Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. Januar 2009
Aktenzeichen: 7 O 23/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 13.01.2009, Az.: 7 O 23/08)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm durch den Kauf und späteren Wiederverkauf von Aktien der Beklagten zu 1) entstanden ist.

Die Beklagte zu 1) ist ein Kreditinstitut in Form einer Aktiengesellschaft, deren Kunden hauptsächlich mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe sind. Der Beklagte zu 2) war von 2004 bis einschließlich zum 30.07.2007 Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 1).

Seit 2001 gründete die Beklagte zu 1) eine Reihe von Zweckgesellschaften, die in einem Verbund, dem "Rhineland Funding Capital Corporation Conduit", kurz GG, zusammengefasst waren. Einen Großteil seiner Erträge erwirtschaftete das GG durch Investments in verbriefte internationale Forderungsportfolien, welche auch Forderungen aus dem US-Hypothekenmarkt beinhalteten. Zur Refinanzierung des Erwerbs der Forderungsportfolien gab das Conduit seinerseits sogenannte "Asset-Backed Commercial Papers" (HH) heraus, welche am Kapitalmarkt platziert und gehandelt wurden.

Die Beklagte zu 1) beteiligte sich an diesem Geschäften, indem sie den Zweckgesellschaften Liquiditätslinien zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen zur Verfügung stellte.

Im Geschäftsjahr ......#/......erzielte die Beklagte zu 1) ein operatives Ergebnis von 263 Mio. € gegenüber 232,5 Mio. € im Jahr zuvor.

Ende Juni 2007 wurde der Beklagte zu 2) im "Handelsblatt" (Ausgabe 29./30. Juni / 1. Juli) dahingehend zitiert, dass die Beklagte zu 1), die üblicherweise sehr konservativ mit Prognosen sei, ihre Ertragserwartungen erneut heraufgesetzt habe. Wegen der Einzelheiten des Artikels wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.

Anfang Juli 2007 geriet der Kurs der Aktie der Beklagten zu 1) im Zuge der US-Immobilienkrise unter Druck. F kam zu einem Kursverfall, der seit dem 09.07.2007 beständig anhielt. Ab dem 25.07.2007 stürzte der Aktienkurs regelrecht ab.

Am 20.07.2007 veröffentlichte die Beklagte zu 1) ihr vorläufiges Quartalsergebnis (1. April - 30. Juni) in Form einer Pressemitteilung. Darin bestätigte sie die Erwartungen eines operativen Jahresergebnisses von 280 Millionen € und erklärte, dass insoweit die Unsicherheiten am US-Hypothekenmarkt "praktisch keine Auswirkungen" haben würden. Die Veröffentlichung des vollständigen Quartalsberichts kündigte sie für den 14.08.2007 an. Wegen des genauen Inhalts der Pressemitteilung wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.

Ende Juli brach der Markt für HH infolge der Probleme auf dem US-Hypothekenmarkt vollständig zusammen. Das GG konnte daraufhin seine Geschäfte mit den verbrieften Forderungsportfolien nicht refinanzieren, so dass die Beklagte zu 1) aus den Liquiditätslinien, die sie zugunsten der GG vergeben hatte, in Anspruch genommen wurde.

Um ihrerseits eine Refinanzierung sicher zu stellen, wandte sich die Beklagte zu 1) an einen ihrer wichtigen und langjährigen Geschäftspartner. Dieser lehnte jedoch die Einräumung der Handelslinie am 27.07.2007, einem Freitag, ab. Die Beklagte zu 1) war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der M, sich selbst uneingeschränkt zu refinanzieren.

Nach einer Krisensitzung am Wochenende des 28. und 29.07.2007 veröffentlichte die Beklagte zu 1) am Montag, den 30.07.2007, um 1.49 Uhr eine Adhoc-Mitteilung (Anlage K 7) mit einer Gewinnwarnung. Sie teilte unter anderem mit, dass ihre Bonität in Frage gestellt sei, dass das prognostizierte Jahresergebnis deutlich niedriger als 280 Millionen € ausfallen werde und dass der Beklagte zu 2) aus dem Vorstand der Beklagten zu 1) ausgeschieden sei. Eine weitere Gewinnwarnung erfolgte durch die Adhoc-Mitteilung vom 02.08.2007 (Anlage K 8).

