Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. März 2006
Aktenzeichen: 2 Ni 53/04

(BPatG: Urteil v. 23.03.2006, Az.: 2 Ni 53/04)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 461 646 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 461 646 (Streitpatent), das am 13. Juni 1991 unter Inanspruchnahme der Priorität der italienischen Patentanmeldung IT 2064690 vom 14. Juni 1990 angemeldet worden ist.

Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 691 14 913 T2 (Anlage NK1a) geführt wird, betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Reifen für Fahrzeugräder, sowie Reifen für zweirädrige Fahrzeuge.

Es umfasst 13 Ansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 8 in der deutschen Übersetzung der Patentschrift (NK1a) folgenden Wortlaut haben:

1. Verfahren zur Herstellung von Reifen für Fahrzeugräder, welches die folgenden Schritte aufweist:

- Herstellen einer Reifenkarkasse (1) in Form einer zylindrischen Hülse durch Produzieren eines rohrförmigen Elements aus einem gummierten Textil, das mit Corden verstärkt ist, die im Wesentlichen parallel zu der Achse der Hülse angeordnet werden, und Zurückfalten jedes der Enden der Corde des rohrförmigen Elements um wenigstens einen ringförmigen Wulstkern (3) aus Metall, der in Umfangsrichtung nicht dehnbar ist, wobei die Wulstkerne in Ebenen senkrecht zu der Hülsenachse liegen,

- Formen des rohrförmigen Elements zu einem Toroid durch radiales Ausspreizen der Hülsenwand und Bewegen der Wulstkerne nahe zueinander in einer axialen Richtung, so dass eine erste toroidförmige Gestalt erreicht wird,

- Montieren eines Gurtaufbaus (5) an der zu einem Toroid geformten Karkasse, wobei der Gurtaufbau Windungen von Corden (6) aufweist, die im wesentlichen in Umfangsrichtung ausgerichtet und in einer nebeneinander liegenden Beziehung angeordnet sind,

- Auflegen eines Laufflächenbandes (4) auf den Gurt (5) in einer radial äußeren Lage von ihm,

- Einbringen des so montierten Reifens in eine Vulkanisierform,

- Schließen der Form und Expandieren der Karkasse radial nach außen gegen die Formfläche, so dass sie ihre endgültige toroidförmige Gestalt erreicht und die Formgebung des Laufflächenbandes erzielt wird, und - Vulkanisieren der Karkasse, gekennzeichnet durch - Herstellen des Gurtes (5) aus Corden (6) mit hoher Dehnung, die in ihrem Spannungs-Dehnungs-Diagramm einen gekrümmten Abschnitt (E-F) haben, der zwei im wesentlichen gerade Längenstücke (O-E; F-Z) von unterschiedlicher Neigung bezüglich der Achsen des Diagramms miteinander verbindet, und - Bewegen der ringförmigen Wulstkerne koaxial voneinander weg während der Formung des rohrförmigen Elements zu einem Toroid bis ein gegenseitiger axialer Abstand c zwischen den Wulstkernen erreicht ist, der einer toroidförmigen Zwischengestalt d2 entspricht, die einen Durchmesser hat, der kleiner ist als der d1 der ersten toroidförmigen Gestalt, und die eine Abweichung (D-d2) von einem vorgegebenen Wert von der endgültigen toroidförmigen Gestalt hat, wobei der Wert des axialen Abstands c zwischen den ringförmigen Wulstkernen proportional zu dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm der Corde des Gurtes ist, so dass die Expansion der Karkasse in der Form zu der endgültigen toroidförmigen Gestalt die Corde des Gurtes in einen Zugvorspannungszustand bringt, der einem Punkt G des Spannungs-Dehnungs-Diagramms entspricht, der sich in dem gekrümmten Abschnitt befindet.

8. Reifen für zweirädrige Fahrzeuge,

- mit einer eine Toroidform mit starker Querkonvexität aufweisenden Karkasse (1), die einen Scheitelabschnitt und zwei Seitenwände hat, die in Wulsten zum Verankern an einer entsprechenden Einbaufelge enden,

- mit einem Laufflächenband (4), das sich auf dem Scheitel befindet und ein Konvexitätsverhältnis im Bereich von 0,15 bis 0,45 und einen ringförmigen, in Umfangsrichtung nicht dehnbaren Verstärkungsaufbau (5) hat, der zwischen der Karkasse und dem Laufflächenband angeordnet ist, wobei der ringförmige Verstärkungsaufbau eine Vielzahl von Cordwindungen (6) aufweist, die in einer axialen nebeneinander liegenden Beziehung angeordnet sind und sich von einem axialen Ende des Aufbaus zu dem anderen unter einem Winkel mit dem Wert von nahezu null bezogen auf die Äquatorialebene des Reifens erstrecken, wobei die Verbesserung darin besteht,

- dass die Verstärkungscorde eine hohe Dehnung und ein Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit einem gekrümmten Abschnitt (E-F) haben, der zwei im Wesentlichen gerade Längenstücke (O-E; F-Z) miteinander verbindet,

- dass diese Längenstücke eine unterschiedliche Neigung haben und - dass sich die Corde in einem vulkanisierten, jedoch nicht aufgeblasenen und nicht belasteten Reifen in einem Zugvorspannungszustand entsprechend einem Punkt G des Diagramms befinden, der in dem gekrümmten Abschnitt liegt.

Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 13 wird auf die Patentschrift 0 461 646 B1 (Anlage NK1) Bezug genommen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. In der eingereichten Klage hat die Klägerin fehlende Neuheit allein auf die von ihr vorgetragene offenkundige Vorbenutzung durch den Motorradrennreifen BATTLAX BT 70 S gestützt, dies aber in der mündlichen Verhandlung auf den weiteren druckschriftlichen Stand der Technik erweitert.

