Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Oktober 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 4/05

(BPatG: Beschluss v. 05.10.2006, Az.: 10 W (pat) 4/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Anmelderin reichte am 5. Dezember 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Voranmeldung vom 13. Dezember 2000 die internationale Anmeldung PCT/JP01/10637 ein und gab dabei u. a. Deutschland als Bestimmungsstaat an. Die Anmeldung wird beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 101 96 987.2 geführt.

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2003, eingegangen am 3. Juni 2003, beantragte die Anmelderin den Eintritt in die nationale Phase, reichte hierzu eine Übersetzung der internationalen Patentanmeldung in englischer Sprache ein und teilte mit, eine Übersetzung in die deutsche Sprache werde gemäß § 35 Abs. 1 PatG innerhalb einer Frist von 3 Monaten nachgereicht werden. Die Anmeldegebühr wurde am 3. Juni 2003 gezahlt. Die Empfangsbescheinigung des DPMA zu diesem Schriftsatz, die bei der Anmelderin am 18. Juni 2003 einging, lautet gemäß dem Stempelaufdruck wie folgt: "Die Übersetzung zur PCT-Anmeldung ist am obigen Perforationsdatum eingegangen. Für künftigen Schriftwechsel geben Sie bitte nur das folgende Aktenzeichen an ...". Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2003, eingegangen am 20. Juni 2003, reichte die Anmelderin unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 2. Juni 2003 eine deutsche Übersetzung der Patentanmeldung ein. Am unteren Rand enthalten die Unterlagen den Datumsaufdruck 12. Juni 2003.

Das DPMA wies im April 2004 die Anmelderin darauf hin, dass die Patentanmeldung als nicht erfolgt gelte, da nicht innerhalb der 30-Monatsfrist für den Eintritt in die nationale Phase die Anmeldungsunterlagen in deutscher Sprache eingereicht worden seien. Da eine Nachreichung der deutschen Übersetzung gemäß § 35 Abs. 1 PatG nur für nationale Anmeldungen und nicht für PCT-Anmeldungen möglich sei, sei die nationale Phase nicht eingeleitet worden. Das Aktenzeichen werde daher gelöscht, die Anmelde- und die Prüfungsantragsgebühr würden nach Ablauf von 2 Monaten zurückerstattet werden.

Im April 2004 hat die Anmelderin Wiedereinsetzung in die Frist des Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass gleich im Anschluss nach der Einreichung der englischen Fassung mit der Übersetzung der Patentanmeldung ins Deutsche begonnen und diese am 12. Juni 2003 fertig gestellt worden sei. Da sich der Vertreter der Anmelderin in diesen Tagen einer Augenoperation habe unterziehen müssen, sei er durch den alltäglichen Arbeitsanfall in der Kanzlei stark gefordert worden. Er habe als Einzelanwalt die Einhaltung der notierten Frist vom 13. Juni 2003 zur Einreichung der deutschen Übersetzung nicht mehr im Einzelnen überprüfen können, sondern das seinen beiden angestellten Mitarbeiterinnen überlassen, die ansonsten mit größter Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit schon seit vielen Jahren alle in seiner Kanzlei anfallenden Fristen fehlerfrei überwachen. Anschließend habe er aufgrund der vom DPMA erhaltenen Empfangsbescheinigung über den Eingang der Übersetzung keinen Anlass gesehen, dem Sachverhalt weiter nachzugehen, den er aus seiner damaligen Sicht als sorgfältig und ordnungsgemäß abgewickelt habe ansehen dürfen.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse B 29 C - hat durch Beschluss vom 6. September 2004 den Antrag der Patentanmelderin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die vorgetragenen Tatsachen seien nicht dazu geeignet, dass das Fristversäumnis als unverschuldet angesehen werden könne. Das Verschulden liege nachweisbar in einem Rechtsirrtum des Vertreters. Dies belege der nahe zeitliche Zusammenhang zwischen dem Einreichen der englischen Übersetzung mit Schriftsatz vom 2. Juni 2003, dem Fristablauf am 13. Juni 2003 und dem Nachreichen der deutschen Übersetzung mit Schriftsatz vom 18. Juni 2003, bei dem der Vertreter ausdrücklich auf sein Schreiben vom 2. Juni 2003 Bezug nehme, in dem er ausgeführt habe, dass er eine Übersetzung in die deutsche Sprache gemäß § 35 Abs. 1 PatG innerhalb einer Frist von 3 Monaten nachreichen werde. Die im Wiedereinsetzungsantrag vorgetragenen Argumente seien nicht glaubhaft. Die zuverlässigen Mitarbeiterinnen hätten keine Veranlassung gehabt, eine Frist für 13. Juni 2003 zu notieren, allenfalls eine Frist für den 3. September 2003, da der Vertreter in Unkenntnis der Rechtslage gewesen sei. Ein Rechtsirrtum sei aber kein Wiedereinsetzungsgrund.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. September 2004 aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor, es werde noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vertreter der Anmelderin durch eine akute, unvorhersehbare Augenerkrankung zwischen dem 10. und 13. Juni 2003 in seinen Arbeitsmöglichkeiten so beschränkt gewesen sei, dass er sich in erhöhtem Maße auf seine Mitarbeiterinnen habe verlassen müssen. Zu Unrecht werde dem Vertreter ein Rechtsirrtum vorgeworfen. Die Formulierung in dem Schriftsatz vom 2. Juni 2003, bei dem eine Frist von 3 Monaten zur Einreichung der deutschen Übersetzung erwähnt werde, beruhe auf einem bedauerlichen Versehen, das durch Verwendung einer unzutreffenden Briefvorlage entstanden sei. Tatsächlich sei unmittelbar nach Absendung der englischen Übersetzung im vollen Bewusstsein des bevorstehenden Ablaufs der 30-Monatsfrist mit der Anfertigung der deutschen Übersetzung begonnen und diese auch rechtzeitig am 12. Juni 2003 fertig gestellt worden, wie dies aus der Fußnote der eingereichten deutschen Übersetzung erkennbar sei. Die Übersetzung sei aber von der Angestellten Frau A... - urlaubsbedingt - nicht mehr abgesendet worden. Diese Aufgabe sei dem Vertreter selbst überlassen worden. Dieser könne nicht mehr eindeutig herausfinden, warum er diese Aufgabe nicht ausgeführt habe. Wäre die Augenerkrankung nicht dazwischen gekommen, hätte er selbstverständlich dafür gesorgt, dass die deutsche Übersetzung unmittelbar nach ihrer Fertigstellung an das DPMA weitergeleitet worden wäre.