Der Kläger erwarb am 24.07.2007 von "K" 350 Stück Aktien der Beklagten zu 1) zu einem Kurs von 23,14 € und damit zu einem Gesamtpreis inklusive Nebenkosten in Höhe von 8.099,00 € (Anlage K 12). Er veräußerte diese Ende Dezember 2007 zu einem Stückpreis von 6,14 €. Den damit einhergehenden Verlust in Höhe von 5.950,00 € macht er als Schadensersatz gegen die Beklagten geltend.

Der Kläger behauptet: Dem Beklagten zu 2) seien schon bei der Veröffentlichung des Artikels im "Handelsblatt" Ende Juni 2007 die eingegangenen Risiken für die Beklagte zu 1) aus den Investitionen in den US-Immobilienmarkt bewusst gewesen. Trotzdem habe er in einer Aufsichtsratssitzung am 27.06.2007 wider besseres X auf Fragen von Aufsichtsratsmitgliedern nach den Risiken versichert, diese seien, sofern überhaupt vorhanden, unbedeutend. Der Inhalt der Pressemitteilung vom 20.07.2007 sei, was der Beklagte zu 2) gleichfalls gewusst habe, unzutreffend gewesen. Bereits 2005 sei in einer internen Studie der Beklagten zu 1) unter der Bezeichung "California Dreaming" vor einer Verschlechterung des amerikanischen Immobilienmarktes gewarnt worden. Die bewussten Falschinformationen durch den Beklagten zu 2), die der Beklagten zu 1) zuzurechnen seien, würden sowohl durch die letzte Hauptversammlungsrede des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten zu 1), Dr. I, vom 27.03.2008 (Anlage C 2) als auch durch einen Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom 08.10.2008 bestätigt.

Weiterhin behauptet der Kläger: Er habe sich vor dem Aktienerwerb mit Hilfe der Nachrichten der "FAZ" und den Internetseiten der "L", von "Cortal Consors" und von "O" über die Auswirkungen der Kreditkrise in den USA auf die Beklagte zu 1) informiert. Dort habe er in einer Nachricht mit dem Titel "IKB bestätigt Jahresprognose" von der Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 20.07.2007 erfahren. Diese Nachricht sowie die im "Handelsblatt" zitierte Äußerung des Beklagten zu 2) hätten seine Kaufentscheidung fundamentiert. Er sei zu diesem Zeitpunkt der festen Überzeugung gewesen, eine gute Investition mit einem begrenzten Risiko erworben zu haben. Hingegen hätte er von einem Investment abgesehen, wenn die Pressemitteilung vom 20.07.2007 oder die zitierten Erklärung des Beklagten zu 2) einen Hinweis auf die Höhe des potentiellen Risikos von mehreren Milliarden € im Zusammenhang mit der US-Immobiliendkrise enthalten hätte. Genauso hätte er sich verhalten, wenn die Beklagten, wie F ihre Pflicht gewesen wäre, vor dem 20.07.2007 eine korrekte Adhoc-Mitteilung veröffentlicht hätten. Vor der Investition in Aktien der Beklagten zu 1) habe er zumeist so genannte Discount-Zertifikate mit einer Restlaufzeit von bis zu drei Monaten erworben, die eine relativ gute Rendite versprächen und zusätzlich in der Regel zum Erwerbszeitpunkt in Geld stünden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 5.950,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht: Der Kläger habe die erforderliche Kausalität zwischen seiner Kaufentscheidung und den angeblich falschen - tatsächlich nach dem damaligen Kenntnisstand aber richtigen - Informationen nicht dargelegt. Vielmehr habe er bewusst trotz stark fallender Kurse in die Aktien der Beklagten zu 1) investiert und das Risiko eines weiteren Kursrückgangs in Kauf genommen.