Zur Stützung ihres Vorbringens bezieht sie sich auf folgende Unterlagen:

NK 1a: DE 691 14 913 T2 (deutsche Übersetzung der Streitpatentschrift)

NK 2: US 3 960 628 A NK 3: Merkmalsgliederung des Anspruchs 8 NK 4: Pressemitteilung der Klägerin vom 14. März 1990 (japanisch)

NK 4a: englische Übersetzung von NK 4 NK 4b: deutsche Übersetzung von NK 4 NK 5: Farbprospekt "BATTLAX" der Klägerin NK 6: Reifen - Farbkatalog der Klägerin 1990 NK 6a: übersetzter Auszug aus NK 5 (englisch)

NK 6b: übersetzter Auszug aus NK 5 (deutsch)

NK 7: Spannungs-Dehnungs-Diagramm für Aramid-Corde aus dem Reifen BT 70 S (behauptete Vorbenutzung)

NK 8: Berechnungen zu Vorspannungszustand der bei BT 70 S verwendeten Kevlar-Corde NK 9: Unterlagen zu "Dimensionsdaten" der als vorbenutzt angegebenen Reifen NK 10: GB 2 121 736 A NK 11: EP 0 335 588 A2 NK 12: GB 1 487 426 NK 13: JP 58-39438 NK 13a: englische Übersetzung von NK 13 NK 14: EP 0 288 987 A2 NK 15: Affidavit Masayasu Ishizuka vom - Datum teilweise unleserlich -

Dezember 2004 mit deutscher Übersetzung NK 16: Affidavit Mamoru Takimura vom 3. Dezember 2004 mit deutscherÜbersetzung NK 17: Affidavit Shinichi Yamashita vom 3. Dezember 2004 mit deutscherÜbersetzung NK 18: Motorradzeitschrift MFJ April 1990 (Farbkopien)

NK 19: Wettbewerbsregeln der MFJ Ausgabe 1990 (japanisch, Auszug)

NK 19a: deutsche Übersetzung von NK 19 NK 20: Affidavit Mamoru Takimura vom 18. April 2005 mit deutscherÜbersetzung NK 21: Kopien aus EPA-Akten des Streitpatents ("Druckexemplar")

NK 22: Kopien aus "Steel Cord Catalogue" der Fa. Bekaert 1987, S. 24 u 25 Weiter hat sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bezüglich Anspruch 1 zusätzlich auf den Nichtigkeitsgrund einer unzulässigen Erweiterung des Patentgegenstandes gegenüber der ursprünglichen Anmeldung berufen. Diese sei dadurch entstanden, dass die Beklagte den vom Prüfer des Europäischen Patentamts mit Schreiben vom 19. Januar 1995 vorgeschlagenen Änderungen in Patentanspruch 1 und der Beschreibung zugestimmt habe.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 461 646 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage, soweit sie sich gegen das beschränkt verteidigte Patent richtet, abzuweisen.

Sie verteidigt den Patentanspruch 1 in der Fassung, dass bei Anspruch 1 in der englischen Fassung in Sp. 15, Z. 15 der Patentschrift das Wort "comprises" durch die Worte "consists of" und bei Anspruch 8 in Sp. 16, Z. 52 das Wort "comprising" durch die Worte "consisting of" ersetzt werden.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Insbesondere seien die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung weder schlüssig noch substantiiert vorgetragen, so dass die angebotenen Zeugenbeweise nicht zu erheben seien.

Gründe

Die Klage ist, soweit mit ihr der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit. a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, entscheidungsreif und erweist sich als zulässig und begründet.

I.

Dass gegenüber einem Teil des Streitpatents erstmals in der mündlichen Verhandlung der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung, basierend auf vom Europäischen Patentamt vorgeschlagenen Änderungen in Patentanspruch 1 und der Beschreibung, geltend gemacht wurde, ließ die Entscheidungsreife nicht entfallen, nachdem sich die Beklagte - nach Unterbrechung der Verhandlung und Einsicht in die vom Senat beigezogenen Akten des Europäischen Patentamts - ausdrücklich zu einer sachlichen Stellungnahme in der Lage sah. In der Sache kann dieser Nichtigkeitsgrund dahinstehen, da das Streitpatent sich (insgesamt) wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit als nicht schutzfähig erweist.

Hierbei waren die vom Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung an der Tafel vorgeführten komplizierten Formelberechnungen, zu denen die Beklagte hilfsweise eine Schriftsatzfrist erbeten hat, nicht entscheidungserheblich, so dass auch insoweit eine Vertagung oder die Gewährung einer Schriftsatzfrist nicht erforderlich war.

Schließlich kann auch dahinstehen, in wieweit die von der Beklagten (unbedingt) verteidigte Fassung gegenüber der erteilten Fassung ("consisting of" statt "comprising") zu einer tatsächlichen Einschränkung des Schutzbereichs führt. In jedem Fall erscheint eine Erweiterung des Schutzbereichs, die die Unzulässigkeit der verteidigten Fassung bewirken würde, ausgeschlossen. Deswegen geht der Senat im folgenden von der verteidigten Fassung aus, zumal auch die Klägerin am Ende der Verhandlung keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit mehr erhoben hat. Unterstellt man das Vorliegen einer Beschränkung, ist das Streitpatent ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (vgl. Benkard, PatG 9. Aufl., § 22 Rn. 33 mit Rechtsprechungsnachweisen).

II.

Das Streitpatent (im Folgenden ist auf die deutsche Übersetzung NK1a der Streitpatentschrift Bezug genommen) betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Reifen für Fahrzeugräder (Anspruch 1) und nach diesem Verfahren hergestellte Reifen für zweirädrige Fahrzeuge (Anspruch 8).

Fahrzeugräder weisen üblicherweise mit Luft gefüllte Reifen mit einer toroidförmigen Karkasse aus gummierten Corden auf, die bei den so genannten Radialreifen - im Gegensatz zu Diagonalreifen - in radialen durch die Radachse verlaufenden Ebenen liegen.

