Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2008
Aktenzeichen: 5 W (pat) 425/07

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2008, Az.: 5 W (pat) 425/07)

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 15. März 2002 als Abzweigung der europäischen Patentanmeldung EP 1 381 352 angemeldeten, die US-Priorität 2001 0276837 vom 16. März 2001 in Anspruch nehmenden und am 25. November 2004 unter der Bezeichnung

"Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl"

mit 26 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 202 20 982.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:

"1. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, umfassend:

(a) eine Trägerlage (b) einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei zumindest die die Haut berührende Fläche des Vorrates klebrig ist und der Vorrat eine einphasige Polymerzusammensetzung frei von ungelösten Bestandteilen mit einem Anteil an Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben umfaßt, welcher ausreicht, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten."

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen eingetragenen Ansprüche 2 bis 26 wird auf die Gebrauchsmusterschrift verwiesen.

Die Antragstellerinnen zu I und II haben mit den Schriftsätzen vom 16. März 2005 die teilweise Löschung (Antragstellerin I) bzw. mit Schriftsatz vom 21. November 2005 die vollständige Löschung (Antragstellerin II) des Gebrauchsmusters beantragt und diese Anträge auf den Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG gestützt. Sie haben insbesondere die Auffassung vertreten, das Gebrauchsmuster sei weder neu noch beruhe es auf einem erfinderischen Schritt.

Im patentamtlichen Löschungsverfahren haben die Antragstellerinnen u. a. auf folgende Druckschriften hingewiesen:

(D2) DE 35 32 339 A1

(D9) EP 0 622 075 A1

(D11) US 3 886 126 Im Lauf des patentamtlichen Löschungsverfahrens hat die Antragsgegnerin auf folgende Druckschriften hingewiesen:

(D14) Produktliste National Starch & Chemical "DURO-TAK¨ Transdermal Grade Pressure Sensitive Adhesive", 2002

(D16) WO 00/41538 A2, Titelseite sowie Seiten 11 und 12 Zunächst mit Schriftsatz vom 6. Juli 2005, dann mit Schriftsatz vom 21. November 2005 hat die Antragsgegnerin neue Schutzansprüche eingereicht (Hauptantrag mit Schutzansprüchen 1 bis 22); weitere Schutzansprüche 1 bis 13 sind mit Schriftsatz vom 20. April 2006 (Hauptantrag) eingegangen, zu dem wurden mit Schriftsatz vom 13. Februar 2007 die Hilfsanträge I und II mit den Schutzansprüchen 1 bis 13 vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am 6. März 2007 hat die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster gemäß Hauptantrag mit den Schutzansprüchen 1 bis 13 in der Fassung vom 20. April 2006 und mit den Hilfsanträgen I und II, jeweils in der Fassung vom 13. Februar 2007, verteidigt.

Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag aus der mündlichen Verhandlung lautet:

"1. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, bestehend aus:

(a) einer Trägerlage, und

(b) einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei aus 1) einem einphasigen Polyacrylat-Klebstoff aus einem Copolymer oder Terpolymer der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 2) aus einem vollständig gelösten Anteil an Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht."

In den Schutzansprüchen 1 nach den Hilfsanträgen I und II ist jeweils die Komponente "Methylacrylat" durch "Alkylacrylat" ersetzt; zusätzlich sind in Schutzanspruch 1 von Hilfsantrag II im Merkmal b2) noch die Worte "vollständig gelösten" gestrichen. Wegen des Wortlauts der jeweils abhängigen Schutzansprüche 2 bis 11 als auch der jeweils nebengeordneten Ansprüche 12 und 13 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die Gebrauchsmusterabteilung I hat mit Beschluss vom 6. März 2007 die Löschung des Gebrauchsmusters angeordnet. Sie hat das Gebrauchsmuster nach Haupt- und Hilfsanträgen I und II nicht für schutzfähig gehalten und ihre Entscheidung an erster Stelle mit den Entgegenhaltungen (D9) und (D11) begründet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie hat am 27. August 2007 einen Schriftsatz mit neuen Schutzansprüchen 1 bis 13 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II vorgelegt. Die Schutzansprüche gemäß Hauptantrag lauten:

"1. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, bestehend aus:

(a) einer Trägerlage, und

(b) einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus 1) einem einphasigen Polyacrylat-Klebstoff aus einem Copolymer oder Terpolymer der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Alkylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 2) einem Anteil an Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht.

2. Pflaster nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Polyacrylat-Klebstoff Polyacrylat der Firma National Starch mit der Erzeugnisnummer 87-2510 ist.

3. Pflaster nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt oder nicht vernetzt ist.

4. Pflaster nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Polyacrylat-Klebstoff ein Molekulargewicht, ausgedrückt als Gewichtsdurchschnitt (MW), vor der Durchführung jeglicher Vernetzungsreaktionen im Bereich von 25.000 bis 100.000, vorzugsweise von 50.000 bis etwa 3.000.0000 und insbesondere von 100.000 bis 1.000.000 aufweist.

5. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Vorrat eine Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe von 3 Masse-% bis 15 Masse-%, bevorzugt 5 Masse-% bis 12 Masse-% aufweist.

6. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß es einen stationären Wirkstofffluß von 1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h aufweist.

7. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß es Fentanyl enthält.

8. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß es Alfentanil, Lofentanil, Remifentanil oder Sufentanil als einen Fentanyl-Analogstoff enthält.

9. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß es weiterhin eine abziehbare Schutzfolie umfaßt.

10. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Vorrat eine Dicke von 0,0125 mm (0,5 Tausendstel Zoll) bis 0,1 mm (4 Tausendstel Zoll) umfaßt.

11. Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Trägerlage aus einem Polyurethan, Polyvinylacetat, Polyvinylidenchlorid, Polyethylen, Polyethylenterephthalat (PET), PET-Polyolefin-Laminat oder einem Polybutylenterephthalat-Polymer besteht.

12. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl durch die Haut, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, bestehend aus:

(a) einer Trägerlage,

(b) einer abziehbaren Schutzfolie, und (c) einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus 1) einem einphasigen vernetzten Polyacrylat-Klebstoff aus einem Terpolymer der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Alkylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 2) einem Anteil an Fentanyl von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht, und wobei das Pflaster einen stationären Wirkstofffluß von Fentanyl von 1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h aufweist.

13. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl durch die Haut, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, bestehend aus:

(a) einer Trägerlage,

(b) einer abziehbaren Schutzfolie, und (c) einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus 1) einem einphasigen vernetzten Polyacrylat-Klebstoff der Firma National Starch mit der Erzeugnisnummer 87-2510 ist und 2) einem Anteil an Fentanyl von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht, und wobei das Pflaster einen stationären Wirkstofffluß von Fentanyl von 1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h aufweist."

In der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren am 17. Juli 2008 hat die Antragsgegnerin weitere Schutzansprüche 1 bis 12 in der Fassung der Hilfsanträge III und IV und die Schutzansprüche 1 bis 13 in der Fassung der Hilfsanträge V und VI vorgelegt.

Wegen des Wortlauts aller Schutzansprüche der Hilfsanträge I bis VI wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Zur Ergänzung ihres Vorbringens hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung u. a. noch folgende Druckschriften vorgelegt:

(D31) Tan H.S. and Pfister W.R., Pressuresensitive adhesives for transdermal drug delivery systems, PSTT Vol. 2, No. 2 February 1999 und

(D32) EP 1 894 563 A1 Die Antragsgegnerin räumt ein, dass aus dem umfangreich zitierten Stand der Technik, insbesondere aus der Entgegenhaltung D9, transdermale therapeutische Systeme (TTS) als solche hervorgingen, in denen Fentanyl oder seine Analogstoffe als Wirkstoffe zur Behandlung chronischer Schmerzen beschrieben seien. Sie hält aber für entscheidungserheblich, dass in der Entgegenhaltung D9 selbst lediglich allgemeine Angaben zu der für den Aufbau eines TTS zu verwendenden Polymermatrix enthalten seien. Die Druckschrift D9 nehme zwar hinsichtlich der möglichen Polymermatrices unter anderem Bezug auf die in Entgegenhaltung D11 aufgeführten Polyacrylate, der Fachmann, ein Polymerchemiker in der Pflasterherstellung mit Übersicht über die Acrylatherstellung und die relevanten Polyacrylate, wisse, dass an den bekannten Polyacrylaten zahlreiche Anpassungen vorgenommen werden müssten, um den jeweiligen Wirkstoff optimal verabreichen zu können. So müsse im vorliegenden Fall die Wechselwirkung des basisch reagierenden Fentanyls mit dem für die Herstellung eines TTS ausgewählten Polyacrylats ebenso berücksichtigt werden wie die Forderung einer über 3 Tage anhaltenden Schmerzfreiheit. In den Entgegenhaltungen D9 und D11 fehlten aber jegliche Hinweise auf diese Beeinflussung der Klebermasse durch den Wirkstoff. Die mögliche Folge einer solchen Wechselwirkung werde aber z. B. durch die gutachtlich genannte, nachveröffentlichte Druckschrift D32 bestätigt. Um eine weitere der angesprochenen "Stellschrauben" zu nennen, sei es zudem insbesondere erforderlich, die Klebekraft der Polymermatrix sorgfältig einzustellen, um die Aufnahme des Wirkstoffes durch die Haut über den vorgesehenen Behandlungszeitraum sicherzustellen. Hierzu bedürfe es einer gezielten Vernetzung der funktionellen Gruppen des Polyacrylats mit einer speziellen Titanverbindung, denn nicht jeder Vernetzer sei, wie aus dem Vergleich der Vernetzer in D11 ersichtlich, in beliebiger Konzentration zu diesem Zweck einsetzbar. In den Hilfsanträgen werde folglich die Bedeutung der Vernetzung hervorgehoben. Schon aus diesen Gründen sei es, ausgehend von den Entgegenhaltungen D9 und D11 und hier insbesondere angesichts der Bandbreite ihrer Offenbarung, allenfalls mittels einer expost-Betrachtung möglich gewesen, zum Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nach Haupt- und Hilfsanträgen zu gelangen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I aufzuheben und das Gebrauchsmuster DE 202 20 982 im Umfang des gestellten Hauptantrags, bzw. der Hilfsanträge I und II, ergänzt durch die in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge III bis VI, aufrechtzuerhalten.

