Landgericht Essen:
Urteil vom 7. Mai 2013
Aktenzeichen: 12 O 448/10

(LG Essen: Urteil v. 07.05.2013, Az.: 12 O 448/10)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist mit Wirkung seit dem 01.12.2011 Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. Der vorherige Kläger, Rechtsanwalt H, wurde auf seinen Antrag hin durch das Amtsgericht F hin entpflichtet. Er war zudem Insolvenzverwalter über das Vermögen der L1. Die Insolvenzverfahren über beide Gesellschaften wurden durch Beschlüsse vom 01.09.2009 (Anlagen K 1 und K 2) eröffnet. Ebenso wurde an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B eröffnet. Die Bund die L1 hatten am 09.06.09, die L am 21.07.09 Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. Aufgrund entsprechender Beschlüsse des Amtsgerichts F war Rechtsanwalt H am 09.06.09 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der L1 und der B, mit Beschluss vom 22.07.09 auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter der L bestimmt worden. Mit Beschlüssen des Amtsgerichts F vom 01.09.09 wurde Rechtsanwalt Rolf Otto Neukirchen in F zum Sonderinsolvenzverwalter sowohl in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der L1 als auch im Verfahren über das Vermögen der L bestellt (Anlage K 1). Mit Beschlüssen vom 05.11.2009 wurde der Aufgabenbereich des Sonderinsolvenzverwalters in beiden Verfahren erweitert (Anlagen B 88; B 89).Die L1 war ebenso wie die Versandhandelsfirmen R und S und das Touristik-Unternehmen U Teil des B Konzerns. Alleinige Gesellschafterin der L1 war die L, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die B war.

Zwischen der L und der L1 bestand ein Gewinnabführungsvertrag vom 12.11.2002 mit Wirkung ab 01.01.2003, aufgrund dessen die L1 ihren ganzen Gewinn an die L abzuführen hatte (Anlagen K 3/K 5). Ein entsprechender Gewinnabführungsvertrag vom 11.11.02, ebenfalls mit Wirkung ab 01.01.03, bestand zwischen der L und der B, aufgrund d F die L ihre Gewinne an die B abführen musste (Anlagen K 6/K 7). Aus den jeweiligen Gewinnabführungsverträgen hatten die L1 gegen die L und diese ihrerseits gegen die B jeweils einen Anspruch auf Ausgleich entstehender Jahresfehlbeträge (sog. Verlustausgleichsansprüche).

Seit 2004 nahm die L1 am konzerninternen Cash-Pooling teil. Im Rahmen dieses Cash-Pooling führte die L1 täglich ihre verfügbare Liquidität an die Bab. Positive Banksalden wurden auf ein Konto der B umgebucht. Negative Kontostände der L1 wurden am Tagesende von der B ausgeglichen.

Der Beklagte zu 1) war vom 22.08.2006 bis 31.07.08 Geschäftsführer der L1, der Beklagte zu 2) vom 28.03.08 bis 26.10.09 einer von mehreren Geschäftsführern der L1 (Anlagen K 3; B 3). Beide waren zugleich auch Vorstandsmitglieder der B , der Beklagte zu 1) seit dem 01.08.06 (K 23), der Beklagte zu 2) seit dem 01.12.08 bis Ende 2009 (Anlagen K 4; B 4). Der Beklagte zu 2) hatte ab 31.07.08 den Vorsitz der Geschäftsführung der L1 inne. Laut Geschäftsverteilungsplan (Anlage B 5) war der Vorsitzende der Geschäftsführung auch für den Bereich Revision und eine Reihe operativer Tätigkeiten zuständig.

Der Beklagte zu 1) ist zum 31.07.08 aufgrund des Beschlusses des ständigen Ausschusses des Aufsichtsrates der B vom 17.07.08 (Anlage F, Bd. III) und nach Maßgabe der Aufhebungsvereinbarung vom 17.07.08 (Anlage F, Bd. II) aus dem Konzern ausgeschieden (Anlagen K 9; K 24). § 10 der Vereinbarung vom 17.07.08 enthält eine sog. Erledigungsklausel, in der es u.a. heißt:

"Mit Ausnahme der in diesem Aufhebungsvertrag geregelten Ansprüche sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Dienstvertrag und seiner Beendigung, ..., ausgeglichen und erledigt."

Den Geschäftsführern der L1 wurde zudem sowohl für das Geschäftsjahr 01.01.07 bis 30.09.08 als auch für das Geschäftsjahr 01.10.07 bis 30.09.08 von der Gesellschafterversammlung der L1 Entlastung erteilt (vgl. Gesellschafterbeschlüsse vom 09.01.08 - F Bd. IV - und 02.02.09 - F Bd. V -, jeweils unter II.).

Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz wegen Nichteinforderung von Verlustausgleichsansprüchen, gegenüber dem Beklagten zu 1) für das Geschäftsjahr 01.01.07 bis 30.09.07 in Höhe eines erstrangigen Teilbetrages von 25 Mio €, gegenüber dem Beklagten zu 2) ebenfalls einen erstrangigen Teilbetrag von 25 Mio € für das Geschäftsjahr 01.10.07 bis 30.09.08, hilfsweise auch für das Geschäftsjahr 2007, insoweit als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1).

Zum 30.09.07 bestand für die L1 ein Jahresfehlbetrag von insgesamt 206.100.114,98 €, der sich zusammensetzt aus den Jahresfehlbeträgen für das Jahr 2006 in Höhe von 38.033.408,25 € (K 62; K 70) und für das Rumpfgeschäftsjahr 01.01. bis 30.09.07 von 168.066.706,73 € (K 8; K 71). Der Jahresabschluss der L1 zum 30.09.07 wurde von der Gesellschafterversammlung am 09.01.08 festgestellt. In dem Beschluss heißt es außerdem:

"Aufgrund des mit der L bestehenden Ergebnisabführungsvertrages ist der Verlust des Rumpfgeschäftsjahres 2007 in Höhe von 168.066.706,73 € von dieser übernommen worden (K 8; B 73)."

