Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. April 2012
Aktenzeichen: 5 U 144/08

(OLG Köln: Urteil v. 23.04.2012, Az.: 5 U 144/08)

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das am 23.7.2008 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 322/05 - auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.417,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.8.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren künftigen immateriellen und materiellen Schaden aufgrund der Nervverletzungen bei der Operation vom 18.11.1998 im Krankenhaus der Beklagten zu ersetzen, soweit er nicht auf Dritte, wie zum Beispiel Sozialversicherungsträger, übergegangen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der 1963 geborene Kläger verlangt von der Beklagten als Trägerin des W.-Hospitals mit dem Vorwurf vermeintlicher ärztlicher Behandlungsfehler und unzureichender Risikoaufklärung im Zusammenhang mit im Jahre 1998 durchgeführten Behandlungen ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 49.000,00 € nebst Zinsen, eine monatlich im Voraus fällig werdende Schmerzensgeldrente in Höhe von 230,00 €, Ersatz materieller Schäden in Höhe von insgesamt 10.170,22 € nebst Zinsen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht aller weiteren immateriellen und materiellen Schäden, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind.

Der Kläger, der bei der Berufsfeuerwehr beschäftigt ist, erlitt am 28.11.1997 bei einem Arbeitsunfall eine Verletzung am linken Sprunggelenk, als er mit einem Kollegen zusammenstieß. Die Erstversorgung erfolgte im S.-Krankenhaus in M., wo nach einer Röntgenaufnahme in zwei Ebenen unter der Diagnose Sprunggelenksdistorsion und Ausschluss einer knöchernen Verletzung eine ambulante konservative Behandlung veranlasst wurde. Eine am 5.3.1998 erfolgte neurologische Untersuchung ergab die Diagnose einer Inaktivitätsatrophie des linken Unterschenkels mit dadurch bedingter Instabilität des linken Fußgelenks. Am 6.3.1998 stellte sich der Kläger in der Sportklinik I. vor, wo eine schwere Supinationsverletzung des linken oberen Sprunggelenks mit einer Band- und Kapselinstabilität unter Beteiligung der Peronealsehnengruppe diagnostiziert wurde.

Bei anhaltenden Schmerzen stellte sich der Kläger am 9.3.1998 in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Beklagten vor. Nach klinischer Untersuchung wurde von dort unter dem Verdacht auf ein knöchernes Impingement im Bereich des oberen Sprunggelenks am 10.3.1998 eine MRT-Untersuchung durch die röntgenologische Praxis C. am Krankenhaus Q. veranlasst, bei der eine Verletzung des Außenbandapparates oder eine knöcherne Verletzung ausgeschlossen wurden. Am 24.3.1998 führte der Chefarzt der Unfallchirurgie X. eine diagnostische Arthroskopie durch, die den Nachweis einer Knorpelkontusion im Bereich der medialen Sprungbeinfläche ergab und bei der eine Knorpelglättung und eine partielle Synovektomie durchgeführt und eingeschlagene Gewebeanteile entfernt wurden. Im Anschluss daran erfolgte eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme, nach deren Abschluss der Kläger durch X. im Juni 1998 als arbeitsfähig angesehen wurde. Im Abschlussbericht der Rehabilitationsklinik vom 5.6.1998 wurde ein weiterhin bestehendes subjektives Instabilitätsgefühl beschrieben bei ansonsten zufrieden stellendem Therapieverlauf mit nachhaltiger Besserung der aktiven Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk, der Muskulatur und des Gangbilds. Am 15.9.1998 erlitt der Kläger erneut einen Arbeitsunfall, bei dem es zu einem Supinationstrauma kam. Nach Erstuntersuchung und konservativer Behandlung im Klinikum M. erfolgte die Weiterbehandlung wiederum im Krankenhaus der Beklagten durch X.. Nach stationärer Aufnahme vom 16.11.1998 war für den 18.11.1998 eine Arthrotomie geplant zur Revision des oberen Sprunggelenks/Außenbandes. Intraoperativ wurde eine Ruptur der Sehnen des Musculus peronaeus longus und Musculus peronaeus brevis oberhalb des Retinaculums festgestellt. Daraufhin erfolgte eine Sehnenplastik aus der Plantarissehne (Peronaeussehnentransplantation). Postoperativ wurde neurologisch eine Schädigung des linken Nervus peronaeus sowie eine distale Neuropathie des linken Nervus tibialis und Nervus suralis diagnostiziert. Darüber hinaus zeigte sich weiterhin eine hochgradige Schwäche der Auswärtsführung des linken Sprunggelenks, beim Gehen auf unebenem Boden verbliebene Unsicherheit und Sturzneigung sowie Schmerzen über und hinter dem Außenknöchel. Der Kläger ist zur Stabilisierung des Fußgelenks auf orthopädische Schuhe angewiesen, die den Knöchel umfassen. Weitere stationäre Behandlungen schlossen sich an. Infolge der Beeinträchtigungen des linken Fußes liegt ein GdB von 30 % vor.

