Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2010
Aktenzeichen: 7 W (pat) 4/06

(BPatG: Beschluss v. 19.05.2010, Az.: 7 W (pat) 4/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I.

Die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Brennkraftmaschine" ist am 27. Juni 1994 beim Deutschen Patentund Markenamt - unter Inanspruchnahme der Inneren Priorität vom 8. Juli 1993 aus der DE 43 22 779.1 -eingereicht und am 12. Januar 1995 als DE 44 22 327 A1 (Offenlegungsschrift) veröffentlicht worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse F01L des Deutschen Patentund Markenamtes hat die Patentanmeldung mit Beschluss vom 29. August 2005 gemäß § 48 PatG zurückgewiesen, da der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1, eingeg. am 12. Juli 2005, mangels einer erfinderischen Tätigkeit nicht patentfähig sei. Dazu hat sie im Beschluss die DE 42 02 506 A1 (D3) und die DE 40 27 630 C1 (D4) sowie die WO 92/14 919 A1 (D5) herangezogen und im Prüfungsverfahren außerdem die DE 30 14 005 A1 (D6) und US 4 996 954 (D7) genannt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie begründet die Beschwerde damit, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem genannten Stand der Technik neu sei sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Unterklasse F 01 L des Deutschen Patentund Markenamtes vom 29. August 2005 aufzuheben und das Patent 44 22 327 mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

-Neue Patentansprüche 1 und 5 laut Anlage zum Schriftsatz vom 5. Juli 2005 (Bl. 45 VA) -Patentansprüche 2 bis 4 laut Offenlegungsschrift -Beschreibung Spalte 1 laut Anlage zum Schriftsatz vom 21. Februar 2005 (Bl. 43/44 VA) -Beschreibung Spalten 2 bis 3 und Zeichnungen (Figuren 1 bis 3) laut Offenlegungsschrift.

Der geltende Anspruch 1 vom 5. Juli 2005 lautet: Brennkraftmaschine -mit einer Steuereinrichtung (11) für variabel antreibbare Hubventile (1), -insbesondere Ladungswechselventile, -in einem Ansaugsystem der Maschine,

-die von durch Nocken (6, 7, 8) eines Hubnockensystems (5) beaufschlagten Ventilstößeln (3) betätigbar sind,

- denen zur individuellen Einstellung der Öffnungscharakteristika (cmax, cmin) einzelner Hubventile (1) Signale der Steuereinrichtung (11) zugeführt werden,

-in der in einem Kennfeld vorgegebene Kombinationen der Öffnungscharakteristikain Abhängigkeit von über ein Sensorensystem (12, 13, 14) gemeldeten Betriebszuständen der Brennkraftmaschine gespeichert sind, dadurch gekennzeichnet,

-dass die Ventilstößel als Mehrfachstößel (3) ausgebildet sind, und -dass in dem Kennfeld den vorgegebenen Kombinationen von Öffnungscharakteristika jeweils Stellgrößen für ein Leistungsstellglied (16) der Brennkraftmaschine in der Weise zugeordnet sind,

-dass bei der Steuerung der Leistungsabgabe der Brennkraftmaschine allenfalls geringe Drosselverluste im Ansaugsystem auftreten.

In den rückbezogenen Ansprüchen 2 -5 sind weitere Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 angegeben.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 stellt keine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.

2.

Die Streitanmeldung betrifft eine Brennkraftmaschine mit variabel antreibbaren Hubventilen im Ansaugsystem und mit einer Steuereinrichtung zur individuellen Einstellung der Ventilhübe einzelner Ventile mittels der unterschiedlichen Stößel.

Fachmann dafür ist ein Dipl.-Ing. für Maschinenbau mit Universitätsabschluss, der einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen in der Entwicklung von Brennkraftmaschinen mit variablem Ventiltrieb und deren Steuerung hat.

Der Anmeldung liegt nach der geltenden Beschreibungseinleitung vom 21. Februar 2005, die die Sp. 1 der Offenlegungsschrift ersetzt, die Aufgabe zugrunde, eine gattungsgemäße Brennkraftmaschine so weiterzubilden, dass ihr Wirkungsgrad erhöht wird.