Zum 30.09.08 ergab sich für die L1 ein Jahresfehlbetrag von 250.979.990,93 €. Dieser wurde auf der Gesellschafterversammlung vom 02.02.09 festgestellt. Auch hier wurde vermerkt, dass der Verlust von der L übernommen worden ist (K 9; B 24).

Die sich aus den Jahresfehlbeträgen ergebenden Verlustausgleichsansprüche für 2007 und 2007/2008 wurden von den Beklagten als Geschäftsführern der L1 gegenüber der L nicht eingefordert.In Bezug auf den Jahresfehlbetrag per 30.09.07 schlossen die L1, die L und die B statt F eine dreiseitige Abtretungs- und Verrechnungsvereinbarung (K 10). In dieser Vereinbarung trat die B die ihr gegen die L1 aus den im Rahmen des Cash-Pooling gewährten Finanzierungen zustehende Forderung in Höhe von 179.490.926,00 € an die L ab, die diese Forderung sogleich gegen den Verlustausgleichsanspruch der L1 per 30.09.07 in Höhe von 206.100.115,00 € aufrechnete. Gegen den verbleibenden Verlustausgleichsanspruch von ca. 27 Mio € rechnete die L mit einem Anspruch auf Ausschüttung einer von ihr am selben Tage aufgelösten Kreditrücklage der L1 von ebenfalls ca. 27 Mio € auf. Im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2007/2008 wurde der Verlustausgleichsanspruch per 30.09.07 aufgrund der Verrechnung ausgebucht.

Nach Eröffnung der Insolvenzverfahren wurde bei der L1 ein Insolvenzplanverfahren durchgeführt, das eine übertragene Sanierung der L1 an einen Investor vorsah. Gläubiger sollten neben der Quote Anspruch auf weitere Erlöse aus einem sog. Besserungsschein I haben, die sich aus den Erlösen von Gegenständen und Ansprüchen speisen sollten, die der Kläger als Insolvenzverwalter der L außerhalb des Insolvenzplans verwerten oder einziehen würde. Mit Insolvenzplan vom 12.04.2010 (K 12) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der L1 am 30.09.2010 beendet. In Ziffer 4.3 (Seite 84) des Insolvenzplans heißt es:

"Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der L1 und der Insolvenzverwalter über das Vermögen der L werden mit Zustimmung des Sonderinsolvenzverwalters über das Vermögen der L1 bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens Verträge abschließen, durch die Forderungen der L1 an den Insolvenzverwalter der L abgetreten und diverse Kunstgegenstände von der L1 auf die L übertragen werden."

In Vollzug dieses Plans trat der Kläger als Insolvenzverwalter der L1 mit Zustimmung des Sonderinsolvenzverwalters Neukirchen mit Abtretungs- und Einziehungsvertrag vom 21.07.2010 in Verbindung mit dem zweiten Nachtrag zu diesem Vertrag vom 30.09.2010 (K 13) u.a. Schadensersatzansprüche der L1 gegen die Beklagten, gleich aus welchem Rechtsgrund, an sich in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der L ab.Der Gläubigerausschuss der L1 hat in der Sitzung vom 02.09.10 der Klageerhebung gegen Organe der L1 zugestimmt (K 103).

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hätten mit dem Unterlassen der Einforderung der Verlustausgleichsansprüche für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 und das Geschäftsjahr 2007/2008 ihre Sorgfaltspflichten als Geschäftsführer gemäß § 43 GmbH-Gesetz verletzt und seien deshalb zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.Der Anspruch einer abhängigen Gesellschaft auf Verlustausgleich aus einem Gewinnabführungsvertrag entstehe mit Ende des Geschäftsjahres und sei sofort fällig. Die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft seien verpflichtet, diesen Anspruch spätestens mit der Aufstellung des Jahresabschlusses einzufordern. Der Anspruch dürfe nicht gestundet und nicht aufgegeben werden. Die Einbuchung in den Jahresabschluss und Feststellung des Verlustausgleichsanspruchs durch das herrschende Unternehmen sei keine hinreichende Geltendmachung.Während der zum 31.07.2008 als Geschäftsführer der L1 ausgeschiedene Beklagte zu 1) allein für die unterlassene Einforderung des Verlustausgleichs für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 hafte, sei der Beklagte zu 2) für den Ausfall dieses wie auch des Verlustausgleichsanspruchs 2007/2008 verantwortlich.

Die Verrechnung des Verlustausgleichsanspruchs per 30.09.07 durch den Vertrag vom 30.09.08 sei unwirksam und habe daher nicht zum Erlöschen des Anspruchs geführt.Voraussetzung für eine wirksame Verrechnung sei, dass der gegen den Verlustausgleichsanspruch aufgerechnete Anspruch vollwertig sei und keinen Eigenkapital ersetzenden Charakter habe. Hier seien beide zur Aufrechnung gestellten Forderungen der B nicht werthaltig gewesen. Die L1 sei spätestens am 30.09.08 und danach bis zur Insolvenzantragstellung kreditunwürdig und zumindest drohend zahlungsunfähig gewesen. Sie hätte weder die Forderung der B über 179,5 Mio € noch die Forderung der L über 27 Mio € erfüllen können. Deshalb hätten die an die L abgetretenen Cash-Pool-Forderungen der Bauch Eigenkapital ersetzenden Charakter gehabt. Die im Rahmen des Cash-Pooling an die L1 erfolgten Leistungen der B dürften dann nicht zurückgezahlt und auch nicht mit einem Anspruch auf Verlustausgleich verrechnet werden.