Gestützt u.a. auf privatgutachterliche Stellungnahmen und teilweise auf das Ergebnis des Verfahrens vor der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler hat der Kläger behauptet, bei dem Unfall vom 28.11.1997 sei es zu einem Riss der Peronealsehnen gekommen, der bei der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten, wo er sich bereits im Januar 1998 vorgestellt habe, behandlungsfehlerhaft nicht diagnostiziert worden sei. Die dadurch zudem verspätet durchgeführte Operation im November 1998 sei mangels Diagnose des Peronealsehnenrisses unzureichend vorbereitet worden und die Peronaeussehnenplastik sei fehlerhaft durchgeführt worden. Zudem rügt er Aufklärungsmängel im Zusammenhang mit diesem Eingriff. Er hat weiterhin behauptet, bei ordnungsgemäßer Behandlung, d.h. einer Operation bereits im Frühjahr 1998 und weiterer erforderlicher Krankschreibung wäre ihm für die Dauer von acht Monaten ein Zustand mit einem instabilen Sprunggelenk, das zu unangenehmen und schmerzhaften Behinderungen geführt habe, erspart geblieben. Zudem wäre es nicht zu dem zweiten Unfall im September 1998 gekommen. Auch die heute noch bestehenden Beschwerden und Beeinträchtigungen, die der Kläger im einzelnen dargestellt hat, seien auf die fehlerhafte Behandlung zurückzuführen, ebenso wie die geltend gemachten materiellen Schäden, wegen deren Einzelheiten auf die Ausführungen in der Klageschrift vom 8.7.2005 (Blatt 1 ff., 10 ff. GA) verwiesen wird.

Die Beklagte ist den Behauptungen und Ansichten des Klägers im Einzelnen entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 347 - 359 GA) Bezug genommen.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines röntgenologischen Zusatzgutachtens von H. vom 25.10.2006 (Blatt 176 ff. GA) sowie eines unfallchirurgischen Gutachtens des Sachverständigen K. vom 11.12.2006 (Blatt 185 ff. GA) nebst ergänzender Stellungnahme vom 27.7.2007 (Blatt 256 ff. GA) und Anhörung des Sachverständigen K. im Termin vom 4.6.2008 (Blatt 328 ff. GA) hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Behandlungsfehler, insbesondere haftungsrechtlich relevante Diagnose- und/oder Befunderhebungsfehler ausgehend von der maßgeblichen "exante"-Perspektive nicht festzustellen seien und im Ergebnis auch die Aufklärungsrüge nicht durchgreife. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 355 - 359 GA) verwiesen.

Der Kläger hat gegen das Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel, mit dem er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt, ordnungsgemäß begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags rügt der Kläger, dass das Landgericht fehlerhaft dem seiner Ansicht nach widersprüchlichen, in sich nicht schlüssigen und mit einschlägigen Leitlinien und dem medizinischen Standard nicht übereinstimmenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen gefolgt sei. Dieser habe fehlerhaft die These aufgestellt, der Chirurg habe sich ausschließlich auf die schriftlichen Befunde eines MRT des Radiologen zu verlassen, auch wenn für den Chirurgen erkennbar - wie F. in seinem Gutachten vom 24.5.2004 für die Beklagte festgehalten habe - die Peronealsehne, die zur Instabilität geführt haben könne, nicht abgebildet sei und nach F. auch der dringende Verdacht einer Peronealsehnenruptur hier durchaus für einen Chirurgen erkennbar gewesen sei. Es sei unhaltbar, dass der gerichtliche Sachverständige festgestellt habe, ein Hinweis auf eine Ruptur habe nicht, vorgelegen. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass andere möglicherweise in Betracht kommende Diagnosen bereits ausgeschlossen gewesen seien, so dass als Ursache für die Instabilität letztlich nur noch die Peronealsehne in Betracht gekommen sei, deren Verletzung bzw. Vorschädigung dem ihn bei der Beklagten behandelnden Arzt X. seit 1996 bekannt gewesen sei. Damit seien, wie auch durch die Leitlinien und die Gutachten von J. und F. belegt, notwendige und zwingende Befunderhebungen unterblieben, obwohl der Verdacht einer Peronealsehnenverletzung nahe gelegen habe. Dafür spreche insbesondere auch der Befund der Sportklinik I. vom 06.03.1998, der auf eine Peronealsehnenverletzung hinweise. Sodann beanstandet der Kläger die Feststellung des Landgerichts, er habe den ihm obliegenden Nachweis der Kausalität zwischen dem operativen Eingriff und den behaupteten Folgen nicht geführt. Dabei habe das Landgericht übersehen, dass er eine Nervschädigung davon getragen habe, sich die Instabilität verdoppelt habe, weswegen er eine bewegliche Gelenksorthese tragen müsse, und Dauerschmerzen eingetreten seien. Die Beschwerden seien vorher so nicht vorhanden gewesen. Dazu behauptet er außerdem, die Peronealsehnenplastik sei zu lang und ohne ausreichenden Zug, so dass eine Stabilität gar nicht habe erreicht werden könne. Weiter greift er die Ausführungen des Landgerichts zur fehlenden Plausibilität eines Entscheidungskonflikts an, wozu er im Wesentlichen die erstinstanzlichen Ausführungen wiederholt und vertieft.

