Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 15. Dezember 2009
Aktenzeichen: 4 U 133/09

(OLG Hamm: Urteil v. 15.12.2009, Az.: 4 U 133/09)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 03. Juni 2009 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung irreführender Angaben beim Vertrieb von Motorölen sowie auf Zahlung von Aufwendungsersatz in Anspruch.

Im Mai 2008 lieferte der Beklagte an die Esso Station Otto und F KG (im folgenden nur noch Fa. End) Motoröle "F1" mit der Angabe "G1" und "F2" mit der Angabe "T" (wie Anl. 1 zur Klageschrift). Es soll sich dabei nach Darstellung der Klägerin nicht um synthetische, sondern um klassische mineralische Öle gehandelt haben.

Klassische Motorenöle werden durch eine sog. fraktionierte Destillation aus Rohöl gewonnen. Einige Fraktionen sind als Schmierstoffe geeignet. Bei den Motorölen bilden sie die Gruppe der Mineralöle. Es handelt sich hierbei um den Anteil an sog. Grundöl, zu dem dann noch ein prozentual erheblich kleinerer Anteil an sog. Additiven trifft, welche die Laufeigenschaften des Motors verbessern sollen. Da sich die Gewinnung der mineralischen Grundöle im Grundsatz nicht von der des Benzin oder Heizöls unterscheidet, sind diese Motoröle vergleichsweise billiger. Die fraktionierte Destillation vermag die im Rohöl vorhandenen chemischen Verbindungen aber nur nach ihrem Siedepunkt zu trennen. Mineralische Grundöle bestehen daher - auch nach weiteren Reinigungsverfahren - immer noch aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Kohlenwasserstoffen, die nicht alle gleichermaßen gut als Schmiermittel geeignet sein müssen. Synthetisch hergestellte Öle werden hingegen anders produziert. Deren Grundölanteil besteht nicht aus Mineralöl. Unter einem synthetischen Öl versteht der Verkehr solche Schmierstoffe, die im Grundöl entweder vollständig oder teilweise aus Polyalphaolefinen (PAO) bzw. Dicarbonsäureestern bestehen. Die Herstellung dieser Öle führt zu einer konstant definierten Zusammensetzung und somit zu einer besonderen Reinheit. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt bei dem mit bis zu 12 Arbeitsschritten sehr hohen Aufwand und damit einhergehenden hohen Kosten.

Den Lieferungen an die Fa. F3 war ein Angebot des Beklagten vom 08.05.2008 mit einer Vielzahl von Ölen vorausgegangen. In Bezug hierauf bestellte die Fa. F3 unter dem 13.05.2008 "12 x 1 lt. F2 10 W-40" und "12 x 1 lt. F4 W-40". Daraufhin erfolgte die beanstandete Lieferung der Öle des Beklagten mit den Angaben auf den Öldosen wie Anlage 1 zur Antragsschrift, und zwar: "F1, G1, 5W-40" und "F2, T, 10W-40". Die Lieferung wurde der Fa. F3 unter dem 02.06.2008 in Rechnung gestellt, freilich wieder mit den Bezeichnungen "F1 5W-40" und "F2 10W-40".

Mit Schreiben vom 11.06.2008 beanstandete die E GmbH gegenüber dem Beklagten, dass ihre Tankstellenpartner, auch die Fa. F, ausschließlich an F4 gebunden und nicht berechtigt seien, Motorenöle von anderen Wettbewerbern zu beziehen. Der Beklagte verleite die F4-Tankstellenpartner dazu, ihre ausschließliche Bezugsbindung zu brechen. Der Beklagte wurde aufgefordert, gleiche oder ähnliche Verkaufsaktionen über Schmierstoffe jeglicher Art an die Betreiber von Esso-Stationen in Zukunft zu unterlassen. Ferner forderte die E GmbH vom Beklagten Auskunft darüber, welche weiteren F4-Stationen er bereits beliefert habe. Der Beklagte unterwarf sich nicht und erteilte auch nicht die geforderten Auskünfte.