Der Verlustausgleichsanspruch für das Geschäftsjahr 2007/2008 hätte ebenfalls spätestens mit der Aufstellung des Jahresabschlusses 2007/2008 von dem Beklagten zu 2) geltend gemacht werden müssen. Dem Beklagten zu 2) sei im Laufe des Geschäftsjahres 2008 klar geworden, dass die L1 auch im Geschäftsjahr 2007/2008 einen erheblichen Verlust erleiden würde. Bereits Anfang September 2008 sei aufgrund der schlechteren Ergebnisplanungen auf einen Jahresfehlbetrag der L1 zum 30.09.08 von mindestens 240 Mio € zu schließen gewesen. Auch Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der L hätten bereits vor Ende des Geschäftsjahres 2007/2008 bestanden. Es sei klar gewesen, dass zur Befriedigung der Verlustausgleichsansprüche die Liquidität fehlte.

Ungeachtet der unzureichenden Kontoguthaben hätte die L die Ansprüche der L1 zum 30.09.07 und 30.09.08 aber noch erfüllen können. Die B hätte sich die für die Erfüllung der Verlustausgleichsansprüche der L1 erforderlichen Mittel rechtzeitig durch den Verkauf der Anteile an der börsennotierten U und weiterer Beteiligungen, u.a. an I ... sowohl zum 30.09.07 als auch zum 30.09.08 verschaffen können. Die L hätte seinerzeit eine Bitte um Verkauf der Beteiligung an die B gestellt, weil dies die einzig rechtmäßige Handlungsweise gewesen wäre. In gleicher Weise hätte auch der Aufsichtsrat einem Verkauf zugestimmt.Zwar hätten aus den Erlösen zunächst die Kreditverbindlichkeiten der Banken bedient werden müssen. Die Erlöse hätten diese Verbindlichkeiten jedoch deutlich überstiegen. Durch die Veräußerung der Beteiligungen an U, I.., R International und M hätte die B binnen weniger Tage nach Abzug der Verwertungskosten und der Bankverbindlichkeiten zum 30.09.08 freie Mittel in Höhe von 819,4 Mio € erlangen können. Damit sei ein Ausgleich der Verlustausgleichsansprüche der L1 von rund 457,1 Mio € möglich gewesen. Dies sei auch bei Berücksichtigung von Verlustausgleichsansprüchen anderer Konzerngesellschaften der Fall. Bei quotaler Verteilung wäre ein Betrag von 105.439.712,00 € an die L ausgezahlt worden, den die L1 dann hätte beanspruchen können. Die L hätte die ihr gegen die B zustehenden Verlustausgleichsansprüche für 2006, 2007 und 2007/2008 ebenfalls geltend machen können. Nach Verwertung der Beteiligungen hätte die B diese Ansprüche erfüllen können.

Mit den auf die Verlustausgleichsansprüche zugeflossenen liquiden Mittel hätte die L1 ihren Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten können. Das Unterlassen der Geltendmachung der Verlustausgleichsansprüche sei auch ursächlich für die spätere Insolvenz der L1.

Wenn der Verkauf von Vermögenswerten nicht möglich gewesen wäre, hätte zumindest die Möglichkeit bestanden, an diesen Sicherheiten zu Gunsten der L1 und der L zu bestellen. Dies hätte im Fall der späteren Insolvenz zumindest zur teilweisen Tilgung geführt. Eine Besicherung wäre im Rahmen konzernweiter Abwendungsvergleiche möglich gewesen. Bei einer späteren Veräußerung wären freie Mittel in Höhe von mindestens 543,6 Mio € erzielt worden. Die L1 hätte von den freien liquiden Mitteln einen Teil von mindestens 105,4 Mio € erhalten.Nach der Insolvenz der L seien die Verlustausgleichsansprüche reine Insolvenzforderungen. Angesichts einer unstreitig zu erwartenden Quote von unter 1% des Nominalwertes sei allenfalls mit einer Quote von 4,57 Mio € zu rechnen, die unter den mit der Klage geltend gemachten Beträgen liege.

Der Kläger beantragt,

1.der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger Euro 25.000.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2.Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger Euro 25.000.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

hilfsweise:

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) Euro 25.000.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt der Beklagte zu 2),

für den Fall, dass der Klage wegen des erstrangig geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz wegen der Nichteinforderung des Anspruchs auf Verlustausgleichs für das Geschäftsjahr 2007/2008 ganz oder teilweise stattgegeben wird,

1.den Beklagten zu 2) nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs auf Verlustausgleich der L1 gegenüber der L für das Geschäftsjahr 2007/2008 an den Beklagten zu 2) in entsprechender Höhe zu verurteilen und

2.die Klage im Übrigen abzuweisen.

Äußerst hilfsweise für den Fall, dass der Klage wegen des lediglich hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz wegen der Nichteinforderung des Anspruchs auf Verlustausgleich für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 ganz oder teilweise stattgegeben wird,

1.den Beklagten zu 2) nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs auf Verlustausgleich der L1 gegenüber der L für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 an den Beklagten zu 2) in entsprechender Höhe zu verurteilen und

2.die Klage im Übrigen kostenpflichtig abzuweisen.

Äußerst hilfsweise, für den Fall, dass der Klage wegen des im Rahmen der Replik prozessual erstmals hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz wegen der Nichteinforderung des Anspruchs auf Verlustausgleich für das Geschäftsjahr 2006 ganz oder teilweise stattgegeben wird,

den Beklagten zu 2) nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs auf Verlustausgleich der L1 gegenüber der L für das Geschäftsjahr 2006 an den Beklagten zu 2) in entsprechender Höhe zu verurteilen, und die Klage im Übrigen kostenpflichtig abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) ist der Auffassung, der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert.

Die Abtretung der Schadensersatzansprüche durch den früheren Kläger Dr. H als Insolvenzverwalter der L1 an den personenidentischen Insolvenzverwalter der L verstoße gegen § 181 BGB, der auch für den Insolvenzverwalter gelte. Eine Befreiung von § 181 BGB sei weder durch den Gläubigerausschuss noch durch den Sonderinsolvenzverwalter erteilt worden.