Die Beklagten behaupten des Weiteren: Der völlige Zusammenbruch des HHH-Marktes und das daraus resultierende Scheitern einer Refinanzierung am Interbankenmarkt seien für sie vor dem 27.07.2007 nicht vorhersehbar gewesen. Im Einklang mit der gesamten Branche habe die Beklagte zu 1) das Risiko für sehr gering gehalten und auf hohe Ratings der zugrunde liegenden Forderungen geachtet. Etliche andere Bankhäuser, vor allem die amerikanische Citigroup, seien von der Krise massiv betroffen. Die streitigen Geschäfte seien seit dem Jahr 2001 unter Hinzuziehung externer Experten und in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), der Deutschen Bundesbank und dem Aufsichtsrat vorbereitet und durchgeführt worden. Über die Umsetzung der festgelegten Strategie für das Segment Verbriefung sei regelmäßig, korrekt und in notwendigem und angemessenem Umfang intern und extern berichtet worden. Dies ergebe sich aus den Geschäftsberichten. Die Beklagte zu 1) habe den US-Hypothekenmarkt regelmäßig untersuchen lassen und nach der kritischen Bewertung im Jahre 2005 unter Berücksichtigung der internen Studie "California Dreaming" nur noch in qualitativ höherwertige Papiere investiert.

In der Zeit, in der der Beklagte zu 2) Vorstandsvorsitzender gewesen sei, sei die bereits bestehende Geschäftspolitik bei der Beklagten zu 1) fortgesetzt worden. Der Beklagte zu 2) habe sich in jeder Hinsicht korrekt und pflichtgemäß verhalten.

Die herausgegebenen Presseinformationen seien korrekt gewesen. Überprüfungen am 11.07. und am 19.07.2007 hätten bei den Beklagten zu der Einschätzung geführt, dass die Beklagte zu 1) von den Veränderungen nur sehr geringfügig betroffen sei. Trotz extrem hoher Handelsumsätze sei aber der Aktienkurs gesunken. Deshalb habe man sich nach umfassender interner Beratung zu der Pressemitteilung vom 20.07.2007 entschlossen, um - nach damaliger eigener Ansicht - unzutreffende Gerüchte auszuräumen. Zwar sei ab Montag, dem 23.07.2007, der Aktienkurs weiter gefallen. Dies sei aber auch bei anderen Kreditinstituten der Fall gewesen, wenngleich weniger stark, was intern auf die leichte Überbewertung der Aktie der Beklagten zu 1) zurückgeführt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Beklagten haften dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf Ersatz desjenigen Schadens, den er durch den An- und späteren Verkauf der Aktien der Beklagten zu 1) erlitten hat.

I.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 826 BGB liegen nicht vor.

1.

Ein Anspruch des Klägers aus § 826 BGB scheitert daran, dass die Beklagten nicht vorsätzlich handelten.