In der im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereichten eidesstattlichen Versicherung gibt Frau A... an, ihr sei bekannt, dass eine deutsche Übersetzung einer internationalen Patentanmeldung innerhalb von 30 Monaten nach dem Prioritätstag dem DPMA vorgelegt werden müsse. Hier sei diese Frist am 13. Juni 2003 abgelaufen; diesen Termin habe sie sich notiert, nachdem die Kanzlei im Mai 2003 die in englischer Sprache abgefassten Anmeldungsunterlagen erhalten habe. Die Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche sei am 12. Juni 2003 fertig gestellt worden. Mit der Absendung habe sie sich nicht befassen können, da sie am Freitag, den 13. Juni 2003 einen seit langem geplanten Urlaubstag gehabt habe. Diese Aufgabe habe der Vertreter selbst übernehmen wollen.

Auf den gerichtlichen Hinweis im Ladungszusatz und in der mündlichen Verhandlung, dass die Einhaltung der zweimonatigen Antragsfrist für die Wiedereinsetzung fraglich erscheine, da die Fristversäumung bereits am 18. Juni 2003 hätte auffallen müssen, wird vorgetragen, der Vertreter habe aber am 18. Juni 2003 die Empfangsbescheinigung des DPMA erhalten, wonach die Übersetzung eingegangen sei. Diese Mitteilung sei irreführend gewesen. Darüber hinaus beruft sich die Anmelderin auf Art. 27 Abs. 4 PCT und trägt vor, die Vorschrift räume dem DPMA durchaus die Möglichkeit ein, die deutsche Übersetzung als fristgerecht eingereicht anzusehen; eine Schlechterbehandlung von PCT-Anmeldungen im Verhältnis zu nationalen Anmeldungen sei nicht gerechtfertigt.

II Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Anmelderin hat die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung der internationalen Anmeldung versäumt. Gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG hat ein Anmelder, wenn das DPMA Bestimmungsamt ist, innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 PCT vorgesehenen Frist die Anmeldegebühr und, sofern die internationale Anmeldung nicht in deutscher Sprache eingereicht worden ist, eine Übersetzung der Anmeldung in deutscher Sprache einzureichen. Die Frist des Art. 22 Abs. 1 PCT beträgt (in der seit 1. April 2002 geltenden Fassung) 30 Monate seit dem Prioritätsdatum. Prioritätsdatum ist hier der 13. Dezember 2000, die 30-Monatsfrist ist daher am 13. Juni 2003 abgelaufen. Die Anmeldegebühr ist zwar rechtzeitig am 3. Juni 2003 gezahlt, die deutsche Übersetzung aber erst am 20. Juni 2003, also verspätet, eingereicht worden. Damit kann die internationale Anmeldung in Deutschland keine Wirkung mehr entfalten (Art. 24 Abs. 1 Buchst. iii i. V. m. Art. 11 Abs. 3 PCT).

