Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. April 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 19/00

(BPatG: Beschluss v. 08.04.2002, Az.: 15 W (pat) 19/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2000 aufgehoben.

Das Patent 43 23 372 wird unter Abänderung der Bezeichnung in "Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung, die auf ein Substrat aufgebracht ist und feinstteiliges TiO2 enthält" mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2002, Beschreibung Seiten 2 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2002 2 Blatt Zeichnungen Figuren 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2002.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Auf die am 13. Juli 1993 eingereichte Patentanmeldung P 43 23 372.4-43 hat das Deutsche Patentamt ein Patent mit der Bezeichnung

"Beschichtungszusammensetzung, die auf ein Substrat aufgebracht ist und feinstteiliges TiO2 enthält"

erteilt. Die Patenterteilung wurde am 15. Dezember 1994 veröffentlicht.

Nach Prüfung des erhobenen Einspruchs wurde das Patent mit Beschluß der Patentabteilung 43 vom 15. März 2000 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 8 der DE 43 23 372 C1 zugrunde. Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1. Beschichtungszusammensetzung, die auf ein Substrat aufgebracht ist und feinstteiliges TiO2 enthält, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtungszusammensetzung aus 0,5 bis 30,0 Vol.-% Farbpigment und/oder Ruß, mit der Maßgabe, daß es kein Metallpigment oder metallähnliches Pigment ist, 55,0 bis 98,5 Vol.-% Bindemittelfeststoff und 0,3 bis 15 Vol.-% feinstteiligem TiO2 mit einer Partikelgröße von 5 bis 40 nm besteht."

Bezüglich der Ansprüche 2 bis 8 wird auf die DE 43 23 372 C1 verwiesen.

Die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage dieser Patentansprüche wurde damit begründet, dass die beanspruchte Zusammensetzung im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß der im Einspruch vorgebrachten Druckschriften und gemäß der beiden im Patenterteilungsverfahren genannten Literaturstellen neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende K... Beschwerde eingelegt.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2002 neue Patentansprüche 1 bis 5 mit folgendem Wortlaut eingereicht:

"1. Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung, die auf ein Substrat aufgebracht ist und feinstteiliges TiO2 enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtungszusammensetzung aus 0,5 bis 30,0 Vol.-% Farbpigment und/oder Ruß, 55,0 bis 98,5 Vol.-% Bindemittelfeststoff und 0,3 bis 15 Vol.-% feinstteiligem TiO2 mit einer Partikelgröße von 5 bis 40 nm besteht, wobei als Farbpigment mindestens ein Farbpigment, ausgewählt aus blauen oder roten Farbpigmenten, enthalten ist, als Automobil-Decklack, Industrielack, Druckfarbe, Coil-Coating-Beschichtung, Emballagebeschichtung oder Kunststoffbeschichtung.

2. Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Bindemittelfeststoff mindestens ein Bindemittel, ausgewählt aus Alkydharz, Melaminharz oder Acrylharz enthalten ist.

3. Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung nach den Ansprüchen 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass das feinstteilige TiO2 eine spezifische Oberfläche von 30 bis 150 m2/g aufweist.

4. Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung nach den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Gesamt-Pigment-Volumen-Konzentration aller Pigmentbestandteile von 1,0 bis 20,0 % beträgt.

5. Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Pigment-Volumen-Konzentration für das Farbpigment 0,5 bis 15 % beträgt."

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Einsprechende im wesentlichen vorgetragen, es bestünden Zweifel, ob die anspruchsgemäße Lehre die gestellten Aufgaben löse, und ob der geltende Patentanspruch 1 nicht wegen der Weglassung der Passage "mit der Maßgabe, daß es kein Metallpigment oder metallähnliches Pigment ist" unzulässig erweitert wäre. Im übrigen erscheine die beanspruchte Lehre gegenüber der Druckschrift EP 02 70 472 B1 (4) nicht erfinderisch.