Mit Schreiben vom 18.08.2008 mahnte die Klägerin den Beklagten mit der Begründung ab, dass der durch den Beklagten vorgenommene Verkauf der in Rede stehenden Öle mit entsprechender Bezeichnung "G1" bzw. "T" irreführend und damit wettbewerbswidrig sei. Der Beklagte reagierte mit Schreiben vom 05.09.2008 und bat zunächst um Angabe, an welcher Stelle er das bezeichnete Öl verkauft haben solle. Dieses könne er nicht nachvollziehen. Zukünftige Lieferungen werde er auf ihre Beschriftung hin überprüfen. Eine Unterlassungserklärung wolle er nicht abgeben. Mit Schreiben vom 04.11.2008 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass die monierten Produktbezeichnungen sich auf den von ihm gelieferten Gebinde befanden und welche Lieferung an welchen Kunden des Beklagten betroffen war. Darauf teilte der Beklagte mit Schreiben vom 25.11.2008 mit, dass er die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehne. Er schließe eine künftige Belieferung von wettbewerbswidriger Ware aus und betrachtete die Angelegenheit damit als erledigt. Ferner wies er darauf hin, dass seiner Ansicht nach die Bezugsquellen abgeschaltet werden sollten, weil die Produkte des F4-Konzerns günstiger als gewünscht auf dem Markt erschienen und so das Direktgeschäft gefährdet sei. Es bestehe der Anschein, dass die Klägerin hier als eine Art Erfüllungsgehilfe für F4 tätig sei und jegliche Neutralität vermissen lasse.

Die Klägerin hat nunmehr unter dem 04.03 2009 die vorliegende Klage bei Gericht eingereicht, deren Zustellung an den Beklagten am 12.03.2009 erfolgt ist.

Die Klägerin hat vorgetragen, es habe sich bei den gelieferten Ölen nicht um synthetische oder semisynthetische Öle gehandelt. Die Bezeichnung, dass es sich bei den Ölen um synthetische oder semisynthetische Öle gehandelt habe, sei falsch und damit irreführend. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass es sich tatsächlich um synthetische Öle gehandelt habe, sei der Beklagte. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist sei durch Verhandlungen i.S.v. § 203 BGB gehemmt gewesen. Außerdem habe der Beklagte in der Klageerwiderung erneut die Auffassung vertreten, dass in der Bezeichnung der von ihm vertriebenen Produkte keine irreführende Werbung zu sehen sei. Dies begründe zumindest wiederum eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, insgesamt jedoch höchstens zwei Jahre,

es zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd im Geltungsbereich deutschen Wettbewerbsrechts das Motorenöl "F1" mit der Angabe "G1" und/oder das Produkt "F2" mit der Angabe "T" anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.03.2009 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, die Ware sei vorher wohl aus Belgien importiert worden, was er beim Kauf und Verkauf der Ware nicht gewusst habe. Er habe darüber hinaus nicht gewusst, dass die einzelnen Ölbehältnisse auf der Vorderseite zusätzlich den Aufdruck "T" bzw. "G1" aufwiesen. Bei Lieferung seines Verkäufers habe er verschlossene Kartons erhalten, in denen jeweils 12 Flaschen enthalten gewesen seien. Diese Kartons habe er nicht geöffnet, sondern an seinen Abnehmer weitergegeben. Auf den Kartons sei kein Hinweis auf die hier beanstandete Bezeichnung enthalten gewesen. Er hat gemeint, es sei auch keine irreführende Werbung zu konstatieren. Die Klägerin substantiiere in keiner Weise, warum die hier in Rede stehenden Öle nicht die Bezeichnungen "G1" bzw. "T" führen dürften. Sie hätte die chemische Zusammensetzung der Öle substantiiert darlegen und unter Beweis stellen müssen. Er, der Beklagte, wisse nicht, was für Öle in den gelieferten Gebinden gewesen seien. Er gehe davon aus, dass in dem Öl, soweit es um das semisynthetische Öl gehe, jedenfalls in Anteilen synthetische Elemente vorhanden seien und dass es sich um synthetische Öle handele. Der Beklagte hat sodann das Vorgehen der Klägerin für rechtsmissbräuchlich gehalten. Diese stelle sich offensichtlich in den Dienst eines Mitbewerbers. F4 habe die Beschriftungen selbst vorgenommen und die Waren entsprechend in den Verkehr gebracht. Darüber hinaus hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben, da die Klägerin - insoweit unstreitig - unter dem 18.08.2008 Kenntnis vom hiesigen Vorfall gehabt habe.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung und zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bezeichnung des Motoröls mit den entsprechenden Begriffen "G1" bzw. "T" sei irreführend im Sinne der §§ 3, 5 I, II Nr. 1 UWG, weil es sich tatsächlich nicht um voll- bzw. halbsynthetische, sondern schlicht um mineralische Motorenöle handele. Der im Vertrieb angesprochene Verbraucher verstehe unter der Bezeichnung "voll-" oder auch nur "halbsynthetisch", dass er Motoröle erwerbe, deren Grundöl aus auf Ethylenbasis erzeugten Polyalphaolefinen und/oder Dicarbonsäureestern bestehe. Auch wenn ihm die genaue chemische Zusammensetzung nicht bekannt sei, so sei der Begriff eines "vollsynthetischen" oder "halbsynthetischen" Motoröls mit der Vorstellung verbunden, ein hochwertiges Motorenöl verwenden zu können, das sich jedenfalls qualitätsmäßig von dem klassischen, mineralischen Motorenöl abhebe. Aus Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers hafte Motorölen mit der Bezeichnung "vollsynthetisch" oder "halbsynthetisch" eine besondere Qualität an, die sich von derjenigen klassischer mineralischer Motorenöle abhebe. Er erwarte ein Öl, das besonders rein und speziell auf die Verwendung im Motor ausgerichtet sei und eine bestimmte definierte Zusammensetzung aufweise. Der Verbraucher gehe davon aus, dass diese vollsynthetischen oder auch nur halbsynthetischen Motorenöle erheblich teurer seien als die klassischen mineralischen Motoröle und dass sie den mineralischen Motorölen qualitativ deutlich überlegen seien. Mit dem Kauf dieses teuren Produkts wolle der Verbraucher seinem Motor "etwas Gutes tun".