Unabhängig davon seien Schadensersatzansprüche gegen ihn bereits durch die Erledigungsklausel in § 10 der Aufhebungsvereinbarung vom 17.07.08 ausgeschlossen. Jedenfalls stünde ihnen die ihm für seine Geschäftsführertätigkeit in der Zeit 2007/2008 von der Gesellschafterversammlung erteilte Entlastung entgegen. Diese sei in voller Tatsachenkenntnis der jetzt streitgegenständlichen Vorgänge erteilt worden.

Die Verrechnung von Forderungen aus dem Cash-Pooling mit Verlustausgleichsansprüchen sei gängige Konzernpraxis gewesen und gehe zurück auf einen Beschluss der Vorstandssitzung der L2 vom 28.11.2006 (FBD 6, Seite 9). Dabei sei es um die künftige Vereinfachung der Finanzierungsströme durch Verrechnung der gegenläufigen Forderungen beginnend mit den Verlustausgleichsansprüchen aus den Geschäftsjahren 2004 und 2005 gegangen (FBD 7). Dementsprechend sei, wie unstreitig, am 01.12.2006 eine dreiseitige Verrechnungsvereinbarung zwischen der L2, der L und der L1 getroffen worden (FBD 8/B 71). Mit dieser Vereinbarung seien die Verlustausgleichsansprüche der Geschäftsjahre 2004 und 2005 durch Verrechnung ausgeglichen worden. Der Beklagte habe es daher als rechtmäßig angesehen, die Verlustausgleichsansprüche für 2006 und das Geschäftsjahr 01.01. bis 30.09.07 zunächst nicht einzufordern, sondern sie später gegen den Anspruch aus dem Cash-Pooling zu verrechnen. Zudem sei diese Vorgehensweise auch, wie unstreitig, vom Leiter der Rechtsabteilung der B, dem Zeugen E, sowie im BDO Prüfbericht vom 31.12.06 (B 72) nicht beanstandet worden.

Der Beklagte zu 1) habe sich laufend über die Insolvenz der L und der B nformiert. Auch sei dies Thema der Vorstandssitzungen gewesen. Im September 2008 habe auch keine Zahlungsunfähigkeit oder auch nur eine drohende Zahlungsunfähigkeit der L1 bestanden. Sie sei auch nicht kreditunwürdig gewesen. Zahlungsfähig sei sie am 30.09.08 schon deshalb gewesen, weil die B zahlungsfähig gewesen sei. Bei bestehender Zahlungsfähigkeit der Muttergesellschaft sowie einer unterjährigen Liquiditätsversorgung der Tochter durch den Cash-Pool könne die Tochter nicht zahlungsunfähig werden. Deshalb seien die mit den Verlustausgleichsansprüchen verrechneten Gegenforderungen werthaltig gewesen und hätten auch keinen eigenkapitalersetzenden Charakter. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO habe, wie unstreitig, die Erfüllung der Verlustausgleichsansprüche durch die Aufrechnung vom 30.09.08 geprüft und testiert (FBD. 9; K 29).

Bis zur Verrechnung am 30.09.08 sei der kumulierte Verlustausgleichsanspruch von 206.100.115,00 € als verzinsliche Darlehensforderung behandelt worden, die erfüllungshalber neben den fortbestehenden Verlustausgleichsanspruch getreten sei. Auf den sich daraus ergebenden Zinsanspruch habe die L1 von der L für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.09.07 bezogen auf den Verlustausgleichsanspruch für 2006 bei einem Zinssatz von 5,46 % insgesamt 1.565.000,00 € Zinsen, für die Zeit vom 01.10.07 bis 30.09.08 auf den kumulierten Verlustausgleichsanspruch bei einem Zinssatz von 4,64 % insgesamt 9.667.000,00 € Zinsen erhalten. Die Behandlung des Verlustausgleichsanspruchs als verzinsliches Darlehen sei keine Stundung und stelle deshalb auch keinen Verstoß gegen § 302 Abs. 3 Aktiengesetz dar. Aus Kapitalerhaltungssicht sei die Gewährung eines Upstream-Darlehens zulässig, wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig und das Darlehen verzinslich sei. Die Vollwertigkeit sei hier aus Sicht des Beklagten zu 1) gegeben gewesen, weil die L bis Juli 2008 zahlungsfähig gewesen sei und auch keine Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Der Beklagte zu 1) habe bis zu seinem Ausscheiden im Juli 2008 keine Anhaltspunkte für eine baldige Zahlungsunfähigkeit der Bund damit der ebenfalls über den Cash-Pool versorgten L gehabt. Der Beklagte zu 1) habe sich auf den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk im BDO Prüfbericht 2007 (B 81) und zum 30.09.08 (FBD 12, Seite 34) verlassen dürfen.Auch im Rahmen der Sorgfaltspflichten nach § 43 GmbHG bestehe ein weiter Handlungsspielraum mit dem Recht, Risiken einzugehen. Das Business Judgement Rule aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG sei auf die GmbH entsprechend anwendbar.

Selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung fehle es aber an einem kausalen Schaden.Die Unterlassung der Einforderung der Verlustausgleichsansprüche sei nur dann für einen Erfolg kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln möglich gewesen wäre und den Schaden mit Sicherheit verhindert hätte. Weder die L noch die B hätten seinerzeit, wie unstreitig, über genügend Kontoguthaben verfügt, um die Verlustausgleichsansprüche am 30.09.07 und 30.09.08 zu erfüllen.Ein Verkauf von Anteilen an der U Group plc sei nicht möglich gewesen. Nach dem unstreitig zwischen dem B Konzern und der U Group getroffenen Relationship Agreement vom 19.06.07 (FBD 10, Seite 11) habe der B Konzern für 12 Monate nach der am 19.06.07 durchgeführten Verschmelzung Anteile nur nach vorheriger Zustimmung der U Group verkaufen dürfen (sog. Lockup-Frist). Tatsächlich hätten auch die Verbindlichkeiten den Differenzbetrag zwischen der vom Kläger behaupteten Erlössumme und den Kreditverbindlichkeiten um ein Vielfaches überstiegen.