Die Erfindung betrifft ausschließlich Radialreifen (auch Gürtelreifen oder Radialgürtelreifen genannt), die zur Verstärkung der Karkasse 1 von einem ringförmigen Gürtelaufbau 5 aus in Umfangsrichtung nebeneinander angeordneten Corden 6 umschlungen sind, die unter Zugvorspannung einvulkanisiert sind (vgl. NK1a, Fig. 1 i. V. m. S. 1, Abs. 2, bis S. 2, Abs. 3).

Auf dem Gürtelaufbau 5 ist das Laufflächenband 4 mit dem Reifenprofil 4a, 4b, 4c aufgebracht. Das Laufflächenband ist je nach Verwendung des Reifens zu den beiden Reifenflanken hin unterschiedlich stark gewölbt, weist also eine Querkonvexität auf. Diese ist für zweispurige Fahrzeuge (z. B. Vierradfahrzeuge wie Pkw) mit kleinen Radsturzwinkeln (bis ca. 4¡) gering, die Lauffläche also eher flach. Bei einspurigen Fahrzeugen (z. B. Zweiräder wie Motorräder) ergeben sich dagegen große Radsturzwinkel aufgrund der Schräglage bei Kurvenfahrt (bis über 50¡). Dies erfordert eine hohe Querkonvexität, also eine starke bogenförmige Wölbung des Laufflächenbandes, damit auch in Schräglage eines Motorrads das Laufflächenband zur Übertragung der Haftkräfte in ausreichender Breite auf der Fahrbahn aufliegt. Von einem derartigen Radialreifen für (einspurige) Zweiräder geht die Erfindung im Oberbegriff des Anspruchs 8 aus.

Im Streitpatent (vgl. NK1a, S. 2, Abs. 4, bis S. 3, Abs. 1) ist auch ein Verfahren zur Herstellung von Radialreifen gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 beschrieben, wie es beispielsweise aus der US 3 960 628 A (NK2) bekannt ist. Dabei werden - nach der im Reifenbau üblichen Karkassenherstellung aus einer zylindrischen Cordhülse, die zu einem Toroid aufgespreizt wird - die Verstärkungscorde 6 des Gürtels 5 auf die Karkasse 1 zunächst ohne Zugvorspannung aufgelegt und dann mit Zugvorspannung bei geringer Dehnung (z. B. Kurve PA in Fig. 2 der NK1a) einvulkanisiert, damit sich die Verstärkungscorde 6 des fertigen Reifens im Zustand gemäß Spannungs-Dehnungs-Diagramm im steilen Abschnitt befinden. Dies verringert im Betrieb die Dehnbarkeit des Reifens bzw. erhöht seine Formstabilität, welche ansonsten bereits von der permanenten Spannung durch den Betriebsluftdruck, insbesondere aber im Fahrbetrieb von der variablen Spannung durch die Fliehkräfte aufgrund der Reifendrehzahl bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten beeinflusst würde.

Nach dem Streitpatent (vgl. NK1a, S. 3, Abs. 2, bis S. 4, Abs. 2) ist beim beschriebenen Herstellungsverfahren nachteilig, dass die Formung der Profilvertiefungen, insbesondere bei hoher Querkonvexität der Lauffläche, problematisch ist, weil aufgrund der nicht im rechten Winkel zur stark gewölbten Lauffläche erfolgenden Bewegung der Vulkanisierformen unerwünschte Profilmuster, insbesondere bei tiefen Profilrillen 4a, 4b, 4c auftreten. Nach dem Streitpatent (vgl. NK1a, S. 4, Abs. 3 bis S. 5, Abs. 1) würde zwar ein unter Zugspannung sehr dehnbarer Gürtel dieses Problem verringern, aber wiederum andere Probleme schaffen, wie insbesondere unerwünschte Reifenverformungen durch die Fliehkräfte bei hohen Geschwindigkeiten.

Aufgabe der Erfindung ist es daher sinngemäß, ein Verfahren zur Herstellung eines Radialreifens und einen damit hergestellten Reifen für Motorräder bereit zu stellen, der frei von Aufbaufehlern sowie Formfehlern insbesondere des Reifenprofils ist (vgl. NK1a, S. 5, Abs. 2) und dazu ein ausgeglichenes sowie einheitliches Laufverhalten (vgl. NK1a, S. 9, Z. 3-4) vor allem bei sehr hohen Geschwindigkeiten (vgl. NK1a, S. 17, Z. 7-8) bietet.

Diese Ziele sollen mit einem Reifen gemäß Anspruch 8 (bzw. mit einem Verfahren zum Herstellen eines derartigen Reifens gemäß Anspruch 1) gelöst werden, wobei Anspruch 8 - im Wesentlichen der Merkmalsgliederung NK3 der Klägerin entsprechend - wie folgt gegliedert sein kann:

- Oberbegriff -

a) Reifen für zweirädrige Fahrzeuge mit einer Karkasse 1, welche eine Toroidform mit starker Querkonvexität aufweist, b) die Toroidform hat einen Scheitelabschnitt und zwei Seitenwände, welche in Wulsten 3 zum Verankern an einer entsprechenden Einbaufelge enden, c) auf dem Scheitel befindet sich ein Laufflächenband 4, d) das Laufflächenband 4 weist ein Konvexitätsverhältnis im Bereich von 0,15 bis 0,45 auf, e) der Reifen weist einen Verstärkungsaufbau 5 auf, der in Umfangsrichtung nicht dehnbar ist, f) der Verstärkungsaufbau 5 ist zwischen der Karkasse 1 und dem Laufflächenband 4 angeordnet, g) der ringförmige Verstärkungsaufbau 5 weist eine Vielzahl von Cordwindungen 6 auf, die in einer axialen nebeneinander liegenden Beziehung angeordnet sind und sich von einem axialen Ende des Aufbaus 5 zu dem anderen unter einem Winkel mit dem Wert von nahezu 0 bezogen auf die Äquatorialebene des Reifens erstrecken,

- kennzeichnender Teil -

h) die Verstärkungscorde 6 haben eine hohe Dehnung und ein Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit einem gekrümmten Abschnitt (E-F), der zwei im Wesentlichen gerade Längenstücke (O-E, F-Z) miteinander verbindet, i) die Längenstücke weisen eine unterschiedliche Neigung auf, j) die Corde 6 befinden sich im vulkanisierten, jedoch nicht aufgeblasenen und nicht belasteten Reifen in einem Zugvorspannungszustand entsprechend einem Punkt G des Spannungs-Dehnungs-Diagramms, der in dem gekrümmten Abschnitt (E-F) liegt.

