Bundespatentgericht:
Urteil vom 17. Februar 2009
Aktenzeichen: 1 Ni 12/08

(BPatG: Urteil v. 17.02.2009, Az.: 1 Ni 12/08)

Tenor

I. Das deutsche Patent 102 19 038 wird für nichtig erklärt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des am 29. April 2002 angemeldeten und mit dem Veröffentlichungstag 10. Juli 2003 erteilten Patents 102 19 038. Der Gegenstand des Streitpatents, das in der erteilten Fassung 11 Patentansprüche umfasst, ist bezeichnet mit "Verfahren zum automatisierten Fertigen von individuellen Einsätzen zum Lagern und/oder Transportieren von Gegenständen".

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Verfahren zum automatisierten Fertigen von individuellen Einsätzen (4) zum Lagern und/oder Transportieren von Gegenständen, wobei in jedem Einsatz (4) mindestens eine Aufnahme zum lagegenauen Positionieren mindestens eines Gegenstandes angeordnet ist, gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte:

a) Erfassen von die Umfangskontur eines Einsatzes (4) wiedergebenden Daten in einem ersten Speicher und Erstellen eines den Einsatz (4) darstellenden Rohbildes (5); b) Auswählen der Abbildung mindestens eines in dem Einsatz (4)

zu positionierenden Gegenstandes aus einem zweiten Speicher (2) und Überlagern dieser, zumindest die Außenkontur des Gegenstandes wiedergebenden Abbildung mit dem Rohbild (5) des Einsatzes (4) zu einem Fertigungsbild (7);

c) Übermitteln der Daten des Fertigungsbildes (7) an eine computergesteuert arbeitende Arbeitsmaschine (3) undd) Herausarbeiten eines dem Fertigungsbild (7) entsprechenden Einsatzes (4) aus einem geeigneten Material mittels der Arbeitsmaschine (3).

Wegen der angegriffenen Unteransprüche, die unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen sind, wird auf die Streitpatentschrift DE 102 19 038 C1 verwiesen.

Nach Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Dokumente gemäß den Anlagen K3: US 4 964 514 K4: DE 102 17 269 A1 K5: DE 101 21 682 A1 K6: Artikel Online-Enzyklopädie Wikipedia ("Schneider Euro PC") K7: Auszug Online-Enzyklopädie Wikipedia ("Prozessor (Hardware)").

Sie beruft sich weiter auf offenkundige Vorbenutzungshandlungen durch die Firma P... in M.../GB im Jahr 2000. Zum Beleg legt die Klägerin ein Rechnungen und Bestellungen beinhaltendes Anlagenkonvolut (Anlage K11) und eidesstattliche Versicherungen vor (Anlagen K8 bis K10); zudem bietet die Klägerin Zeugenbeweis an. Wegen des Vortrags zur offenkundigen Vorbenutzung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 2. September 2008 Bezug genommen.

Die Klägerin führt weitere Dokumente gemäß folgenden Anlagen ein K12: Auszüge aus einem Lexikon aus dem Expert Verlag von 1992 K13: Auszüge aus dem Lehrbuch "CAD-Grundlagen" von 1986 K14: Auszüge aus dem Lehrbuch "CAD in der Praxis" von 2000 K15: Auszüge aus dem Lehrbuch "CATIA Version 4" von 1996 K16: Auszüge aus dem Lehrbuch "Numerisch gesteuertes Spanen mit CAD-CAM" von 2001 K17: Auszüge aus "AutoCAD 2002 für DUMMIES" von 2001 K18: Deckblatt der WO 99/13412 A2 K19: Deckblatt der US 7 006 977 B1 K20: Deckblatt der US 4 972 318 K21: Deckblatt der US 6 381 510 B1 K22: Deckblatt der US 6 083 267 A K23: Deckblatt der US 4 149 246 K24: Deckblatt der US 5 339 252 A K25: Deckblatt der US 4 598 376 K26: Deckblatt der DE 695 24 374 T2 K27: Deckblatt der DE 100 08 017 A1 K28: HRB 129699 der Amazon.de GmbH K29: Auszug aus dem Lehrbuch "Linux Netzwerke" von 2000.

