Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 264/02

(BPatG: Beschluss v. 08.12.2004, Az.: 29 W (pat) 264/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Business Case Routingsoll für die Dienstleistungen der Klasse 38: Entgegennehmen, Bereitstellen und Weiterleiten von Daten, Geschäftsvorgängen und Informationen über Telekommunikations- und/oder Datennetzen Klasse 42: Erstellen von Computer-Telephonie-Integration-Softwarein das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 13. August 2002 zurückgewiesen, da die angemeldete Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen eine nicht unterscheidungskräftige Angabe mit beschreibendem Sinngehalt sei. Der Gesamtbegriff "Business Case Routing" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres im Sinne einer geschäftlichen, "fallbezogenen Wegsteuerung" verstanden. Bezüglich der Dienstleistungen der Klasse 38 bedeute dies einen Hinweis darauf, dass je nach Einzelfall Daten entgegengenommen, bereitgestellt und zu einer bestimmten Stelle weitergeleitet würden. Die in Klasse 42 beanspruchte Dienstleistung könne die Erstellung von Software betreffen, mittels der Computer oder Telefone integriert würden und für Kunden je nach Einzelfall Datenpakete weitergeleitet werden könnten.

Mit ihrer gegen die Zurückweisung gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass das angemeldete Zeichen bei der maßgebenden Gesamtbetrachtung die erforderliche geringe Unterscheidungskraft aufweise und nicht freihaltebedürftig sei. Der Entscheidung der Markenstelle liege eine unzulässige zergliedernde Betrachtungsweise zu Grunde, indem sie von der angeblichen Schutzunfähigkeit der Bestandteile auf die Schutzunfähigkeit des Zeichens in seiner Gesamtheit geschlossen habe. Zutreffend sei zwar die Annahme, dass "Business" die Bedeutung "Geschäft, geschäftlich" habe und "Routing" im EDV-Bereich für die Ermittlung eines geeigneten Übertragungswegs für Datenpakete in einem Netzwerk stehe. Der Begriff "case" sei aber nur unvollständig gewürdigt worden. Er habe mehrere Bedeutungen. Auch sei die Aufspaltung des Zeichens in "case routing" einerseits und "business" andererseits einseitig. Insbesondere ergebe sich aus der Internetrecherche der Markenstelle nicht, dass "case routing" einen eindeutigen und beschreibenden Inhalt habe. Selbst wenn dies für Computerkreise unterstellt werde, führe dies nicht zur mangelnden Unterscheidungskraft. Die angesprochenen Verkehrskreise seien nämlich nicht andere Softwarehersteller, sondern der normale Geschäftsverkehr, dem die Computerfachsprache nicht geläufig sei und der in dem Zeichen daher einen Herkunftshinweis sehe.

Ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht, weil die angemeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit keinen beschreibenden Inhalt habe. Das Zeichen sei vielmehr vieldeutig und ohne Produktbezug.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. August 2002 aufzuheben.

An der auf ihren Antrag hin anberaumten mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nicht teilgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache erfolglos. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, außerdem besteht ein Freihaltebedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

1. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice, BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Kann einem Zeichen ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich auch sonst um eine verständliche Wortfolge der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (BGH GRUR 2001, 1153 antiKALK; BGH WRP 2001, 1082, 1083 - marktfrisch; BGH GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - schlechte Zeiten; BGH GRUR 2001 1042 - REICH UND SCHOEN; BGH BlfPMZ 2001, 398 - LOOK). Die Unterscheidungskraft ist dabei zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH MarkenR 2003, 187ff - Linde, Winward und Rado, Rn. 41; EuGH MarkenR 2004, 116 ff Rn. 50 - Waschmittelflasche).