Die Antragstellerin I beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält das Streitgebrauchsmuster in den jetzt verteidigten Fassungen nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis VI für nicht schutzfähig und hat u. a. noch auf

(D24) DE 195 27 925 A1 und

(D25) WO 00/74661 A2 hingewiesen. Sie ist der Auffassung, die Gegenstände des Streitgebrauchsmusters nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis VI seien schon deshalb nicht das Ergebnis einer expost-Betrachtung, weil sich die Druckschrift D9 bereits ausschließlich auf vernetzte Polyacrylatmatrices für die Herstellung wirkstoffhaltiger TTS beziehe, während das Streitgebrauchsmuster darüber hinaus auch andere bekannte Standardmaterialien als geeignetes Polymermaterial nenne. Auch aus dem Umstand, dass die Druckschrift D9 in der Auflistung der weiteren einzuarbeitenden Wirkstoffe Fentanyl an erster Stelle nenne, ergebe sich, dass die Offenbarung der D9 den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nahelege. Schließlich sei zu dem Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach die Verbesserung der Klebkraft der Polyacrylatmatrix des TTS nach dem Streitgebrauchsmuster durch einen speziellen Vernetzer von herausgehobener Bedeutung sei, wie dies in den Hilfsanträgen zum Ausdruck komme, dem Streitgebrauchsmuster nichts zu entnehmen, vielmehr gehe keines der Beispiele von einem vernetzten Polyacrylat als Matrixmaterial aus. Im Übrigen macht sie geltend, Hilfsantrag IV sei unzulässig, weil der Vernetzer Polybutyltitanat nicht ursprünglich offenbart sei.

Die Antragstellerin II beantragt ebenfalls, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Entgegenhaltung D11 bereits die Wirkung verschiedener Titansäureester als Vernetzer für Polyacrylate vergleiche.

Zum weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da der geltend gemachte Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) besteht. Die Löschungsanträge waren mithin begründet.

1. Die Antragstellerinnen I und II haben die Zulässigkeit der Schutzansprüche nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I und II in Abrede gestellt, weil mit der Vorlage der Schutzansprüche in der Fassung vom 21. November 2005 seitens der Antragsgegnerin eine explizite Einschränkung ihres ursprünglichen Widerspruchs vorgenommen worden sei, die nicht mehr habe rückgängig gemacht werden können. Die nun nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I und II verteidigten Fassungen wiesen aber sämtlich einen breiteren Schutzumfang auf als die Schutzansprüche vom 21. November 2005. Ferner sei die Zulässigkeit aller derjenigen Anspruchsfassungen nicht gegeben, in denen der Begriff "Alkylacrylat" durch "Methylacrylat" ersetzt sei, da die Komponente "Methylacrylat" nicht ursprünglich offenbart gewesen sei. Gleiches gelte für die Angabe eines "vollständig gelösten" Anteils an Fentanyl bzw. seiner Analogstoffe, da dieses Merkmal in den ursprünglichen Unterlagen lediglich im Zusammenhang mit den Wirkstoffen Fentanyl bzw. Sulfentanil in seiner basischen Form offenbart gewesen sei. Schließlich seien die Schutzansprüche 1 bis 13 nach Hilfsantrag IV unzulässig, da das als Vernetzer beanspruchte "Polybutyltitanat" den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen sei.