Es sei als unstreitig anzusehen, dass es sich bei den von dem Beklagten im Mai 2008 an die genannte F4-Station in L gelieferten Motorenölen nicht um voll- oder teilsynthetische Motorenöle gehandelt habe und diese vielmehr fälschlicherweise so bezeichnet gewesen seien. Es habe sich hierbei um klassische, mineralische Motoröle gehandelt. Dies sei als zugestanden anzusehen, da der Beklagte nicht substantiiert nähere Angaben zum Inhalt, insbesondere zur chemischen Zusammensetzung des Öls, gemacht habe. Der Vortrag des Beklagten hierzu sei unzureichend. Er sei darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass das von ihm vertriebene Motoröl die Qualitätsmerkmale aufweise, die auf der Verpackung beschrieben worden seien. Insofern fehle es an hinreichenden Ausführungen. Die Ausführungen des Beklagten ließen vielmehr darauf schließen, dass er selbst nicht davon ausgegangen sei, Öl geliefert zu haben, das als voll- oder halbsynthetisches Öl bezeichnet werden könne. Seine Einlassung dahin, nicht gewusst zu haben, dass die entsprechenden Aufdrucke auf den Motorölverpackungen vorhanden gewesen seien, sei rechtlich unerheblich.

Ein subjektives Verschulden sei nicht Voraussetzung für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes. Im Übrigen könne sich derjenige, der die von ihm vertriebenen Waren nicht kontrolliere und damit "die Augen vor der Aufmachung des Produkts verschließe" gegenüber Mitbewerbern dadurch keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Auch bestünden keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin. Die Ausführungen des Beklagten seien nicht geeignet, diesen Anspruch in Frage zustellen.

Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt. Selbst wenn die Klägerin bereits am 18.08.2008 Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß gehabt habe, würde dies keine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Die sechsmonatige Verjährungsfrist sei durch Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB gehemmt gewesen. Der Begriff der "Verhandlungen" sei im Wettbewerbsrecht weit auszulegen. Insoweit reiche der Meinungsaustausch über den Anspruch und seine tatsachlichen Grundlagen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner aus, wenn nicht sofort und eindeutig der Anspruch abgelehnt werde. Von Verhandlungen in diesem Sinne sei bereits auszugehen, wenn der Schuldner gegenüber dem Gläubiger zum Ausdruck bringe, den Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Im Lichte dieser Grundsätze könne das Schreiben des Beklagten vom 05.09.2008 nicht anders verstanden werden. In diesem Schreiben habe er die Klägerin zunächst um Angabe gebeten, an welcher Stelle er das maßgebliche Öl vertrieben haben solle. Dies könne er "so nicht nachvollziehen". Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen lasse sich dem bezeichneten Schreiben eine definitive Ablehnung der an ihn herangetragenen Ansprüche nicht entnehmen. Dementsprechend habe die Klägerin auch mit Schreiben vom 04.11.2008 reagiert und nähere Erläuterungen gegeben. Erst das Schreiben des Beklagten vom 25.11.2008 könne als eindeutige Erklärung angesehen werden, zu keiner Unterlassungsverpflichtung bereit zu sein. Für den Zeitraum vom 18.08.2008 bis zum 25.11.2008 sei die Verjährung unter diesen Umständen gehemmt gewesen.

