Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Februar 2001
Aktenzeichen: 29 W (pat) 27/00

(BPatG: Beschluss v. 28.02.2001, Az.: 29 W (pat) 27/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet ist die Wortmarke

"0800-freecall"

zur Kennzeichnung der Waren und Dienstleistungen "elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel); Werbung und Geschäftsführung; Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation"

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, wegen eines Freihaltebedürfnisses und wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, da der Begriff in Worten die praktische Bedeutung der Zahl wiedergebe. "0800" sei die von der Regulierungsbehörde für kostenlose Anrufe vergebene "Dienstekennzahl" oder "Servicenummer" und habe daher einen feststehenden Bedeutungsgehalt. Jeder, der kostenlose Telefonverbindungen anbieten wolle, könne sich eine 0800-Nummer geben lassen und sie mit "freecall" bewerben. "freecall" sei ein aus dem Englischen als der Fachsprache für Telekommunikation entnommener Begriff, der vom Publikum ohne weiteres verstanden werde. "0800 freecall" beschreibe die Art und Weise der Erbringung der Dienstleistungen (via Hotline) oder deren Bestimmung, die notwendige informationstechnische Infrastruktur herzustellen und so die Nutzung entsprechender Anrufsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens gegeben sei. Sie dürfe bei fremdsprachigen Ausdrücken nur verneint werden, wenn deren beschreibender Inhalt von den inländischen Verkehrskreisen auch ohne weiteres erkannt werde. Das angemeldete Zeichen sei eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneubildung, die wie ein Phantasiewort wirke, das selbst dann eintragbar wäre, wenn seine Bestandteile nicht schutzfähig wären. Der Bestandteil "freecall" sei lexikalisch nicht nachweisbar und "0800" als mehrgliedrige Zahl ausreichend unterscheidungskräftig. Insgesamt weise das Zeichen einen übergreifenden, phantasievollen Gesamteindruck auf, der eine für die Eintragung ausreichende Originalität begründe. Ein Freihaltungsbedürfnis für "0800-freecall" bestehe nicht, da kein konkreter Nachweis geführt sei, dass die angemeldete Marke derzeit als Angabe der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen benötigt würde oder dass konkrete Entwicklungen in diese Richtung zeigten. Insbesondere benötigten Mitbewerber die Marke in ihrer Fremdsprachigkeit nicht.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Eine vom Senat zum Begriff "0800-freecall" durchgeführte Recherche wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Eintragbarkeit der angemeldeten Marke steht überwiegend ein Freihaltungsbedürfnis entgegen und insgesamt fehlt ihr die erforderliche Unterscheidungskraft.

Das angemeldete Zeichen ist zwar lexikalisch in seiner Gesamtheit nicht nachweisbar, ebenso wenig der dem Englischen entlehnte Begriff "freecall". Entgegen der Meinung der Anmelderin können auch lexikalisch noch nicht belegbare Wortbildungen einem Freihaltungsbedürfnis unterliegen (bzw. nicht unterscheidungskräftig sein), wenn sie sprachüblich gebildet sind und einen ohne weiteres verständlichen, für die jeweiligen Waren/Dienstleistungen im Vordergrund stehenden, eindeutigen, inhaltlich hinreichend umrissenen beschreibenden Sinngehalt aufweisen (vgl. BGH GRUR 1996, 771 "THE HOME DEPOT"; GRUR 1996, 770 "MEGA"; GRUR 1995, 269 "U-KEY"; GRUR 1995, 408 ff. "PROTECH"; BPat-GE 37, 190, 192 "FERRO-BRAUSE"; Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rn. 142, 143, 17, 21, 26 m. Nachw.). So liegt der Fall hier. Es können keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise, hier die Endabnehmer, "freecall" ohne weiteres im Sinn von "kostenfreier Anruf" verstehen. Zunächst gehören beide Bestandteile von "freecall" zum Grundwortschatz der englischen Sprache (vgl. Klett, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 1992), das englische "free" auch in seiner Bedeutung "umsonst" (vgl. Klett a.a.O.). Der weitere Bestandteil "call" wird von breiten Verkehrskreisen nicht zuletzt deshalb verstanden, weil "call" in vielen mit der Telekommunikation in Zusammenhang stehenden auch in der deutschen Umgangssprache gebräuchlichen Begriffen wie "call by call, Call Center, Calling Card, Callgirl" vorkommt (vgl. Wahrig a.a.O., Duden a.a.O; Duden, Das große Fremdwörterbuch 2. Aufl., Stichwort "call". Dem Publikum ist ebenso geläufig, dass Telefonnummern, die unter der Vorwahl "0800" zu erreichen sind, beim Anrufer keine Kosten verursachen (ebenso wie in der Vergangenheit im Fall der Vorwahl 0130), da diese Nummern entsprechend beworben werden, was nicht zuletzt durch das Ergebnis der Internetrecherche bestätigt wird. Das angemeldete Zeichen erschöpft sich damit in der rein sachbeschreibenden Angabe, dass unter der Vorwahl 0800 kostenfrei angerufen werden kann. Damit beschreibt es bezüglich sämtlicher angemeldeter Waren und Dienstleistungen jedenfalls ein sonstiges, für den Verkehr wichtiges Merkmal, nämlich die kostenfreie telefonische Abrufbarkeit, so dass "0800-freecall" freihaltungsbedürftig ist. Dass dieses Freihaltungsbedürfnis entgegen dem Vortrag der Anmelderin auch ein konkretes ist, ergibt sich eindrucksvoll aus dem Ergebnis der Internetrecherche: "0800 freecall" wird in diesem Sinn im Wettbewerb bereits intensiv benutzt. Auch die Anmelderin selbst verwendet das Zeichen beispielsweise im örtlichen Münchener Telefonbuch (S. 17) in rein sachbeschreibender Weise als Überschrift über eine Vielzahl von unterschiedlichen Anbietern, deren unterschiedliche Angebote und Leistungen unter der Vorwahl 0800 für den Verkehr kostenfrei telefonisch erreichbar sind.

Gleichzeitig fehlt der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift bedeutet die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden Waren und/oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH MarkenR 2000, 420 ff - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION m.w.N.). Hierbei ist zwar grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Diese Unterscheidungskraft fehlt aber unter anderem dann, wenn einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann, wie dies vorliegend aus den oben ausgeführten Gründen der Fall ist. Da es sich bei "0800-freecall" um einen ohne weiteres verständlichen Ausdruck handelt ändert, der Umstand, dass er teilweise der englischen Sprache entstammt, entgegen der Auffassung der Anmelderin nichts daran, dass der Verkehr das Zeichen stets nur im oben genannten Sinne und gerade im hier gegebenen Umfeld der EDV und Telekommunikation insgesamt als Sachangabe und nicht als betrieblichen Herkunftsnachweis deuten wird.

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Az: 29 W (pat) 27/00


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