Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 30/05

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2006, Az.: 8 W (pat) 30/05)

Tenor

1. Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

2. Die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 196 32 472.6-14 mit der ursprünglichen Bezeichnung "Spindelvorrichtung für Werkzeugmaschinen" ist am 12. August 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität (JP 259174/95 vom 30. August 1995) angemeldet worden. Mit Beschluss vom 7. Dezember 1999 ist auf die Anmeldung ein Patent erteilt worden, dessen Veröffentlichung am 25. Mai 2000 erfolgt ist.

Am 23. August 2000 hat die Firma A... mbH in B...

Einspruch erhoben.

Nach Prüfung des Einspruchs hat die Patentabteilung 14 des Patentamts das Patent 196 32 472 mit Beschluss vom 30. Mai 2005 beschränkt aufrechterhalten.

Gegen diese beschränkte Aufrechterhaltung hat die Einsprechende am 12. Juli 2005 Beschwerde erhoben.

Mit Eingabe vom 14. Juni 2006, eingegangen am 16. Juni 2006, hat die Patentinhaberin eine unselbständige Anschlussbeschwerde erhoben.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Patentgegenstand unzulässig erweitert sei, wozu sie auf mehrere einzelne Merkmale des Patentanspruchs 1 verwiesen hat und zudem der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Sie hat weiterhin die BGH-Entscheidung "Einkaufswagen II" und einen Artikel von F. Pracht: "Kunststoff-Feuchtraumleuchte ..." eingereicht und ausgeführt, dass hinsichtlich des Merkmals "in dem vorderen Endbereich..." des Patentanspruchs 1 dieser schon deshalb gegenüber der ursprünglichen Offenbarung erweitert sei, weil für den Fachmann ursprünglich nicht zu erkennen gewesen sei, dass es auf den vorderen Endbereich der Spindel ankomme. Zudem sei unklar, was unter dem vorderen Endbereich überhaupt zu verstehen sei.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 14 vom 30. Mai 2005 aufzuheben und das Patent 196 32 472 in vollem Umfang zu widerrufen.

Sie stellt ferner den Antrag, die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung der Einsprechenden hinsichtlich der unzulässigen Erweiterung widersprochen und ferner ausgeführt, dass selbst der Patentgegenstand nach Patentanspruch 1 in der am 12. Januar 2001 eingegangenen Fassung gemäß Hauptantrag entgegen der Auffassung der Patentabteilung nicht unzulässig erweitert sei, da ein Fachmann ohne weiteres aus der Figur 8 der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen eine polygonale Form erkennen würde.

Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen und auf ihre Anschlussbeschwerde hin, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in der am 12. Januar 2001 eingegangenen Fassung, Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung gemäß Patentschrift 196 32 472, Patentanspruch 3 in der nach Teilungserklärung vom 18. Juni 2002 am 19. Juni 2002 eingegangenen Fassung, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift 196 32 472.

Der Patentanspruch 1, den die Patentinhaberin mit ihrer Anschlussbeschwerde anstrebt, lautet:

"Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine, mit einer Spindel (1), einem Werkzeughalter (8), zwei Zufuhrpfaden (s1, s2) zum getrennten Einleiten von Luft und Flüssigkeit in die Spindel (1), und einer Nebelerzeugungseinrichtung (33) zum Mischen von über die Zufuhrpfade (s1, s2) zugeführter Luft und Flüssigkeit und zum Ausstoßen des hierbei gebildeten Nebels (m), dadurch gekennzeichnet, dass die Nebelerzeugungseinrichtung (33) in dem vorderen Endbereich der Spindel (1) oder in dem Werkzeughalter (8) angeordnet ist und ein vorderes Düsenelement (36) sowie ein hinteres Düsenelement (37) umfasst, dass das vordere Düsenelement (36) einen Außenumfang mit polygonalem Querschnitt aufweist und im Inneren mit einem zentralen Loch (36b) versehen ist, dass das hintere Düsenelement (37) einen durchmesserverringerten Abschnitt (37a) mit einem Innenloch (37b) aufweist, das mit dem zentralen Loch (36b) des vorderen Düsenelements (36) in Verbindung steht, dass der Stirnbereich des durchmesserverringerten Abschnitts (37a) an dem zentralen Loch (36b) des vorderen Düsenelements (36) konzentrisch angeordnet ist, und dass zwischen dem Außenumfang des vorderen Düsenelements (36) und dem Innenumfangsbereich des zentralen Lochs (36b) eine Verbindungsöffnung (s6) vorgesehen ist."