Nachdem der Senat durch Beschluss vom 19.1.2009 (Bl. 520 ff. GA) darauf hingewiesen hat, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hat der Kläger zur Unterstützung seines Berufungsvorbringens weiter vorgetragen und unter anderem ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. Neusel vom 6.5.2009 vorgelegt (Blatt 638 ff. GA).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen,

a) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.8.2005 zu zahlen,

b) eine monatlich im Voraus fällige Schmerzensgeldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen,

c) 10.170,22 € nebst 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.8.2005 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren immateriellen und materiellen Schaden aus der Behandlung zu ersetzen, soweit er nicht auf Dritte, wie zum Beispiel Sozialversicherungsträger übergegangen ist;

3. ihn vom Ausgleich der Rechnung Nr. xxx-2007 TA des Rechtsanwalts O. in G. freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Behauptungen und Rechtsansichten des Klägers und insbesondere den von ihm vorgelegten weiteren gutachterlichen Stellungnahmen ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags im Einzelnen entgegen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 19.8.2009 Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 1.2.2012. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen U. vom 15.8.2011 (Blatt 788 ff. GA) nebst dem vom Sachverständigen in Auftrag gegebenen radiologischen Fachgutachten des P. vom 6.10.2010 (Blatt 730 ff. GA) sowie das Protokoll der Sitzung vom 1.2.2012 (Blatt 953 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie zum Teil Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte nach den für den Streitfall geltenden Vorschriften der §§ 823 Abs. 1, 30, 31, 89, 831 BGB, 847 BGB a.F., § 249 BGB einen Anspruch auf Ersatz immaterieller und materieller Schäden wegen fehlerhafter und rechtswidriger Behandlung.

Nach dem Ergebnis der vor dem Senat erneut durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats gemäß § 286 ZPO fest, dass der Kläger im Krankenhaus der Beklagten nach dem Unfallereignis vom 28.11.1997 fehlerhaft behandelt worden ist und diese fehlerhafte Behandlung für die beim Kläger bis zur Operation am 18.11.1998 bestehenden und aufgetretenen Beschwerden sowie die bei diesem Eingriff entstandenen Nervenläsionen wenigstens mit ursächlich war. Daraus rechtfertigt sich das zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € sowie der Erstattungsanspruch für materielle Schäden in Höhe von 2.417,09 €, jeweils nebst Zinsen. Der auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klageantrag 2) ist wegen der entstandenen Nervenläsionen begründet, soweit er in die Zukunft gerichtet ist. Hingegen sind der weitergehende Feststellungsantrag und die Ansprüche auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente, Ersatz der weiter geltend gemachten materiellen Schäden sowie der Antrag auf Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten unbegründet.

1.

Nach der überzeugenden und nachvollziehbaren Beurteilung des Sachverständigen U. in seinem gerichtlichen Gutachten vom 15.8.2011 (Bl. 788 ff. GA), die er bei seiner Anhörung im Termin vom 1.2.2012 erläutert und vertieft hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 1.2.2012, Bl. 953 ff. GA), steht fest, dass bei den Untersuchungen des Klägers im Krankenhaus der Beklagten ab März 1998 die gebotenen Befunde nicht erhoben worden waren und dadurch der bereits zu dem Zeitpunkt vorliegende doppelte Sehnenabriss behandlungsfehlerhaft nicht erkannt worden war.

Der Sachverständige U. hat ausgeführt und bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass im Rahmen der Behandlung im März 1998 bei der Beklagten sicher nicht ein klares und eindeutiges Krankheitsbild grob verkannt worden sei. Gestützt wird diese Annahme einmal durch die in seinem schriftlichen Gutachten dargestellte unklare klinische Situation im März 1998 und zum anderen durch die unzureichende Darstellung der Sehnen in der MRT-Aufnahme vom 10.3.1998 (vergleiche dazu auch die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 19.1.2009, Blatt 520 ff. GA). Dafür spricht letztlich auch, dass die Peronaeussehnenläsion von keinem der vielen Behandler im damaligen Zeitraum erkannt worden war.