Den Bedenken der Antragstellerinnen hinsichtlich der mangelnden Offenbarung der Komponente "Methylacrylat" und "eines vollständig gelösten Anteils an Fentanyl" in den ursprünglichen Unterlagen vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Offenbarung ist schon durch den Hinweis auf das Produkt 87-2510 der National Starch & Chemical, welches ausweislich der Produktliste D14 23 % Methylacrylat als Monomer enthält, und durch die Angabe in den Unterlagen, wonach die einphasige Polymerzusammensetzung frei von ungelösten Bestandteilen ist, gegeben (vgl. D14: Zusammensetzung 87-2510, 2. Sp. von rechts i. V. m. der Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0050] bzw. Abs. [0018, 0019, 0032]). Die Produktliste D14 selbst ist zwar nachveröffentlicht, jedoch hat die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die vorveröffentlichte D16 selbst darauf hingewiesen, dass das Produkt 87-2510 der National Starch & Chemical in dieser Zusammensetzung bereits zuvor frei erhältlich war (Eingabe vom 13. Februar 2007, S. 6 Abs. 4 i. V. m. D16, S. 11/12 Brückenabs.). Darüber hinaus kann nach Überzeugung des Senats die Zulässigkeit der nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I und II verteidigten Schutzansprüche, als auch die Zulässigkeit der Schutzansprüche 1 bis 13 nach Hilfsantrag IV mit "Polybutyltitanat" als Vernetzer dahinstehen, da das Streitgebrauchsmuster jedenfalls aus den Gründen eines mangelnden erfinderischen Schrittes scheitert. Im Übrigen finden alle Schutzansprüche nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I bis VI in den eingetragenen Schutzansprüchen ihre Stütze und beruhen auch auf dem in den Anmeldeunterlagen als erfindungswesentlich Offenbarten, wobei die fehlerhaften Angaben für das Molekulargewicht in den Schutzansprüchen 4 des Hauptantrags, der Hilfsanträge I, II, V und VI bzw. der Ansprüche 3 in den Hilfsanträgen III und IV als Übertragungsfehler angesehen werden, da die Angaben nicht mit den ursprünglich offenbarten und eingetragenen Angaben übereinstimmen (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift Schutzansprüche 1 bis 3, 6 bis 8, 11, 13 bis 16 und 18 i. V. m. Abs. [0050, 0051, 0059]).

2. Dem Streitgebrauchsmuster liegt sinngemäß die Aufgabe zu Grunde, ein Matrix-Pflaster zu schaffen, bei dem der Wirkstoff Fentanyl und seine Analogstoffe wegen ihres engen therapeutischen Index sicher und wirksam über Perioden von mindestens 3 Tagen abgegeben werden können, wobei die Herstellung des Pflasters vereinfacht, seine Stabilität verbessert und ein komfortableres und patientenfreundlicheres Pflaster bereitgestellt werden soll, welches mit dem in seiner Abgaberate gesteuerten Flüssigkeitsvorrat-Depot-Transdermal-Fentanyl-Pflaster DURAGESIC¨ bioäquivalent sowie pharmakologisch äquivalent ist (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0011, 0012 und 0013]).

Gelöst werden soll die Aufgabe durch den Gegenstand des nach Hauptantrag verteidigten Schutzanspruchs 1 mit folgenden Merkmalen:

1. Transdermal-Pflaster 2. zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, 3. um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, 4. bestehend aus einer Trägerlage, und 5. einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei 6. der Vorrat aus einem einphasigen Polyacrylat-Klebstoff 7. aus einem Copolymer oder Terpolymer 8. der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Alkylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 9. einem Anteil an Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben 10. von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht.

3. Der maßgebende Fachmann ist ein Pharmazeut oder Chemiker mit praktischer Erfahrung und speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von Wirkstoffpflastern, der - bei Besonderheiten die eingesetzten Polymerkleber betreffend - gegebenenfalls auf die Spezialkenntnisse eines Polymerchemikers zurückgreift.

4. Die Neuheit der Gegenstände nach den Schutzansprüchen 1 gemäß Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I bis VI kann dahinstehen. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich, weil ihre Bereitstellung nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 GebrMG).

4.1. Das TTS nach den Schutzansprüchen 1 bis 13 des Hauptantrags beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Die Entgegenhaltung D9 kommt dem Streitgebrauchsmuster gemäß Schutzanspruch 1 des Hauptantrags am nächsten. Sie (D9) betrifft ein Transdermal-Pflaster mit einem Anteil an Fentanyl zum Verabreichen durch die Haut gemäß den Merkmalen 1, 2 und 9 der vorstehenden Merkmalsanalyse des Schutzanspruches. Das TTS besteht aus einer Trägerlage gemäß Merkmal 4 und einem auf der Trägerlage angeordneten Vorrat nach Merkmal 5 (Ansp. 1 und Ansp. 7 i. V. m. S. 5 Z. 20). Geeignete Polyacrylate sind nach den Angaben in der Entgegenhaltung D9 solche, wie sie in der US 3 886 126 (D11) beschrieben sind (S. 3 Z. 55 bis S. 4 Z. 14, insb. Z. 12). Nachdem die Entgegenhaltung D9 ausdrücklich auf die Lehre der Druckschrift D11 Bezug nimmt, ist deren Lehre als mit offenbart anzusehen (BGH GRUR 1980, 283 - Terephthalsäure). Bei den in den Beispielen 1 und 5 der D11 angegebenen Polyacrylaten handelt es sich um Terpolymere, deren Zusammensetzung aus den Bestandteilen 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und 2-Hydroxyethylacrylat den Merkmalen 7 und 8 entspricht, denn das "Methylacrylat" ist die erste Verbindung in der homologen Reihe der Alkylacrylate (Sp. 5 Tab. 1 Beispiele 1 und 5). Gemäß D9 weist das dortige TTS ferner einen Wirkstoffgehalt bevorzugt zwischen 0,5 bis 50 Gew.- % bezogen auf das Trockengewicht des Polyacrylatklebers auf (S. 5 Z. 22 bis 26). Die Dicke einer Schicht kann gemäß D9 zwischen 1 und 3 mil liegen (S. 6 Z. 23 bis 35 i. V. m. Beispielen 10 bis 20), wobei 1 mil 25 µm entspricht. Ein bevorzugter Wirkstoffgehalt von 0,5 bis 50 Gew.- % bedeutet somit bei einer angenommenen Dichte für das Polymer von 1 g/cm, dass der Anteil an Fentanyl in 1 cm mit 25 µm Dicke zwischen 0,0125 mg/cm und 1,25 mg/cm liegt. Damit ist auch das Merkmal 10 des Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt.

