Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 163/03

(BPatG: Beschluss v. 25.10.2004, Az.: 30 W (pat) 163/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2004 (Aktenzeichen 30 W (pat) 163/03) die Beschwerde der Anmelderin gegen die Zurückweisung ihrer Markenanmeldung zur Eintragung in das Markenregister abgewiesen. Die angemeldete Wortmarke "Praxis Lichtenstein" wurde von der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses beanstandet. Die Markenstelle war der Ansicht, dass das Wort "Praxis" den Tätigkeitsbereich und die Räumlichkeiten bezeichne und "Lichtenstein" entweder als Name von deutschen Gemeinden oder als der des Fürstentums Liechtenstein verstanden werde. Das Bundespatentgericht bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass die angemeldete Marke eine beschreibende Angabe im Sinne des Markengesetzes darstellt. Der Zeichenbestandteil "Praxis" bezeichnet die Art der Dienstleistungen und den Ort ihrer Erbringung, während "Lichtenstein" entweder eine deutsche Stadt oder das Fürstentum Liechtenstein bezeichnet. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die angemeldete Marke lediglich die Art und den Erbringungsort der beanspruchten Dienstleistungen beschreibt und daher freihaltebedürftig ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 25.10.2004, Az: 30 W (pat) 163/03


Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Wortmarke

"Praxis Lichtenstein"

für die Waren und Dienstleistungen

"Werbung; Ausbildung, Seminare, Workshops; Dienstleistungen eines Heilpraktikers; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; Lebensberatung".

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses beanstandet. Das Wort "Praxis" bezeichne den Tätigkeitsbereich und die Räumlichkeiten, in denen zB ein Heilpraktiker beruflich tätig sei, "Lichtenstein" stelle zum einen die Bezeichnung von zwei deutschen Gemeinden dar und werde zum anderen von beachtlichen Teilen des Verkehrs als Name des Fürstentums "Liechtenstein" verstanden. Als geographische Ortsbezeichnung sei das Wort freihaltungsbedürftig und nicht unterscheidungskräftig.

Die Anmelderin hat vorgetragen, die beanspruchten Dienstleistungen beträfen eine Therapie, bei der die Heilkräfte des Lichts sowie von Steinen und Mineralien besonders ausgenützt würden. Dies würde zusammengefaßt in dem phantasievollen Begriff "Lichtenstein". Im Zusammenhang mit den Bestandteilen "Praxis" sei es widersinnig, das Zeichen in geographischer Weise zu verstehen, da mehrere Orte in Betracht kämen. Da die Kräfte des Lichtes und der Steine nicht genau definiert seien, handele es sich um eine nichtbeschreibende phantasievolle Neuschöpfung.

Die Markenstelle hat die Anmeldung wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen, da es sich um eine unmittelbar beschreibende Angabe über Art und Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen handele.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Ein Antrag und eine Beschwerdebegründung sind nicht zu den Akten gelangt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg.

Die angemeldete Marke ist für die beanspruchten Dienstleistungen nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen, da sie eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG darstellt.

Nach § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können. Dabei ist die Eintragung bei Bezeichnungen der geographischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen auch dann zu versagen, wenn die fragliche Benutzung als geographische Herkunftsangabe noch nicht zu beobachten ist, wenn eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann. Zur Bejahung der Voraussetzung dieses Schutzhindernisses bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige zukünftige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist. An die damit verbundene Prognoseentscheidung sind keine höheren Anforderungen als bei den übrigen Sachangaben des § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG zu stellen (vgl BGH GRUR 2003, 882 - Lichtenstein).

Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmißverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe ohne weiteres erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 380).

Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der angemeldeten Marke kommt es bei § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG grundsätzlich nicht an. Da es genügt, daß die Zeichen oder Angaben "zur Bezeichnung ... dienen können", ist ein Wortzeichen demnach von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. Soweit eine als solche geeignete geographische Herkunftsangabe vorliegt, kann auch eine mögliche Mehrdeutigkeit das Freihaltungsbedürfnis nicht ausräumen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 226, Rdn 317). Dabei ist insbesondere die Einmaligkeit des Ortsnamens nicht Voraussetzung für die Annahme, dass die Bezeichnung in Zukunft als geographische Herkunftsangabe Verwendung finden kann (vgl BGH aaO - Lichtenstein).

Dabei muß die für die Bejahung eines Freihaltungsbedürfnisses erforderliche Beziehung zwischen den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und dem fraglichen Ort nicht notwendigerweise auf der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistung in diesem Ort beruhen, sondern kann sich auch aus anderen Anknüpfungspunkten ergeben. Letztlich besteht ein Freihaltungsbedürfnis nicht nur an geographischen Angaben, die sich unmittelbar auf konkrete Eigenschaften der einschlägigen Waren und Dienstleistung beziehen, sondern auch an Ortsbezeichnungen, welche die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, zB dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen Waren und Dienstleistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 316). Dabei besteht bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geographische Herkunftsangaben zur freien Verwendung benötigt werden können (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 319).