Eine Besicherung der Vermögenswerte sei angesichts der Verbindlichkeiten der B gegenüber verbundenen Unternehmen in Milliardenhöhe und der vorrangigen Besicherung der Banken ebenfalls nicht möglich gewesen.

Die Nebenintervenientin stützt den Vortrag des Beklagten zu 1) und hält den Klagevortrag für unschlüssig. Sie weist ergänzend darauf hin, dass bei einer unmittelbaren Geltendmachung der Verlustausgleichsansprüche und der Forderung zum Verkauf von Beteiligungen auch andere Gesellschaften ihre Verlustausgleichsansprüche geltend gemacht hätten, und rügt die Widersprüchlichkeit des Klagevorbringens.

Der Beklagte zu 2) bestreitet ebenfalls die Aktivlegitimation des Klägers.Durch die Abtretung vom 21.07.2010 seien etwaige Schadensersatzansprüche der L1 gegen den Beklagten zu 2) nicht wirksam auf den Insolvenzverwalter der L übertragen worden. Zum einen fehle die Zustimmung des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung der L1 gemäß § 160 InsO, zum anderen handele es sich um ein genehmigungsbedürftiges Insich-Geschäft im Sinne des § 181 BGB.Aufgrund der fehlenden Zustimmung der Gläubigerversammlung zur Abtretung habe der Kläger im Innenverhältnis ohne Vertretungsbefugnis gehandelt. Die Handlung bleibe dem F ungeachtet im Außenverhältnis zwar grundsätzlich wirksam. Dies gelte aber nicht, wenn die Überschreitung der Rechtsmacht im Innenverhältnis sich den Beteiligten geradezu aufdränge. Angesichts der Personenidentität von Zedent und Zessionar sei gerade dies aber hier der Fall. Im Insolvenzplan sei die Abtretung von Ansprüchen gegen ehemalige Organmitglieder wie die Beklagten nicht vorgesehen. Eine Befreiung nach § 181 BGB liege nicht vor.Die Abtretung hätte der Zustimmung des Sonderinsolvenzverwalters bedurft. Der Sonderinsolvenzverwalter sei nach dem Bestellungsbeschluss jedoch nicht berechtigt gewesen, der Abtretung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder zuzustimmen.

Auch gegen den Beklagten zu 2) bestünden schon wegen der von der Gesellschafterversammlung erteilten Entlastung keine Schadensersatzansprüche. Der Beklagte zu 2) sei auch weder bei der L1 noch bei der B zuständig gewesen für die Ressorts Finanzen, Controlling, Rechnungswesen, Recht und Steuern. Vielmehr sei er für Marketing zuständig gewesen.

Im Übrigen habe der Beklagte seine Sorgfaltspflicht aus § 43 GmbH nicht verletzt.Die Werthaltigkeit der Forderungen und die Bonität der einzelnen Konzerngesellschaften seien ordnungsgemäß überwacht worden. Der Beklagte zu 2) habe bis Anfang Juni 2009 keine Anhaltspunkte gehabt, dass die Gesellschaften ihre Geschäftstätigkeit mittelfristig nicht würden fortsetzen oder gar zahlungsunfähig werden könnten. Die Verlustausgleichsansprüche seien frühestens mit dem Jahresabschluss der abhängigen Gesellschaft geltend zu machen. Mit der Feststellung und der Übernahme des Verlustes durch die L liege sogar ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vor. Eine nochmalige schriftliche Zahlungsaufforderung sei nicht erforderlich gewesen. Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der L hätten seinerzeit nicht bestanden.Das Stehenlassen des Verlustausgleichsanspruchs sei von der L als Alleingesellschafterin der L1 infolge der zweijährigen Verrechnungspraxis ausdrücklich gebilligt worden. Ein Organ hafte jedoch nicht, wenn es in Vollzug einer Gesellschafterweisung handele.Die Verrechnung des Verlustausgleichsanspruchs für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 mit Gegenforderungen der L aus dem Cash-Pooling sei wirksam. Die Forderungen gegen die L1 seien vollwertig gewesen. Sei die zum Verlustausgleich verpflichtete Gesellschaft solvent, sei zwangsläufig auch von der Vollwertigkeit der ihr gegenüber bestehenden Verlustausgleichsansprüche und damit auch von der Solvenz der abhängigen Gesellschaft auszugehen. Weder die L noch die Bseien zum Zeitpunkt der Verrechnung am 30.09.08 zahlungsunfähig gewesen.Mit der Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2007/2008 am 02.02.09 sei der Inhalt mit Ausbuchung eines etwaigen Verlustausgleichsanspruchs für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 infolge Verrechnung rechtsverbindlich festgestellt worden.

Die Anteile an der U seien zum 30.09.07 und 30.09.08 nicht frei verfügbar gewesen. Alle Aktien seien ab dem 13.06.07 durchgängig zugunsten des Bankenkonsortiums an die Bayrische Landesbank als Sicherungstreuhänderin verpfändet und ohne deren Zustimmung weder veräußerbar noch verpfändbar gewesen. Einer Veräußerung hätten die Banken nicht zugestimmt.Bei einer Verwertung der Anteile zwischen dem 01.10.08 und dem 31.03.09 hätten bei einem allenfalls erzielbaren Gesamterlös von ca. 813,4 Mio € vorrangig zu bedienende Verbindlichkeiten von rund 900 Mio € gegenüber gestanden. Zudem hätte die Beinen Übererlös, wenn er denn überhaupt erzielt worden wäre, nicht zur Tilgung eines bestimmten Verlustausgleichsanspruchs auskehren dürfen, sondern für die operative Fortführung des gesamten Konzerns einsetzen müssen.Die von der R an der I gehaltenen Anteile hätten ebenfalls nicht zum Ausgleich von Verlustausgleichsansprüchen veräußert werden dürfen.