Die Einsprechende beantragte, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisenund das Patent unter Abänderung der Bezeichnung in "Verwendung einer Beschichtungszusammensetzung, die auf ein Substrat aufgebracht ist und feinstteiliges TiO2 enthält" beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung sowie der Beschreibung Seiten 2 bis 10 und 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Sie hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und im wesentlichen geltend gemacht, dass der Gegenstand der geltenden Anspruchsfassung nacharbeitbar ursprünglich offenbart und nicht unzulässig erweitert sei, sowie gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (PatG § 73). Sie ist jedoch im Hinblick auf das nunmehr vorliegende, beschränkte Patentbegehren unbegründet.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 5 sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, da ihre Merkmale aus den Ansprüchen 1 und 2 iVm Anspruch 9, dem Anspruch 3 iVm den Beispielen auf den Seiten 10, 11, 12 und 14, den Seiten 10, 12 und 14 sowie der Seite 13 und ferner den Ansprüchen 4, 5 und 6 der ursprünglich eingereichten Unterlagen entnehmbar sind.

Auch aus der deutschen Patentschrift DE 43 23 372 C1 (vgl die Ansprüche 1 und 2 iVm Anspruch 8 sowie die Ansprüche 3 bis 6) leiten sich die Merkmale der geltenden Patentansprüche 1 bis 5 ab.

Das Weglassen der Passage "mit der Maßgabe, daß es kein Metallpigment oder metallähnliches Pigment ist" in Anspruch 1 führt zu einem mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen übereinstimmenden Text. Die genannte Passage hatte im erteilten Patent keine Wirkung, weil sie als Überbestimmung zu werten war. Angesichts der Formulierung, dass die Beschichtungszusammensetzung aus Farbpigment und/oder Ruß, Bindemittel und feinstteiligem Titandioxid besteht, war an sich kein Raum für den Ausschluss einer weiteren Komponente "Metallpigment oder metallähnliches Pigment". Der Fachmann versteht nämlich diese "Metallpigmente oder metallähnlichen Pigmente" in dem Sinn, wie sie als Disclaimer in die Anspruchsfassung gemäß Streitpatent Eingang gefunden hatten, als eine eigene Art von Pigmenten, die sich den Farbpigmenten nicht unterordnen lässt. Ihr Weglassen in der geltenden Anspruchsfassung führt somit auch nicht zu einer Erweiterung gegenüber der Anspruchsfassung in der Patentschrift.

Dementsprechend wurden wegen der streitpatentgemäßen Formulierung "... aus ...besteht" bei der Beschreibungsanpassung auch alle Beispiele, die neben den als selbstverständlich mitzulesenden Katalysatoren noch Additive enthielten, aus dem Text entfernt.

Insbesondere nachdem aber noch drei Ausführungsbeispiele verbleiben, greifen die von der Einsprechenden geäußerten Zweifel bezüglich der Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre unter Lösung der gegebenen Aufgabenstellung nicht. Im übrigen liegt im Einspruchsverfahren die Beweislast bei der Einsprechenden und einschlägige, durch Versuche gestützte Ergebnisse liegen nicht vor.

Die Neuheit der Verwendung der streitpatentgemäßen Beschichtungszusammensetzung ist anzuerkennen.

Gegenüber der nächstliegenden EP 0 270 472 B1 (4) kommt das schon in den Ausführungen der Prüfungsstelle im Erstbescheid zum Ausdruck, wonach die anmeldungsgemäße Lehre bereits wegen des Fehlens des "Metallpigments" neu sei (vgl Anspruch 1 von (4), S 12 Z 36-37 und 38-39). Dieser Merkmalsunterschied ist zutreffend und trägt die Patentfähigkeit hinsichtlich der Neuheit, wie vorstehend dargestellt, auch ohne dies in einem Disclaimer eigens noch einmal zu formulieren.