Davon ausgehend kann im vorliegenden Fall ein rechtserhebliches Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Wortkombination nicht verneint werden. Die angemeldete Marke ist eine Zusammenstellung aus der Fachbezeichnung "Praxis" und der Ortsangabe "Lichtenstein".

Bei dem Zeichenbestandteil "Praxis" handelt es sich in bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen um eine ohne weiteres beschreibende Sachangabe, da damit die Art der Dienstleistungen und der Ort ihrer Erbringung bezeichnet wird. Praxis ist ein allgemein gebräuchlicher Begriff, um einen Bereich oder einen Ort der Ausübung einer Tätigkeit zu bezeichnen, üblicherweise in Verbindung mit der Ausübung von Heil- oder Pflegeberufen.

Die Angabe "Lichtenstein" bezeichnet den Namen einer Stadt in Sachsen mit ca 31 740 Einwohnern, die zwischen Chemnitz und Zwickau im Landkreis Chemnitzer Land liegt (vgl http://www.lichtensteinsachsen.de/stadt/menü.html.).

Im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung zur Feststellung eines Freihaltebedürfnisses aufgrund einer zukünftigen Verwendung ist es insbesondere nicht erforderlich festzustellen, ob die konkrete Absicht von Mitbewerbern besteht, in Lichtenstein eine Praxis mit den beanspruchten Dienstleistungen zu eröffnen. Insoweit ist es ausreichend, dass es bei der Größe der Stadt Lichtenstein, die über eines der größten Gewerbegebiete im Regierungsbezirk Chemnitz verfügt (vgl BGH aaO - Lichtenstein), als möglich erscheint, dass sich auch eine nichtgewerbliche Praxis mit den genannten Dienstleistungen ansiedeln kann. Dies erscheint auch unter dem Gesichtspunkt als sehr wahrscheinlich, als die Bereiche Heilpraktikerwesen und allgemeine Lebensberatung Tätigkeitsbereiche sind, die zunehmend in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses rücken und wo in der Vergangenheit verstärkt Existenzgründungen festzustellen waren.

Die Anmelderin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Angabe keine geographische Angabe im Sinne des § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG darstellt, da es mehrere Orte gebe, die den Namen Lichtenstein tragen. Es trifft zwar zu, dass es noch weitere Gemeinden mit dem Namen Lichtenstein, zB in der Schwäbischen Alb und ein Schloß Lichtenstein bei Urach gibt, dies begründet aber keine einem Freihalteinteresse entgegenstehende Mehrdeutigkeit der Bezeichnung. Die Einmaligkeit des Ortsnamens ist nicht Voraussetzung für die Annahme, dass die Bezeichnung in Zukunft als geographische Herkunftsangabe Verwendung finden kann. Dass ein Name mehrfach zur Bezeichnung eines - insbes kleineren - Ortes Verwendung findet, ist ebenso wenig ungewöhnlich wie der Umstand, dass der Name zudem als Eigenname feststellbar ist (vgl BGH aaO - Lichtenstein).

Der Bestandteil der angemeldeten Marke "Lichtenstein" weicht zudem nur sehr geringfügig und kaum erkennbar von der geographischen Herkunftsangabe des Fürstentums "Liechtenstein" ab. Wegen der kurzen Betonung der ersten Silbe und damit Klangidentität wird der Verkehr die abweichende Schreibweise oft übersehen. So bleibt die fehlerhafte Schreibweise und der Unterschied in den möglichen Ortsangaben oft unbemerkt (vgl BGH aaO Lichtenstein). Auch bei Verständnis des Bestandteils "Lichtenstein" im Sinne des Fürstentums Liechtenstein handelt es sich um eine geographische Herkunftsangabe, für die ein Freihaltebedürfnis besteht, da hier ebenfalls die Ansiedlung einer Praxis mit den beanspruchten Dienstleistungen als möglich erscheint.

Für die von der Anmelderin vorgetragene Herleitung der Zusammensetzung aus den beiden Begriffen "Licht" und "Stein" ergeben sich keine Anhaltspunkte. Durch die Zusammenfügung der Worte "Licht" und "Stein" unter Einfügung der Silbe "en" wird die eigenständige Bedeutung der beiden Elemente aufgehoben, so dass das Verständnis des Begriffes "Lichtenstein" sich nicht mehr an der Bedeutung der Einzelbegriffe orientiert, sondern an dem bekannten Gesamtbegriff "Lichtenstein", der für einen Ortsnamen steht bzw für das Fürstentum Liechtenstein. Wegen dieser bekannten Bedeutungen erscheint der Begriff dem angesprochenen Verkehr nicht als ungewöhnliche phantasievolle Wortneuschöpfung.

Die angemeldete Kombination "Praxis Lichtenstein" beschreibt damit nur die Art und den Erbringungsort der beanspruchten Dienstleistungen und ist somit freihaltebedürftig.

Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb Hu






BPatG:
Beschluss v. 25.10.2004
Az: 30 W (pat) 163/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/bf14a136f8ea/BPatG_Beschluss_vom_25-Oktober-2004_Az_30-W-pat-163-03




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