Die Lösung dieser Aufgabe soll durch den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 erfolgen, wobei ausgehend von der D3 die folgende, zwei Merkmalsgruppen umfassende Merkmalsgliederung in der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt worden ist:

Brennkraftmaschine V) mit variabel antreibbaren Hubventilen (1), V1) insbesondere Ladungswechselventile, V2) in einem Ansaugsystem der Maschine, V3) die Hubventile (1) sind von durch Nocken (6, 7, 8) eines Hubnockensystems (5) beaufschlagten Ventilstößeln (3) betätigbar, V4) die Ventilstößel sind als Mehrfachstößel (3) ausgebildet, S) und mit einer Steuereinrichtung (11), S1) Signale der Steuereinrichtung (11) werden den Ventilstößeln (3) zur individuellen Einstellung der Öffnungscharakteristika (cmax, cmin) einzelner Hubventile zugeführt, S2) in der Steuereinrichtung (11) werden in einem Kennfeld vorgegebene Kombinationen der Öffnungscharakteristika gespeichert, S3) in Abhängigkeit von über ein Sensorensystem (12 / Drehzahl, 13 / Luftmenge, 14 / Temperatur) gemeldeten Betriebszuständen der Brennkraftmaschine, S4a) in dem Kennfeld sind den vorgegebenen Kombinationen von Öffnungscharakteristika jeweils Stellgrößen für ein Leistungsstellglied 16 / Drosselklappe) der Brennkraftmaschine in der Weise zugeordnet, S4b) dass bei der Steuerung der Leistungsabgabe der Brennkraftmaschine allenfalls geringe Drosselverluste im Ansaugsystem auftreten.

3. Der geltende Anspruch 1 kann als zulässig angesehen werden. Denn die gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 geänderten Merkmale im geltenden Anspruch 1 sind in der -mit den ursprünglichen Anmeldeunterlagen übereinstimmenden -Offenlegungsschrift (i. F.: OS) ausreichend offenbart. Im Einzelnen sind daraus das das "Ansaugsystem" betreffende Merkmal V2) in Sp. 1, Z. 59 und 62 i. V.m. Sp.2, Z.54, das die "Signale" betreffende Teilmerkmal im Merkmal S1) in Sp. 2, Z. 29 33, das die "Speicherung in einem Kennfeld" betreffende Merkmal S2) im Anspruch 5 sowie in Sp. 3, Z. 3 -7, das das "Sensorensystem" betreffende Merkmal S3) in Sp. 2, Z. 29 -33, das die "Stellgrößen für ein Leistungsstellglied" betreffende Merkmal S4a) im Anspruch 5 sowie in Sp. 2, Z. 35 -36, und Sp. 3, Z. 3 -7, und das die "Drosselverluste" betreffende Merkmal S4b) in Sp. 1, Z. 60 -68, und Sp. 3, Z. 7 -10, herleitbar.

4. Der geltende Anspruch 1 stellt auch eine ausreichende technische Lehre für den o. a. Fachmann dar, mit der er in der Lage ist, die beanspruchte Brennkraftmaschine auszuführen. Denn dieser Fachmann verfügt als sog. Motorenentwickler über das entsprechende Fachwissen, um aus den zum Teil allgemeinen oder sogar fehlenden Angaben im geltenden Anspruch 1 unter Zuhilfenahme derjenigen Beschreibungsteile und Figuren, die zur Lösung der geltenden Aufgabe der Wirkungsgradverbesserung beitragen, den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ausführen zu können. Diese ein hoch qualifiziertes Fachwissen erfordernden Merkmale im geltenden Anspruch 1 sind u. a.: Die Art der Brennkraftmaschine, da offengelassen ist: Ottooder Dieselverfahren, vgl. OS, Sp. 3, Z. 19 -24; 2-oder 4-Takt-Verfahren, Saugoder Ladermotor sowie minimale Zylinderzahl, die Funktion der Hubventile, da auch AGR-Ventile im Ansaugsystem wegen des fakultativen Begriffs "Ladungswechselventilen" oder Auslaßventile, vgl. OS, Sp. 3, Z. 15, möglich sind sowie die Art und Lage des Leistungsstellgliedes, da dies vorrangig beim Dieselmotor die Einspritzmenge ist, vgl. OS, Sp. 3, Z. 19, beim Ottomotor jedoch die Drosselklappe, vgl. OS, Anspruch 5, die zentral am Luftsammler oder einzeln vor jedem Einlassventil, vgl. OS, Sp. 2, Z. 54, angeordnet sein kann.