Der im Einspruchsverfahren von der Patentabteilung für bestandsfähig erachtete Patentanspruch 1, gegen den sich die Beschwerde der Einsprechenden richtet, lautet:

"Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine, mit einer Spindel (1), einem Werkzeughalter (8), zwei Zufuhrpfaden (s1, s2) zum getrennten Einleiten von Luft und Flüssigkeit in die Spindel (1), und einer Nebelerzeugungseinrichtung (33) zum Mischen von über die Zufuhrpfade (s1, s2) zugeführter Luft und Flüssigkeit und zum Ausstoßen des hierbei gebildeten Nebels (m), dadurch gekennzeichnet, dass die Nebelerzeugungseinrichtung (33) in dem vorderen Endbereich der Spindel (1) oder in dem Werkzeughalter (8) angeordnet ist und ein vorderes Düsenelement (36) sowie ein hinteres Düsenelement (37) umfasst, dass das vordere Düsenelement (36) einen Außenumfang mit polygonalem Querschnitt, der grob dreieckförmig ist, aufweist und im Inneren mit einem zentralen Loch (36b) versehen ist, dass das hintere Düsenelement (37) einen durchmesserverringerten Abschnitt (37a) mit einem Innenloch (37b) aufweist, das mit dem zentralen Loch (36b) des vorderen Düsenelements (36) in Verbindung steht, dass der Stirnbereich des durchmesserverringerten Abschnitts (37a) an dem zentralen Loch (36b) des vorderen Düsenelements (36) konzentrisch angeordnet ist, und dass zwischen dem Außenumfang des vorderen Düsenelements (36) und dem Innenumfangsbereich des zentralen Lochs (36b) eine Verbindungsöffnung (s6) vorgesehen ist."

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 und 3 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Aufgabe der Erfindung besteht nach den Beschreibungsunterlagen darin, eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine anzugeben, die mit geringerem Aufwand eine effektivere Nebelgenerierung ermöglicht.

Im Zuge des Erteilungs- sowie Einspruchsverfahrens sind zum Stand der Technik die Druckschriften

(D1) DE 42 00 808 A1

(D2) EP 0 332 328 A1 in Betracht gezogen worden.

II.

1. Die Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet, denn der Patentgegenstand, wie er von der Patentabteilung im Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhalten worden ist, stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.

Mit der Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden ist auch die unselbständige Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin zulässig, da eine besondere Frist nicht erforderlich ist. Die Anschlussbeschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet, denn der Patentgegenstand nach Patentanspruch 1 in der am 12. Januar 2001 eingegangenen Fassung gemäß Hauptantrag ist gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Patentanspruch 1, den die Patentinhaberin mit ihrer Anschlussbeschwerde anstrebt, neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Denn dieser Patentanspruch 1 ist unzulässig, da er ein Merkmal enthält, das in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart ist.

Im Patentanspruch 1, den die Patentinhaberin mit ihrer Anschlussbeschwerde anstrebt, ist das Merkmal enthalten, wonach das vordere Düsenelement einen Außenumfang mit polygonalem Querschnitt aufweist.