Allerdings hat der Sachverständige Befunderhebungsmängel festgestellt in Form von Versäumnissen im Bereich der Differenzialdiagnostik. Dazu hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass sich aus den vorliegenden Dokumenten, das heißt den beigezogenen Krankenunterlagen, kein Hinweis auf eine Instabilität des oberen Sprunggelenks im Sinne einer fibulotalaren Insuffizienz ergeben habe, was der Sachverständige zuvor anhand der ausgewerteten Krankenunterlagen im Einzelnen dargelegt hat. Sie habe somit auch offensichtlich nicht vorgelegen. Daher hätte, insbesondere im Hinblick auf die bekannten, vom Sachverständigen wiederum im Einzelnen aus den Krankenunterlagen herausgearbeiteten erheblichen Vorschädigungen des Sprunggelenks, zur Abwägung der differenzialtherapeutischen Möglichkeiten eine weitere Diagnostik erfolgen müssen. Der Hinweis aus der Untersuchung der Sportklinik I. auf einen Steppergang und damit auf eine mögliche Pathologie im Bereich der Peronealsehnengruppe sei bereits "mehr als hinweisend" darauf gewesen, dass hier eine Insuffizienz der Peronealsehnen vorgelegen haben müsse. Indirekt werde dies auch mit der durchgeführten neurologischen Untersuchung unterstrichen, bei der kein neurologisches Problem nachweisbar gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige dazu ergänzend ausgeführt, dass bei Berücksichtigung all dieser Umstände, nämlich der Vorgeschichte des Klägers mit erheblichen Vorschäden im Bereich des Sprunggelenks, seiner monate langen Schmerzen und dem klinischen Bild der Fußaußenheberschwäche, ein deutlicher Hinweis in Richtung auf eine Sehnenverletzung gegeben gewesen sei. Die deshalb gebotenen differenzialdiagnostischen Untersuchungen hätten sowohl klinisch erfolgen können (differenzierte Prüfung der Fußheber und Fußsenker mit entsprechender Befunddokumentation) als auch mittels gründlicher Durchsicht der vorliegenden MRT-Untersuchung bzw. zwingend in Form einer adäquaten MRT- und Röntgenaufnahme (Seite 34 des Gutachtens, Blatt 821 GA). Derartige Untersuchungen seien jedoch nicht dokumentiert, so dass - in rechtlicher Hinsicht zutreffend - davon auszugehen sei, dass sie nicht durchgeführt worden seien. Zu dem Einwand der Beklagten, in ihrer Dokumentation sei erwähnt, dass die Fußaußenhebung eingeschränkt sei, hat der Sachverständige erläutert, dies bedeute keineswegs, dass eine adäquate Untersuchung der Fußaußenhebung erfolgt sei, etwa indem systematisch jeder einzelne Muskel getestet worden wäre, wie es notwendig gewesen wäre. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass die durch X. durchgeführte "eingehende" Untersuchung derartige funktionelle Prüfungen beinhaltet hätte, sie nur - entgegen ihrer medizinischen Notwendigkeit - nicht dokumentiert worden wären. Darüber hinaus hat der Sachverständige dargestellt, dass die Ruptur der Sehnen durch gezielte funktionelle Untersuchungen auch erkennbar gewesen wäre. Insoweit geht er nachvollziehbar und plausibel begründet davon aus, dass die Peronealsehnenruptur bereits im März 1998 vorgelegen habe. Zwar hat er bei seiner Anhörung im Senatstermin - insoweit in Übereinstimmung mit dem von der Gutachterkommission herangezogenen Sachverständigen N. in dessen Gutachten vom 10.4.2001 - bestätigt, dass auf der MRT-Aufnahme vom 10.3.1998 die Sehnenruptur nicht erkennbar gewesen sei, und wenn man nur diese betrachten würde, nicht mit Sicherheit zu sagen wäre, dass im März 1998 bereits eine Sehnenruptur vorgelegen habe (vergleiche dazu auch die entsprechenden Ausführungen im Senatsbeschluss, a.a.O.). Er hat indessen weiter erläutert, dass diese Aufnahme keine verlässliche Grundlage für irgendeine weitere Entscheidung gewesen sei, weil es sich um eine inadäquate Untersuchung gehandelt habe. Am Vorliegen der Sehnenruptur bereits zum damaligen Zeitpunkt bestünden aber deshalb keine Zweifel, weil der Kläger eine Instabilität gehabt habe, die sich - aus der Rückschau gesehen - ausschließlich aus einer Sehnenruptur erklären lasse. Diese Einschätzung stimmt mit der Beurteilung aller mit diesem Streitfall befassten Sachverständigen überein, soweit sie sich nicht nur mit dem radiologischen Befund vom 10.3.1998, sondern auch mit den klinischen Befunden befasst hatten. Und zur Klärung der Frage, ob tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt im März 1998 bereits eine Sehnenruptur vorgelegen hatte, ist auch die dazu richtungsweisende retrospektive Betrachtung der Befunde nicht zu beanstanden. Der Senat hat somit keine Bedenken, dem Sachverständigen U. auch in dieser Frage zu folgen. Demgemäß wäre bei ordnungsgemäßer Untersuchung des Klägers im Krankenhaus der Beklagten bereits im März 1998 - wie es auch der Sachverständige bei seiner Anhörung nochmals ganz klargestellt hat - die Sehnenruptur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu diagnostizieren gewesen. Dass es im Übrigen, wie der Sachverständige ebenfalls angegeben hat, grob behandlungsfehlerhaft gewesen wäre, auf diesen Befund nicht zu reagieren, liegt auf der Hand und leuchtet unmittelbar ein. Als gebotene Behandlungsmaßnahmen hat der Sachverständige U. prinzipiell gleichwertige operative oder konservative Behandlungen angeführt. Dazu hat er erläutert, dass eine operative Sehnenplastik nur bei einer frischen Ruptur eine gute Option darstelle, weil dabei erfahrungsgemäß die Ergebnisse gut sein. Bei einer chronischen, d.h. auch älteren Ruptur - wie hier -, habe eine solche Operation eher schlechte bis allenfalls befriedigende Erfolgschancen, was auf der verloren gegangenen Kontraktilität des Muskels beruhe. Konservativ wäre eine Behandlung durch entsprechende Schuhversorgung und ein adäquates Muskeltraining denkbar. Insoweit müsse nach klar erkanntem Krankheitsbild eine sehr gezielte Behandlung und ein spezielles Muskeltraining einsetzen, um eine Kompensation zu erreichen. Dem Versuch, den Muskel zunächst aufzutrainieren, hat der Sachverständige indessen keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Seiner Meinung nach hätte sich die Instabilitätssituation des Sprunggelenks durch eine konservative Behandlung auch definitiv nicht verbessern können, sondern eher verschlechtert, so dass er dem sportlichen Kläger eher zur Operation geraten hätte. Unerheblich ist deshalb auch der Einwand der Beklagten, dass nach der schließlich im März 1998 durchgeführten Arthroskopie tatsächlich weitere konservative Behandlungsmaßnahmen "mit unter anderem Einlagen zur Erhöhung des lateralen Fußrandes (Ambulanzkarte vom 20.6.1997)“ durchgeführt worden seien. Denn auch hierzu erschließt sich wiederum nicht und wird von der Beklagten auch nicht näher angegebenen, welche Maßnahmen (über die Verordnung von Einlagen und Krankengymnastik hinaus) durchgeführt wurden und gezielt geeignet waren, die Sehnenruptur zu kompensieren.