Schließlich sei auch der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 208,65 Euro begründet.

Der Beklagte greift das Urteil mit seiner Berufung an. Er meint, er habe schon keine "Werbung" mit den hier in Rede stehenden Bezeichnungen betrieben. Er habe zu keiner Zeit in irgendeiner Weise die Vokabeln "G1" oder "T" gebraucht. Weder sei dies auf Angeboten noch auf Rechnungen geschehen. Vielmehr seien die Öldosen fest verschlossen in einem Karton übersandt worden, der seinerseits keinerlei Aufdruck der genannten Bezeichnungen enthalten habe. Er habe die Öle auch nicht entsprechend in Verkehr gebracht. Es liege keine Irreführung vor, denn es sei nicht festgestellt worden, dass es sich tatsächlich nicht um synthetische oder teilsynthetische Öle gehandelt habe. Hierfür sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Beweiserleichterungen kämen ihr nicht zugute, da es nicht um Tatsachen ginge, die im Verantwortungsbereich des Beklagten lägen. Die Zusammensetzung der Öle könnten beide Parteien gleichermaßen aufklären. Die Klägerin sei hier unstreitig vom Hersteller der Öle eingeschaltet worden. Es wäre für die Klägerin ein Leichtes gewesen, zur Zusammensetzung des Öls nähere Angaben zu machen. Erst hierauf hätte sich der Beklagte substantiiert einlassen müssen. Die Klägerin habe aber kein Wort darüber verloren, warum es sich vorliegend nicht um synthetische oder teilsynthetische Öle gehandelt habe. Der Beklagte habe dies jedenfalls in seiner persönlichen Befragung in der mündlichen Verhandlung bestritten. Dieser Punkt sei keineswegs unstreitig gewesen. Er habe lediglich nicht das genaue Mischungsverhältnis angeben können, worauf es aber aufgrund unzureichender Darlegung der Klägerin nicht angekommen sei. In der Klageerwiderung sei auch die Unsubstantiiertheit des klägerischen Vortrags hinsichtlich der Zusammensetzung der Öle gerügt und auf die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin hingewiesen worden. Es sei vom Gericht verfahrenswidrig nicht rechtzeitig auf die von diesem angenommene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hingewiesen worden. Vorsorglich werde klargestellt, dass das "voll synthetische" Öl einen Anteil an Polyalphaolefinen (PAO) von zumindest 91 % habe, was ausreichend sei, um von einem derartigen Öl zu sprechen. Das "teilsynthetische Öl" enthalte einen solchen Anteil von mindestens 26 %, was für die Bezeichnung "T" ausreichend sei. Sodann sei das Landgericht nicht darauf eingegangen, dass die Öle an eine Handelsgesellschaft, die eine Tankstelle betrieben habe, weiterveräußert worden sei, so dass eine Irreführung nur auf der Grundlage ihres Erfahrungswissens zu beurteilen sei. Die Fa. End habe aber sehr wohl gewusst, dass es sich bei den Bezeichnungen "G1" und "T" um keinerlei genormte oder normfähige Begriffe handele, sondern um Wortschöpfungen der Mineralölindustrie, die keinerlei echten Hinweis auf die Zusammensetzung der Öle ermöglichten. Laien würden den Anteil an Polyalphaolefinen nicht als maßgeblich ansehen, zumal beide Öle, nämlich die herkömmlichen mineralischen Öle als auch die synthetischen Öle, letztlich aus dem gleichen Grundöl hergestellt seien. Es sei vorliegend auch nicht ausschließlich um vollsynthetisches Öl gegangen, sondern auch um halbsynthetisches Öl. Das Landgericht habe sich hierüber hinweggesetzt, indem es sich nicht mit der Darlegungs- und Beweislast auseinandergesetzt habe. Auch die Ausführungen des Landgerichts zur Verjährung überzeugten nicht. Von Verhandlungen könne keine Rede sein. Eine Kompromissbereitschaft des Beklagten habe nicht bestanden und sei nicht dokumentiert worden. Dieser habe vielmehr definitiv mit seinem ersten Schreiben die Unterzeichnung der geforderten Unterlassungserklärung abgelehnt, ohne eine Einschränkung, dass dies nur einstweilen und bei entsprechenden Nachweisen nachzuholen sei. Es werde auch an der Auffassung festgehalten, dass es rechtsmissbräuchlich sei, auf dem Umweg eines angeblichen Verstoßes gegen das UWG für ein großes Mineralölunternehmen einen lästigen Wettbewerber auszuschalten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie meint, dass es das Landgericht zu Recht als unstreitig angesehen habe, dass es sich bei den beiden vom Beklagten vertriebenen Motorölen "F1" und "F2" nicht um vollsynthetische bzw. halbsynthetische Motorenöle im Sinne der Verkehrserwartung handele. Weder vorgerichtlich noch in der Klageerwiderung habe der Beklagte dies beanstandet. Im landgerichtlichen Termin habe der Beklagte einigermaßen "herumlaviert". Ein Bestreiten könne hierin nicht gesehen werden. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag sei insoweit nicht gestellt worden. Eine andere Beurteilung in der Sache sei auch nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte an Fachkreise geliefert habe. Ein zwischen Fachkreisen und Endverbrauchern unterschiedliches Verkehrsverständnis bestehe nicht. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass die an die Fa. End gelieferten Öle letztlich hätten an Endverbraucher weiter vertrieben werden sollen. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht verjährt. Zutreffend habe das Landgericht erkannt, dass der Lauf der Verjährung durch Verhandlungen der Parteien im Sinne von § 203 BGB in der Zeit vom 18.08.2008 bis 04.11.2008 gehemmt gewesen sei. Da der Beklagte sein Verhalten als rechtmäßig verteidige, bestehe zudem Erstbegehungsgefahr. Höchst vorsorglich stütze die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auch auf § 2 I des Unterlassungsklagengesetzes. Hier gelte die Regelverjährungsfrist des BGB. § 5 UWG sei eine Vorschrift zum Schutz von Verbraucherinteressen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt abändernd zur Abweisung der Klage.