In subjektiver Hinsicht erfordert § 826 BGB bedingten Vorsatz, das heißt, der Schädiger muss so leichtfertig gehandelt haben, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 826 Rn. 9). Ein derartig leichtfertiges Vorgehen kann den Beklagten, auch nach dem Vortrag des Klägers, nicht zur Last gelegt werden. Die Ausführungen des Klägers beschränken sich im Wesentlichen auf die allgemeine Behauptung, die Beklagten hätten bereits am 20.07.2007 gewusst, dass eine massive Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) aufgrund der an die GG gegebenen Liquiditätslinie unmittelbar bevorstehe und dass daher die Bonität der Beklagten zu 1) gefährdet sei. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass dem Kläger mangels Einblick in die internen Vorgänge bei der Beklagten zu 1) ein konkreterer Vortrag kaum möglich ist. Der den Beklagten aus diesem Grund in Bezug auf die Beweggründe für die im "Handelsblatt" zitierte Äußerung des Beklagten zu 2) und die Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 20.07.2007 obliegenden sekundären Darlegungslast sind diese hinreichend nachgekommen. So haben die Beklagten im Einzelnen nachvollziehbar vorgetragen, dass die finanzielle Krise der Beklagten zu 1) vor dem 27.07.2007 nicht erkennbar war. Hierzu führen die Beklagten aus, dass sie aufgrund interner Analysen vom 11. und 19.07.2007 zu dem Schluss gekommen seien, durch die US-Immobilienkrise lediglich in Höhe eines mittleren einstelligen Millionenbetrages betroffen zu sein, so dass sich die Beklagte zu 1) aus ihrer damaliger Sicht unproblematisch refinanzieren konnte. Ferner verweisen die Beklagten darauf, dass die Existenz bedrohende M bei der Beklagten zu 1) erst eingetreten ist, nachdem ein wichtiger und langjähriger Geschäftspartner der Beklagten zu 1) im Interbankenmarkt am 27.07.2007 überraschend seine Kreditlinie gekündigt hat, zur gleichen Zeit der HHH-Markt zusammengebrochen und dadurch eine Refinanzierung für die Beklagte zu 1) unmöglich geworden ist. Diese Umstände hat die Beklagte zu 1) am frühen Morgen des 30.07.2007 und damit im Hinblick auf das dazwischen liegende Wochenende unverzüglich veröffentlicht. Gründe für eine frühere Veröffentlichung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten zu 1) bestanden nicht.

Etwas Abweichendes ergibt sich - entgegen der Auffassung des Klägers - weder aus der Rede des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten zu 1) vor der Hauptversammlung am 27.03.2008 (Anlage C 2) noch aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes vom 08.10.2008. So heißt F etwa auf Seite 8 der Hauptversammlungsrede in Bezug auf die Aufsichtsratssitzung vom 27.06.2007, dass der Abschlussprüfer, die P, zum Risiko aus dem Engagement der Beklagten zu 1) im Subprime-Bereich in einer Weise Stellung genommen habe, dass der Aufsichtsrat für die Beklagte zu 1) keine negativen Schlüsse habe ziehen können. Weiter lautet F auf Seite 16, dass der Vorstand der Beklagten zu 1) möglicherweise selbst nicht ausreichend informiert gewesen sei, weil er F unterlassen habe, seinen Organisationspflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Der Bundesrechnungshof formuliert in seinem Bericht auf Seite 21 unter Punkt 3.5 des Weiteren, dass die Entwicklung der Beklagten zu 1), ihre zunehmenden Engagements des Geschäftsfeldes "Verbriefung" und die daraus resultierenden Risikopositionen aus den Geschäftsberichten zwar herauszulesen seien. Das tatsächliche Risiko der Unternehmensstrategie und der Umfang der risikobehafteten Geschäfte seien aus den Lageberichten des Vorstandes jedoch nur unvollständig deutlich geworden. Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass die verantwortlichen Organe der Beklagten zu 1) nicht über ausreichende Informationen über die wirklichen Risiken des Geschäftsmodells der Beklagten zu 1) verfügten. Dies lässt das Verhalten der Beklagten jedoch allenfalls als Managementfehler im Sinne eines Organisationsverschuldens erscheinen, nicht aber als bewusste Fehlinformation des Kapitalmarktes, mit der die für die Beklagte zu 1) verantwortlich Handelnden eine Schädigung der Aktionäre bewusst in Kauf genommen haben. Darüber hinaus bestätigt der Bericht des Bundesrechnungshofes, dass letztendlich Auslöser der Existenzkrise bei der Beklagten zu 1) die Kappung von Handelslinien durch andere Banken am 27.07.2007 war. Auf Seite 20 unter Punkt 3.4 wird ausgeführt, dass die Zweckgesellschaften Ende Juli ihre Wertpapiere nicht mehr refinanzieren hätten können und daher die von der Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellten Liquiditätslinien in Anspruch genommen hätten. Diese Zusage habe die Beklagte zu 1) nicht bedienen können und sei auf die Gewährung von Krediten anderer Banken angewiesen gewesen. Eine solche Refinanzierung am Interbankenmarkt sei der Beklagten zu 1) jedoch nicht möglich gewesen, da ihr am 27.07.2007 von mehreren Banken die Kreditlinie gekündigt worden sei. Diese Darstellung steht im Einklang mit dem Vortrag der Beklagten und verdeutlicht, dass die Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Beklagten zu 1), die letztlich zum Sturz des Aktienwertes geführt hat, auf einer Verkettung von Umständen beruht, die für die Beklagten vor dem 27.07.2007 nicht erkennbar waren.

