Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 97/00

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2000, Az.: 25 W (pat) 97/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Eufitist am 20. Dezember 1996 ua für die Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. März 1997.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 14. Dezember 1937 für "Arzneimittel" eingetragenen Marke 498 440 Eusovit, deren Benutzung bestritten ist, ausgenommen für Vitamine. Eine weitergehende Benutzung wird von der Widersprechenden nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ist, die Benutzungsfrage unter gleichzeitigem Hinweis auf eine weitere Gegenständlichkeit für das Beschwerdeverfahren dahingestellt sein lassen und die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint. Ausgehend von möglicher Warenidentität bei im übrigen im engeren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren, einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrskreise sei von der jüngeren Marke ein deutlicher Markenabstand zu fordern. Dieser werde in klanglicher Hinsicht wegen der Unterschiede in der Silbenbildung und Betonung auch bei angemessener Mitberücksichtigung der Gemeinsamkeiten der Wörter eingehalten. Die Widerspruchsmarke wirke durch die zusätzlichen Laute "so" wesentlich länger als die jüngere Marke. Der stimmhaft gesprochene Zahnlaut "s" sorge für einen auffälligen Klanggegensatz und auch der Vokal "o" hebe sich deutlich von den gegenüberstehenden Vokalen ab. Hinzu komme die weitere Differenz zwischen den konsonantischen Anlauten der jeweiligen Endsilbe, die für sich betrachtet zwar unauffällig sei, aber im Zusammenhang mit den weiteren Abweichungen zu einem abweichenden Klangeindruck beitrage, zumal die Endsilben mit "fit" für "leistungsfähig, sportlich durchtrainiert" und "vit" für "Vitamine" unterschiedliche Begriffsanklänge aufwiesen. Auch im Schriftbild unterschieden sich die Marken wegen der unterschiedlichen Wortlänge und der abweichenden Linienführung in den zwei zusätzlichen Buchstaben im Gesamteindruck hinreichend.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sich im Beschwerdeverfahren auf ihr Vorbringen vor dem DPMA bezogen und keinen Antrag gestellt hat.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß), die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Die Markenstelle habe zu Recht festgestellt, daß zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Schon in klanglicher Hinsicht sei wegen des völlig anderen Sprech- und Betonungsrhythmus der Wörter, der deutlich verschiedenen Vokalfolge, der in der älteren Marke zusätzlich enthaltenen Zwischensilbe "so" und der unterschiedlichen Artikulation der konsonantischen Anlaute "v" zu "f" in der jeweiligen Schlußsilbe ein deutlicher Markenabstand gegeben. Auch schriftbildlich bestehe wegen der unterschiedlichen Wortlänge und der stärkeren Prägung der jüngeren Marke durch ihre Oberlängen keine Verwechslungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG). Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet, da auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der Widerspruch ist deshalb zu Recht in den angefochtenen Beschlüssen zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer ursprünglichen durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, auch wenn sich der Wortbestandteil "vit" wegen seines in bezug auf die Waren erkennbaren Indikationshinweises auf Vitamine und seiner sowohl nach der Registerlage als auch tatsächlichen, vielfachen Verwendung in Drittmarken (vgl zB die in der Roten Liste 2000 Hauptgruppe 84/Vitamine eingetragenen Präparate "Ascorvit, Biovit, Cernevit, Dreisavit, Evit, Soluvit, Sonosvit") als kennzeichnungsschwach erweist (vgl hierzu PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 256/94 - Spidivit # VIVIVIT und PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 099/93 - Hermevit # HAARVIT; zur Bedeutung der Registerlage Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl., § 9 Rdn 122; BGH GRUR 1999, 241; 243 - Lions; BGH GRUR 1967, 246, 250 und 251 - Vitapur). Aus einer damit verbundenen isolierten Kennzeichnungsschwäche kann jedoch nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, daß diese als sogenannte sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann erkennbarer Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben die stoffliche Beschaffenheit und/oder das Indikationsgebiet kenntlich machen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die nach § 43 Abs 1 MarkenG mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme für "Vitamine" erhoben und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung auch nicht behauptet hat, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit im Rahmen der Integrationsfrage auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren, also "Vitamin"-Arzneimitteln ganz allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; vgl allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus - und GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB). Diesen stehen mit den ua für die jüngere Marke beanspruchten pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnissen Waren gegenüber, die hiermit identisch sein können. Da in den Warenverzeichnissen eine Rezeptpflicht nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, sind die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Auch wenn danach an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Die angegriffene Marke hält vielmehr in jeder Hinsicht noch einen ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Wie bereits die Markenstelle in den angegriffenen Beschlüssen zutreffend ausgeführt hat, unterscheidet sich die zweisilbige, angegriffene Marke "Eufit" in klanglicher Hinsicht bereits deutlich durch die silbenbedingte Abweichung im Sprech- und Betonungsrhythmus von der dreisilbigen Widerspruchsmarke "Eusovit", die zudem in der betont artikulierten Zwischensilbe "so" markante Laute aufweist, welche in der jüngeren Marke keine Entsprechung finden. Diese deutlichen Silben- und Lautunterschiede bleiben deshalb selbst bei ungünstigeren Übermittlungsbedigungen oder etwas undeutlicherer Aussprache der Wörter gut vernehmbar und gewährleisten eine hinreichend sichere Unterscheidung. Die Markenstelle hat ferner bereits darauf hingewiesen, daß vorliegend auch die weitere klangliche und begriffliche Abweichung der jeweiligen Endsilben "fit" und "vit" verwechslungsmindernd zu berücksichtigen ist. Wenn der hierin liegende Unterschied im Hinblick auf die geringere kennzeichnende Bedeutung der jeweiligen Silben und der für sich betrachtet eher unauffälligen Lautabweichung auch nur in eingeschränktem Umfang verwechslungsmindernd zu berücksichtigen ist, so kann andererseits für die mit einer gleichlautenden Aussprache beider Silben verbundene klangliche Übereinstimmung nichts anderes gelten. Denn auch einer klanglichen Identität der Silben - welche der Senat als möglich einbezieht - kann wegen ihres warenbeschreibenden Charakters und ihrer häufigen Verwendung als Markenbestandteil vorliegend tatsächlich und rechtlich nur eine untergeordnete verwechslungsbegründende Bedeutung beigemessen werden, wenn sie auch für die Beurteilung des maßgeblichen jeweiligen Gesamteindrucks der Wörter nicht völlig unberücksichtigt bleiben darf. In ihrer Gesamtheit reichen jedenfalls die bereits von der Markenstelle aufgezeigten Unterschiede aus, trotz strenger Anforderungen und des zu berücksichtigenden Unterscheidungsvermögens von Laien eine sichere Unterscheidung der Wörter nach ihrem jeweilgen Gesamteindruck zu gewährleisten, auch wenn vorliegend die Übereinstimmungen der Wörter insbesondere in den erfahrungsgemäß stärker beachteten Anfangsbestandteilen liegen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 97) und die Verkehrsauffassung eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints).

Ebenso weisen die Marken im Schriftbild in jeder üblichen Schreibweise bereits aufgrund der markant abweichenden Wortlänge und Kontur der Buchstaben einen hinreichenden Abstand auf, wobei in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe die zusätzliche Oberlänge des Buchstabens "f" in der jüngeren Marke und die abweichende Umrißcharakteristik der Wörter weitere Unterscheidungshilfen bieten, zumal das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Widersprechenden als unbegründet und war zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels E.






BPatG:
Beschluss v. 16.11.2000
Az: 25 W (pat) 97/00


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