Die Klägerin beantragt, das Patent 102 19 038 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Der Beklagte verteidigt das Patent beschränkt und beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der verteidigten Fassung richtet.

In der beschränkten Fassung lautet der Patentanspruch 1:

Verfahren zum automatisierten Fertigen von individuellen Einsätzen (4) zum Lagern und/oder Transportieren von Gegenständen, wobei in jedem Einsatz (4) mindestens eine Aufnahme zum lagegenauen Positionieren mindestens eines Gegenstandes angeordnet ist, gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte:

a) Herstellen einer Verbindung über das Internet von einem ersten Speicher zu einem zweiten Speicher (2) und Erfassen von die Umfangskontur eines Einsatzes (4) wiedergebenden Daten in dem ersten Speicher und Erstellen eines den Einsatz (4) darstellenden Rohbildes (5);

b) Auswählen der Abbildung mindestens eines in dem Einsatz (4) zu positionierenden Gegenstandes aus dem zweiten Speicher (2) und Überlagern dieser, zumindest die Außenkontur des Gegenstandes wiedergebenden Abbildung mit dem Rohbild (5) des Einsatzes (4) zu einem Fertigungsbild (7), wobei die aus dem zweiten Speicher (2) ausgewählten Abbildungen eines Gegenstandes in den äußeren Abmessungen veränderbar sind und automatisch ein Mindestabstand zwischen der Außenkontur des Einsatzes (4) und dem in dem Einsatz (4) zu lagernden Gegenstand eingehalten wird, wobei der Mindestabstand in Abhängigkeit vom Material des zu fertigenden Einsatzes (4) vorgegeben wird;

c) Übermitteln der Daten des Fertigungsbilds (7) an eine computergesteuert arbeitende Arbeitsmaschine (3) undd) Herausarbeiten eines dem Fertigungsbild (7) entsprechenden Einsatzes (4) aus einem geeigneten Material mittels der Arbeitsmaschine (3), wobei in den Einsätzen (4) Griffmulden zum Herausnehmen der in den Aufnahmen gelagerten Gegenstände ausgebildet werden.

An diesen Anspruch schließen sich nach dem einzigen Antrag des Beklagten die Ansprüche 2 bis 6 an.

Die Klägerin hält ihren Angriff wegen fehlender Patentfähigkeit auch gegen die beschränkte Fassung aufrecht.

Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (§ 22 Abs. 1 i. V. m § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), ist begründet.

I.

1. Nach der Patentbeschreibung werden Schränke zum Lagern oder Koffer zum Transportieren von Gegenständen wie beispielsweise Werkzeugen in der Praxis mit Einsätzen ausgestattet, die mit Ausnehmungen versehen sind, die den Außenkonturen der jeweils in diesem Einsatz aufzunehmenden Gegenständen entsprechen. Auf diese Weise wird für jeden Gegenstand eine definierte und lagestabile Positionierung erzielt, durch die einerseits der Gegenstand geschützt wird und andererseits der Gegenstand jederzeit griffbereit vorliegt.

Das Streitpatent betrifft in der verteidigten Fassung ein Verfahren zum automatisierten Fertigen von derartigen, hinsichtlich ihrer Umfangskontur und hinsichtlich mindestens einer Aufnahme zum lagegenauen Positionieren mindestens eines Gegenstandes darin individuell gestalteten Einsätzen. Dieses Verfahren sieht die Erstellung eines Fertigungsbildes anhand auszuwählender und in den äußeren Abmessungen veränderbarer Abbildungen, die die Außenkontur eines aufzunehmenden Gegenstandes wiedergeben, sowie anhand die äußere Umfangskontur des Einsatzes wiedergebender Daten vor. Das Verfahren beinhaltet darüber hinaus das Herausarbeiten eines diesem Fertigungsbild entsprechenden Einsatzes aus einem geeigneten Material mittels einer computergesteuerten Arbeitsmaschine.