Fest steht darüber hinaus, dass die am 24.3.1998 durchgeführte Arthroskopie ebenso wie die für den 18.11.1998 vorgesehene Operation zur Bandrekonstruktion nicht indiziert waren und somit behandlungsfehlerhaft erfolgten.

2.

Nach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedoch davon auszugehen, dass sich infolge der zuvor dargestellten Behandlungsfehler die bei dem Kläger eingetretenen Beeinträchtigungen nicht wesentlich anders dargestellt hätten als bei ordnungsgemäßer Behandlung bereits im Frühjahr 1998. Die fehlerhafte Unterlassung der medizinisch gebotenen Befunderhebung führt zwar grundsätzlich zu einer Umkehr der dem Kläger obliegenden Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden, wenn sich - wie hier - bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die jedenfalls nicht gezielte Reaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellt. Dies gilt jedoch nicht, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, was von der Beklagten zu beweisen ist. Diesen Beweis hat die Beklagte im Hinblick auf die wesentlichen vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen geführt. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten dazu ausgeführt, dass der Heilungsverlauf im Hinblick auf die Einheilung des Sehnentransplantats und die dauerhaft auch limitierte Funktion des Fußes davon unabhängig seien, ob die Operation im März 1998 oder im November 1998 durchgeführt worden wäre. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich seiner Ansicht nach nicht um eine traumatische Verletzung gehandelt habe, welche bei sofortiger Behandlung auch eine hervorragende Restitution aufweise, sondern vielmehr um eine durch Degeneration/Entzündung hervorgerufene Ruptur der Sehnen im Rahmen einer Gelegenheitsursache; infolgedessen sieht der Sachverständige, abgesehen von den Nervenläsionen und einer zeitlich verzögerten Restitution der Peronealmuskulatur keine weiteren Folgen, die durch eine frühere Operation oder durch eine andere Operationstechnik hätten verhindert werden können (vergleiche die Ausführungen im Gutachten, Seite 38 ff., Blatt 825 ff. GA). Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Sachverständige dies dahingehend ergänzt, das Gleiches gelte, wenn die Ruptur bei dem Unfallereignis vom 28.11.1997 entstanden wäre, sei es als Gelegenheitsursache, sei es als initiales Ereignis, auch wenn der Sachverständige Letzteres für eher unwahrscheinlich gehalten hat. Darauf kommt es aber auch nicht an. Entscheidend ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen nämlich, dass sich die Ruptur auch im März 1998 nach dem Unfallereignis im November 1997 nicht mehr als frische Ruptur darstellte und somit auch eine Operation schon im März 1998 ebenfalls eher schlechte bis allenfalls befriedigende Erfolgschancen gehabt hätte. Und auch, wenn durch den weiteren Zeitablauf von acht Monaten weitere Gewebeveränderungen eingetreten wären, wären diese nach den weiteren Erläuterungen des Sachverständigen allenfalls minimal und für den weiteren Verlauf nicht entscheidend. Daraus folgt, dass die Beklagte lediglich für den "Verzögerungs“Schaden haftet sowie für die Durchführung der nicht indizierten Arthroskopie, die ursprünglich geplante und begonnene Operation zur Bandrekonstruktion am 18.11.1998, die zur Verletzung des Nervus peronaeus, Nervus tibialis und des Nervus suralis geführt hatte, und die Folgen dieser Nervenverletzungen. Nicht auszuschließen ist ferner, dass der weitere Unfall am 15.9.1998 ebenfalls aufgrund der (noch) nicht durchgeführten Sehnenplastik eintrat.