Kern der Erfindung ist demnach die Herstellung eines Radialreifens sowie ein danach hergestellter Motorradreifen mit einem Verstärkungsaufbau aus Corden, die im Spannungs-Dehnungs-Diagramm (im Folgenden: SDD), vgl. Fig. 2 der NK1a, einen flachen (große Dehnung bereits bei kleiner Zugspannung) sowie einen steilen (geringe Dehnung bei großer Zugspannung) Abschnitt der Kurve HE aufweisen und sich im vulkanisierten Zustand des Reifens, aber noch drucklos und ohne Drehzahl, im Zugvorspannungszustand an einem Punkt G im Übergangsbereich zwischen dem flachen und dem steilen Abschnitt der Kurve HE befinden.

Damit weist der patentgemäße Radialreifen einen Gürtelaufbau auf, dessen Dehnfähigkeit vor dem Vulkanisieren für die Herstellung, insbesondere des gewünschten Reifenprofils hoch, aber nach dem Vulkanisieren für die im Fahrbetrieb erforderliche Formstabilität gering ist.

III.

Die Klägerin überzeugte den Senat davon, dass der Streitgegenstand zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Hierbei ist der maßgebliche Fachmann ein Diplom-Ingenieur mit Fachhochschul- oder Universitäts-Abschluss der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung und Konstruktion von Fahrzeugreifen, insbesondere auch für einspurige Fahrzeuge.

1) Vorrichtungsanspruch 8 a) Aus der EP 0 335 588 A2 (NK11) ist bereits ein Reifen mit den wesentlichen Merkmalen gemäß der Merkmalsgliederung des Anspruchs 8 bekannt (vgl. insbesondere Fig. 5 i. V. m, S. 2, Z. 52 bis S. 3, Z. 4 und S. 4, Z. 32-35), der aufgabengemäß einerseits frei von Aufbau- und Formfehlern insbesondere des Reifenprofils ist und andererseits ein ausgeglichenes sowie einheitliches Laufverhalten vor allem bei sehr hohen Geschwindigkeiten bietet (vgl. insbesondere S. 3, Z. 9-17).

Der bekannte Reifen nach NK11 weist - entsprechend dem Merkmal a) der Merkmalsgliederung zu Anspruch 8 - ebenfalls eine Karkasse (in NK11: carcass 5) in Toroidform mit "starker Querkonvexität" auf. Letztere erschließt sich dem Fachmann schon aus der Verwendung des bekannten Reifens nicht nur für PKW (S. 2, Z. 1) oder Flugzeuge (S. 8, Z. 5), sondern auch für Motorräder (S. 8, Z. 5).

Merkmal d) des Anspruchs 8 präzisiert die im Merkmal a) beanspruchte "starke Querkonvexität" dadurch, dass ein Konvexitätsverhältnis im Bereich von 0,15 bis 0,45 angegeben ist. Das nach der Methode des Streitpatents (vgl. NK1a, S. 11, Abs. 2 i. V. m. Fig. 1) ermittelte Konvexitätsverhältnis (h/w - Wert) beträgt beim Reifen nach NK11 gemäß den Ausführungsbeispielen der Fig. 5 bis 7 etwa 0,25 (mit in den Figuren 5 bis 7 gemessenen Werten für h = ca. 26 mm und w = 102 mm) und liegt damit im beanspruchten Bereich gemäß Merkmal d) des Anspruchs 8.

Wie üblich bei Radialreifen hat auch der bekannte Reifen nach NK11 (vgl. Fig. 1 i. V. m. S. 7, Z. 33-55), wie der patentgemäße Reifen, einen so genannten Scheitelabschnitt (in Fig. 1 bei CL), zwei Seitenwände (sidewall portions 3), die in Wulstkernen (bead portions 4) zum Verankern an der Felge enden, sowie ein Laufflächenband (tread portion 2) und einen Verstärkungsaufbau (plies of steel cords 6A, 6B and band cord 7), der zwischen der Karkasse 5 und dem Laufflächenband 2 angeordnet ist. Damit sind aus NK11 auch die Merkmale b), c), e) und f) des Anspruchs 8) bekannt.

Auch das Teilmerkmal von Merkmal e), wonach der Verstärkungsaufbau des Reifens in Umfangsrichtung "nicht dehnbar" ist, ist beim bekannten Reifen ebenso wie beim patentgemäßen Reifen insofern verwirklicht, als damit der Fachmann einen im Fahrbetrieb hohen Elastizitätsmodul der Corde des Verstärkungsaufbaus versteht, also einen - nach dem Bereich der beim Expandieren in der Vulkanisierform aufgebrachten Zugvorspannung - steilen Anstieg der Zugspannung über der Dehnung im Spannungs-Dehnungs-Diagramm (SDD), vgl. dazu die Steigung der Kurve HE oberhalb des Punktes F im SDD der Fig. 2 der NK1a mit der im Wesentlichen entsprechenden Steigung der Kurve b sowie der Kurve c oberhalb des Punktes V (transitional point) in Fig. 4 der NK11, wobei dort die Kurven mit "elongation stress curve" bezeichnet sind (vgl. S. 4, Z. 33).