In jedem Fall treffe den Kläger ein Mitverschulden.Am 09.06.09 sei der Kläger als Insolvenzverwalter allein ermächtigt gewesen, Forderungen der L1 geltend zu machen. Ihn träfe ein Mitverschulden, weil die Werthaltigkeit des Verlustausgleichsanspruchs der L1 gegenüber der L nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bam 09.06.09 nicht mehr durch einen werthaltigen Verlustausgleichsanspruch der L gegenüber der B gesichert gewesen sei. Der Insolvenzverwalter hätte ab 09.06.09 den Anspruch gerichtlich gegen den L geltend machen müssen oder rechtzeitig vor Insolvenzantrag der L am 21.07.09 Sicherheiten verlangen müssen.

In jedem Fall könne Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs auf Verlustausgleich aus dem Geschäftsjahr 2007/2008 verlangt werden.

Gegenüber dem Beklagtenvorbringen wendet der Kläger ein, dass der Gläubigerausschuss der L1 mit der Zustimmung zur Klageerhebung gegen Organe der L1 am 02.09.2010 konkludent auch der Abtretung der streitgegenständlichen Forderungen an den Kläger als Insolvenzverwalter der L zugestimmt habe. Nur auf diesem Wege sei gesichert gewesen, dass die Erlöse aus den Schadensersatzforderungen über den Besserungsschein den Insolvenzgläubigern neben den Quoten zuflössen. Wären die Ansprüche bei der L1 verblieben, wären auch die Erlöse der L1 zugeflossen. Die Aktivlegitimation sei daher gegeben.§ 160 InsO finde im Insolvenzplanverfahren grundsätzlich keine Anwendung auf Geschäfte, die im Insolvenzplan vorgesehen seien. Hier sei die Abtretung in Ziffer 4.3 des Insolvenzplans vorgesehen. Ein Verstoß gegen § 160 InsO führe zudem nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Mit dem angenommenen Insolvenzplan sei auch Befreiung vom Verbot des § 181 BGB erteilt worden.Eine Zustimmung des Sonderinsolvenzverwalters der L sei nicht erforderlich gewesen, da die Abtretung für diesen ein neutrales Geschäft gewesen sei.

Die Erledigungsklausel in § 10 des Aufhebungsvertrages führe nicht zu einem Haftungsausschluss für den Beklagten zu 1). Sie erfasse die streitgegenständlichen Ansprüche nicht. Außerdem gelte sie nicht im Verhältnis zur L1. Am Vertrag sei allenfalls die B beteiligt, die aber keine Rechtsmacht besessen habe, die L1 gegenüber dem Beklagten zu 1) zu vertreten.

Auch die Verzichts- und Präklusionswirkung der den Beklagten erteilten Entlastungen erfasse die geltend gemachten Ansprüche nicht. Es habe bei Fassung des Beschlusses kein Bewusstsein der Geschäftsführung der L darüber bestanden, dass Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten in dieser Größenordnung bestünden. Der Entlastungsbeschluss verstoße im Zweifel auch gegen Grundsätze der Kapitalsicherung.

Die Verrechnung von Cash-Pool Forderungen mit Verlustausgleichsansprüchen sei keineswegs konzernweit praktiziert worden. Auch in der Vorstandssitzung vom 28.11.06 seien keine Beschlüsse zur Behandlung von Verlustausgleichsansprüchen gefasst worden. Die BDO Prüfberichte vom 31.12.06 sowie für das Geschäftsjahr 2007/2008 seien ohne Bedeutung, da sie die zivilrechtliche Wirksamkeit der Verrechnungsvereinbarung vom 30.09.08 nicht geprüft hätten.Die Cash-Pool Forderungen seien auch unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes befangen gewesen, da die zum Verlustausgleich verpflichteten Gesellschaften ihrerseits nicht zahlungsfähig gewesen seien. Auch der B Konzern habe sich Ende September 2008 in einer Liquiditätskrise befunden. Mit Entstehung der Verlustausgleichsansprüche ihrer Tochtergesellschaften zum 30.09.08 sei auch die B zahlungsunfähig geworden. In gleicher Weise sei auch die L mit Ablauf des 30.09.08 wie auch in der Folgezeit zahlungsunfähig gewesen.

Der Kläger bestreitet eine Behandlung der Verlustausgleichsansprüche als verzinsliche Darlehen. Er bestreitet die Zahlung von Zinsen auf die Verlustausgleichsansprüche 2006, 2007 und 2007/2008.

Das Relationship-Agreement habe einem Verkauf der U Anteile jedenfalls ab dem 19.06.08 nicht mehr entgegengestanden. Schon vor Fristablauf wäre jedoch ein Verkauf möglich gewesen, da die U Group dem Verkauf zugestimmt hätte. Ebenso hätte das Bankenkonsortium dem Verkauf zugestimmt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Nach dem Sach- und Streitstand der letzten mündlichen Verhandlung fehlte dem Kläger bereits die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegen die ehemaligen Geschäftsführer der L1.Da der Kläger Insolvenzverwalter der L, nicht aber der L1 ist, kann er Inhaber der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nur durch die Abtretung der Ansprüche im Rahmen des Abtretungs- und Einziehungsvertrages vom 21.07.2010 in Verbindung mit dem zweiten Nachtrag vom 30.09.2010 (Anlage K 13) geworden sein.

a)