Dieser Motorenentwickler geht zum Verständnis der beanspruchten Brennkraftmaschine gemäß Fig. 3 der OS von einem 4-Zylinder-Motor aus, der nach dem Ottoverfahren arbeitet und zumindest 4 Einlassventile, individuell in 2 Stufen einstellbar, aufweist. Aufgrund der Quantitätsregelung beim Ottomotor sieht der Fachmann dann als Leistungsstellglied entsprechend der Fig. 1 eine zentrale Drosselklappe vor, wobei die Stellgrößen für die Drosselklappe nicht direkt vom Fahrpedal, sondern von der Steuereinrichtung abhängig von den dort gespeicherten, die motorischen Parameter sowie auch die Bewegungen des dazu notwendigen "drive by wire" - Fahrpedals berücksichtigenden Kennfeldern zugeordnet werden, um die gewünschten motorischen Zielgrößen zu erreichen.

5. 1. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 mag zwar neu sein, ist aber mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.

Aus der von der Anmelderin stammenden DE 42 02 506 A1 (D3), Sp. 1, Z. 57 bis Sp. 2, Z. 30, sowie Fig. 1 - 4 und 6 i. V. m. den jeweils zugehörigen Beschreibungsteilen, sind nämlich die Merkmale des geltenden Anspruchs 1, die den Ventiltrieb gemäß der Merkmalsgruppe V) betreffen, bekannt und diejenigen Merkmale, die die Steuereinrichtung gemäß der Merkmalsgruppe S) betreffen, für den o. a. Fachmann zumindest naheliegend.

Unstrittig sind alle Teile des variablen Ventiltriebs entsprechend der Merkmalsgruppe V) des geltenden Anspruchs 1 aus der D3 bekannt, wie auch der Hinweis in der Anmeldung selbst auf die D3 zeigt, s. OS, Sp. 2, Z. 23 -29. Insbesondere entnimmt der Fachmann der D3 auch ohne weiteres das kennzeichnende Merkmal V4) des geltenden Anspruchs 1, wonach "die Ventilstößel als Mehrfachstößel (3) ausgebildet sind", wie die zusammenwirkenden Ventilstößel 8 und 13 bzw. 34 und 40 zeigen, s. Sp. 1, Z. 65 bis Sp. 2, Z. 7; Sp. 3, Z.7 -8; Sp. 4, Z. 2 -3, i. V. m. den Fig. 1, 3 und 6.

Für den hier zuständigen Fachmann gibt die D3 i. V. m. seinem Fachwissen außerdem Hinweise auf die Maßnahmen der die Steuereinrichtung 11 betreffenden Merkmalsgruppe S) des geltenden Anspruchs 1. Das verfahrensgemäße Merkmal S1), wonach den Ventilstößeln zur individuellen Einstellung der Öffnungscharakteristika (cmax, cmin) einzelner Hubventile Signale der Steuereinrichtung 11 zugeführt werden, also die Hubventile individuell und somit unabhängig voneinander -in so vielen Ventilhubstufen wie unterschiedliche Ventilstößel bzw. Nocken vorgesehen sind -eingestellt werden können, liest der Fachmann in der D3 bei der Funktionsbeschreibung der Ausführungsbeispiele nach den Fig. 1, 3 und 6 zumindest mit. Denn die Ausführungsvariante für eine Mehrzahl von Hubventilen nach Fig. 5 i. V. m. Sp. 4, Z. 47 -55, zeigt ihm, dass sich diese aufwandsparende Variante für alle oder mehrere gleich zu betätigenden Hubventile empfiehlt. Dies bedeutet für den Fachmann im Umkehrschluss, dass ohne diese aufwandsparende Variante bei mehreren Hubventilen nach Fig. 5 dann bei den übrigen Varianten nach Fig. 1, 3 und 6 keine gleiche Betätigung bei mehreren Hubventilen erforderlich ist, also eine individuelle Einstellung einzelner Hubventile hinsichtlich der beiden angegebenen Ventilhübe, somit der Öffnungscharakteristika (cmax, cmin), möglich ist.

