Ferner trifft der Einwand der Klägerin, nach der zweifelhaften Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts habe sie das Angebot ausschließlich schriftlich oder in Textform annehmen dürfen, nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat eine konkludente Annahme des Angebots geprüft und aus den oben ausgeführten Gründen verneint. Es hat damit nicht die grundsätzliche Formfreiheit zivilrechtlicher Verträge verkannt, sondern hat die von der Klägerin unterlassene schriftliche Bestätigung des Vorschlages der Beklagten vom 16. Februar 2010 lediglich bei der Auslegung des Erklärungsgehalts, der sich aus der Vornahme der Arbeiten aus Sicht eines objektiven Dritten ergibt, berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht hat daraus zu Recht den Schluss gezogen, dass die Klägerin das Angebot der Beklagten nicht konkludent angenommen habe.

Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe als Voraussetzung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu Unrecht eine €Sonderverbindung€ gefordert, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass ein deklaratorisches Schuldverhältnis eine bloße Bestätigung einer bereits bestehenden Schuld darstellt. Es setze mit Verweis auf die Literatur (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 781, Rn. 3) voraus, dass die Parteien das zwischen ihnen bestehende Schuldverhältnis einvernehmlich insgesamt oder in Teilen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollten. Dieses bestehende Schuldverhältnis hat das Verwaltungsgericht begrifflich als €Schuldverhältnis im Sinne einer Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten€ bezeichnet. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem Erfordernis der €Sonderverbindung€ folglich nicht um eine weitere - bislang in der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung nicht verwendete - Voraussetzung für das Bestehen eines Schuldanerkenntnisses.

Des Weiteren greift der Vortrag der Klägerin, das Verwaltungsgericht verkenne, dass eine vertragliche Sonderverbindung bestehe, nicht durch. Diese Sonderverbindung sei durch die Aufnahme von vorvertraglichen Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten entstanden und begründe ein Schuldverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten im Sinne der §§ 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB. Mit diesem Zulassungsvortrag bleibt offen, ob bzw. wodurch die Beteiligten bereits vorvertraglich eine rechtsverbindliche Pflicht zur Tragung der Kosten für die Verlegung der Telekommunikationslinie begründet haben sollen. Die Ausführungen der Klägerin beschränken sich lediglich auf die Behauptung, €dass die zu bestätigende Schuld, wie sie das VG Lüneburg fordert, sich aus den zuvor getätigten Vertragsverhandlungen [ergibt], deren Ergebnis in dem Schreiben vom 16.02.2010 festgehalten sind und deren Schuld die Beklagte bestätigen wollte€. Damit ist das Vorbringen der Klägerin nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen.

Auch der Einwand der Klägerin, der Planfeststellungsbeschluss sei eine derartige öffentlich-rechtliche Sonderverbindung, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Die Klägerin bleibt auch insoweit eine nähere Begründung schuldig, ob bzw. wodurch die Beteiligten bereits im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses eine rechtsverbindliche Pflicht zur Tragung der Kosten für die Verlegung der Telekommunikationslinie begründet haben, welche die Beklagte im Nachhinein mit Schreiben vom 16. Februar 2010 hätte bestätigen können. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ist in dem Planfeststellungsbeschluss eine Regelung zur Kostentragung für die Verlegung der Telekommunikationslinie gerade nicht getroffen worden. Auf welche Weise die Kostentragungspflicht daher entstanden sein soll, führt die Klägerin nicht aus.

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin steht ihr der geltend gemachte Anspruch ferner nicht aus einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683 Satz 1, 670, 677 BGB zu. Denn der Anwendung der Regelungen nach §§ 677 ff. BGB steht die hier einschlägige gesetzliche Sonderregelung des § 72 Abs. 3 TKG entgegen, welche die Kostenlast im vorliegenden Fall abschließend regelt (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 73. Auflage, Einf v § 677 Rn. 8, 9 und 13). Danach hat die Klägerin die Kosten - wie das Verwaltungsgericht auf den Seiten 9 und 10 UA festgestellt hat - sowohl im Fall der Verlegung einer Telekommunikationslinie aufgrund der Einziehung eines Verkehrsweges nach Abs. 2 dieser Vorschrift als auch im Fall der Beseitigung wegen der Ausführung einer von dem Unterhaltungspflichtigen beabsichtigten Änderung des Verkehrsweges im Sinne des Abs. 1, 3. Var. der Vorschrift zu tragen.