In den Ursprungsunterlagen ist hinsichtlich der Querschnittsform des Körperteils des vorderen Düsenelements auf Seite 10, Zeilen 13 ff. aufgeführt, dass es grob dreieckförmig ausgestaltet ist. In Verbindung mit der Figur 8 des Streitpatents, das den betreffenden Querschnitt zeigt, erschließt sich dem Fachmann, einem Diplomingenieur mit Fachhochschulabschluss und einschlägiger Berufserfahrung, bei der Konstruktion von spanenden Werkzeugmaschinen und deren Komponenten, dass das Körperteil im Schnitt entsprechend den Linien X-X, X1-X1, und X2-X2 der Figur 7 des vorderen Düsenelements, das mit einer gewissen Passung in der Bohrung befestigt ist, ganz offensichtlich nur drei gerade Seitenflächen hat und der Übergang zwischen den einzelnen Seitenflächen abgerundet ist. Somit offenbaren die Ursprungsunterlagen einen im Grunde dreieckigen Körper mit abgerundeten Ecken. Demgegenüber stellt die von der Patentinhaberin mit der Anschlussbeschwerde angestrebte Formulierung, dass das vordere Düsenelement einen Außenumfang mit polygonalem Querschnitt aufweist, eine Erweiterung des ursprünglich Offenbarten dar, was die Patentabteilung zutreffend erkannt hat. Denn unter einem allgemein polygonalen Querschnitt, also einem Querschnitt, der einem Polygon ähnlich ist, fällt eben nicht nur die offenbarte Variante mit einem dreieckförmigen Querschnitt, sondern bekanntlich auch fünf-, sechs oder n-Ecke, welche in den Offenbarungsunterlagen nicht erwähnt sind. Auch die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung der Patentinhaberin, dass in der Figur 8 nicht etwa ein Dreieck, sondern ein Körper mit sechs Ecken erkennbar wäre, kann den Senat nicht überzeugen, da der Querschnitt selbst dann nicht allgemein polygonal, sondern sechseckig wäre. Im Übrigen setzt ein Polygon bekanntlich gerade Seitenflächen voraus, was gemäß Figur 8 ganz eindeutig nicht gegeben ist, so dass von daher schon kein polygonaler Querschnitt vorliegt.

Somit war der Patentanspruch 1, den die Patentinhaberin mit ihrer Anschlussbeschwerde anstrebt, zurückzuweisen.

3. Der im Einspruchsverfahren von der Patentabteilung als bestandsfähig erachtete Patentanspruch 1, gegen den sich die Beschwerde der Einsprechenden richtet, sowie die sich darin anschließenden, geltenden Patentansprüche 2 und 3 sind zulässig.

Der Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 enthält die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1. Zwar war das ursprüngliche Patentbegehren auf eine Spindelvorrichtung mit zwei Zufuhrpfadsystemen zum getrennten Einleiten von Luft und Flüssigkeit in eine Spindel und einer Nebelerzeugungseinrichtung im vorderen Endbereich der Spindel oder einem Werkzeughalter gerichtet, während sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 auf eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine bezieht. Dies führt jedoch entgegen der Auffassung der Einsprechenden nicht zur unzulässigen Beanspruchung eines aliuds. Vielmehr ist aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen klar erkennbar, dass es bei der Erfindung darum geht, durch die besondere Gestaltung und Anordnung von bestimmten Vorrichtungen bei einer Werkzeugmaschine das Kühlen und Schmieren von Werkzeug und Werkstück bei der Bearbeitung zu verbessern. Damit ist für den Fachmann ersichtlich eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine beschrieben, wie sie nunmehr beansprucht wird.

Das Merkmal "... dass die Nebelerzeugungseinrichtung (33) in dem vorderen Endbereich der Spindel (1) ... angeordnet ist und ein vorderes Düsenelement (36) sowie ein hinteres Düsenelement (37) umfasst" ergibt sich aus Seite 9, Zeile 29 bis Seite 10, Zeile 11 der ursprünglichen Beschreibung.