Daraus erschließt sich dem Fachmann ohne weiteres auch das weitere verfahrensgemäße Merkmal S2), wonach in der Steuereinrichtung 11 vorgegebene Kombinationen der Öffnungscharakteristika (cmax, cmin) in einem Kennfeld gespeichert werden, da diese Kombinationen ansonsten z. Bsp. bei einem Neustart der Brennkraftmaschine verloren wären. Dass der Fachmann diese individuellen Einstellungen der Ventilhübe einzelner Ventilhübe in einem Kennfeld speichert und dies dann in Abhängigkeit von über Sensoren für Drehzahl, Luftmenge und Temperaturen gemeldete Betriebszustände der Brennkraftmaschine gemäß Merkmal S3) vornimmt, stellt nur das routinemäßige Vorgehen des hier zuständigen Motorenentwicklers dar, das an sich keines druckschriftlichen Nachweises bedarf. Trotzdem wird hinsichtlich der Merkmale S1) bis S3) beispielhaft auf die - ebenfalls variabel antreibbare Gaswechselventile betreffende -DE 40 27 630 C1 (D4), Sp. 2, Z. 13 -24, als Nachweis für das übliche Wissen des Fachmannes hingewiesen, wonach für bestimmte Parameter des Betriebszustandes der Brennkraftmaschine, wie Drezahl, Last, Temperatur, in der Steuereinrichtung in Kennfeldern optimale Ventilhübe -individuell für jedes Gaswechselventil -gespeichert sind.

Schließlich stellen für den Motorenentwickler als hier zuständigen Fachmann auch die beiden zusammengehörigen kennzeichnenden Merkmale S4a) und S4b) des geltenden Anspruchs 1 nur in seinem routinemäßigen Handeln liegende Maßnahmen dar. Denn die Zuordnung in dem genannten Kennfeld von Stellgrößen für die Drosselklappe als Leistungsstellglied zu den Kombinationen von Ventilhüben als sog. Öffnungscharakteristika (cmax, cmin) einzelner Hubventile gemäß Merkmal S4a) ist für den o. a. Fachmann geradezu zwingend für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Brennkraftmaschine. Denn bei dem in Kap. 4. als vorauszusetzend beschriebenen Motor gemäß Fig. 3 der OS sind die Steuerung der Drosselklappe und die Wahl der Kombination der Öffnungscharakteristika, also der Ventilhübe der verschiedenen Einlassventile, selbstverständlich gemäß dem Merkmal S4a) im Kennfeld einander zugeordnet, also aufeinander abgestimmt und nicht dem Zufall überlassen.

Auch die vermeintliche Präzisierung dieser Zuordnung im Merkmal S4b), trägt nichts dazu bei, dass der Fachmann mehr als sein routinemäßiges Handeln einbringen müsste, um bei einer Brennkraftmaschine mit variablem Ventiltrieb zur Steuerung nach dem geltenden Anspruch 1 zu gelangen. Denn das Merkmal S4b), wonach durch die Zuordnung nach Merkmal S4a) bei der Leistungssteuerung der Brennkraftmaschine geringe Drosselverluste im Ansaugsystem auftreten sollen, also im realen Motorprozess, dargestellt im pv-Diagramm, eine geringe Fläche der Ladungswechselschleife gleichbedeutend mit geringer Verlustarbeit angestrebt wird, liegt stets im Bestreben des Motorenentwicklers. Im Übrigen stellt das Merkmal S4b) nur eine auf die Steuerung der Ladungswechselventile eines quantitätsgeregelten Ottomotor abgestimmte Abwandlung der geltenden Aufgabe dar, den Wirkungsgrad zu verbessern.

