Kammergericht:
Urteil vom 14. Oktober 2003
Aktenzeichen: 5 U 149/03

(KG: Urteil v. 14.10.2003, Az.: 5 U 149/03)

Tenor

1.Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. März 2003 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 € 103. O. 197/02 € teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu werben, wenn und soweit dies wie folgt geschieht:

An dieser Stelle folgen im Original mehrere Zeitungskopien, die hier nicht abgebildet werden.

und/oder eine solchermaßen beworbene Verkaufsveranstaltung durchzuführen.

2.Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 1/6 und die Beklagte 5/6 zu tragen.3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Der Beklagten wird vorbehalten, die Vollstreckung hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro und hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Dem Kläger wird vorbehalten, die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4.Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren, insbesondere darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Beklagte warb in der "B Zeitung" vom 21. Juni 2002 auf Seite 5 mit einer ganzseitigen Anzeige, wie sie oben in Ziffer 1. des Tenors verkleinert wiedergegeben ist.

Bei der Durchführung der Aktion wurden vor dem Kaufhaus Rabatt-Coupons in großer Menge verteilt, auch an den Kassen lagen jeweils welche aus. Der Rabatt in Höhe von 20 % wurde tatsächlich sogar ohne Vorlage von Coupons gewährt. Die Kassen waren entsprechend programmiert, so dass 20 % bei jedem Artikel sofort abgezogen wurden.

Der Kläger hat der Anzeige die Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG sowie ein übertriebenes Anlocken und damit einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG entnommen. In der Art und Weise der Durchführung der angekündigten Verkaufsveranstaltung hat er € "vorsorglich" € auch einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PreisangabenVO und damit gegen § 1 UWG gesehen, da die angebotenen Waren € unstreitig € nicht mit dem um 20 % reduzierten Preis ausgezeichnet waren.

Hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung (Seite 3 € 5 des Urteils, AH Bl. 3 € 5 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die beworbene Verkaufsveranstaltung liege im Rahmen des regelmäßigen Geschäftsverkehrs. Die Aufhebung des Rabattgesetzes müsse bei der Bewertung, was als unzulässige Sonderveranstaltung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG anzusehen sei, berücksichtigt werden. Vergleichbare Verkaufsveranstaltungen seien inzwischen branchenüblich. In der Art und Weise der Durchführung der Verkaufsveranstaltung hat die Beklagte keine allgemeine Preisherabsetzung, sondern eine Rabattgewährung auf den normal gültigen Kaufpreis gesehen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Nach Rücknahme seiner weitergehenden Klageanträge in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt der Kläger,

die Beklagte wie in Ziffer 1. des Tenors erkannt zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist € im noch zu entscheidenden Umfang € begründet.

Der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der konkreten Verletzungshandlung folgt aus § 7 Abs. 1 UWG. Mit der streitgegenständlichen Anzeige bewirbt die Beklagte eine Sonderveranstaltung im Sinne dieser Vorschrift.

1.Die Beklagte hatte mit der Zeitungsanzeige am 21. Juni 2002 eine Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel angekündigt, die der Beschleunigung des Warenabsatzes diente und den Eindruck der Gewährung besonderer Kauf-Vorteile hervorrief. Dies folgt insbesondere aus der starken zeitlichen Befristung und den herausgestellten nicht unerheblichen Preisvorteilen.