Die Klägerin kann von ihm nicht die Unterlassung des Anbietens und/oder des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Motorenöle mit der Angabe "G1" bzw. "T" und die Zahlung von Abmahnkosten von 208,65 € verlangen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der aus §§ 8 I, III Nrn. 2, 3; 3; 5 I 1, 2 Nr. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung des Verkehrs über die synthetische bzw. semisynthetische Art und Beschaffenheit der vom Beklagten vertriebenen Öle resultieren könnte, ist verjährt.

Die Frage einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung aus dem Grunde, dass die Klägerin nach Darstellung des Beklagten für die Herstellerfirma F4 aktiv geworden sein soll, kann ebenso dahinstehen wie die Frage der Irreführung durch die aufgedruckten Bezeichnungen.

Die geltend gemachten Unterlassungs- und Erstattungsansprüche sind nach § 11 I, II UWG verjährt. Unstreitig bestand Kenntnis von dem angegriffenen Verstoß bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 18.08.2008. Die Klage wurde indes erst am 04.03.2009, also nach Ablauf von 6 Monaten, bei Gericht eingereicht.

Der Lauf der Verjährung war nicht nach § 203 S. 1 BGB durch Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt.

Der Begriff "Verhandlungen" ist weit auszulegen. Es genügt für ein Verhandeln jeder Meinungsaustausch über den Verletzungsfall zwischen den Beteiligten, sofern nicht sofort und eindeutig der Anspruch abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (BGH NJW 2007, 587; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1.44; Teplitzky, 9. Aufl. 2007, Kap. 16 Rn. 42). Maßgeblich ist insofern, ob der Beklagte eindeutig die Unterwerfung verweigert oder zu erkennen gegeben hat, er lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein, gleich ob er Vergleichsbereitschaft signalisiert oder nicht.

