Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. November 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 4/10

(BGH: Beschluss v. 22.11.2010, Az.: AnwZ (B) 4/10)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist seit dem 21. Januar 1992 im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 27. April 2009 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde will die Antragstellerin weiterhin die Aufhebung des Widerrufsbescheides erreichen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Die Antragstellerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil der Anwaltsgerichtshof ihren letzten Terminsverlegungsantrag nicht mehr beschieden habe. Der Anwaltsgerichtshof hat dazu ausgeführt, das am 16. Oktober 2009 um 16.55 Uhr - nach Dienstschluss - eingegangene Verlegungsgesuch habe ihm im Zeitpunkt der Verhandlung am 17. Oktober 2009, 11.00 Uhr, nicht vorgelegen, so dass er hierüber auch nicht zu entscheiden gehabt habe. Die Rüge ist berechtigt. Der Verlegungsantrag war bei Gericht eingegangen und hätte so rechtzeitig vorgelegt werden müssen, dass er vor der Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beschieden werden konnte. Dieser Verfahrensfehler erfordert jedoch keine Zurückverweisung der Sache an den Anwaltsgerichtshof. Der Senat kann als Gericht der sofortigen Beschwerde nach dem Rechtsgedanken des § 538 Abs. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung treffen. Der Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör wird hierdurch nicht nachteilig betroffen. Die Antragstellerin kann uneingeschränkt zur Sache vortragen; der Senat entscheidet unabhängig vom Verfahren der Vorinstanz nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.

Die weitere Rüge der Antragstellerin, der Beschluss des Anwaltsgerichtshofs sei ihr nicht zugestellt, sondern nur mit einfachem Brief übersandt worden, ist unberechtigt. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde vom 26. November 2009 ist der Beschluss am 26. November 2009 gemäß § 180 ZPO im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Die Antragstellerin räumt ein, ihn erhalten zu haben.

2. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 16. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rn. 5 m.w.N.). Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen worden ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO).

3. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung waren diese Voraussetzungen erfüllt. Die Antragstellerin hat am 19. Februar 2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und ist deshalb in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden. Tatsachen, die geeignet wären, die gesetzliche Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO zu widerlegen, hat sie nicht dargetan. Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ließ sich ebenfalls nicht ausschließen. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511).

4. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht, was bei der Entscheidung noch zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), im Laufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen.

a) Die Antragstellerin befindet sich nach wie vor im Vermögensverfall. Gegen sie wird laufend weiter vollstreckt. Zudem trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Vermögensverfall nicht mehr besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2007 - AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73 Rn. 8). Ihrer Verpflichtung zur umfassenden Darlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist sie jedoch - wie bereits im Widerrufsverfahren und im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof - nicht nachgekommen. Bisher hat sie sich überhaupt nicht zur Sache geäußert, sondern nur Fristverlängerungen beantragt und um Terminsverlegungen nachgesucht.

b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall der Antragstellerin (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO) lässt sich nach wie vor nicht ausschließen.

5. Der Senat konnte die Sache in Abwesenheit der Antragstellerin verhandeln und entscheiden, weil diese trotz ordnungsgemäßer Ladung ihr Fehlen nicht hinreichend entschuldigt hat.

Ernemann Lohmann Fetzer Frey Hauger Vorinstanz:

AGH Stuttgart, Entscheidung vom 17.10.2009 - AGH 26/09 (II)-SG3- -






BGH:
Beschluss v. 22.11.2010
Az: AnwZ (B) 4/10


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