Das alternative Merkmal, wonach die Nebelerzeugungseinrichtung "... in dem Werkzeughalter angeordnet ist", ergibt sich aus Seite 14, Zeilen 6 bis 8 in Verbindung mit der Figur 10 der ursprünglichen Beschreibung.

Das Merkmal, "... dass das vordere Düsenelement (36) einen Außenumfang mit polygonalem Querschnitt, der grob dreieckförmig ist, aufweist und im Inneren mit einem zentralen Loch (36b) versehen ist ...", ergibt sich aus Seite 10, Zeilen 13 bis 24 der ursprünglichen Beschreibung.

Zwar ist der polygonale Querschnitt ursprünglich nicht offenbart gewesen, wozu auf die vorstehenden Ausführungen zur Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin verwiesen wird. Allerdings ist durch die Einfügung des Merkmales, dass der (polygonale) Querschnitt, grob dreieckförmig ist, der Patentgegenstand exakt wieder auf die Ursprungsoffenbarung zurückgeführt worden. Denn die Ergänzung "der grob dreieckförmig ist" reduziert die möglichen, einem Polygon ähnlichen Formen, zu denen neben dreieckigen Formen auch Fünf-, Sechs, bzw. allgemein N-eckige Formen zählen, wieder auf eine grobe Dreiecksform, deren wörtliche Offenbarung sich aus Seite 10, Zeile 15 ergibt. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal, wonach "... das vordere Düsenelement (36) ... im Inneren mit einem zentralen Loch (36b) versehen (ist)" gegenüber der Ursprungsoffenbarung erweitert sei, da in der ursprünglichen Beschreibung nach einem Ausführungsbeispiel das Loch ausschließlich stufig ausgeführt ist, trifft nicht zu. Denn im Anspruch sind nur die wesentlichen Merkmale der Erfindung aufzuführen, wogegen in den Ausführungsbeispielen Einzelheiten differenziert ausgeführt bzw. erläutert werden können. Wesentlich ist im vorliegenden Fall, dass das Düsenelement überhaupt eine Durchleitungsmöglichkeit in Form eines Loches aufweist. Welche Form bzw. Querschnitt dieses Düsenelement hat, ist ersichtlich unwesentlich.

Das Merkmal, "... dass das hintere Düsenelement (37) einen durchmesserverringerten Abschnitt (37a) mit einem Innenloch (37b) aufweist, das mit dem zentralen Loch (36b) des vorderen Düsenelements (36) in Verbindung steht, dass der Stirnbereich des durchmesserverringerten Abschnitts (37a) an dem zentralen Loch (36b) des vorderen Düsenelements (36) konzentrisch angeordnet ist, und dass zwischen dem Außenumfang des vorderen Düsenelements (36) und dem Innenumfangsbereich des zentralen Lochs (36b) eine Verbindungsöffnung (s6) vorgesehen ist", ergibt sich aus Seite 10, Zeilen 24 bis Seite 11, Zeilen 3 der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit Figur 9.

Somit sind alle Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 in den ursprünglichen Unterlagen für sich offenbart. Sie erschließen sich für den Fachmann auch als zur Erfindung gehörig offenbart. Denn in den gesamten Anmeldungsunterlagen wird durchgängig der Erfindungsgedanke offenbart, das Kühlmittel und die Luft erst möglichst nahe an dem Bearbeitungspunkt zu mischen und somit in Nebelform zu bringen, wozu gerade die im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmale den entscheidenden Beitrag leisten. Denn vor allem durch diese Merkmale erhält der Fachmann die Hinweise, bei einer Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine die Nebelerzeugungseinrichtung mit einer ganz bestimmten Bauart in dem vorderen Endbereich der Spindel oder in dem Werkzeughalter anzuordnen und so eine gute Vermischung von Kühlmittel und Luft zu ermöglichen. Anders als beim Stand der Technik umfasst die Nebelerzeugungseinrichtung ein vorderes Düsenelement sowie ein hinteres Düsenelement, die somit auch in dem vorderen Endbereich der Spindel oder in dem Werkzeughalter angeordnet sind und entsprechend den weiteren im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmalen derart ausgebildet sind, dass sie eine effektivere Nebelgenerierung ermöglichen.