Im Übrigen ist der Begriff "nicht dehnbar" im Merkmal e) des Anspruchs 8 wörtlich genommen unzutreffend, da dann die Steigung im SDD senkrecht sein müsste, was technisch schwer verwirklichbar ist. Zur Auslegung eines Anspruchs ist die Beschreibung heranzuziehen, in welcher dazu in NK1a, S. 17, Z. 5, durch die Einschränkung "ein im Wesentlichen nicht dehnbarer (Gurt-)Aufbau" die wirklichen Dehnungs-Verhältnisse berücksichtigt sind.

Der ringförmige Verstärkungsaufbau 6, 7 des Reifens nach NK11 weist auch - entsprechend dem Merkmal g) des Anspruchs 8 - zumindest im Band 7 des Verstärkungsaufbaus eine Vielzahl von nebeneinander liegenden Cordwindungen (Hybrid cord 12) auf, die sich von einem axialen Ende des als Band 7 ausgeführten Aufbaus zu dem anderen unter einem Winkel mit dem Wert von nahezu 0 bezogen auf die Äquatorialebene des Reifens erstrecken.

Der Fachmann versteht unter dem Begriff "nahezu 0", dass einerseits der genaue Wert 0 sich nur bei einzelnen, nebeneinander gewickelten Corden mit einer dem Umfang der Karkasse entsprechenden Länge ergibt, andererseits beim kontinuierlichen, schraubenförmigen Wickeln eines einzigen Cords über die axiale Breite des Verstärkungsaufbaus die Windungen dieses Cordes in einem - je nach Corddicke - von der Äquatorialebene abweichenden kleinen Winkel liegen, vgl. NK1a, S. 22, Abs. 2-5. In NK11 ist der entsprechende Sachverhalt in S. 3, Z. 53, bis S. 4, Z. 5, beschrieben und ein Winkel zwischen den Cordwindungen und der Äquatorialebene mit einem Wert von 0 bis 3 Grad angegeben.

Die Corde 12 des Verstärkungsbandes 7 des bekannten Reifens haben auch - entsprechend den kennzeichnenden Merkmalen h) und i) des Anspruchs 8 - eine hohe Dehnung und ein Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit einem gekrümmten Abschnitt, der zwei im Wesentlichen gerade Längenstücke mit unterschiedlicher Steigung miteinander verbindet, vgl. in NK11 das SDD der Kurve c in Fig. 4 i. V. m. S. 4, Z. 40-48. Die im Wesentlichen geraden Längenstücke der Kurve c sind für den Fachmann in Fig. 4 der NK11 zumindest in denjenigen beiden Bereichen ersichtlich, in denen die Tangenten S1 und S2 mit der Kurve c übereinstimmen - also entlang der Tangente S1 vom Nullpunkt weg in Richtung höherer Spannung und entlang der Tangente S2 vom Punkt der höchsten Spannung (Reißpunkt) weg in Richtung abnehmender Spannung - , und somit zumindest bereichsweise nach NK11 erfüllt.

Schließlich ist aus NK11 auch bekannt, dass - entsprechend dem letzten kennzeichnenden Merkmal j) des Anspruchs 8 - die Corde 12 des Verstärkungsaufbaus 7 des bekannten Reifens sich im vulkanisierten, jedoch nicht aufgeblasenen und nicht belasteten Reifen in einem - im Streitpatent mit Punkt G bezeichneten - Spannungs-Dehnungs-Zustand befinden, der in dem deutlich gekrümmten Abschnitt der Kurve c liegt. Denn im SDD der Fig. 4 der NK11 ist der so genannte transitional point V angegeben, der sich - wie der beanspruchte Punkt G - im gekrümmten Abschnitt der Kurve c der Verstärkungscorde befindet - und zwar nach NK11, S. 4, Z. 44, 45, im Bereich von 2 bis 7% Längung. Dieser Dehnungs-Bereich überschneidet sich - wenigstens zum Teil - mit dem in NK1a, S. 15, Abs. 2, genannten Bereich von 1,5 bis 3% Dehnung für die Mittellinie des gekrümmten Abschnitts EF der Kurve HE, in welchem der Punkt G liegt.

Abgesehen von diesen Zahlenwerten aus der Beschreibung ist im Streitpatent, Fig. 2, lediglich eine - wegen fehlender Zahlenwerte - qualitative Darstellung des SDD angegeben, wogegen aus NK11, Fig. 4, bereits ein - aufgrund der konkreten Zahlenwerte - für den Fachmann aussagekräftigeres quantitatives Spannungs-Dehnungs-Diagramm bekannt ist. Dem Fachmann erschließt sich somit ohne weiteres aus dem bekannten SDD nach NK11 mit konkreten Zahlenwerten das allgemein gehaltene und idealisierte SDD nach Fig. 2 des Streitpatents.

Nach NK11, Fig. 4 i. V. m. S. 4, Z. 58 bis S. 5, Z. 10, bedeutet der Punkt V, dass sich die Corde 12 - entsprechend dem patentgemäßen Punkt G - im vulkanisierten, jedoch nicht für den Fahrbetrieb aufgeblasenen und nicht belastenen Reifen in einem Zugvorspannungszustand hoher Dehnung befinden, wobei die Dehnung bei weiter steigender Zugspannung während des Betriebs des Reifens entsprechend der zunehmenden Steigung der Kurve c immer weniger zunimmt. Damit sind bereits beim bekannten Reifen die Corde 12 des Verstärkungsbandes 7 für eine korrekte Formung des Laufflächenbandes in der Vulkanisierform bei geringer Last stark gedehnt (NK11, S. 4, Z. 58 bis S. 5, Z. 6), dagegen beim fertigen Reifen im Fahrbetrieb durch die hohen Belastungen aufgrund des Betriebsluftdrucks (vgl. den entsprechenden Abschnitt C1-C2 in Fig. 2 der NK1a) und der Fliehkräfte bei hohen Reifendrehzahlen (vgl. den entsprechenden Abschnitt C2-C3 der NK1a) zusätzlich nur noch gering gedehnt, was die gewünschte hohe Formstabilität ergibt (NK11, S. 5, Z. 8-10).