Das Schreiben der Beklagten vom 05.09.2008 hat, anders als es das Landgericht gemeint hat, keine Verhandlungen in diesem Sinne eröffnet. Der Beklagte hat nicht in Aussicht gestellt, für den Fall, dass ihm ein objektiver Verstoß nachgewiesen werden könne, die Abgabe einer Unterwerfungserklärung in Erwägung zu ziehen. Er hat die Weigerung zur Abgabe der Unterlassungserklärung auch damit begründet, dass er sich "in keinster" Weise einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Außerdem hat er seine Abgabeverweigerung damit begründet, dass er die Öle nicht in Deutschland in Umlauf gebracht habe, weil er sie bereits in Deutschland erworben habe. Da der Beklagte bereit war, künftige Lieferungen auf die Beschriftung hin zu überprüfen, sah er eine eventuelle Wiederholung des Vorfalls als ausgeschlossen an. Aus den genannten Gründen wollte der Beklagte die Unterlassungserklärung nicht unterzeichnen. Der Anspruch wurde eindeutig abgelehnt. Ein Meinungsaustausch im Sinne eines Verhandelns fand nicht mehr statt. Aufgrund dessen muss auch ergänzend nicht mehr auf das Schreiben des Beklagten vom 25.11.2008 zurückgegriffen werden, das sich wiederum uneingeschränkt darauf stützt, dass schon mit Schreiben vom 05.09.2009 mitgeteilt worden sei, dass der Beklagte eine Unterlassungserklärung nicht unterschreibe.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Anspruch wegen einer Erstbegehungsgefahr stützen. Diese liegt nicht vor. Der Beklagte hat schon in seinem ersten Schreiben an die Klägerin deutlich gemacht, dass er in Zukunft aufpassen werde und es nicht zu Wiederholungen komme. Dann muss auch sein Vortrag im Rechtsstreit allein als Rechtsverteidigung aufgefasst werden. Insofern stellt die Rechtsprechung erhebliche Anforderungen an das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr. Allein aus der zum Zweck der Verteidigung geäußerten Rechtsauffassung lässt sich nicht schließen, dass der Beklagte sich auch in Zukunft entsprechend verhalten werde (BGH GRUR 2001, 1174 - Berühmungsaufgabe; Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 1.19), zumal er hier klargestellt hat, dies nicht zu wiederholen.

Die Klägerin kann den Anspruch auch nicht auf das Unterlassungsklagengesetz stützen. Dabei kann dahinstehen, ob die erstmalige Geltendmachung in der Berufungsinstanz ein neuer Streitgegenstand ist, ob darin eine an § 533 ZPO zu messende Klageerweiterung liegt und ob die Voraussetzungen eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs vorliegen. Denn zum einen gehört das UWG nicht zu den Verbraucherschutzgesetzen i.S.d. § 2 I UKlaG (Köhler, a.a.O., UKlaG, § 2 Rn. 11). Zum anderen wäre ein solcher Anspruch ebenfalls verjährt. Zwar verjähren die Ansprüche bei einer Anspruchskonkurrenz zwischen Ansprüchen aus dem UWG und konkurrierenden anderen Ansprüchen regelmäßig selbständig in der für sie maßgeblichen Verjährungsfrist. Dagegen verjähren Ansprüche einheitlich nach § 11 UWG, wenn der Wettbewerbsverstoß etwa zugleich Ansprüche wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 I BGB auslöst, eine Haftung nach § 823 II BGB in Rede steht und als Schutzvorschrift nur eine Bestimmung des UWG in Betracht kommt (vgl. Fezer-Büscher, UWG, 2005, § 11 Rn. 6, 7). Die Normen des BGB werden von § 11 UWG unter dem Gesichtspunkt der Spezialität verdrängt, insofern, als die UWG-Vorschrift (hier die "verjährte" Irreführung) als eine konkrete und erschöpfende Regelung der betreffenden Teilfrage anzusehen ist (vgl. BGHZ 36, 252 - Gründerbildnis; GRUR 1984, 678 - Intermarkt II; Teplitzky, a.a.O., Kap. 16 Rn. 16). Die Klägerin könnte den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch letztlich nur auf das Unterlassungsklagengesetz stützen, wenn dem Beklagten auch ein Verstoß gegen § 5 UWG vorzuwerfen ist. Dann aber dürften die BGB-Vorschriften zur Verjährung von § 11 UWG verdrängt sein.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 15.12.2009
Az: 4 U 133/09


Link zum Urteil:
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