Das TTS gemäß Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag unterscheidet sich somit von dem aus D9/D11 bekannten TTS dadurch, dass in der Entgegenhaltung D9 keine Angaben darüber enthalten sind, wie lange die durch das TTS herbeigeführte Schmerzfreiheit beim Menschen andauern soll (Merkmal 3) und es wird auch nicht explizit erwähnt, ob eine "einphasige Polymerzusammensetzung" gemäß Merkmal 6 im Sinne der Definition des Streitgebrauchsmusters vorliegt (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0018]).

Die Unterschiede können nach Überzeugung des Senats zur Begründung des erfinderischen Schrittes jedoch nichts betragen.

Zum Einen geht die Antragstellerin bei der Stellung der Aufgabe, wie sie selbst ausführt, davon aus, ein TTS bereitstellen zu wollen, welches zu einem bekannten Depotpflaster, nämlich dem Flüssigkeitsvorrat-Depot-Transdermal-Fentanyl-Pflaster DURAGESIC¨ bioäquivalent sowie pharmakologisch äquivalent sein soll (vgl. Abs. II.2.). Dieses Pflaster ist nach den Angaben im Streitgebrauchsmuster zum Zeitpunkt seiner Anmeldung bereits zugelassen und verabreicht Fentanyl über 3 Tage (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0010]), so dass das Merkmal 3, wenn es denn nicht, wie die Antragstellerinnen I und II es vortragen, ein aufgabenhaftes oder funktionales Merkmal ist, sondern eine im Zusammenhang mit den in Rede stehenden transdermalen Wirkstoffpflastern bekannte und alleine schon aus Gründen der Praktikabilität bedingte Vorgabe, die zu erfüllen lediglich eine dem Routinekönnen des Fachmannes zuzurechnende Anpassung erfordert. Es ist weder aus der Streitgebrauchsmusterschrift ersichtlich, noch hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass das Erfüllen dieser im Allgemeinen mit solchen Systemen verbundenen Vorgabe (vgl. dazu z. B. auch die im Verfahren befindliche D25 = WO 00/74661 A2, S. 2, Abs. 3 i. V. m. S. 3/4 übergreifender Abs.) mit Schwierigkeiten, die das Können des Fachmannes übersteigen, verbunden gewesen sein könnte. Vielmehr musste der Fachmann dazu aus den ihm zur Verfügung stehenden handelsüblichen Klebern die dafür geeigneten auswählen. Eines erfinderischen Zutuns bedurfte es zum Erfüllen dieser Maßgabe daher nicht.

Unter einer "einphasigen Polymerzusammensetzung" versteht das Streitgebrauchsmuster eine Zusammensetzung, in welcher der Wirkstoff und alle anderen Bestandteile in einem Polymer gelöst sind und in Konzentrationen im Vorrat vorhanden sind, welche nicht größer und vorzugsweise kleiner sind als ihre Sättigungskonzentrationen, so dass über einen wesentlichen Anteil der Verabreichungszeit in der Zusammensetzung keine ungelösten Bestandteile vorliegen und alle Bestandteile in Kombination mit dem Polymer eine einzige Phase bilden (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0018]). Diese Bedingungen erfüllt auch das TTS nach der Entgegenhaltung D9/D11. Denn die Sättigungskonzentration des Wirkstoffs im Vorrat ist abhängig von der gewählten Polymermatrix. Jede Polymermatrix weist nämlich für jeden Wirkstoff eine definierte Sättigungslöslichkeit auf. Nachdem aber die Polymermatrix im Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag des Streitgebrauchsmusters und nach der Entgegenhaltung D9/D11, wie vorstehend ausgeführt, identisch sind und auch der Anteil an Wirkstoff gemäß Merkmal 10 sich mit den Konzentrationsangaben in D9/D11 überschneidet, ist auch beim TTS der Entgegenhaltung D9/D11 von einer einphasigen Polymerzusammensetzung auszugehen.

Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung zwar geltend gemacht, in D9/D11 fehlten Hinweise, wie die Polymermatrix und der Wirkstoff Fentanyl zusammenwirken. Welche Folgen das Zusammenwirken eines Wirkstoffvorrats an Fentanyl mit einer Polymermatrix gemäß D9/D11 jedoch haben könne, gehe aber aus der nachveröffentlichten Druckschrift D32 hervor, die die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zur Stützung ihres Vorbringens übergeben hat. Danach führe die Verwendung eines Klebers mit Hydroxyethylacrylat (Durotak 387-2510) in Gegenwart von Fentanyl zu einer Erweichung des Polymers, was unerwünscht sei (D32, Abs. [0012 und 0014]). Daher spiele auch die Vernetzung der Polyacrylate eine Rolle, wenn es darum gehe, transdermale Wirkstoffpflaster gemäß Schutzanspruch 1 bereitzustellen.

Weder die Gebrauchsmusterschrift, einschließlich der Beispiele, noch der Patentanspruch 1 und der rückbezogene Patentanspruch 3 lassen erkennen, dass die Vernetzung der Polymeren eine Maßnahme darstellt, deren Ergreifen zur Lösung der zu Grunde liegenden Aufgabe erforderlich ist. Vielmehr können danach sowohl unvernetzte als auch vernetzte Polyacrylat-Klebstoffe zur Anwendung kommen, um Wirkstoffpflaster mit den Streitgebrauchsmuster gemäß erwünschten Eigenschaften bereit zu stellen (vgl. auch Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0051]). Nachdem ferner für den klebrigen Vorrat in der Gebrauchsmusterschrift druckempfindliche Standard-Klebstoffe als geeignet beschrieben werden, beispielweise in diesem Zusammenhang auch auf ein Handbuch des Herausgebers D. Satas aus dem Jahr 1989 sowie eine Reihe handelsüblicher Acrylat-Klebstoffe verwiesen wird (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0049 und 0050]), und auch in Verbindung mit der gegebenenfalls erfolgenden Vernetzung der Acrylat-Polymeren auf bekannte Verfahren verwiesen wird (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0051]), kann dieser Einwand der Antragsgegnerin zu keiner anderen Beurteilung führen. Aus diesen konnte der Fachmann in Kenntnis der Lehre der Entgegenhaltung D9 nämlich diejenigen auswählen, die sich für seine Zwecke am geeignetsten erweisen. Dieses aber ist dem fachmännischen Können zuzurechnen, erfordert aber keine Überlegungen erfinderischer Art.

Des Weiteren hat die Antragsgegnerin eingewandt, die Entgegenhaltung D9/D11 enthalte allenfalls allgemeine Angaben zur Herstellung eines TTS mit dem Wirkstoff Fentanyl und sowohl der umfangreiche Stand der Technik als auch die Breite der Offenbarung in D9/D11 belege letztlich, dass zahlreiche "Stellschrauben" hätten betätigt werden müssen, um zum TTS nach Schutzanspruch 1 zu gelangen. Dies sei daher ausschließlich im Wege einer expost-Betrachtung möglich gewesen. Der Einwand kann jedoch schon deshalb nicht durchdringen, weil die Entgegenhaltung D9/D11, wie aufgezeigt, mit Ausnahme des Merkmals 3 alle Merkmale des TTS nach Schutzanspruch 1 bereits offenbart und die Gebrauchsmusterschrift selbst zur Herstellung des TTS auf Standardmethoden und -materialien verweist. Es ist daraus nicht ersichtlich, inwiefern besondere Maßnahmen ergriffen worden sein könnten oder der Fachmann abweichend von der Lehre des Standes der Technik vorgegangen wäre.

Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 11 werden von dem Löschungsausspruch zum Hauptantrag erfasst. Für diese Ansprüche ist ein eigenständiger schutzfähiger Gehalt nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht erkennbar. Die Gegenstände sind weitgehend aus D9/D11 bekannt bzw. übersteigen nicht das handwerkliche Können und das Fachwissen des Fachmannes und sind schon deshalb nicht schutzfähig (zum Ansp. 2: vgl. D11, Sp. 5 Tab. I Bsp. 5; zum Ansp. 3: vgl. D9, S. 4 Z. 10 bis 14 i. V. m. D11: Sp. 5 Z. 65 bis Sp. 6 Z. 18 i. V. m. Sp. 6 Z. 64 bis Sp. 7 Z. 31; zum Ansp. 4: vgl. D11, Sp. 3 Z. 49 bis 56; zu den Anspr. 6 bis 8: vgl. D2, Anspr. 4 und Tab. 1; zum Ansp. 9: vgl. D9, S. 5 Z. 32 bis 36).