Zwar kann unter Heranziehung des SDD der Fig. 2 des Streitpatents ein Unterschied in der Lage des erfindungsgemäßen Punktes G gegenüber der aus NK11 bekannten Lage darin gesehen werden, dass Punkt G am unteren Ende des gekrümmten Abschnitts E-F der Kurve HE eingezeichnet ist, wogegen nach der NK11 sich der dem Punkt G entsprechende Punkt V im mittleren Bereich des gekrümmten Abschnitts der Kurve c des SDD der Fig. 4 befindet. Eine genaue Lage von Punkt G innerhalb des gekrümmten Abschnitts ist jedoch dem Wortlaut des Anspruchs 8 nicht zu entnehmen. Der Punkt G muss anspruchsgemäß lediglich innerhalb des gekrümmten Bereichs liegen, wie es für den Punkt V des aus NK11 bekannten Cords 12 ebenfalls zutrifft.

Abgesehen davon kann die genaue Lage des den Spannungs-Dehnungs-Zustand des fertigen, jedoch unbelasteten Reifens bezeichnenden Punktes G letztlich dahingestellt bleiben, da mit zunehmender Querkonvexität die um die Karkasse gewickelten Cordwindungen auf unterschiedlichen Durchmessern liegen und daher die im Scheitelabschnitt liegenden Windungen bei gleicher Ausgangslänge der einzelnen Cordwindungen stärker gedehnt werden als die an den beiden axialen Enden des Gürtelaufbaus liegenden Windungen. Dies hat zur Folge, dass sich für den Cordgürtel insgesamt kein fest gelegter Einzelpunkt wie etwa der Punkt G, sondern ein Bereich auf dem gekrümmten Abschnitt der Kurve im SDD ergibt, vgl. auch beispielsweise die Ausführungen dazu in der weiter unten näher betrachteten GB 1 487 426 (NK12), S. 1, Z. 92-98.

Aus diesen Gründen sind alle Merkmale a) bis j) des Anspruchs 8 im Wesentlichen bereits aus der NK11 bekannt, zumindest aber für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens und -Könnens ohne erfinderisches Zutun zu entnehmen.

b) Soweit die Beklagte einwendet, dass es sich beim Reifen nach NK11 um eine nicht vergleichbare andere Konstruktion aufgrund des unterschiedlichen Aufbaus des Gürtels handele, weil der patentgemäße Verstärkungsaufbau auf weitere, insbesondere für PKW-Reifen notwendige Verstärkungslagen wie das Band 7 nach der NK11 verzichte, folgt ihr der Senat nicht. Denn - abgesehen davon, dass das Wissen des hier maßgeblichen Fachmanns sich auf Reifen sowohl zweispuriger als auch einspuriger Fahrzeuge bezieht - nennt das Merkmal e) des Anspruchs 8 lediglich einen "Verstärkungsaufbau", der verschiedene, die Karkasse umschlingende Gurtaufbauten zulässt, solange sie zu ihrer Verstärkung beitragen. Dies trifft auch auf den Gurtaufbau nach NK11 mit einem zusätzlichen, zu den beiden Gürteln 6A und 6B ringförmig um die Karkasse gewickelten, ebenfalls der Verstärkung der Karkasse dienenden Band 7 zu.

Selbst wenn aufgrund dieses von der Beklagten geltend gemachten Unterschieds der patentgemäße Reifen als neu gegenüber dem Reifen nach der NK11 angesehen würde, kann der unterschiedliche Verstärkungsaufbau dahingestellt bleiben, da der Reifen nach Anspruch 8 gegenüber demjenigen nach NK11 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Für den Fachmann ist es nämlich nahe liegend, das spezielle Cordverhalten mit einem flachen und einem steilen Abschnitt im SDD für das Verstärkungsband 7 des mehrlagigen Gurtaufbaus des Reifens nach NK11 auch an einem Reifen mit nur einer Cordlage im Verstärkungsgürtel anzuwenden, um zur Lösung der ebenfalls aus NK11 bereits bekannten Probleme (vgl. S. 2, Z. 43-51) bei der Profilformung mit einem Verstärkungsaufbau aus Corden zu gelangen, die einen Verlauf ohne flachen Abschnitt aufweisen entsprechend der Kurve PA in Fig. 2 der NK1a, die den Stand der Technik vor Einführung der Corde mit einem zusätzlichen flachen Abschnitt darstellt, vgl. auch Kurve b in Fig. 4 der NK11 oder Kurve I in Fig. 2 der NK12.

Im Übrigen sind nach der Beschreibung im Streitpatent auch beim patentgemäßen Reifen unterschiedliche Möglichkeiten für den Verstärkungsaufbau 5 angegeben, wie aus NK1a, S. 2, Abs. 2 (mehrere Schichten von Corden) sowie aus S. 22, le. Abs. bis S. 23, Abs. 2, und S. 24, le. Abs., hervorgeht. Danach können auch andere Cordlagen oder Bänder aus Corden anstatt oder zusammen mit der lediglich beim Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 beschriebenen einzigen Cordlage vorhanden sein. Somit hält auch die Art des Gürtelaufbaus des Reifens nach NK11 mit einem zu den beiden Gürteln 6A und 6B zusätzlichen Verstärkungsband 7 den Fachmann nicht davon ab, den aus NK11 bekannten Verlauf des Verstärkungscords 12 mit einem flachen und einem steilen Abschnitt im SDD zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe in Betracht zu ziehen.