2.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen fehlt F für einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB auch am Merkmal der sittenwidrigen Schädigung.

Eine sittenwidrige Schädigung erfordert ein Handeln, dass gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). Dafür genügt im Allgemeinen die bloße Tatsache, dass der Täter eine gesetzliche Vorschrift verletzt, ebenso wenig wie der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss F sich um ein besonders verwerfliches Vorgehen handeln, wobei sich die Verwerflichkeit aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteile vom 19.07.2004, Az. II ZR 271/03, NJW 2004, 2668, 2670 und Az. II ZR 402/02, NJW 2004, 2971, 2973 - "Infomatec"). Das Verhalten der Beklagten erfüllt die beschriebenen Anforderungen nicht. Dies ergibt der Vergleich mit den Fällen, in denen eine Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen nach § 826 BGB angenommen wurde. So hatte der Vorstand in den oben zitierten "Infomatec"-Fällen wiederholt bewusst unzutreffende Adhoc-Mitteilungen veröffentlicht, beispielsweise über den Erhalt eines Großauftrags, der in Wirklichkeit ein wesentlich geringeres Auftragsvolumen aufwies. Darüber hinaus verfolgten die Vorstandsmitglieder in diesen Fällen mit der Herausgabe der falschen Meldungen auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise "eigene Zwecke". Denn sie besaßen im Millionenumfang Aktien ihres Unternehmens und profitierten auf diesem Wege zumindest mittelbar von eventuellen Kurssteigerungen. Vergleichbares ist den Beklagten nicht vorzuwerfen. Weder haben sie wiederholt nachweisbar falsche Meldungen veröffentlicht, noch haben sie bei den streitgegenständlichen Erklärungen den Kapitalmarkt bewusst getäuscht. F liegen zudem insbesondere hinsichtlich des Beklagten zu 2) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er mit seinem Vorgehen eigene finanzielle Vorteile erstrebte.

3.

Erhebliche Zweifel bestehen außerdem hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität zwischen der zitierten Äußerung des Beklagten zu 2) bzw. der Pressemitteilung der Beklagten zu 1) sowie der Entscheidung des Klägers, 350 Aktien der Beklagten zu 1) zu erwerben.

Zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des offenen Tatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB muss für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen stets der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen der fehlerhaften Meldung und der individuellen Anlageentscheidung geführt werden, selbst wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist (BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 173/05, Rz. 16 zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 147/05, Rz. 16 zitiert nach juris). Dies hat seinen Grund darin, dass die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienerwerbers einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss darstellt, so dass F grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt (BGH, aaO, jeweils Rz. 13 zitiert nach juris). Das Vorbringen des Klägers kommt diesen Anforderungen nur unzureichend nach. Zur Begründung der Kausalität trägt der Kläger lediglich vor, dass er in Wirtschaftsnachrichten von der im "Handelsblatt" zitierten Äußerung des Beklagten zu 2) und der Pressemitteilung der Beklagten zu 1) erfahren habe. Dadurch sei er trotz des von ihm bemerkten Kursverfalls der Aktie der Beklagten zu 1) zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Anlage eine Investition mit begrenztem Risiko sei. Bei diesem Vortrag bleibt bereits unklar, auf welche Wirtschaftsnachrichten sich der Kläger konkret beruft. Weder gibt er die genaue Fundstelle an noch den genauen Inhalt. Nachvollziehbar ist daher nicht, inwieweit die jeweiligen Nachrichten den Inhalt der im "Handelsblatt" zitierten Äußerung des Beklagten zu 2) und der Pressemitteilung der Beklagten zu 1) überhaupt wiedergeben. Ferner ist das Vorbringen des Klägers nicht ganz nachvollziehbar. Der Kläger räumt selbst ein, dass er den seit Anfang Juli anhaltenden Kursverfall der Aktie der Beklagten zu 1) vor seiner Kaufentscheidung am 24.07.2007 bemerkt hat. Gleichwohl will er aber durch Lesen der oben angeführten Wirtschaftsnachrichten zu der festen Überzeugung gelangt sein, eine Investition mit begrenztem Risiko zu tätigen. F erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass der Kläger sich durchaus bewusst gewesen ist, eine Entscheidung mit einem erhöhten Risiko zu treffen, und darauf spekuliert hat, dass die Talsohle des Aktienkurses erreicht ist. Dies deckt sich auch mit seinem sonstigen Anlageverhalten vor dem Kauf der hier maßgeblichen Aktien. Dazu trägt der Kläger vor, dass er zumeist so genannte Discount-Zertifikate mit einer Restlaufzeit von bis zu drei Monaten erworben habe, die eine relativ gute Rendite versprechen und zusätzlich in der Regel zum Erwerbszeitpunkt in Geld stehen. Ein solches Verhalten zeigt eine nicht unerhebliche Erfahrung des Klägers mit dem Handel von Aktien sowie eine erhöhte Risikobereitschaft. F steht daher zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass der Kläger die Aktien der Beklagten zu 1) im Wesentlichen auf der Grundlage der in der Pressemitteilung enthaltenen Informationen erworben hat.

Dem Kläger ist die Berufung auf einen Anscheinsbeweis nach den Grundsätzen der durch einen Emissionsprospekt ausgelösten "positiven Anlagestimmung" verwehrt. Ein Anscheinsbeweis gilt zum einen nur für typische Geschehensabläufe, bei denen ein bestimmter Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge schließen lässt. Die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienkäufers stellt jedoch, wie bereits ausgeführt wurde, einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren beeinflussten individuellen Willensentschluss dar, bei dem F daher keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmbare Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen geben kann (BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 218/03, Rz. 42 zitiert nach juris). Zum anderen liegt hier weder ein Emissionsprospekt noch eine positive Anlagestimmung vor. Denn zum Zeitpunkt des Erwerbes der 350 Aktien durch den Kläger befand sich der Kurs der Aktie der Beklagten zu 1) bereits seit mehreren Wochen in einer stetigen Abwärtsbewegung.

II.

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG.

1.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder ein Abwickler die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Ein Schadensersatzanspruch erfordert also, dass entweder die im "Handelsblatt" zitierte Erklärung des Beklagten zu 2) in der Ausgabe vom 29./30. Juni / 1. Juli oder die Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 20.07.2007 als Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand anzusehen ist. Dies verlangt einen Bericht, der den Vermögensstand umfassend wiedergibt, so dass er ein Gesamtbild über die wirtschaftliche M ermöglicht und den Eindruck der Vollständigkeit erweckt (BGH, Urteil vom 09.05.2005, Az. II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451; Kropf, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage 2006, § 400 Rn. 21). Ein solcher Bericht kann auch ein Quartalsbericht sein. Denn der Quartalsbericht ist gekennzeichnet durch den Anspruch auf vollständige Information der Adressaten über die Unternehmenssituation im Berichtszeitraum (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Diese Anforderungen sind bei den Erklärungen der Beklagten nicht erfüllt. Denn Bestandteil eines Quartalsberichts sind zwingend Zahlenangaben über Umsatzerlöse und das Ergebnis vor und nach Steuern bzw. eine Gewinn- und Verlustrechnung (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Die Äußerungen bzw. Mitteilungen der Beklagten enthalten diese Angaben jedoch nicht. Im "Handelsblatt"-Artikel vom 29./30. Juni bzw. 1. Juli 2008 wird der Beklagte zu 2) lediglich dahingehend zitiert, dass die Beklagte zu 1) ihre Ertragserwartungen nach gutem Start in das Geschäftsjahr ......#/......erneut heraufgesetzt habe und ein operatives Ergebnis von 280 Mrd. € erreichen wolle. In der Pressemitteilung vom 20.07.2007 heißt F unter der Überschrift "Vorläufiges Quartalsergebnis", dass angesichts der guten Entwicklungen das operative Ergebnis im 1. Quartal voraussichtlich um 15 % gegenüber dem gleichen Vorjahrsquartal auf 63 Mio. € gesteigert werden könne. Ferner findet sich in der Mitteilung der Hinweis, dass der vollständige Quartalsbericht am 14. August veröffentlicht werde. In den Erklärungen der Beklagten ist also lediglich von Erwartungen und vorläufigen Ergebnissen die Rede. Endgültige Zahlenangaben sind hingegen nicht enthalten, sondern werden ausdrücklich für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Zudem erwecken beide Informationen nicht den Eindruck der Vollständigkeit. Vielmehr wird klargestellt, dass eine vollständige Übersicht der Vermögensverhältnisse noch herausgegeben wird.