Aus diesen Gründen gelangt der hier zuständige Fachmann ohne erfinderisches Zutun zur Brennkraftmaschine des geltenden Anspruchs 1, insbesondere mit einer Steuereinrichtung, in der in einem Kennfeld den vorgegebenen Kombinationen von Öffnungscharakteristika jeweils die Stellgrößen für die Drosselkappe als Leistungsstellglied zugeordnet sind.

Der Einwand des Vertreters der Anmelderin, dass in keiner der im Verfahren genannten Druckschriften ein Hinweis auf diese Zuordnung nach Merkmal S4a) zu finden sei, mag zutreffen. Aber gerade im vorliegenden Fall, in dem der Fachmann schon zum Nachvollziehen einer technischen Lehre der Merkmale des geltenden Anspruchs 1 hoch qualifiziert sein muss, bedarf nicht jede Maßnahme, die dieser Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne erfinderisches Zutuns ausführt, eines druckschriftlichen Nachweises. Abgesehen davon wäre zumindest in denjenigen im Verfahren genannten Druckschriften, wie in der von der Anmelderin genannten EP 0 535 275 A1 (D1) sowie in der DE 40 27 630 C1 (D4) und der DE 30 14 005 A1 (D6), die einen vollvariablen Ventiltrieb für die Ladungswechselventile zeigen, ein Hinweis auf die Zuordnung zwischen den möglichen Einlassventilhüben und der Drosselklappe als Leistungsstellglied unzutreffend, da bei einem vollvariablen Ventiltrieb die verstellbaren Einlassventile selbst das Leistungsstellglied darstellen und somit die Drosselklappe - zumindest als Leistungsstellglied - entfällt, also die beanspruchte Zuordnung nicht nötig ist. Bei den übrigen genannten Druckschriften liegen offensichtlich die Schwerpunkte nicht in den Maßnahmen der steuerungstechnischen Zuordnung zwischen Ventilhubeinstellung und dem Leistungsstellglied wie beim nun beanspruchten Gegenstand.

Der weitere Einwand des Vertreters der Anmelderin, dass für die Steuerung gemäß Merkmal S4a) des geltenden Anspruchs 1 eine Zuordnung der Stellgrößen für das Leistungsstellglied zu den vorgegebenen Kombinationen von Öffnungscharakteristika im gleichen Kennfeld wie die Kombinationen der Öffnungscharakteristika gemäß Merkmal S2) selbst erfolge, also nur ein einziges Kennfeld dafür erforderlich sei, überzeugt nicht. Denn abgesehen davon, dass die Zulässigkeit dieser Auslegung der -Kennfelder betreffenden -Merkmale S2) und S4a) aufgrund der ursprünglichen Offenbarung im Anspruch 5 und Sp. 3, Z. 4, der OS, wonach nicht unbedingt von einem einzigen Kennfeld ausgegangen zu werden braucht, kritisch ist, stellt es ebenfalls nur eine nichterfinderische, im Belieben des Fachmannes liegende Maßnahme dar, welche Anzahl an Kennfeldern, welche Daten pro Kennfeld und welche Vernetzung von Kennfeldern er in der Steuereinrichtung vorsieht.