Die Anwendbarkeit von § 72 Abs. 3 TKG schließt ebenfalls einen Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Var. BGB aus. Der Anspruch entfällt, wenn eine andere Auslegungsregel bereits den Tatbestand einer ungerechtfertigten Bereicherung beseitigt, z.B. weil durch die von ihr vorgesehenen Ansprüche der Vermögensvorteil entfällt. Das gleiche gilt, wenn eine gesetzliche Regelung nach ihrem Sinn und Zweck einen Rechtsgrund für diesen Vorteil darstellt. Dies ist insbesondere auch der Fall, wenn der Zweck der Vorschrift, die zu einem Rechtsverlust geführt hat, der (Rück-)Erstattung entgegensteht (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 73. Auflage, Einf v § 812 Rn. 5). So liegt der Fall hier. Denn - wie bereits ausgeführt - hat die Klägerin nach den tragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts gemäß der gesetzlichen Regelung des § 72 Abs. 3 TKG die Kosten für die Verlegungsarbeiten zu tragen; ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf (Rück-)Erstattung dieser Kosten im Wege des (allgemeinen) Bereicherungsrechts würde diese gesetzliche Rechtsfolge konterkarieren. Ungeachtet dessen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs nicht erfüllt. Denn negatives Tatbestandsmerkmal ist das Fehlen eines die Vermögensverschiebung objektiv rechtfertigenden Grundes (vgl. Palandt-Sprau, 71. Auflage, § 812 Rn. 6). Ein derartiger Rechtsgrund fehlt hier indes nicht, sondern findet sich in § 72 Abs. 2 und 3 TKG.

Der Vortrag der Klägerin, sie sei nicht nach § 72 Abs. 3 TKG zur Kostentragung verpflichtet, weil die Verlegung der Telekommunikationslinie im Sinne des § 72 Abs. 1 TKG nicht im Interesse der Gemeinde Stelle als Wegebaulastträgerin des P-weges, sondern im Interesse der Beklagten als privater Dritter liege, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat die Kostenfolge des § 72 Abs. 3 TKG nicht entscheidungserheblich auf den Fall des § 72 Abs. 1, 3. Var. TKG gestützt, wonach die Beseitigung wegen der Ausführung einer von dem Unterhaltungspflichtigen - hier: Gemeinde Stelle - beabsichtigten Änderung des Verkehrsweges erforderlich sein muss. Vielmehr hat es die Erfüllung dieses Tatbestandes mit der Kostenfolge des § 72 Abs. 3 TKG lediglich hilfsweise bejaht. In erster Linie hat es - selbst tragend - entgegen den Rechtsauffassungen beider Beteiligten festgestellt, dass ein Fall der Einziehung i. S. d. § 72 Abs. 2 TKG - mit der Kostenfolge des § 72 Abs. 3 TKG - vorliege. In § 72 Abs. 2 TKG heißt es:

€Soweit ein Verkehrsweg eingezogen wird, erlischt die Befugnis des Nutzungsberechtigten zu seiner Benutzung.€

Nach den Erläuterungen des Verwaltungsgerichts handelt es sich um eine straßenrechtliche Einziehung, weil der P-weg entlang der Bahntrasse dauerhaft verlegt worden sei und die Beklagte die ehemaligen Wegeflächen erworben habe. Nach § 72 Abs. 2 TKG erlösche damit die Befugnis zur Nutzung durch den Betreiber der Telekommunikationslinie, weil dieses Nutzungsrecht nur an öffentlichen Straßen bestehen könne. Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu § 72 Abs. 2 TKG i.V.m. der Kostenfolge nach Abs. 3 dieser Vorschrift hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht angegriffen.