Soweit sich die Anmelderin auf Art. 27 Abs. 4 PCT beruft, wonach im Falle, dass Vorschriften eines Bestimmungsstaats in Bezug auf Form und Inhalt nationaler Anmeldungen milder sind als die im PCT oder in der Ausführungsordnung enthaltenen Vorschriften in Bezug auf internationale Anmeldungen, erstere auf internationale Anmeldungen angewendet werden können, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn die Frist, in der die Übersetzung einer internationalen Anmeldung einzureichen ist, zählt nicht zu den Vorschriften in Bezug auf Form und Inhalt einer Anmeldung gemäß Art. 27 Abs. 4 PCT. Vielmehr findet sich insoweit in Art. 22 Abs. 3 PCT (bzw. Art. 39 Abs. 1 Buchst. b PCT) die Bestimmung, dass das nationale Recht für die Vornahme der in Art. 22 PCT genannten Handlungen längere Fristen setzen kann. Von dieser Möglichkeit hat jedoch der deutsche Gesetzgeber, wie sich aus Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG (bzw. Art. III § 6 Abs. 2 IntPatÜG) ergibt, keinen Gebrauch gemacht (vgl. auch BPatG BlPMZ 1982, 350, 352 linke Spalte). Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass hier eine "mildere" nationale Vorschrift besteht. Die Frist von 30 Monaten seit dem Prioritätsdatum in Art. 22 Abs. 1 Satz 1 PCT ist länger als die Frist von 3 Monaten seit dem Anmeldetag in § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG.

2. Bei Versäumung der Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung der internationalen Anmeldung besteht zwar gemäß Art. 48 Abs. 2 PCT i. V. m. § 123 Abs. 1 PatG die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der Antrag der Anmelderin erfüllt aber nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Anmelderin hat die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen nicht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses vorgetragen, § 123 Abs. 2 Satz 1, 2 PatG.

Die Anmelderin hat zwar erst mit Erhalt des Bescheides des DPMA vom April 2004 positive Kenntnis von der Fristversäumung erhalten. Der Wegfall des Hindernisses tritt aber schon dann ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wirkung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, wenn also der Säumige oder Vertreter bei der Aufwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist dann der Fall, sobald die Partei oder ihr Vertreter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Versäumung hätte erkennen können (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 123 Rdn. 26; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 123 Rdn. 54). Nach dem Vortrag der Anmelderin war das Hindernis für die nicht rechtzeitige Übermittlung der deutschen Übersetzung am 13. Juni 2003 die Augenerkrankung des Vertreters, die sich ausweislich des hierzu eingereichten ärztlichen Attests am 13. Juni bereits gebessert hatte, aber noch einige Tage behandelt werden musste. Dieses Hindernis ist spätestens dann weggefallen, als die Übersetzung tatsächlich abgeschickt worden ist, was mit Schreiben vom 18. Juni 2003 geschehen ist. Zu diesem Zeitpunkt hätte dem Vertreter auffallen müssen, dass die Frist bereits überschritten war, wenn wie vorgetragen korrekt der 13. Juni 2003 als Fristende in der Anwaltsakte vermerkt war. Die Empfangsbescheinigung des DPMA zu der Anmeldung, die der Vertreter am 18. Juni 2003 empfing und die den irreführenden Eindruck erweckt, als sei das Übersetzungserfordernis bereits erfüllt, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Da die Anmelderin bis zu diesem Zeitpunkt nur eine englische Übersetzung eingereicht hatte und die deutsche Übersetzung erst mit Schreiben vom selben Tage (18. Juni 2003) abgeschickt wurde, hätte der Vertreter erkennen können, dass sich diese Empfangsbescheinigung nur auf die englische Übersetzung beziehen und ihn damit nicht von der fristgemäßen Einreichung der deutschen Übersetzung befreien konnte.

Ausgehend davon, dass vom Wegfall des Hindernisses am 18. Juni 2003 auszugehen ist, ist nur die Nachholung der versäumten Handlung gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 PatG rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses erfolgt, denn die deutsche Übersetzung ist am 20. Juni 2003 beim DPMA eingegangen. Wird die versäumte Handlung nachgeholt, kann zwar gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz PatG Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Dies setzt aber voraus, dass die hierfür maßgeblichen Tatsachen akten- oder offenkundig (§ 291 ZPO) oder jedenfalls aber innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses dargelegt worden sind (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 17; Benkard/Schäfers, a. a. O., § 123 Rdn. 47). Dies ist hier nicht der Fall. Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, sind erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist im Wiedereinsetzungsantrag vom April 2004 dargelegt worden. Auf die Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an. Insoweit ist lediglich anzumerken, dass zwar nach dem im Beschwerdeverfahren ergänzten und glaubhaft gemachten Vortrag für die Annahme eines Rechtsirrtums des Vertreters kein durchgreifender Anhalt besteht. Ob aber ein der Anmelderin zurechenbares Organisationsverschulden des Vertreters darin liegt, dass er angesichts seiner Erkrankung nicht dafür gesorgt hat, dass ihm seine Angestellte auch am Tage des Fristablaufs, am13. Juni 2003, zur Verfügung stand, kann dahingestellt bleiben. Da dem Wiedereinsetzungsantrag bereits die Zulässigkeit fehlt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 05.10.2006
Az: 10 W (pat) 4/05


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