Der Vertreter der Anmelderin wendet ferner ein, dass die zeitliche Reihenfolge im Kennfeld für die Zuordnung der Stellgrößen für die Drosselklappe zu den Kombinationen von Öffnungscharakteristika das Erfindungswesentliche des geltenden Anspruchs 1 sei. Auch dieser Einwand überzeugt nicht, da die Erstellung des Kennfelds in der Steuereinrichtung vom Fachmann lediglich die Entscheidung zwischen den beiden folgenden Möglichkeiten erfordert:

Entweder hat - in üblicher Weise -die Stellgröße für den Drosselklappen-Stellmotor in Abhängigkeit von der Leistungsanforderung über das Fahrpedal und die Motorparameter den Vorrang, ist also variabel. Dann gibt der Fachmann die Kombinationen für die Ventilhübe der einzelnen Ventile selbstverständlich im Kennfeld in der Weise vor, dass im jeweiligen Motorbetriebspunkt möglichst viele der Einlassventile den kleineren Ventilhub von der Steuereinrichtung für die Ventilstößel vorgegeben bekommen. Damit wird die Drosselklappe für geringe Drosselverluste im jeweiligen Motorbetriebspunkt möglichst offen gehalten, was im Übrigen dann auch den Aufwand für den variablen Ventiltrieb rechtfertigt.

Oder der Fachmann entscheidet sich für die andere der beiden Möglichkeiten, gibt also der Variabilität der Hubeinstellung der einzelnen Einlassventile den Vorrang. Dies bedeutet, dass die Leistungssteuerung zunächst mit der Änderung der Ventilhübe erreicht wird und das Stellglied für die Drosselklappe so lange nicht mitverstellt wird, der Drosselklappenwinkel also solange konstant bleibt, bis die Möglichkeiten der Leistungssteuerung durch die variable individuelle Einstellung der Öffnungscharakteristika erschöpft sind. Dies führt jedoch immer zur -die Driveability der Brennkraftmaschine mehr oder weniger störenden -stufenweisen Leistungsabgabe statt zu einer kontinuierlichen Änderung der Leistungsabgabe bei stufenlos verstellbarer Drosselklappe. Für den Fachmann ist im Fall des Vorrangs der Leistungssteuerung durch die Ventilhubeinstellungen ohne weiteres ersichtlich, dass dies bei einem oder zwei Einlassventilen mit nur zwei unterschiedlichen Ventilhüben nur eine ungünstige eingeschränkt variable Leistungssteuerung zulässt. Im anderen Fall ist jedoch bei vielen Einlassventilen mit mehreren unterschiedlichen Ventilhüben (bei Mehrfachstößeln) bei bestimmten, vom Lastenheft vorgegebenen Motorkonstellationen eine ggf. ausreichende Leistungssteuerung über die variabelen Ventilhübe möglich -allerdings nur bis zu demjenigen Betriebspunkt, in dem alle Einlassventile den kleinen bzw. kleinsten Ventilhub aufweisen (OS, Fig. 3, untere Zeile). Denn bei noch weiter zu reduzierender Leistungsabgabe ist dies nur mittels einer stufenlos verstellbarer Drosselklappe möglich oder mittels - mit dem in der Anmeldung beschriebenen variablen Ventiltrieb nicht möglichen -stufenlos verstellbarem Ventilhub zwischen geschlossenem und voll geöffnetem Einlassventil.

Je nach den Erfordernissen wählt demnach der Fachmann ohne Weiteres die ihm günstiger erscheinende der beiden Möglichkeiten der Zuordnung zwischen den Stellgliedern für die Drosselklappe oder für die Ventilstößel.

Außerdem wendet der Vertreter der Anmelderin noch ein, dass der geringere der beiden Ventilhübe nach den Fig. 2 und 3 insbesondere zur Erzeugung einer sog. Quetschkante beim Eintritt der Ladung in den Brennraum diene. Das mag zutreffend und vorteilhaft sein für die Erhöhung der Einströmgeschwindigkeit und für die Verwirbelung der Ladung, dient aber eher der Verbesserung der Schadstoffemissionen, aber nicht der Verringerung der Drosselverluste nach Merkmal S4b), trägt also ebenfalls nichts zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 bei.

5. 2. Die rückbezogenen Ansprüche fallen mit dem geltenden Anspruch 1, da sie nur Weiterbildungen seines Gegenstandes ohne eigenen erfinderischen Gehalt kennzeichnen, der auch nicht geltend gemacht worden ist.

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BPatG:
Beschluss v. 19.05.2010
Az: 7 W (pat) 4/06


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