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung ergeben sich bereits im Hinblick auf die Vorschrift des § 160 InsO. Nach dieser Bestimmung hat der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. Die Abtretung von Schadensersatzansprüchen wie hier, deren erfolgreiche Durchsetzung der Insolvenzmasse zu Gute kommen würde, ist zweifelsohne eine zustimmungsbedürftige Rechtshandlung im Sinne des § 160 InsO. Eine solche Zustimmung ist durch den Gläubigerausschuss weder ausdrücklich noch konkludent erklärt worden. Eine konkludente Zustimmung kann insbesondere nicht in dem in der 13. ordentlichen Sitzung des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren der L1 und der B vom 02.09.2010 einstimmig erklärten Einverständnis mit der klageweisen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen verantwortliche Organverwalter der L1 (Anlage K 103; TOP 4 des Ergebnisprotokolls) gesehen werden. Das Sitzungsprotokoll gibt keinerlei Hinweise darauf, dass diese Schadensersatzansprüche nicht durch die L1 als originärer Forderungsinhaberin, sondern durch eine andere Gesellschaft nach Abtretung geltend gemacht werden sollten.Entgegen der Auffassung des Klägers war die Abtretung auch nicht Gegenstand des Insolvenzplans vom 12.04.2010, neben d F Annahme eine weitere Zustimmung des Gläubigerausschusses nach § 160 InsO ausnahmsweise nicht erforderlich gewesen wäre. Zwar bestimmt Teil 3 Ziffer 4.3 des Insolvenzplanes, dass der Insolvenzverwalter der L1 und der Insolvenzverwalter der L Verträge abschließen, durch die Forderungen der L1 an den Insolvenzverwalter abgetreten und diverse Kunstgegenstände von der L1 auf die L übertragen werden. Aus dem Zusammenhang mit den Regelungen in Teil 2 des Insolvenzplanes, dort insbesondere Ziffer 4.2 Absatz 2 (Seite 8) und Ziffer 7.1.2 Absatz 4 (Seite 50/51) ergibt sich jedoch, dass es dabei um Forderungen gegen andere Konzerngesellschaften geht. Von Forderungen gegen Organe oder Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerinnen ist an keiner Stelle die Rede.

Das Fehlen der Zustimmung nach § 160 InsO hat allerdings keine Außenwirkung und führt nur dann zu Unwirksamkeit der Rechtshandlung, wenn diese den Insolvenzzweck und der Aufgabe des Insolvenzverwalters, für eine gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger Sorge zu tragen, evident und eindeutig zuwider laufen würde und sich dies dem Geschäftspartner aufgrund der konkreten Umstände aufdrängen müsste (BGH NJW 2002, 2783). Dass die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche dem Zweck des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der L1 in diesem Sinne evident und eindeutig widersprochen hätte, ist allerdings sehr fraglich. Durch die Abtretung der Forderungen der L1 vor Verkauf der L1 im Rahmen des Insolvenzplanes sollte gerade sichergestellt werden, dass die Erlöse an diesen Forderungen über den Besserungsschein I den Insolvenzgläubigern in vollem Umfang zu Gute kämen und sie nicht dem Erwerber der L1 überlassen blieben. Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage aber dahinstehen, da die Abtretung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche durch den Vertrag vom 21.07./30.09.2010 nach dem Sach- und Streitstand der letzten mündlichen Verhandlung wegen Verstoßes gegen § 181 BGB unwirksam gewesen ist.

b)

Das Rechtsgeschäft der Abtretung der Ansprüche der L1 an die L hat Rechtsanwalt H jeweils mit sich selbst als Insolvenzverwalter beider Gesellschaften vorgenommen und damit gegen das Verbot des Insich-Geschäftes nach § 181 BGB verstoßen.Die für den rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Vertreter geschaffene Vorschrift des § 181 BGB ist auf Rechtsgeschäfte des Insolvenzverwalters entsprechend anwendbar (vgl. Palandt § 181 Rdnr. 3).Zwar ist die unter Verstoß gegen § 181 BGB vereinbarte Abtretung nicht nichtig, sondern nur schwebend unwirksam und kann entsprechend § 177 BGB durch Zustimmung oder Genehmigung beider Vertretener Rechtswirksamkeit erlangen. Eine Zustimmung der vertretenen Gesellschaften zur Abtretung lag zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung nicht vor. Die ausdrückliche Zustimmung des Sonderinsolvenzverwalters über das Vermögen der L1, sowohl in der Forderungsabtretungs- und Einziehungsvereinbarung vom 21.07.10 als auch in dem hier maßgeblichen zweiten Nachtrag vom 30.09.2010, reicht dafür nicht aus. Die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters dient dazu, Interessenkollisionen und Verhinderungen des eigentlichen Insolvenzverwalters begegnen zu können. Er ist allerdings nur zu solchen Handlungen befugt, die ihm ausdrücklich bei der Bestellung zugewiesen worden sind. Der Beschluss ist insoweit deutlich zu formulieren und hinsichtlich der Notwendigkeit ausführlich zu begründen (Münchener Kommentar § 56 InsO Rdnr. 154). Dies schließt es aus, den Aufgabenbereich des Sonderinsolvenzverwalters über den Wortlaut des Bestellungsbeschlusses hinaus weit oder ergänzend auszulegen. Dementsprechend sind auch in den Beschlüssen des Amtsgerichts F vom 01.09.09 (K 1) und 05.11.09 (B 88/89) die Aufgaben des Sonderinsolvenzverwalters konkret bestimmt. Die Zustimmung zu Insich-Geschäften des Klägers als eigentlichem Insolvenzverwalter gehört nicht dazu. Mag auch die Abtretung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche der L1 an die L vor dem Hintergrund der Besserungsscheine im Rahmen des Insolvenzplans für die Insolvenzgläubiger günstig und dem Insolvenzzweck dienlich gewesen sein, so rechtfertigt dies allein dennoch nicht eine über den Wortlaut und Inhalt der Beschlüsse vom 01.09.09 und 05.11.09 ersichtlich hinausgehende Ergänzung des Aufgabenbereichs des Sonderinsolvenzverwalters. Bis zu der mit nicht nachgelassenem Schriftsatz der Klägervertreter vom 04.04.2013 vorgelegten Vereinbarung vom 03.04.2013 (Bl. 770-773 d.A.) fehlte daher eine wirksame Zustimmung und auch eine Genehmigung der Abtretung durch die betroffenen insolventen Gesellschaften, so dass die Abtretungsvereinbarung vom 21.07./30.09.2010 bei Schluss der mündlichen Verhandlung am 19.03.13 wegen Verstoßes gegen § 181 BGB unwirksam war und dem Kläger die Aktivlegitimation für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche fehlte.

2.