c) Auch das weitere Argument der Beklagten, wonach die Kurve c der Fig. 4 der NK11 keine ausreichend langen geraden Längenstücke gemäß Merkmal h) des Anspruchs 8 zeige, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung der Erfindungshöhe. Abgesehen davon, dass nach Anspruch 8 lediglich "im Wesentlichen gerade Längenstücke" beansprucht sind, kann nach der Beschreibung in NK1a, S. 21, Abs. 1, der Abschnitt OF der Kurve HE ein variables Längenstück aufweisen, das von der Veränderung der Cordmerkmale aufgrund ihres unterschiedlichen, vom Cordhersteller nahezu beliebig lieferbaren Aufbaus durch Variation des Materials, Draht- und Stranganzahl, Drahtdurchmesser, Wicklungsart und -Steigung usw. abhängt, vgl. NK1a, S. 13, Abs. 4 bis S. 14, Abs. 3, und S. 20, le. Abs. bis 21, Abs. 1. Damit ist der gezeichnete Verlauf der Kurve HE zwischen den Punkten 0 und F der Fig. 2 in NK1a nur beispielhaft. Dies trifft auch für die Kurve c der Fig. 4 in NK11 zu, da dort nach S. 4, Z. 3-43, ebenfalls unterschiedliche Cordaufbauten beschrieben sind (vgl. die Ausführungsbeispiele der Figuren 2a bis 3b), um die Eigenschaften des Cords 12 zu regulieren, vgl. NK11, S. 4, Z. 53-57. Dies bedeutet, dass der Fachmann bereits aus der NK11 alle Anregungen für Verstärkungscorde zu den patentgemäßen Verläufen im SDD erhält.

Darüber hinaus entnimmt der Fachmann Hinweise auf die von der Beklagten als entscheidend geltend gemachten "geraden Längenstücke im Spannungs-Dehnungs-Diagramm" bereits der älteren GB 1 487 426 (NK12). In NK12 sind gerade Längenstücke für die beiden Abschnitte vor und nach dem gekrümmten Abschnitt der Kurve II im SDD (NK12: loadelongation characteristics) der Fig. 2 gezeigt. Der Fachmann zieht die NK12 bei der Lösung der patentgemäßen Aufgabe in Betracht, da sie - wie schon aus der NK11 bekannt - ausgehend vom üblichen Kurvenverlauf im SDD, vgl. Kurve I i. V. m. S. 2, Z. 26-36, bei Radialreifen mit einer Lauffläche mit bogenförmiger Gestalt (vgl. S. 1, Z. 37), also mit bei Motorradreifen erforderlicher hoher Querkonvexität, Verstärkungscorde für den Gurtaufbau mit unterschiedlicher Steigung, also mit einem flachen und einem steilen Abschnitt im SDD beschreibt. Mit dem flachen Abschnitt werden hohe Kräfte beim Aufwickeln der aufgrund der bei hoher Querkonvexität unterschiedlich langen Corde auf die stark bogenförmige Karkasse vermieden (vgl. NK12, S. 2, Z. 51-59). Mit dem auf den Übergangsbereich folgenden steilen Abschnitt wird - wie üblich bei Radialreifen, vgl. Kurve I in Fig. 2 der NK12 - die gewünschte hohe Formstabilität im Betrieb des Reifens erreicht.

Zwar ist in NK12 kein dem patentgemäßen Punkt G bzw. dem aus der NK11 bekannten Punkt V entsprechender Spannungs-Dehnungs-Zustand für die Corde des Verstärkungsaufbaus genannt. Für den Fachmann ist es aber klar, dass er für den vulkanisierten, also fertiggestellten Reifen, der noch ohne Betriebsluftdruck und ohne Fliehkrafteinwirkung ist, den Zustand der Verstärkungscorde - wie dargelegt - vor den Anfang des steilen Abschnitts, also in den Übergangsbereich im SDD legt (wie z. B. bei Kurve I in Fig. 2 der NK12), damit durch die Belastungen des Fahrbetriebs (Luftdruck und drehzahlbedingte Fliehkräfte) keine Formänderung des Reifens eintritt. Damit sieht der Fachmann bei Einsatz von Corden mit einem flachen und einem steilen Kurvenabschnitt (wie z. B. bei Kurve II der Fig. 2 der NK12) lediglich eine Verschiebung des Anfangs des steilen Bereichs im SDD nach rechts zu demjenigen Dehnungswert, der aufgrund des dort steilen Anstiegs des Spannungs-Dehnungs-Verlaufs die im Betrieb des Reifens erforderliche hohe Formstabilität garantiert. Der flache Abschnitt wird dabei lediglich vor der Vulkanisation für die Expansion in der Vulkanisierform zur Vermeidung hoher Kräfte beim Wickeln unterschiedlich langer Cordwindungen (nach NK12) oder zum Erzielen einer korrekten und ausreichend tiefen Profilgestaltung (nach NK11) wirksam. Dabei sind die Profilrillen umso tiefer, je länger die Corddehnung im flachen Abschnitt ist, weil aufgrund des längeren Ausdehnungsweges des Toroids in das Laufflächenband längere Profilnegative der Vulkanisierform eindringen können, bevor die Dehnung der Corde wegen der steil ansteigenden Spannung beendet ist.

Für den Fachmann ergibt sich somit der - patentgemäß mit Punkt G bezeichnete - Spannungs-Dehnungs-Zustand des um die Karkasse geschlungenen Verstärkungsaufbaus des fertig vulkanisierten, jedoch nicht aufgeblasenen und nicht belasteten Reifens aus einfachen, nicht erfinderischen Überlegungen als im gekrümmten Abschnitt liegend, also am Ende des flachen und somit am Beginn des steilen Abschnitts im SDD.

Läge der Punkt G noch im flachen Abschnitt mit hoher Dehnung, würde bereits das Aufblasen auf den Betriebsluftdruck, aber noch mehr die Fliehkräfte bei hohen Geschwindigkeiten unerwünschte Formänderungen des Reifens bewirken.

Läge der Punkt G schon im steilen Abschnitt mit geringer Dehnung, wären zur Herstellung hohe, für den noch nicht vulkanisierten Reifenaufbau ungünstige hohe Kräfte notwendig, ohne einen Vorteil zu erzielen.