2.

Darüber hinaus fehlt F, aus den bereits oben erörterten Gründen, zumindest auch an dem erforderlichen Verschulden der Beklagten. Aufgrund der Strafnormqualität des § 400 AktG setzt letzteres Tatbestandsmerkmal - wie § 826 BGB - ebenfalls vorsätzliches Handeln voraus.

III.

Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG aus.

1.

Der Anspruch richtet sich allein gegen die Beklagte zu 1). Denn nach § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist ein Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, Dritten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er F unterlässt, unverzüglich eine Insiderinformation zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft. Ein Emittent von solchen Finanzinstrumenten ist aber nur die Beklagte zu 1) als Herausgeberin der vom Kläger erworbenen Aktien. Für einen Schadensersatzanspruch aus § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG gegen den Beklagten zu 2) fehlt F daher schon an der notwendigen Passivlegitimation.

2.

Aber auch gegen die Beklagte zu 1) besteht ein Anspruch des Klägers nach § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht. Der Beklagten zu 1) lag vor dem Aktienkauf des Klägers am 24.07.2007 keine Insiderinformation vor, deren unverzügliche Veröffentlichung sie unterlassen hat.

Eine Legaldefinition von Insiderinformationen findet sich in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG. Danach ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktwert der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Als Umstände gelten nach § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet dabei, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte zumindest eine überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit, das heißt eine Wahrscheinlichkeit von über 50 %, vorliegen muss (BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris). Einen solchen Umstand hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargetan. Sein Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen auf den Vorwurf, die Beklagten hätten bereits am 20.07.2007 gewusst, dass aufgrund der an die GG vergegebenen Liquiditätslinien die Bonität der Beklagten zu 1) gefährdet sei. Wie im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal einer vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB bereits erläutert, beruhten die finanziellen Probleme der Beklagten zu 1) und damit der Wertverfall ihrer Aktien auf dem Zusammentreffen des vollständigen und dauerhaften Zusammenbruchs des HHH-Marktes und der Kappung der Handelslinie am 27.07.2007 durch einen wichtigen Geschäftspartner der Beklagten zu 1). Beide Umstände waren für die Beklagten nach ihrem damaligen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Presseveröffentlichung nicht voraussehbar. Von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ihrer Bonität musste die Beklagte zu 1) also vor dem Aktienerwerb des Klägers am 24.07.2007 nicht ausgehen. Vielmehr führten erst die Geschehnisse am 27.07.2007 zu einer Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Beklagten zu 1) und damit zu einer Pflicht zur unverzüglichen Adhoc-Mitteilung. Mit der Veröffentlichung am frühen Morgen des 30.07.2007 ist die Beklagte zu 1) dieser Verpflichtung nachgekommen. Mangels Vorliegen einer Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 WpHG im Zeitraum vor dem 27.07.2007 kann mithin die Frage, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit in dem oben beschriebenen Sinne für § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG ausreicht, oder ob sogar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit notwendig ist, dahinstehen (ebenfalls offen gelassen durch BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.950,00 € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 13.01.2009
Az: 7 O 23/08


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