Im Stand der Technik werden Individuallösungen kostenintensiv aus Blockschäumen gefertigt. Aufgrund der hohen Satzkosten für das Layout der blockgeschäumten Einsätze lohnt sich ein solches Verfahren nur für Kleinoder Großserien. Auch sind sogenannte "doityourself"-Lösungen bekannt, deren Benutzer mit Hilfe von Messern, Schablonen und Klebstoff aus einer ungeschnittenen Schaumstoffplatte mit großem Arbeitsund Zeitaufwand einen eigenen individuell gestalteten Einsatz erstellen sollen.

Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zum Fertigen von Einsätzen zum Lagern und/oder Transportieren von Gegenständen zu schaffen, das eine einfache und kostengünstige automatische Fertigung individuell gestalteter Einsätze ermöglicht.

Zur Lösung dieser Aufgabe offenbart Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung ein Verfahren mit folgenden Merkmalen:

M1 Verfahren zum automatisierten Fertigen von individuellen Einsätzen (4) zum Lagern und/oder Transportieren von Gegenständen;

M2 in jedem Einsatz (4) ist mindestens eine Aufnahme zum lagegenauen Positionieren mindestens eines Gegenstandes angeordnet;

M3.0 über das Internet wird eine Verbindung von einem ersten Speicher zu einem zweiten Speicher (2) hergestellt;

M3.1 in dem ersten Speicher werden Daten erfasst, die die Umfangskontur eines Einsatzes (4) wiedergeben;

M3.2 es wird ein Rohbild (5) erstellt, das den Einsatz (4) darstellt;

M4.1 aus dem zweiten Speicher (2) wird die Abbildung von mindestens einem Gegenstand ausgewählt, der in dem Einsatz (4) positioniert werden soll;

M4.2 die Abbildung gibt zumindest die Außenkontur des Gegenstandes wieder;

M4.3 die Abbildung des Gegenstandes wird mit dem Rohbild (5) des Einsatzes (4) überlagert zu einem Fertigungsbild;

M4.4 die aus dem zweiten Speicher (2) ausgewählten Abbildungen eines Gegenstandes sind in den äußeren Abmessungen veränderbar;

M4.5 bei der Erstellung des Fertigungsbilds (7) wird automatisch ein Mindestabstand zwischen der Außenkontur des Einsatzes (4) und dem in dem Einsatz (4) zu lagernden Gegenstand eingehalten;

M4.6 der Mindestabstand wird in Abhängigkeit vom Material des zu fertigenden Einsatzes (4) vorgegeben;

M5 die Daten des Fertigungsbildes (7) werden an eine Arbeitsmaschine (3)

übermittelt, die computergesteuert arbeitet;

M6 mittels der Arbeitsmaschine wird aus einem geeigneten Material ein Einsatz (4) herausgearbeitet, der dem Fertigungsbild entspricht;

M7 in den Einsätzen (4) werden Griffmulden zum Herausnehmen der in den Aufnahmen gelagerten Gegenstände ausgebildet.

2. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem technischen Gebiet des Streitpatents im Anmeldezeitpunkt ein Maschinenbau-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Konstruktionsoder Fertigungstechnik mit Erfahrung im Bereich der Einzelund Kleinserienfertigung, mit Vorbildung und praktischer Erfahrung im computergestützten Konstruieren. Interessenten, Abnehmer oder Auftraggeber wie Techniker dagegen, die für die Lagerung oder den Transport ihrer Werkzeuge Einsätze benötigen, geben dem Fachmann, an den man sich nach allgemeiner Übung wendet, zwar Anregungen und Wünsche, sind aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht selbst die maßgeblichen Fachleute.

Nach dem Verständnis dieses Fachmanns, das Maßstab sowohl für die Auslegung des Patentanspruchs als auch für die Beurteilung der erfinderischen Leistung ist, stellt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung wie folgt dar:

Weil eine "Fertigung" im üblichen Wortsinn mit der Arbeitsmaschine, also einer Werkzeugmaschine, erfolgt, ist das Merkmal M1 und der Anspruch 1 insgesamt im Sinne eines teilautomatisierten Herstellungsprozesses zu verstehen, bei dem die Merkmale M3.0 bis M5 als Schritte eines computergestützt arbeitenden Konstruktionsverfahrens -vgl. Absatz [0021] in der Streitpatentschrift -der Bearbeitung gemäß den Merkmalen M6 und M7 vorgelagert sind. Im Patentanspruch 1 ist allerdings nicht festgelegt, welche Schritte jeweils eine Interaktion des Nutzers voraussetzen oder auf Eingaben des Nutzers beruhen.