Die Klägerin dringt mit ihrem Vortrag, der Begriff der öffentlichen Verkehrswege sei in §§ 68 ff. TKG als leges speciales abschließend geregelt, mit der Folge, dass es sich bei Schienenwegen nicht um öffentliche Verkehrswege handele und § 72 Abs. 3 TKG keine Anwendung finde, nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat diese Auffassung der Klägerin geteilt, indem es auf Seite 10 UA ausdrücklich ausgeführt hat, dass €Verkehrswege i. S. d. § 68 Abs. 1 Satz 2 TKG nur öffentliche Wege, Plätze und Brücken sowie die öffentlichen Gewässer [sind].€ Allerdings hat es hervorgehoben, dass es nicht maßgeblich sei, ob es sich bei der die Straßenänderung auslösenden Maßnahme ihrerseits um den Bau eines öffentlichen Verkehrswegs im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 TKG handele. Vielmehr sei nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein entscheidend, dass der in Anspruch genommene Verkehrsweg im Interesse der Allgemeinheit verkehrsbedingt zu ändern war (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1999 - 4 A 27/98 -, BVerwGE 109, 192, DVBl 1999, 1519; DÖV 1999, 1052; juris Rn. 27; bestätigt durch Urteil des BVerwG vom 21. Februar 2013 - 7 C 9/12 -, NVwZ 2013, 653; juris Rn. 20). Das Verwaltungsgericht hat das öffentliche Verkehrsinteresse hier zu Recht bejaht. Für die Frage, ob das Planvorhaben dem - auch Verkehrsarten übergreifenden - Verkehrsinteresse dient, ist eine €einheitliche Betrachtung geboten (BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O., juris Rn. 20, 24). Demnach reicht es für die Kostenfolge des § 72 Abs. 3 TKG aus, dass das Verkehrsinteresse von einem sonstigen Planungsträger im Rahmen der §§ 72 ff. VwVfG herrührt. Es muss also nicht unmittelbar von dem Wegeunterhaltungsberechtigten selbst ausgehen (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1999, a.a.O.; juris Rn. 26). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der P-weg als öffentlicher Verkehrsweg aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses und eines sich daraus ergebenden öffentlichen Verkehrsinteresses, die Bahntrasse zu erweitern, eingezogen worden ist. In der Begründung des Plans heißt es auf Seite 19 u.a., dass €durch die Maßnahme Kapazitätsengpässe für den Güterverkehr beseitigt [werden] und das Regionalverkehrsangebot verbessert [wird]€. Auch stellt § 3 Abs. 1 Nr. 2, 3 AEG klar, dass Eisenbahnen dem öffentlichen Verkehr dienen. Die Erweiterung der Bahntrasse erfüllt demnach ein öffentliches Verkehrsinteresse. Aus diesem Grund bleibt dem weiteren Vorbringen der Klägerin, die Einziehung habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen, der Erfolg versagt. Im vorliegenden Fall stellt die von der Beklagten veranlasste Verlegung der Telekommunikationslinie somit eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, dass das telekommunikationsrechtliche Wegerecht nur die Beziehung zwischen dem Nutzungsberechtigten und dem Wegeunterhaltungspflichtigen erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O.; juris Rn. 17).