Die vom Kläger gegenüber dieser Beurteilung des Sachverständigen U. erhobene Kritik und seine Ansicht, dass das Operationsergebnis im März 1998 zu mehr als 50 % erfolgreich verlaufen wäre, greifen nicht durch. Der Kläger stützt sich mit seinen Einwänden auf eine weitere gutachterliche Stellungnahme von J. vom 26.3.2012 (Blatt 1008 ff. GA). Darin zieht J. die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel, dass die ruptierten Peronealsehnen degenerativ stark vorgeschädigt gewesen seien. Anders als U. sieht er für diese Einschätzung weder im Operationsbericht vom 18.11.1998 noch in dem entsprechenden histologischen Befund noch in den Vorbefunden eine ausreichende Stütze. Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass sich insbesondere aus den Behandlungsunterlagen des T. aus den Jahren 1996 und 1997 vor dem Unfall mehrfach Hinweise auf eine Peronealsehnenschädigung ergeben. Auch J. selbst schrieb in seinem Gutachten vom 6.11.2004, dass nach Aktenlage bei dem Kläger bereits vor dem Unfallereignis vom 28.11.1997 eine Beschwerdesymptomatik im Bereich des linken Fußes im Sinne einer Ansatztendinopathie der Peronaeussehnen bestanden habe. Plausibel führt der Sachverständige U. für seine Beurteilung ferner das im Jahr 1996 gefertigte Skelettszintigramm an. Insoweit weist J. zwar zutreffend darauf hin, dass es sich bei einer Skelettszintigraphie um ein Verfahren zum Erkennen von Knochenschädigungen handelt und Anreicherungsverhältnisse im Knochen dargestellt werden. U. hat jedoch nur darauf hingewiesen, dass in dem Bereich, in dem später die Ruptur festgestellt wurde, bereits seinerzeit eine "Mehrbelegung" sichtbar war, und es - auch retrospektiv betrachtet - keine andere Ursache am Knochen oder am Gelenk gab, die diese Mehrbelegung erklären würde. Allein daraus hat er - für den Senat - überzeugend gefolgert, dass seinerzeit bereits eine chronische Schädigung der Peronealsehnen vorgelegen haben müsse. Die Vorbefunde zeigen zudem, dass das linke Sprunggelenk bzw. der linke Fuß des Klägers erheblich mehr beeinträchtigt war als der rechte Fuß, so dass sich auch die weiteren Überlegungen J.s, dass etwaige Überlastungsschäden auf beiden Seiten mehr oder weniger gleichmäßig auftreten müssten, als theoretische Spekulation erweisen. Im Übrigen kann nicht außer acht gelassen werden, dass der Kläger selbst im Laufe des Verfahrens mehrfach die Vorschädigung der Peronealsehnen hervorgehoben und der Beklagten zur Begründung differenzialdiagnostischer Versäumnisse entgegengehalten hat. Es ist daher jedenfalls nicht davon auszugehen, dass bei dem Unfallereignis am 28.11.1998 vollständig gesunde und unbeschädigte Peronealsehnen gerissen waren, so dass im Übrigen dahinstehen kann, ob die Sehnen durch das Unfallereignis selbst oder nur durch das Unfallereignis als Gelegenheitsursache gerissen waren. Nicht nachvollziehbar und im Übrigen widersprüchlich zu seinen vorherigen gutachterlichen Ausführungen sind schließlich die Beanstandungen J.s an der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, dass es keinen wesentlichen Unterschied gemacht habe, ob der Kläger im März 1998 oder im November 1998 operiert worden wäre. J. hat dazu in seiner Stellungnahme vom 26.3.2012 ausgeführt, dass im März 1998 die traumatischen Veränderungen noch relativ frisch gewesen seien, d.h. die Sehnenscheiden seien noch erhalten und flüssigkeitsgefüllt und das Gewebe ödematös gewesen, wie das MRT vom 10.3.1998 ausweise. Aufgrund unfallchirurgischer Erfahrung sei anzunehmen, dass die Sehnenstümpfe zu diesem Zeitpunkt noch nicht narbig umgewandelt und nicht mit der Umgebung verschmolzen gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt hätte man also die Sehnenstümpfe noch gut darstellen und elongieren und eventuell sogar eine direkte Naht machen können, weil es sich eben nicht um einen degenerativen, also verschleißbedingten Sehnenschaden gehandelt habe. Dazu passen indes nicht seine Ausführungen in allen seinen früheren Gutachten, nach denen er nach einem Zeitraum von (nur) 3 - 4 Wochen die Möglichkeit einer primären Naht verneinte, weil nach diesem Zeitraum eine primäre Sehnennaht erfahrungsgemäß nicht mehr Erfolg versprechend sei, auch eine korrekte Diagnose Anfang Januar 1998 nicht zu einer Änderung der Vorgehensweise geführt hätte und auch zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Plantarissehnenersatzplastik als anerkanntes Verfahren hätte durchgeführt werden können. Diese Einschätzung steht im Einklang mit der Meinung aller in diesem Fall herangezogenen Sachverständigen. Der Meinungswechsel J.s ist daher auch mit der gegebenen Begründung nicht nachvollziehbar. Schließlich hat er in seiner gutachterliche Stellungnahme vom 4.12.2005 (Blatt 109 ff. GA) ausdrücklich hervorgehoben, dass die seiner Ansicht nach durch eine Plantarissehnenrekonstruktion erzielbare "normale postoperative Funktion des Fußes“ bedeute, dass die Funktion des Fußes wieder so hätte hergestellt werden können, wie sie vor dem Unfallereignis vom 28.11.1997 bestanden habe. Bei dem erheblich vorgeschädigten Sprunggelenksapparat des Klägers bedeutet dies freilich, dass ein operativer Eingriff weder im Januar 1998, soweit sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits in der Klinik der Beklagten überhaupt vorgestellt hatte, noch im März 1998 noch im November 1998 zu einer erheblichen Besserung seiner Beschwerden führen konnte.

Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weitere schadensursächliche Behandlungsfehler, etwa bei der Durchführung der Sehnenplastik nicht ersichtlich sind, besteht auch sonst kein Anlass, der Beklagten weitergehende Schädigungen als den Verzögerungsschaden und die Nervverletzungen und ihre Folgen zuzurechnen.

Eine weitergehende Haftung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrigen Eingriffs, so dass es ebenfalls nicht darauf ankommt, ob der Kläger vor dem Eingriff vom 18.11.1998 ordnungsgemäß aufgeklärt wurde.

3.

Dem Kläger steht für die der Beklagten anzulastenden Schäden und Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € zu.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Beeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere etwaiger Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes waren demzufolge die - folgenlos - durchgeführte Arthroskopie, die zeitliche Verzögerung der Operation und in diesem Zeitraum erfolgte weitere, aber überflüssige Behandlungsmaßnahmen, Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigungen in diesem Zeitraum, die fehlerhaft geplante und begonnene Operation im November 1998 und die dabei entstandenen Nervenverletzungen und deren Folgen zu berücksichtigen. Diese Folgen bestehen nach den Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen in einer Sensibilitätsminderung, einer Schwächung der Fußhebung, möglicherweise in Schmerzen, in einem Taubheitsgefühl sowie in vermehrter Schweißneigung, wie sie überwiegend für den Kläger aufgrund der Nervverletzungen auch dokumentiert sind. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei auch um bleibende Schäden handelt. Gleichwohl handelt es sich nicht um derart gewichtige Beeinträchtigungen, als dass sie bei den auch ungeachtet dieser Nervschädigungen bestehenden Funktionsstörungen des Fußes erheblich ins Gewicht fallen würden. Immerhin ist der Grad der Behinderung wegen der gesamten Beeinträchtigungen des Fußes mit lediglich 30 % bemessen und damit nicht sehr schwerwiegend. Die Nervverletzungen sind dabei nur mitursächlich. Unter Berücksichtigung der durch die verzögerte Operation, die überflüssigen Behandlungsmaßnahmen und den weiteren Unfall vom 15.9.1998 entstandenen zeitlich begrenzten Beeinträchtigungen, die über das bestehende Grundleiden, das heißt die durch die chronischen Vorschäden bedingten Beeinträchtigungen, hinausgehen, hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 10.000,00 € für angemessen und auch ausreichend. Die von dem Kläger demgegenüber angeführten Entscheidungen, in denen ein weitaus höheres Schmerzensgeld zugesprochen wurde, sind nicht vergleichbar, weil sie erheblich schwerer wiegende Schadensfolgen zum Gegenstand haben. Der Senat hat sich vielmehr an die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 19.8.2009 - 7 U 23/08 - (NZV 2010, 37) und des OLG Hamm vom 14.3.2007 - 3 U 54/06 - (abrufbar bei Juris) sowie eine Entscheidung des OLG München vom 14.10.2010 - 1 U 1657/10 - (zitiert nach Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 6 Auflage, E 789) orientiert, mit denen in jüngerer Zeit bei vergleichbaren Schadensbildern und -folgen ebenfalls ein Schmerzensgeld von 7.500,00 € bis 10.000,00 € zuerkannt wurde.

Darüberhinausgehend kann der Kläger die von ihm beantragte Schmerzensgeldrente nicht verlangen. Regelmäßig schuldet der Schädiger als Schmerzensgeld nämlich nur einen Kapitalbetrag. Neben einem Kapitalbetrag kommt eine Schmerzensgeldrente grundsätzlich nur bei schweren oder schwersten Dauerschäden in Betracht. Dazu gehören jedoch nicht die aufgetretenen Nervenschädigungen, die allein der Beklagten als Dauerschaden haftungsrechtlich zuzurechnen sind.