Der Ablauf des Verfahrens sieht zunächst eine Eingabe oder Erfassung - die nach Art und Zeitpunkt im Anspruch 1 nicht festgelegt ist -von Daten in Speichern vor wie -die Umfangskontur eines Einsatzes wiedergebenden Daten (Merkmal M3.1)

und -die Abbildungen von zumindest die Außenkontur eines Gegenstands wiedergebenden Daten, der in dem Einsatz positioniert werden soll (Merkmal M4.2 und Teil des Merkmals M4.1).

Die Festlegung des zu positionierenden Gegenstands nach Art und Größe, d. h. der zu fertigenden Kontur der Aufnahme zum lagegenauen Positionieren erfolgt durch -die Auswahl der Abbildung eines zu positionierenden Gegenstandes an sich

(Teil des Merkmals M4.1) und -ggf. der Veränderung der äußeren Abmessungen der ausgewählten Abbildung (Merkmal M4.4).

Für die Datenbereitstellung, den Zugriff auf diese Daten und deren Zusammenführung für die weitere Verarbeitung ist die Herstellung einer Internetverbindung (Merkmal M3.0) vorgesehen: Gemäß der Beschreibung Absätze [0025] und [0023], Satz 2 sowie [0026], Satz 1 bzw. den erteilten Ansprüchen 3 und 4 soll ein Nutzer des Verfahrens von einem abgesetzten Computer aus über diese Internetverbindung die Umfangskontur eines Einsatzes wiedergebende Daten selbst eingeben bzw. auf vorgegebene Daten zurückgreifen können sowie die Abbildungen von Gegenständen und somit die die Außenkontur eines Gegenstands beschreibenden Daten auswählen können. Diese Daten sollen jeweils in einem ersten (Merkmal M3.1) und einem zweiten (Merkmal M4.1) Speicher vorliegen. Der Darstellung in der Figur 1 der Patentschrift entnimmt der Fachmann einen Computer (Pos.), der für Eingaben über eine Tastatur und zur Ausgabe, d. h. zur Darstellung des Fertigungsbildes über einen Bildschirm verfügt. Die Speicher (Pos. 2 in Figur 1) dagegen sind vom Computer abgesetzt. Merkmal M3.0 besagt daher, dass der Datentransfer zum Erfassen, Auswählen und Verarbeiten in den Verfahrensschritten der Merkmalsgruppen M3 und M4 über ein Internetbasiertes elektronisches Netzwerk erfolgt, vgl. hierzu Anspruch 2 in der erteilten Fassung.

Um je nach Art des aufzunehmenden Gegenstandes und des Materials des Einsatzes eine individuelle und zweckdienliche Anordnung der Abbildung, d. h. des aufzunehmenden Gegenstandes in der innerhalb der Umfangskontur zur Verfügung stehenden Fläche zu ermöglichen bzw. zu gewährleisten, wird -ein die Umfangskontur des Einsatzes darstellendes Rohbild erstellt (Merkmal M3.2), -diesem wird die vom Nutzer des Verfahrens ausgewählte - vgl. Absatz [0026]

und ggf. veränderte Abbildung überlagert (Merkmal M4.3).

Hierbei wird noch -automatisch und in Abhängigkeit vom Material des Einsatzes ein Mindestabstand zur Außenkontur des Einsatzes eingehalten (Merkmale M4.5 und M4.6).

Hierdurch soll dem Einsatz je nach Materialwahl und/oder je nach dem in dem Einsatz zu lagernden Gegenstand eine ausreichende Formstabilität gegeben werden, vgl. Absatz [0031]. Die missverständliche Begriffsbildung "Außenkontur des Einsatzes" im Merkmal 4.5 kennzeichnet demnach dessen Umfang, d. h. die Umfangskontur wie im Merkmal M3.1.

Hierbei entsteht ein den zu fertigenden, individuellen Einsatz darstellendes Fertigungsbild, welches einerseits die Umfangskontur des Einsatzes und andererseits Außenkonturen der in dem Einsatz positionierten Gegenstände wiedergibt, vgl. Absatz [0026], Satz 2.