2.Die beworbene Verkaufsveranstaltung lag auch außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs.a)Insoweit muss sie sich aus der Sicht des Verkehrs von den Verkaufsformen absetzen, die sonst für die betroffene Branche typisch sind (BGH, GRUR 1998, 1046, 1047 € Geburtstagswerbung III). Maßgebend insoweit sind die Art und Weise der Ankündigung, insbesondere die Intensität der Werbung und die Umstände der Durchführung des Verkaufs nach dessen Anlass, Umfang, Zeitdauer, Zeitpunkt (zum Beispiel Nähe zum Schlussverkauf) und Preisgestaltung (BGH, GRUR 1958, 395, 397 € Sonderveranstaltung I; GRUR 1962, 42, 44 € Sonderveranstaltung II; GRUR 1975, 491, 492 € Schräger Dienstag; GRUR 1980, 112, 113 € Sensationelle Preissenkungen; GRUR 1983, 184, 185 € Eine Fülle von Sonderangeboten; Köhler/Piper, UWG, § 7 Rdnr. 20). Außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs liegt eine Verkaufsveranstaltung bereits dann, wenn bei den angesprochenen Verkehrskreisen nach den Gesamtumständen trotz Branchenüblichkeit der Eindruck entsteht, dass die Aktion nicht mehr im Rahmen des Regelmäßigen liegt (BGH, GRUR 1980, 112, 113 € Sensationelle Preissenkungen). Auch wenn eine Rabattgewährung für Warengruppen an sich wettbewerbsrechtlich zulässig ist, begründet insbesondere ihre Verknüpfung mit einer kurzfristig anberaumten und auf einen kurzen Zeitraum bemessenen Verkaufsaktion die Annahme einer Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs. In der Regel wird der Verkehr gerade einer zeitlichen Begrenzung den Eindruck einer aus dem Rahmen des Üblichen fallenden Verkaufsaktion entnehmen (Köhler/Piper, a. a. O., § 7 Rdnr. 27).Ein Angebot ist zeitlich begrenzt, wenn es den Eindruck vermittelt, dass es sich bei ihm um eine besondere Gelegenheit handelt, die so eng befristet ist, dass ohne Rücksicht auf einen etwa bestehenden Bedarf sofort gekauft werden muss, um die Gelegenheit nicht zu versäumen (BGH, GRUR 1972, 125, 126 € Sonderveranstaltung III; Köhler/Piper, a. a. O., § 7 Rdnr. 8, 28, 38, 50 mit weiteren Nachweisen). Werden auch die Preisvorteile besonders herausgestellt, vertieft dies noch die Annahme einer außerordentlichen Aktion (vgl. BGH, Sonderveranstaltung III; Köhler/Piper, a. a. O., § 7 Rdnr. 29 mit weiteren Nachweisen).

b)Vorliegend ist die Werbung der Beklagten dadurch gekennzeichnet, dassaa)für fast das gesamte Angebot der Beklagtenbb)nicht geringe Rabatte (20 %)cc)für einen kurzen Zeitraum (zwei Tage)dd)kurzfristig (derselbe Tag und ein Tag später)in Aussicht gestellt werden, und zwar

ee)für einen umfangreichen Einkauf (20 Artikel)ff)unter werblich starker Hervorhebung der "20 %" Rabatt und eines "super-günstigen" Einkaufsgg)in einer großformatigen Werbeanzeige einer bedeutenden Tageszeitung.Damit werden nicht unerhebliche Preisvorteile (deutlich mehr als 5 bis 10 %) werblich stark hervorgehoben und die Kurzfristigkeit der Verkaufsveranstaltung begründet die nahe liegende Versuchung des Verbrauchers, ohne Rücksicht auf einen Bedarf zu kaufen, um diese Gelegenheit nicht zu versäumen. Eine dahingehende, die Verbrauchererwartung prägende Branchenübung ist € jedenfalls zur Zeit und für den Bereich der Warenhäuser € nicht feststellbar.

Insoweit entspricht es der Rechtsprechung des BGH, derartige Verkaufsaktionen als Sonderveranstaltung im Sinne des § 7 UWG zu werten (BGH, GRUR 1958, 395, 397 € Sonderveranstaltung I; GRUR 1981, 284, 286 € Pelz-Festival; WRP 2002, 1105; WRP 2003, 511, 513; ebenso auch OLG Köln, MD 2003, 362). Im Fall des OLG Hamm (Urteil vom 15. Mai 2002, 4 U 28/03) betrug der gewährte Rabatt nur die Hälfte (10 %) und er war auf einen Artikel geschränkt. Die vom OLG München aufrecht erhaltene Entscheidung des Landgerichts München vom 12. März 2003 (Anlage BE 1) betrifft nur eine Rabattgewährung in Höhe von 10 %/5 %, und das auch nur für einen längeren Zeitraum (zwei Wochen). Die vom OLG Hamm bestätigte Entscheidung des Landgerichts Bochum vom 23. Mai 2002 (Anlage BE 3) bezieht sich auf in den Geschäftsräumen verteilte Handzettel mit einer Rabattzusage von nur 5 %.

Der Gesetzgeber hat trotz des Wegfalls des Rabattgesetzes die Vorschriften zu den Sonderveranstaltungen bewusst aufrecht erhalten. Deshalb kann die Rechtsprechung des BGH insbesondere insoweit weiterhin als maßgeblich zugrunde gelegt werden, als dem Zeitmoment (Dauer der Aktion) eine besondere Bedeutung in der Abgrenzung zugewiesen wird.

c)Umstände für eine vernünftige, sachgerechte und deshalb billigenswerte Fortentwicklung der Branchenübung sind € gerade im Hinblick auf den großen Zeitdruck für den Verbraucher € nicht erkennbar (ebenso OLG Köln, MD 2003, 362).III.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen gemäß §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht € auf der Grundlage der gesicherten Rechtsprechung des BGH € auf den besonderen Umständen des Einzelfalles.






KG:
Urteil v. 14.10.2003
Az: 5 U 149/03


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