Die Gegenstände der nebengeordneten Schutzansprüche 12 und 13 unterscheiden sich beide vom Gegenstand nach Schutzanspruch 1 durch die Angabe des stationären Wirkstoffflusses an Fentanyl, der 0,1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h beträgt; zusätzlich ist im Schutzanspruch 13 die Polymermatrix durch das Erzeugnis 87-2510 der Firma National Starch näher beschrieben, womit dann auch die quantitative Zusammensetzung des Polymers, i.e. 72 Gew.- % 2-Ethylhexylacrylat, 5 Gew.- % 2-Hydroxyethylacrylat und 23 Gew.- % Methylacrylat gemäß Produktinformation D14, angegeben ist.

Beide Merkmale können den erfinderischen Schritt jedoch ebenfalls nicht begründen. Der angegebene stationäre Wirkstofffluss entspricht den Erfahrungswerten, die dem Fachmann aus dem zu seinem Fachwissen zählenden Stand der Technik geläufig sind und die unabhängig von der Art der Klebemittelschicht ausreichen, um Analgesie zu erzielen.(vgl. D2, S. 7 Z. 21 bis S. 8 Z. 23 i. V. m. S. 10 Z. 33 bis S. 11 Z. 23). Auch stimmt die Polymerzusammensetzung des Erzeugnisses 87-2510 mit der des aus D9/D11 bekannten Polyacrylats, insbesondere der des Beispiels 5, weitgehend überein (vgl. D11, Sp. 5 Tab. I i. V. m. D14, 2. Sp. von rechts).

4.2. Auch die Gegenstände der Schutzansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I bis VI beruhen nicht auf einem erfinderischen Schritt, da der Fachmann aus dem Stand der Technik bereits Anregungen auf deren Ausgestaltung, wie nachfolgend ersichtlich, erhalten konnte.

Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass Merkmal 9 wie folgt lautet:

"einem vollständig gelösten Anteil an Fentanyloder an einem Analogstoff desselben"

Auch dieses Merkmal ist nicht das Ergebnis eines erfinderischen Schrittes.

Der Fachmann weiß, dass er mehr Wirkstoff im Vorrat eines TTS molekulardispers auflösen kann als der Sättigungslöslichkeit entspricht. Übersättigte Systeme lassen sich jedoch nur schwer in lagerstabiler Form herstellen, denn es kann eine zeitlich nicht vorhersehbare Rekristallisation des Wirkstoffes stattfinden, mit der ein Verlust der initialen therapeutischen Aktivität einhergehen kann (vgl. D25, S. 3 letzt. Abs. bis S. 4 Abs. 3). Da Fentanyl ein teurer Wirkstoff ist, wird er im Rahmen seines fachmännischen Handelns zwangsläufig darauf bedacht sein, den Wirkstoffgehalt therapeutisch so optimal auszunutzen, d. h. auf einen vollständig gelösten Anteil an Fentanyl in der Polymermatrix bedacht sein, damit der Wirkstofffluss die gewünschte Konstanz und das Pflaster nach Gebrauch nur noch einen geringen Rest an unverbrauchtem Wirkstoff aufweist.

In Schutzanspruch 1 von Hilfsantrag II ist im Unterschied zu Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags I im Merkmal 8 der Bestandteil "Alkylacrylat" durch "Methylacrylat" ersetzt. Ein Terpolymer mit Methylacrylat geht, wie zu Schutzanspruch 1 des Hauptantrags ausgeführt, bereits aus D9/D11 hervor, so dass diese Ausführungsform des streitbefangenen Gebrauchsmusters ebenfalls nicht das Ergebnis eines erfinderischen Schrittes ist.

Nach Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags III ist das TTS gegenüber dem nach Anspruch 1 des Hilfsantrags II weiter gekennzeichnet durch die am Ende des Merkmals 10 angefügte Bestimmung, wonach "der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist". Eine erfinderische Leistung ist in diesem Merkmal schon deshalb nicht zu sehen, weil die aus der Entgegenhaltung D9/D11 hervorgehenden Polymere bereits vernetzte Polyacrylat-Kleber darstellen (vgl. D9, Ansp. 1).

Das TTS gemäß Schutzanspruch 1 von Hilfsantrag IV ist gegenüber dem TTS nach Anspruch 1 des Hilfsantrag III "mittels Polybutyltitanat" vernetzt. Die Antragsgegnerin verteidigt das TTS nach Hilfsantrag IV mit dem Argument, es sei deshalb neu und erfinderisch, weil die Klebkraft der Polymermatrix sich optimal letztlich nur mittels eines speziellen Vernetzers, dem Polybutyltitanat, einstellen lasse und dieser ein weiterer Parameter sei, der das TTS vom Stand der Technik unterscheide, kann ihr nicht gefolgt werden. Zum Einen geht der Fachmann in D9/D11 bereits von vernetzten Polyacrylaten aus, zum Anderen konnte er dem Review D31, den die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat und der zum allgemeinen Fachwissen des Fachmannes zählt, entnehmen, dass neben anderen auch Polybutyltitanat ein geeigneter Vernetzer für Polyacrylate mit funktionellen Hydroxylgruppen, wie sie im streitbefangenen TTS vorliegen, ist (S. 66 li. Sp. letzt. Abs.). Diesen aus der dort genannten geringen Anzahl von für die im Schutzanspruch 1 definierten Polymeren ins Auge zu fassenden Vernetzern zur Bereitstellung der beanspruchten transdermalen Wirkstoffpflaster auszuwählen, bedurfte aber keines erfinderischen Zutuns, sondern ist gleichfalls dem fachmännischen Können zuzurechnen. Dieses trifft auch deshalb zu, weil der Gebrauchsmusterschrift an keiner Stelle Hinweise dahingehend zu entnehmen sind, dass gerade dieser Vernetzer einen Beitrag zur Lösung der zu Grunde liegenden Aufgabe leistet.