Die beschreibenden Daten werden -an eine computergesteuerte Werkzeugmaschine übertragen und dort der Bearbeitung zugrunde gelegt (Merkmale M5 und M6), wobei -im Einsatz neben den Aufnahmen noch Griffmulden herausgearbeitet werden (Merkmal M7).

Im Patentanspruch 1 bleibt offen, wie die Daten für die Griffmulden generiert werden; der Beschreibung ist hierzu nichts entnehmbar, vgl. Absatz [0017].

II.

1.

Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung unterscheidet sich vom Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 - der bereits die Merkmale M1 und M2, M3.1 und M3.2, M4.1 bis M4.3, M5 und M6 enthielt durch die zusätzlich aufgenommenen Merkmale M3.0, M4.4 bis M4.6 und M7.

2.

Die Ansprüche 1 bis 6 des Streitpatents in der verteidigten Fassung sind zulässig. Die in den neuen Anspruch 1 zusätzlich aufgenommenen Merkmale sind jeweils den erteilten Ansprüchen 2, 4 bis 6 und 11 zu entnehmen. Der geltende Anspruch 2 entspricht dem erteilten Anspruch 3, die geltenden Ansprüche 3 bis 6 entsprechen den erteilten Ansprüchen 7 bis 10, abgesehen von den Änderungen der Nummerierungen und der Rückbezüge.

3.

Der dem Streitpatent in der verteidigten Fassung zu entnehmende Gegenstand des Patentanspruchs 1 mag gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu sei sein, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der dem Streitgegenstand nach Anspruch 1 am nächsten kommende Stand der Technik ergibt sich aus der Druckschrift US 4 964 514 (K3). Den Figuren in Verbindung der mit der zugehörigen Beschreibung der K3 ist Folgendes entnehmbar: Diese Druckschrift betrifft individuell anfertigbare Transportoder Lagereinsätze für beispielsweise Handwerkzeug, vgl. Spalte 1, Zeilen 6 bis 8 und 11 ("hand tools") sowie 34 bis 39. Gemäß Spalte 1, Zeile 65 f. werden die Einsätze mittels eines Verfahrens entsprechend Merkmal M1 hergestellt.

Gemäß Spalte 1, Zeilen 52 bis 59 sind den Einsätzen Aufnahmen zum lagegenauen Positionieren entsprechend Merkmal M2 vorgesehen, weil die Aufnahmen eine dem aufzunehmenden Gegenstand angepasste Außenkontur aufweisen.

Merkmal M3.1 ergibt sich dort im Wesentlichen aus Spalte 4, Zeilen 17 bis 20 und 31 bis 35: Nach Bestimmung der erforderlichen umfänglichen Abmessungen wird die erforderliche Umfangskontur zunächst auf einem Blatt Papier eingezeichnet, dessen Inhalt durch Scannen in einen Computer zur weiteren Verarbeitung eingegeben wird, vgl. Spalte 4, Zeilen 47 bis 49. Hierdurch werden die Umfangskontur ("boundaries 18") beschreibende Daten erfasst und einem grafischen Computerprogramm zur Darstellung auf einem Bildschirm bereitgestellt, vgl. Spalte 4, Zeilen 33 bis 35 im Zusammenhang mit Figur 1, was die Eingabe in einen Speicher eines Rechners voraussetzt.

Gemäß Spalte 4, Zeilen 35 bis 40 werden auf diese Weise auch die Außenkonturen im Einsatz zu lagernder Gegenstände aufgenommen und in den Computer überführt, was die Speicherung korrespondierender, die Abbildungen beschreibender Daten entsprechend Merkmal M4.2 beinhaltet.

Die in K3 offenbarte Art der Datenerfassung bzw. Bereitstellung dort durch Scannen einer Zeichnung, unterscheidet sich zwar von den in der Streitpatentschrift im Absatz [0023] beschriebenen, vorbereitenden Maßnahmen: Hier gibt der Nutzer die den Umfang des Einsatzes beschreibenden Daten ein; hinsichtlich der Erfassung der die Abbildungen beschreibenden Daten sind der Streitpatentschrift keine Angaben entnehmbar. Bei den Merkmalen M3.1 und M4.2 ist allerdings unerheblich -weil im geltenden Patentanspruch nicht festgelegt, s. o -, wie die der jeweiligen Abbildung zugehörigen Daten erfasst wurden.