Somit trifft das Vorbringen der Einsprechenden, wonach die Aufnahme konkretisierender Merkmale der Nebelerzeugungseinrichtung willkürlich und nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs "Autoskooter-Halle" (GRUR 77, 598) oder "Einkaufswagen II" (GRUR 2005, 1023, 1024) unzulässig sei, weil die Bedeutung der Merkmale für den Erfindungsgedanken in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht erkennbar gewesen sei, nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht zu.

Insbesondere sind die Formulierungen "im Endbereich" in dem Beitrag von J. Pracht sowie "im Bereich" des Patentanspruchs 1 in der Entscheidung "Einkaufswagen II" nicht isoliert auf den vorliegenden Patentanspruch zu übertragen sondern in ihrem jeweiligen Zusammenhang zu sehen und zu verstehen.

Demzufolge liegt entgegen der Auffassung der Einsprechenden und Beschwerdeführerin auch keine Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung in ursprünglicher Fassung vor.

Der Patentanspruch 1 in der von der Patentabteilung im Einspruchsverfahren beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung ist bis auf das eine Merkmal "der grob dreieckförmig ist" sowie der Ergänzung, wonach die Nebelerzeugungseinrichtung im vorderen Endbereich der Spindel angeordnet ist, inhaltsgleich mit der erteilten Fassung.

Wie vorstehend dargelegt ist die Ergänzung, wonach der polygonale Querschnitt "grob dreieckförmig ist" eine eindeutige Beschränkung zu der der Patenterteilung zugrunde liegenden Fassung des Patentanspruchs 1 mit dem allgemeinen Merkmal, wonach "... das vordere Düsenelement (36) einen Außenumfang mit polygonalem Querschnitt aufweist". Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.

Auch die Ergänzung, dass die Nebelerzeugungseinrichtung im vorderen Endbereich der Spindel angeordnet ist, ist eine klare Beschränkung zu der erteilten Fassung, bei der die Nebelerzeugungseinrichtung lediglich in einem Endbereich der Spindel angeordnet war und somit entweder im vorderen oder im hinteren Endbereich der Spindel hätte liegen können.

Die Fassung des geltenden Patentanspruchs 1, gegen die sich die Beschwerde der Einsprechenden richtet, stellt somit gegenüber der erteilten Fassung gemäß Patentschrift eine Beschränkung dar und sie ist somit zulässig.

Die geltenden Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3, die auch der Erteilung des Patents zugrunde lagen.

4. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden werden durch die im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 aufgenommenen Merkmale funktionale Gruppen nicht auseinander gerissen, so dass der Patentgegenstand insgesamt nicht unklar ist.

Der Fachmann wird, sofern ihm einzelne, im Kennzeichen aufgeführte Merkmale überhaupt als unklar erscheinen, die Beschreibung und Zeichnungen des Streitpatents zu Rate ziehen und ohne Schwierigkeiten anhand der Figuren 9, 11, 12 und 13 in Verbindung mit den einzelnen Textstellen der Beschreibung erkennen, dass der Streitpatentgegenstand mehrere unterschiedliche Ausführungsformen umfasst, deren Aufbau und Funktionsweise im Einzelnen in der Beschreibung jeweils genau dargelegt ist. Allen diesen unterschiedlichen Ausführungsformen liegen jeweils die im Kennzeichen des geltenden Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmale zugrunde, während ergänzende Merkmale zum Teil in den Unteransprüchen und zum Teil in der Beschreibung offenbart sind. Somit offenbart das Patent dem Fachmann die Erfindung nach allen unterschiedlichen Ausführungsformen so deutlich und vollständig, dass er sie ohne Schwierigkeiten ausführen kann.