In Schutzanspruch 1 von Hilfsantrag V hat die Antragsgegnerin die Merkmale 3 und 6 bis 10 vorstehender Merkmalsanalyse wie folgt formuliert:

6. der Vorrat aus einem einphasigen vernetzten Polyacrylat-Klebstoff 7. aus einem Copolymer oder Terpolymer 8. der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat und - vollständig gelöstem Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben in einem Anteil besteht,

- um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten (entspricht Merkmal 3 der Merkmalsanalyse) und dass - über einen wesentlichen Anteil der Verabreichungszeit in dem Polyacrylat-Klebstoff keine ungelösten Bestandteile vorliegen.

Auf die Änderungen in den Merkmalen 6, Vernetzung, und 8, den Bestandteil "Methylacrylat" und das vollständig gelöste Fentanyl betreffend, wurde bereits im Zusammenhang mit der Beurteilung des TTS nach den Hilfsanträgen III und II bzw. I eingegangen, ebenso auf Merkmal 3, welches sich lediglich an anderer Stelle des Anspruchs findet. Sie können wie ausgeführt zur Begründung des erfinderischen Schrittes des Streitgebrauchsmusters keinen Beitrag leisten. Im Merkmal 8, letzter Spiegelstrich, stützt sich die Antragsgegnerin auf Absatz [0018] der Beschreibung und bringt mit dieser Zielsetzung zum Ausdruck, dass die Beladung der Polyacrylatmatrix mit Fentanyl oder dessen Analogstoffen im TTS nach Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags V an deren Sättigungslöslichkeitsgrenze erfolgt, bzw. nicht größer und vorzugsweise kleiner ist als ihre Sättigungskonzentration, um die Folgen einer Übersättigung zu vermeiden. Die Gefahr des Auftretens ungelöster Bestandteile durch Übersättigung der Polyacrylatmatrix mit dem Wirkstoff ungelösten Bestandteilen wird dadurch verringert. Auf dieses Problem weist - wie von der Antragstellerin I geltend gemacht - aber bereits die Druckschrift D25 hin, so dass das Einhalten dieser Beladungsgrenze für den Fachmann selbstverständlich ist (vgl. D25, S. 3 letzt. Abs. bis S. 4 Abs. 3).

Das TTS nach Anspruch 1 des Hilfsantrags V beruht daher ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Das TTS nach Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags VI unterscheidet sich von dem nach Hilfsantrag V noch dadurch, dass "der Polyacrylat-Klebstoff mittels Polybutyltitanat vernetzt wurde." Auch diese Ausführungsform beruht aus den gleichen Gründen - wie zum Anspruch 1 von Hilfsantrag IV ausgeführt - nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Die Gegenstände der jeweils rückbezogenen Schutzansprüche 2 bis 11 (Hilfsanträge I, II, V und VI) bzw. 2 bis 10 (Hilfsanträge III und IV) sind mit den rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 11 des Hauptantrags inhaltsgleich; für sie gelten die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen (II. 4.1.).

Ebenfalls nicht schutzfähig sind die Gegenstände der nebengeordneten Schutzansprüche 12 und 13 bzw. 11 und 12 der Hilfsanträge I bis VI. Sie unterscheiden sich vom Gegenstand des jeweiligen Schutzanspruches 1 der Hilfsanträge ebenfalls durch die Angabe des stationären Wirkstoffflusses an Fentanyl, der 0,1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h beträgt und durch die Charakterisierung der Polymermatrix durch die Erzeugnisnummer 87-2510 als Produkt der Firma National Starch. Sie fallen aus den gleichen Gründen, wie zum Hauptantrag ausgeführt, der Löschung anheim.

5. Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen gehen nicht über die Lehren der vorstehend abgehandelten Druckschriften hinaus, weshalb sich ein Eingehen darauf erübrigt.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG und i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

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BPatG:
Beschluss v. 17.07.2008
Az: 5 W (pat) 425/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c42b988717d1/BPatG_Beschluss_vom_17-Juli-2008_Az_5-W-pat-425-07




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