In Spalte 4, Zeilen 51 bis 57 der K3 ist geschildert, dass die Lage der Gegenstände, d. h. der bereits eingegebenen Außenkonturen variiert werden soll, um mehrere von ihnen in dem Einsatz unterbringen zu können. Dieses Vorgehen setzt voraus, dass die Abbildungen dieser Gegenstände entsprechend Merkmal M4.1 bereits abgespeichert vorliegen und für eine Positionierung ausgewählt werden können, vgl. K3, Spalte 4, Zeilen 45 bis 47 und Zeilen 59 bis 61.

Gemäß der in K3 beschriebenen Vorgehensweise werden demnach die Positionen der Abbildungen der Gegenstände innerhalb der durch die vorab erfasste Größe bestimmten Umfangskontur bei einer gemeinsamen Darstellung auf einem Bildschirm festgelegt. Somit offenbart die K3 auch die Erstellung eines Rohbildes entsprechend Merkmal M3.2 und die Überlagerung mit den Abbildungen entsprechend Merkmal M4.3. Die Bildschirmdarstellung in K3 zeigt ein Bild des zu fertigenden Einsatzes, vgl. dort Figur 3 im Zusammenhang mit Spalte 4, Zeilen 61 bis 64.

Beim Stand der Technik nach der K3 ist für den Schritt der Überlagerung und Positionierung der Abbildungen gemäß Merkmal M4.3 die Verwendung einer handelsüblichen ("commercial") CAD-Software (Akronym für "Computer-Aided Design") vorgeschlagen, vgl. Spalte 4, Zeilen 51 bis 57. Ein Nutzer solcher Software bzw. des in K3 beschriebenen Verfahrens wird bereits bei "manuellen" Eingaben hierfür zweckmäßige Mindestabstände zwischen den Aufnahmen und der Umfangskontur entsprechend den Merkmalen M4.5 und M4.6 einzuhalten versuchen, die dort in den Figuren 1, 3, 4 und 5 auch deutlich dargestellt sind. Der K3 ist zwar nicht mit ausdrücklichen Worten zu entnehmen, dass diese Abstände bei der Erstellung des Fertigungsbildes gemäß dem Wortlaut des Merkmals M4.5 automatisch eingehalten werden. Der Fachmann erkennt jedoch in dem deutlichen Hinweis in der K3, dass ein CAD-Programm auch die manuelle Eingabe zum Anordnen der Abbildungen innerhalb von Grenzen ersetzen kann ("...replace the step of manually arranging the items within boundaries", vgl. Spalte 4, Zeilen 57 bis 59), wobei die verfügbare Fläche optimal genutzt werden soll ("...make the optimum of the available space", vgl. Spalte 4, Zeilen 59 bis 64), dass diese eine menschliche Verstandestätigkeit erfordernde Maßnahme auch programmtechnisch und somit automatisch entsprechend den Merkmalen M4.5 und M4.6 realisierbar ist. Bei einem Verfahren zum automatisierten Herstellen individueller Einsätze würde der Fachmann auch ohne Weiteres auf diese Funktionalität eines CAD-Programmes zurückgreifen, um Konstruktionsfehler auszuschließen.

Derartige CAD-Software war zum Anmeldetag des Patents selbstverständliches Hilfsmittel des Fachmanns zur Erstellung von Konstruktionszeichnungen, die Fertigungsbilder im Sinne des Merkmals M4.3 sind, wie die Auszüge aus dem Lehrbuch "CAD-Grundlagen" (K13), dort Seite 12, Zeilen 11 bis 14 belegen.

Eine CAD-Software bietet zudem die Möglichkeit der Variantenkonstruktion, dieu.

a. zur Erzeugung von Abmessungsvarianten eingesetzt wird, um ähnliche Teile, d.

h. Konturen nach einem festen Schema zu variieren, vgl. hierzu Seite 132, Abschnitt 4.2.2 in K13. Der Fachmann wird auch diese Funktionalität bei Bedarf für ein Verfahren zum automatisierten Fertigen von Einsätzen zu deren individueller Gestaltbarkeit entsprechend Merkmal M4.4 vorsehen.