In der Literaturstelle "S. R. Blackburn, B. J. Meldrum, J. Clayton, The Use of Fine Particle Titanium Dioxide for UV Protection in Wood Finishes, Färg och Lack Scandinavia, Seiten 192, 193 und 196, 9 (1991)" (8) ist zwar ein Holzschutzmittel mit einer der streitpatentgemäßen Beschichtungszusammensetzung entsprechenden Rezeptur beschrieben, aber keine der Verwendungen nach geltendem Patentanspruch 1 betrifft ein Holzschutzmittel.

Auch in keiner der anderen im Verfahren befindlichen Schriften ist eine streitpatentgemäße Verwendung der im Anspruch 1 beschriebenen Beschichtungszusammensetzung, insbesondere mit einem Gehalt an feinstteiligem Titandioxid (Korngröße von 5 bis 40 nm), vorbeschrieben.

Die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zwar war zum Anmeldetag bekannt, dass Teilchen bei einer Partikelgröße in der Größenordnung der Wellenlänge des sichtbaren Lichts und darunter mit abnehmender Größe kurzwelligeres Licht stärker streuen, und dass der Einsatz solch kleiner Teilchen, auch von Titandioxid, in farbigen Beschichtungszusammensetzungen zu einem Blaustich der Farbwirkung führt (vgl (8) S 192, von der linken auf die rechte Spalte übergreifender Absatz und Figuren 1 und 2, und "DuPont, The Optical Theory of Titanium Dioxide, 11th All India Paint Conference, Januar 1983, Bombay, Seiten 171, 172 (a) - (c), 173 und 175" (5), S 173 rechte Spalte zweiter Absatz und Figur 8 auf Seite 172 (b). (5) war dabei zwar bezüglich der Vorveröffentlichung strittig, aber selbst bei Unterstellen der Vorveröffentlichung ist (5) nicht als patenthindernd anzusehen.

Streitpatentgemäß war es demgegenüber die Aufgabenstellung, Beschichtungszusammensetzungen zu schaffen, die eine hohe Gesamtremission und eine intensive Farbtiefe aufweisen (vgl DE 43 23 372 C1 S 1 Z 32-33). Einen Hinweis, dass diese Aufgabenstellung durch den Einsatz von feinstteiligem Titandioxid mit einer Korngröße von 5 bis 40 nm gelöst werden würde, konnte der Fachmann in dem vorstehend genannten, bekannten Effekt aber nicht sehen.

Ebenso war es aus (4) bekannt, dass das Ersetzen von Titandioxid der Korngröße um 200 nm durch feinstteiliges Titandioxid in Metallic-Lacken Opaleszenzeffekte bewirkt (regenbogenfarbiger Schimmer bei Änderung des Betrachtungswinkels) und insbesondere auch den "Flipflop-Effekt", nach dem ein Lack bei senkrechter Aufsicht andersfarbig erscheint, als bei sehr schräger Aufsicht. Auch diesem Sachverhalt ist aber kein Hinweis zu entnehmen, dass in Lacken, die Metall-Effekt-Pigmente nicht enthalten, das feinstteilige Titandioxid zu einer vom Blickwinkel unabhängigen und opaleszenzfreien Intensivierung der Farbtiefe und zu einer Erhöhung der Gesamtremission führen würde. Dies gilt um so mehr, als auch in den weiteren, im Einspruchsverfahren diskutierten Veröffentlichungen, soweit die Verwendung von feinstteiligem Titandioxid im Zusammenhang mit Autolacken angesprochen war, ausschließlich der Aspekt der besonderen Metallic-Effekte dargestellt ist.

Alle weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften und Literaturstellen liegen dem Gegenstand der geltenden Patentansprüche ferner und können ihn weder für sich, noch in ihrer Zusammenschau nahelegen.

Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch gewährbar ist.

Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, die bevorzugte Ausführungsformen der Verwendung nach Anspruch 1 betreffen.

Kahr Niklas Harrer Kellner Pü






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