4.

Den materiellen Schaden des Klägers schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 2.417,09 €.

Dabei geht der Senat - trotz des Bestreitens der Beklagten - als plausibel und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass dem Kläger aufgrund der verzögerten Behandlung der Peronaeussehnenruptur erst im November 1998 ein Verdienstausfallschaden in Höhe von insgesamt 895,00 € entstanden ist. Es leuchtet ein, dass er jedenfalls infolge der nicht indizierten und überflüssigen Behandlungen von April bis Juni 1998 und dann nach dem Unfall vom 15.9.1998 bis zum 18.11.1998 den 24-Stunden-Dienst als Feuerwehrmann nicht normal ableisten konnte und ihm dafür gewährte Zuschläge bzw. finanzielle Ausgleichszahlungen, die der Senat mit monatlich 179,00 € für angemessen erachtet, entgangen sind.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Fahrtkosten für die Rehabilitationsmaßnahmen im Gesundheitszentrum am R. in G. für die Zeit vom 30.3.1998 bis zum 10.6.1998 zu erstatten, weil jedenfalls diese konkrete Maßnahme bei ordnungsgemäßer Behandlung überflüssig gewesen wäre. Dass der Kläger auch nach einer Plantarissehnenplastik im März 1998 wahrscheinlich Rehabilitationsmaßnahmen hätte durchführen müssen und Verdienstausfälle erlitten hätte, steht der Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht entgegen, weil der Kläger nach dem Eingriff im November 1998 wiederum Rehabilitationsmaßnahmen durchführen und nach dieser Operation ebenfalls Verdienstausfälle hinnehmen musste.

Zu erstatten sind ebenfalls die Kosten für die PST-Behandlung (Pulsierende Signaltherapie) bei V. gemäß Rechnung vom 26.5.1998 über 1.318,41 DM (674,09 €). Diese Behandlung wird von den gesetzlichen Kassen nicht bezahlt und ist auch nicht beihilfefähig, weil ihre Wirksamkeit umstritten und nicht gesichert ist (vergleiche Zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen des Jahres 1998 zur Bewertung der Pulsierenden Signaltherapie (PST) gemäß §135 Abs.1 SGB V vom 2.2.2000), der Kläger die Kosten dieser Behandlung also selbst tragen musste. Auf den fehlenden Nachweis mangelnder Wirksamkeit und damit medizinischer Erforderlichkeit der Maßnahme kann die Beklagte, sich hier nicht berufen, da dem Kläger diese Therapie ausweislich des an der Rechnung angehefteten Rezepts von X. selbst verordnet wurde.

Hingegen hat der Kläger keinen Anspruch auf die weiter geltend gemachten Kosten für orthopädisches Schuhwerk, die von ihm geführten Prozesse und die Zuzahlungen zu einer stationären Sanatoriumsbehandlung im Zeitraum vom 18.11.2002 bis zum 9.12.2002. Denn es ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Aufwendungen durch die verzögerte Behandlung oder die Dauerfolgen der Nervenschädigungen und nicht durch die Grunderkrankung selbst verursacht sein könnten.

Ferner hat der Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachte Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten. Der Anspruch auf Freistellung von diesen Kosten, die noch nach der seinerzeit geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) abgerechnet wurden, ist ausgeschlossen, weil die abgerechneten Gebühren gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO im gerichtlichen Verfahren anzurechnen sind.

4.

Der auf die begründete Klageforderung in Höhe von 12.417,09 € geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO.

5.

Über die Leistungsklage hinaus ist im Rahmen des zulässigen Feststellungsbegehrens festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger aufgrund der durch die fehlerhafte Behandlung entstandenen Nervverletzungen auch zum Ersatz solcher künftigen immateriellen Schäden verpflichtet ist, die über das hinausgehen, was zum derzeitigen Zeitpunkt an Schadensfolgen aufgrund der Nervverletzungen für den Kläger bereits absehbar ist. Es kann nicht ausge­schlos­sen werden, dass dem Kläger künftig noch ersatzfähige Nachteile daraus ent­stehen, für die die Beklagte einzustehen hat. Neben dem immateriellen Schaden schuldet die Beklagte ferner Ersatz der aus den Nervverletzungen möglicherweise resultierenden künftigen materiellen Schäden. Hingegen ist dafür, dass in der Vergangenheit weitere materielle Schäden als die hier geltend gemachten entstanden sind, und die Beklagte dafür ersatzpflichtig wäre, nichts ersichtlich. Soweit das Feststellungsbegehren vergangene materielle und immaterielle Schäden erfasst, war der Antrag daher abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 82.970,22 € (wie I. Instanz)






OLG Köln:
Urteil v. 23.04.2012
Az: 5 U 144/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c42fbf5f9919/OLG-Koeln_Urteil_vom_23-April-2012_Az_5-U-144-08




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