Dass derartige CAD-Programme auch eine direkte Verbindung zum Fertigungsprozess, d. h. zu einer computergesteuert arbeitenden Maschine über die Zeichnungsherstellung hinaus ermöglichen, ist dem Fachmann ebenfalls geläufig, vgl. hierzu Seite 136, Abschnitt 4.2.3 / "NC-Programmierung" in K13. Auch beim Stand der Technik nach K3 werden die Daten anschließend entsprechend Merkmal M5 an eine computergesteuerte Arbeitsmaschine übermittelt -vgl. Spalte 4, Zeile 65 ff. -, welche entsprechend Merkmal M6 schließlich einen dem Fertigungsbild entsprechenden Einsatz aus einem geeigneten Material -dort einem Kunststoffschaum -herausarbeitet, vgl. Spalte 3, Zeilen 65 bis 67.

Das Ausbilden von Griffmulden zum Herausnehmen gemäß Merkmal M7 -also einer erzeugnistechnischen Abwandlung der nach dem Verfahren hergestellten Einsätze -vollzieht sich offensichtlich wie das Herausarbeiten der übrigen Konturen im Zusammenhang mit den Schritten nach den Merkmalen M5 und M6. Das kategoriefremde Merkmal "Griffmulde" kennzeichnet keinen hiervon unterschiedlichen Verfahrensschritt oder eine andere Verfahrensweise und beinhaltet gegenüber der Offenbarung der K3 jedenfalls keine verfahrenstechnischen Besonderheiten. Die Ausformungen für einen darin aufzunehmenden Gegenstand mit zusätzlichen Griffmulden so zu gestalten, dass der Gegenstand über seine Außenkontur eindeutig positionierbar, aber für eine Entnahme noch greifbar bleibt, ist im Übrigen eine im fachmännischen Können begründete, handwerkliche Maßnahme.

Während K3 noch die Durchführung der Verfahrensschritte entsprechend den Merkmalen M3.1 und M3.2, M4.1 bis M4.3 auf einem mit Speichern ausgerüsteten Computer offenbart und lediglich für den Datentransfer zur computergesteuerten Bearbeitungsmaschine allgemein auf andere übliche Verfahren verwiesen ist -vgl. dort Spalte 2, Zeilen 59 bis 61 -, war das abgesetzte Speichern von Daten und ein Zugriff hierauf über internetbasierte elektronische Netzwerke am Anmeldetag des Streitpatents eine allgemein angewendete Form der Datenbereitstellung entsprechend des im Sinne eines Datentransfers zum Erfassen, Auswählen und Verarbeiten von Daten auszulegenden Merkmals M3.0. Das Lehrbuch "LINUX Netzwerke" (K29, vgl. Seite 1, erster und zweiter Absatz) belegt, dass ein Zusammenschluss von Computern und somit auch von Speichern über verbindende Netzwerke wie das Internet eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme war, der Nutzern im Verbund einen gemeinsamen Zugriff auf dezentral organisierte Computer bzw. Speicher ermöglichen möchte. Sie sind bei CAD-Anwendungen wegen der zu bewegenden Datenmengen zwischen dem Arbeitsplatzcomputer und abgesetzten Massenspeichern bei Mehrplatzsystemen üblich, vgl. Seite 110, Zeilen 12 bis 14 und Bild 4.1 in K13.

Zusammenfassend folgt, dass der Fachmann, dessen Wissen und Können mit den Literaturstellen K13 und K29 belegt ist, Vorbild und Anlass hatte, das aus K3 bekannte, bereits die Merkmale M1 und M2, M3.1 bis M4.3 und M5 sowie M6 aufweisende Verfahren in Erwartung eines vorhersehbaren Erfolgs um die Merkmale M3.0, M4.4 bis M4.6 und M7 zu ergänzen.

4.

Die Unteransprüche weisen keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1, 2 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 17.02.2009
Az: 1 Ni 12/08


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