Die Anwendung des § 72 Abs. 3 TKG verbietet sich auch nicht aus dogmatischen Gründen. Das Verwaltungsgericht hat dazu unter Zitierung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1999, a.a.O.) zutreffend festgestellt, dass der nach § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. (jetzt § 68 Abs. 1 Satz 1 TKG) Nutzungsberechtigte - hier die Klägerin - durch das Recht auf unentgeltliche Nutzung des Verkehrsweges für öffentliche Zwecke eine bemerkenswerte Besserstellung gegenüber anderen Formen der Inanspruchnahme erfahre, die gebührenpflichtige Sondernutzungen darstellten, wie Gas-, Wasser-, Abwasser-, Elektrizitäts- oder Fernwärmeleitungen. Es erscheine daher nicht gerechtfertigt, den Nutzungsberechtigten darüber hinaus durch eine Freistellung von Kosten zu privilegieren, die - wenn auch nur mittelbar - notwendige Folge einer verkehrsbedingten Änderung der in Anspruch genommenen Straße seien. Diesen Erwägungen kann die Klägerin nicht erfolgreich entgegenhalten, dass die Beklagte als Private die Nutzung der Bahntrasse ihrerseits Dritten nicht unentgeltlich zur Verfügung stelle. Denn darauf kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein, dass die Inanspruchnahme der Telekommunikationslinie auf einem öffentlichen Verkehrsweg sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, d.h. nach Verlegung der Telekommunikationslinie, für die Klägerin unentgeltlich erfolgt. Dies ist hier der Fall, weil diese von der Gemeinde Stelle gewährte Privilegierung im Sinne des TKG zugunsten der Klägerin fortbesteht und es rechtfertigt, ihr die - wenn auch nur mittelbar - notwendigen Folgekosten einer verkehrsbedingten Änderung der in Anspruch genommenen Straße bzw. Einziehung aufzuerlegen. In der Sache bestreitet die Klägerin mit diesem Vortrag das Vorliegen der Voraussetzung €einer von dem Unterhaltungspflichtigen beabsichtigten Änderung€ des § 72 Abs. 1, 3. Var. TKG, geht aber auf die Rechtsfolge des § 72 Abs. 3 TKG wegen der Einziehung des Weges gemäß § 72 Abs. 2 TKG nicht ein.

Das Verwaltungsgericht hat - entgegen dem Zulassungsvorbringen der Klägerin - zu Recht die Anwendung der Vorschriften §§ 74, 75 TKG verneint. Es hat nicht - wie die Klägerin meint €willkürlich€- entscheidend darauf abgestellt, dass €diese Rechtsbeziehungen andere Beteiligte beträfen€, sondern zutreffend erläutert, dass die Regelungen der §§ 74, 75 TKG ausschließlich den Ausgleich zwischen Telekommunikationslinien und besonderen - nach BVerwG €bevorrechtigten€ (Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O.; juris Rn. 17) - Anlagen beträfen, die den gleichen Verkehrsweg benutzten. Vorliegend handele es sich aber um das Verhältnis zu einer Eisenbahntrasse und damit einem selbständigen Verkehrsweg, der seinerseits gerade keine besondere Anlage des von der Telekommunikationslinie benutzten Weges darstelle. Mit dieser Begründung hat sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt.

2. Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 1. Februar 2012 - 8 LA 91/11 -, juris Rn. 9; Beschluss vom 12. Juli 2010 - 8 LA 154/10 -, AuAS 2010, 244-246 = juris Rn. 3; Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand: April 2013, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.).

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, €ob auch die Träger von im öffentlichen Interesse liegenden Infrastrukturen, die keine Verkehrswege iSd. § 68 Abs. 1 Satz 2 TKG sind, in den Schutzumfang des § 72 Abs. 3 TKG mit einzubeziehen sind€, ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich - wie oben geschehen - aus dem Gesetz unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.

3. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.

Der Gesetzgeber hat mit dem Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (negativ) an die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die Übertragung auf den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) angeknüpft. Hiernach weist eine Streitsache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, wenn ihre Entscheidung voraussichtlich in tatsächlicher bzw. rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursachen wird (vgl. Beschluss des Senats vom 21. Januar 2014 - 10 LA 128/12 -, n.v.). Im vorliegenden Fall sind solche rechtlichen Schwierigkeiten nicht erkennbar. Vielmehr lassen sich die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Kostentragung in €Drittveranlassungsfällen€ unter Berücksichtigung der bereits angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 72 Abs. 3 TKG beantworten.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil gemäß § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.






Niedersächsisches OVG:
Beschluss v. 28.08.2014
Az: 10 LA 39/13


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