Das Zeichen "Business Case Routing" besteht aus drei Wörtern der englischen Sprache. Der erste Bestandteil "Business" bedeutet "Geschäft" und gehört zum Grundwortschatz (vgl. Klett, Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 1999). Die insoweit von der Markenstelle zu Grunde gelegte Übersetzung stellt die Anmelderin ebenso wenig in Frage wie die von der Markenstelle durch zahlreiche Nachweise belegte Bedeutung von "Routing" im hier relevanten ITK-Sektor als "Ermittlung des geeigneten Übertragungswegs für ein Datenpaket in einem Netzwerk. Bezüglich des Bestandteils "case" gehören sowohl die Bedeutung "Koffer" [(suit)case] als auch "Fall" zum Grundwortschatz (vgl. Klett, Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 1999). Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin hat die Markenstelle diesen Begriff zu Recht nur mit "Fall" übersetzt und gewürdigt. Im Kontext der beanspruchten Dienstleistungen ergibt die Bedeutung "Koffer" nämlich keinerlei Sinn. Die Internetrecherche im parallelen Verfahren 29 W (pat) 263/02 zum Zeichen "Customer Case Routing" belegt vielmehr, dass die Wortverbindung "case routing" eine einzelfallbezogene Wegsteuerung von Datenpaketen meint. Insoweit wird auf die der Anmelderin im Verfahren 29 W (pat) 263/02 übersandten Rechercheunterlagen Bezug genommen (insbesondere auf. http://whitepapers.tmcnet Information an Web+Center; Customer Service Internet Banking Application Suite, insbes. S. 6; Microsoft Business Solutions CRM, insbes. S. 2 und 6; salesforce.com; Clientele IT Service Management). Die angemeldete Wortfolge bedeutet daher wörtlich "Geschäftswegsteuerung". Der Bestandteil "case routing" bleibt unübersetzt, da er sich im Bereich der EDV als Synonym für ein optimierte Datenweiterleitung eingebürgert hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass "Business Case" für sich genommen noch eine weitere Bedeutung hat, nämlich die eines Modells zur Beurteilung einer Investition, also eines "Geschäftsmodells" bei dem auch EDV unterstützend zum Einsatz kommt. Denn die vorliegend beanspruchten Dienstleistungen sind speziell auf Kundenbetreuung mittels elektronischer Medien zugeschnitten, so dass diese Bedeutung nicht ernsthaft in Betracht kommt und daher auch nicht zu einer Mehrdeutigkeit des Zeichens führt. Darüber hinaus ist es ausreichend, wenn ein Wortzeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet, um es von der Eintragung auszuschließen (EuGH GRUR Int. 2004, 410 - BIOMILD). So liegt der Fall hier. "Business Case Routing" bezeichnet schlagwortartig eine optimierte Weiterleitung der den jeweiligen Geschäftsfall betreffenden Daten an die dafür vorgesehene Stelle. In der EDV- oder Internet gestützten Kundenbetreuung ebenso wie in der Kundenbetreuung bei Call-Centern, bei der die Dienstleistungen der Anmelderin eine wesentliche Rolle spielen, ist der effektive Umgang mit den Danten eines bestimmten Geschäfts ein entscheidender Faktor. Wie im Parallelverfahren bereits angesprochen, werden Softwareprodukte angeboten, die über die Fähigkeit eines kundenbezogenen Case Routing verfügen. Im Bereich des Kundenbeziehungsmanagement bedeutet der Begriff "Case Routing" - auch ohne Zusatz - die Lenkung der Kundendaten, Synonym zu "case routing" wird bereits der Begriff "business routing" verwendet (www.sapinfo.net).

Das Zeichen wird von den angesprochenen Verkehrskreisen auch ohne weiteres im genannten schlagwortartigen verkürzten Sinn verstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss 29 W (pat) 263/02 verwiesen. "Business Case Routing" ist dementsprechend eine den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres verständliche sprachregelgerecht gebildete Abwandlung von "case routing" die im Gegensatz zu "Customer Case Routing" nicht den Kunden als Bezugsgröße, sondern den einzelnen Geschäftsvorfall in den Vordergrund stellt und betont. Das Zeichen weist auf den für den insoweit optimierten Datenfluss im Rahmen effektiver Kundenbetreuung hin und beschreibt somit die Art und die Zweckbestimmung für die Dienstleistungen des Entgegennehmens, Bereitstellens und Weiterleiten von Daten, Geschäftsvorgängen und Informationen über Telekommunikations- und/oder Datennetzen. Bezüglich des Erstellens von Computer-Telephonie-Integration-Software bezeichnet die Wortfolge die spezielle Ausrichtung der Programmierarbeiten. Die angemeldete Marke ist daher wegen ihres im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts nicht als individualisierender Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb geeignet und nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

2. Des weiteren unterliegt das angemeldete Zeichen dem Eintragungshindernis gem. § 8 Abs. 2 S. 2 MarkenG. Danach ist die Eintragung solcher Marken ausgeschlossen, die nur aus Angaben bestehen, die zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, wobei ausreichend ist, dass das Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH GRUR Int. 2004, 410 - BIOMILD). Dies ist, wie oben dargestellt, der Fall. Nachdem die Wortfolge "Customer Case Routing" bereits als sachbeschreibender Hinweis auf einen kundenfalloptimierten Datenfluss speziell für die Anforderungen von Call-Centern verwendet wird, wie im Parallelverfahren 29 W (pat) 263/02 ausgeführt (ComCenter CC Wissensmanagement für Call-Center - ww.itassys.com) und sich auch die Bezeichnung "Business Routing" für einen identischen Sinngehalt nachweisen lässt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die beschreibende Verwendung des einzutragenden Zeichens im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen noch erheblich an Bedeutung gewinnen wird (EuGH, GRUR Int. 2004, 410 - BIOMILD; EuGH, GRUR 2003, 58 - Companyline).

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BPatG:
Beschluss v. 08.12.2004
Az: 29 W (pat) 264/02


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