Der Fachmann erkennt einerseits für den Fahrbetrieb des fertigen Reifens den Spannungs-Dehnungs-Zustand der Verstärkungscorde im Bereich geringer Dehnung als selbstverständlich, andererseits für die Herstellung des Reifens den aus NK11 und NK12 bekannten Bereich hoher Dehnung bei geringer Zugspannung als entscheidend - sei es zur korrekten Profilbildung nach NK11 oder zum die Karkasse schonenden Auflegen des Gurtaufbaus nach NK12.

Somit beruht der Reifen nach Anspruch 8 schon gegenüber dem aus NK11 bekannten Reifen, zumindest aber in der Zusammenschau mit dem aus NK12 bekannten Spannungs-Dehnungs-Verlauf nach Kurve II mit längeren geraden Abschnitten, nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus diesen Gründen kann der Anspruch 8 mangels Patentfähigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand haben.

2) Verfahrensanspruch 1 a) Aus der NK11 entnimmt der Fachmann auch im Wesentlichen die Maßnahmen des Anspruchs 1, der die Herstellung von Reifen für Motorräder mit den Merkmalen des Anspruchs 8 betrifft. Insbesondere geht aus NK11 - wie zu Anspruch 8 bereits dargelegt - hervor, dass der bekannte Verstärkungsgurt, wie derjenige nach Anspruch 1, aus Corden mit einem Spannungs-Dehnungs-Verhalten mit einem gekrümmten, ein flaches und ein steiles Längenstück verbindenden Abschnitt im SDD hergestellt wird und die Corde zum Vulkanisieren derart vorgespannt werden, dass sich ihr Spannungs-Dehnungs-Zustand an einem Punkt in diesem Abschnitt, also am Punkt V zwischen dem flachen und dem steilen Bereich der Kurve c befindet.

Davon unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 im Wesentlichen nur dadurch, dass die Herstellung der toroidförmigen Karkasse aus einer zylindrischen Hülse und die koaxialen Bewegungen der beiden Wulstkerne zur jeweiligen Einstellung des Karkassendurchmessers angegeben sind, der zum Auflegen des Verstärkungsgurtes klein und nach der Expansion durch Vorspannen der Corde zum Vulkanisieren seiner Endform größer ist. Dies sind jedoch dem Fachmann zur Herstellung von Radialreifen geläufige Maßnahmen, auf die beispielsweise in der - im Streitpatent (NK1a, S. 2, Abs. 4) dazu angegebenen - US 3 960 628 (NK2) hingewiesen ist.

Wie bereits zum Anspruch 8 dargelegt, ist es auch beim Reifen nach NK11 notwendig, die Karkasse durch Expansion von einem kleineren auf einen größeren Durchmesser derart aufzuspreizen, dass die Verstärkungscorde im Spannungs-Dehnungs-Zustand zum Zeitpunkt des Vulkanisierens im gekrümmten Abschnitt der SDD-Kurve c liegen, was die im Anspruch 1 angegebenen koaxialen Bewegungen der beiden Wulstkerne ergibt. Dies sind dem Fachmann ohne weiteres geläufige Maßnahmen bei der Herstellung von Radialreifen.

b) Der Einwand der Beklagten, wonach es erfinderischen Zutuns bedürfe, dass nach Anspruch 1 ein so genannter erster Durchmesser d1 und dann ein weiterer Durchmesser d2, der kleiner als d1 ist, durch Verändern des Wulstkern-Abstandes eingestellt werde, bevor der endgültige Durchmesser D erreicht werde, ändert hieran nichts. Darlegungen darüber, inwiefern die beiden unterschiedlichen Durchmessereinstellungen d1 und d2 vor dem Enddurchmesser des Reifens zur Lösung der Aufgabe beitragen, finden sich im Streitpatent nicht.

Zum spannungslosen Auflegen des Verstärkungsaufbaus aus Corden genügt nämlich eine einzige Durchmessereinstellung, die kleiner als der Durchmesser der endgültigen toroidförmigen Karkasse ist. Am fertigen Reifen ist es unerheblich, ob eine oder zwei Toroidformen mit kleinerem Durchmesser als die endgültige Toroidform vor dem Vulkanisieren eingestellt gewesen sind.

Mit der Unterscheidung in d1 und d2 mag das Verfahren nach Anspruch 1 zwar neu sein, beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da eine weitere Durchmessereinstellung wie diejenige nach Anspruch 1 im Belieben des Fachmannes liegt. Entscheidend ist allein, dass der Cordgurt spannungsfrei (Punkt 0 im SDD) auf einen kleinen Toroiddurchmesser aufgelegt und dann zur Vulkanisation auf den endgültigen Durchmesser gedehnt wird, wobei die Corde sich in ihrem Spannungs-Dehnungs-Verlauf vom Punkt 0 entlang des flachen Abschnitts zum Punkt der gewünschten Vorspannung vor dem steilen Abschnitt bewegen. Diese Lehre entnimmt der Fachmann ohne Weiteres der NK11, wie zu Anspruch 8 bereits dargelegt worden ist.

Somit beruht auch das Verfahren nach Anspruch 1 gegenüber dem Verfahren nach NK11 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus diesen Gründen hat auch der Anspruch 1 mangels Patentfähigkeit seines Verfahrens keinen Bestand.

3) Unteransprüche Die Gegenstände der jeweils auf Anspruch 1 oder Anspruch 8 rückbezogenen untergeordneten Ansprüche 2 bis 7 bzw. 9 bis 13 werden von der Beklagten nicht als eigenständig erfinderisch verfolgt. Auch der Senat kann nichts eigenständig Erfinderisches in den Gegenständen dieser Unteransprüche erkennen.

4) Offenkundige Vorbenutzung Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die zwischen den Parteien streitigen Punkte hinsichtlich der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung nicht an.

IV.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 23.03.2006
Az: 2 Ni 53/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c16c9a44125e/BPatG_Urteil_vom_23-Maerz-2006_Az_2-Ni-53-04




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