Auch das Merkmal "im vorderen Endbereich der Spindel" ist im vorliegenden Fall nicht unklar, wie die Einsprechende meint. Denn in Verbindung mit den Figuren und den Beschreibungsunterlagen, erschließt sich dem Fachmann eindeutig, dass die Nebelerzeugungsvorrichtung an dem dem Werkzeug zugewandten Ende innerhalb der Spindel angeordnet ist.

Auch im Übrigen ist die Erfindung deutlich und vollständig offenbart, wie der Senat überprüft hat.

5. Der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, wie auch die Einsprechende und Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat.

Keine der entgegengehaltenen Druckschriften weist ein vorderes sowie hinteres Düsenelement auf, das im vorderen Endbereich der Spindel oder des Werkzeughalters angeordnet ist.

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentgegenstand geht von einem Stand der Technik aus, wie er durch die DE 42 00 808 A1 bekannt ist. Diese zeigt bereits eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine mit einer Spindel (2), einem ersten Zuführpfad (20) und einem zweiten Zuführpfad in Form eines Rohres (19) zum getrennten Zuführen von Flüssigkeit (durch das Rohr 19) und Luft. Das Rohr (19) endet in einem hohlen Werkzeug (10), so dass sich an dieser Stelle die Luft mit der Flüssigkeit vermischt. Daher kann das Ende des Rohres im weitesten Sinn als eine Art Nebelerzeugungsvorrichtung aufgefasst werden. Jedoch weist die bekannte Nebelerzeugungsvorrichtung weder ein vorderes noch ein hinteres Düsenelement auf. Daher sind auch die weiteren, im Kennzeichen des geltenden Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmale, die das vordere und das hintere Düsenelement derart gegenständlich ausbilden, dass eine gute und effektive Nebelgenerierung erreicht wird, aus der DE 42 00 808 A1 weder bekannt noch nahe gelegt.

Somit kann diese Schrift den Fachmann nicht dazu anregen, eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine derart auszubilden, dass deren Nebelerzeugungsvorrichtung ein vorderes und ein hinteres Düsenelement, die entsprechend den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen ausgebildet sind, aufweist.

Die EP 0 332 328 A1 offenbart ein Kühlmittelsprühsystem für Bohrvorrichtungen bei der Druckluft und Kühlmittel einer außerhalb des Gehäuses der Bohrvorrichtung liegenden Nebelerzeugungsvorrichtung (Zerstäubereinrichtung 20) zugeführt werden. Der Sprühnebel wird dann über eine Zuführleitung 21 einem, hinter einer hohlen Werkzeugaufnahme 4 liegenden Hohlraum 6 zugeführt. Von dort wird der Sprühnebel durch die Werkzeugaufnahme 4 und den ebenfalls hohlen Werkzeugschaft 11, ggf. über ein dort eingebrachtes Röhrchen 40, der Bohrerspitze 12 zugeführt.

Aus diesem Grund kann auch diese Druckschrift dem Fachmann keinerlei Anregungen dazu geben, wie eine Nebelerzeugungsvorrichtung auszugestalten sei, die im Endbereich der Spindel oder im Werkzeughalter angeordnet ist.

Der entgegengehaltene Stand der Technik konnte daher, weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet, einem Fachmann den Patentgegenstand nach Patentanspruch 1 nahe legen.

Der Patentanspruch 1 in der im Einspruchsverfahren von der Patentabteilung beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung ist daher bestandsfähig.

7. Die Unteransprüche 2 und 3 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Die Unteransprüche 2 und 3 sind daher ebenfalls bestandsfähig.

Bei dieser Sachlage waren sowohl die Beschwerde der Einsprechenden als auch die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Somit verbleibt es bei der im Einspruchsverfahren von der Patentabteilung beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung des Patents.






BPatG:
Beschluss v. 13.07.2006
Az: 8 W (pat) 30/05


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