Selbst wenn man die Abtretungsvereinbarung vom 21.07./30.09.2010 aufgrund der nachträglichen Vereinbarung vom 03.04.2013 als wirksam und damit die Aktivlegitimation des Klägers als gegeben ansehen wollte, scheitern die mit der Klage verfolgten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen Verletzung der ihnen nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG obliegenden Pflichten jedenfalls an der fehlenden schlüssigen Darlegung eines dadurch adäquat kausal verursachten Schadens.Schaden im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG ist jede Minderung des geldwerten Vermögens der Gesellschaft (Baumbach-Huck, GmbHG, § 43 Rdnr. 15). Ein Vermögensschaden ist danach allgemein gegeben, wenn der tatsächliche Wert des Gesellschaftsvermögens geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde. Kausalität besteht, wenn dieser Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten wäre. Unterlassungen, wie hier, sind für einen eingetretenen Schaden kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln möglich gewesen wäre und den Schaden mit Sicherheit verhindert hätte. Die Verlustausgleichsansprüche der L1 können nach der Insolvenz der L und der B nicht mehr in nennenswertem Umfang durchgesetzt und erfüllt werden. Sie sind reine Insolvenzforderungen. Auf Ansprüche in Höhe von 457.080.106,00 € würde allenfalls eine Quote von 4,57 Mio € gezahlt, so dass in jedem Fall ein Vielfaches des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Fehlbetrages verbleiben würde.Ein durch die unterlassene Geltendmachung der Verlustausgleichsansprüche kausal herbeigeführter Schaden liegt insoweit aber nur vor, wenn die L die Verlustausgleichsansprüche der L1 bei sofortiger Geltendmachung nach dem 30.09.07 mit Sicherheit noch hätte erfüllen können. Dies ergibt sich aus dem beiderseitigen Sachvortrag, insbesondere aber auch dem Vorbringen des Klägers jedoch gerade nicht. Es ist unstreitig, dass weder die L noch die B Ende 2007 über hinreichende Kontoguthaben verfügten, um die Verlustausgleichsansprüche der L1 zu erfüllen. Auch nach dem Vortrag des Klägers wäre die Zahlung des Verlustausgleichs nur durch den Verkauf von Beteiligungen, die die Ban anderen Unternehmen hielt, zu finanzieren gewesen. Der Kläger unterstellt, dass die L die Bitte um Verkauf solcher Beteiligungen zur Finanzierung der von ihr zu erfüllenden Verlustausgleichsansprüche der L1 an die B herangetragen hätte und diese der Bitte nachgekommen wäre. Zwar war die Balleinige Gesellschafterin der L. Dennoch handelt es sich bei beiden um selbständige Rechtspersönlichkeiten mit ggf. unterschiedlichen Interesse und sich daraus möglicherweise ergebenden widerstreitenden unternehmerischen Entscheidungen. Und um eine solche handelt es sich bei dem Entschluss zum Verkauf von Unternehmensbeteiligungen. Entscheidend kann daher allein sein, ob die L einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Verkauf von Unternehmensbeteiligungen durch die B hatte. Ein solcher Anspruch ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.Zwar standen der L ihrerseits Verlustausgleichsansprüche gegen die B zu. Diese Forderungen allein hätten die L aber nicht in die Lage versetzt, die B zum Verkauf der Beteiligungen zu zwingen. Eine zwangsweise Durchsetzung des Verkaufs wäre theoretisch allein möglich gewesen nach einer Pfändung der Beteiligungen durch die L im Wege der Zwangsvollstreckung. Diese hätte aber zunächst einen vollstreckbaren Titel auf Zahlung der Verlustausgleichsansprüche vorausgesetzt. Dass die L entsprechende gerichtliche Verfahren gegen die Beingeleitet hätte, hat auch der Kläger nicht vorgetragen. Davon abgesehen hätte bei lebensnaher Betrachtung die kurze Zeitspanne zwischen Ende 2007 und der Eröffnung der Insolvenzverfahren im Juni/Juli 2009 angesichts der Komplexität der Materie kaum ausgereicht, auch nur einen vorläufig vollstreckbaren Titel zu erlangen. Im Übrigen steht einer erfolgreichen Pfändung der Unternehmensbeteiligungen zum damaligen Zeitpunkt auch entgegen, dass die Beteiligungen unstreitig bereits an die finanzierenden Banken verpfändet waren. Es geht hier nicht um die vom Kläger insbesondere im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.04.2013 aufgeworfene Frage, ob die L und die B die Verlustausgleichsansprüche der L1 ggf. nach kurzer rechtlicher Prüfung als solche akzeptiert hätten und insoweit nicht hätten verklagt werden müssen. Entscheidend ist, dass insbesondere die L die Ansprüche der L1 nicht aus eigenem liquidem Vermögen hätte erfüllen können, selbst wenn sie dies gewollt hätte. Entsprechendes gilt für die Bim Verhältnis zur L. Allein die B hätte sich durch den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen Liquidität verschaffen können. Auch aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich jedoch nicht, dass die Entscheidung zum Verkauf der Anteile nur zum Zwecke der Liquiditätsbeschaffung zur Befriedigung der Ansprüche der L die allein mögliche und vertretbare Entscheidung eines verantwortlich handelnden Organs der L gewesen wäre.Es verbleibt daher die allein spekulative Behauptung des Klägers, dass sich die beteiligten Unternehmen dazu entschieden hätten, Unternehmensbeteiligungen der L zu veräußern. Dies reicht jedoch für die schlüssige Darlegung eines bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten mit Sicherheit ausgebliebenen Schadenseintritts nicht aus.

Die Klage war daher jedenfalls aus diesem Grunde abzuweisen, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedurfte, ob die Beklagten überhaupt eine einen Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung begangen haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.






LG Essen:
Urteil v. 07.05.2013
Az: 12 O 448/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c09d00674ddf/LG-Essen_Urteil_vom_7-Mai-2013_Az_12-O-448-10




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