Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Januar 2001
Aktenzeichen: 19 W (pat) 15/99

(BPatG: Beschluss v. 10.01.2001, Az.: 19 W (pat) 15/99)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentamt - Patentabteilung 34 - hat das auf die am 9. April 1990 eingegangene Anmeldung erteilte Patent 40 11 447 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur Schnappbefestigung eines elektrischen Installationsgerätes" im Einspruchsverfahren durch Beschluß vom 1. Februar 1999 in vollem Umfang mit der Begründung aufrechterhalten, daß der Gegenstand des Patents - entgegen der Einspruchsbegründung - nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, die nun mit mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG begründet wird.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Vorrichtung zur Schnappbefestigung eines elektrischen Installationsgerätes (11), insbesondere eines Leitungsschutzschalters, auf einer Normprofiltragschiene (10), insbesondere auf einer Hutprofilschiene, mit einer festen und einer an einem federkraftbeaufschlagten Schieber (15) angeordneten, gegen die Normprofiltragschiene (10) beweglichen Nase, die im montierten Zustand des Installationsgerätes hinter Kanten der Normprofiltragschiene (10) greifen, wobei der Schieber (15) aus einer ersten Stellung, in der er gegen die Normprofiltragschiene (10) gedrückt ist, in eine zweite Stellung verschiebbar ist, in der er soweit außer Eingriff mit der Normprofiltragschiene (10) steht, daß das Installationsgerät (11) senkrecht zur Normprofiltragschiene (10) von dieser abnehmbar ist, ohne daß eine evtl. vorhandene, mehrere auf der Normprofiltragschiene (10) angebrachte Installationsschaltgeräte miteinander verbindende Stromschiene zuvor demontiert werden muß, dadurch gekennzeichnet, daß der Schieber (15) ein die Nase (14) aufweisendes erstes Gleitstück (16), das als geschlossener, einen rechteckförmigen Innenraum (17) umgrenzender Rahmen ausgebildet ist und ein im Innenraum (17) in Verschieberichtung des Schiebers verschiebbares zweites Gleitstück (26) aufweist, welches in der ersten Stellung in dem Innenraum (17) am ersten Gleitstück (16) verrastet ist, und daß zwischen einem Gehäuseansatz (29) des Installationsgerätes und dem zweiten Gleitstück (26) eine Druckfeder (28) angeordnet ist, dergestalt, daß in der ersten Stellung die Feder über das zweite Gleitstück (26) das erste Gleitstück (16) gegen die Normprofiltragschiene drückt.

Damit soll die Aufgabe gelöst werden, eine Schnellbefestigung zu schaffen, bei der bei preisgünstiger Herstellung eine sichere Verbindung und sichere Halterung des Installationsgerätes an der Hutprofilschiene gewährleistet ist (Sp 2 Z 26 bis 30 der PS).

Die Einsprechende führt dazu aus, sie müsse nunmehr die Begründung ihres Antrags auf Widerruf des Streitpatents ändern, da nicht die ihr bis zum Ende der Einspruchsfrist vorliegende, fehlerhaft gedruckte Offenlegungsschrift bei der Beurteilung der ursprünglichen Offenbarung heranzuziehen gewesen sei, sondern eine ihr - trotz eigener Bemühungen - erst mit dem Aufrechterhaltungsbeschluß der Patentabteilung zur Kenntnis gelangte Offenlegungsschrift gleicher Nummer mit aufgedrucktem Änderungshinweis; aus dieser sei aber eine unzulässige Änderung nicht festzustellen.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß dem Aufrechterhaltungsbeschluß hinsichtlich des einzigen fristgerecht geltend gemachten Widerrufsgrundes nichts hinzuzufügen sei. Aufgabe der Beschwerde sei jedoch allein die Überprüfung dieses Beschlusses. Eine spätere Änderung der Einspruchsbegründung sei unzulässig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.

1. Zur Frage der unzulässigen Erweiterung Die Änderungen des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber der mit den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eingereichten Fassung des Hauptanspruchs sind - wie die Patentabteilung im Beschluß vom 1. Februar 1999 zutreffend festgestellt hat - durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und damit zulässig.

Die Zeilen 5 bis 8 des erteilten Patentanspruchs 1 enthalten gegenüber dem ursprünglichen Hauptanspruch außer einer sprachlichen Umstellung auch die Klarstellung, daß die bewegliche Nase gegen die Normprofilschiene beweglich ist. Diese Angabe entnimmt der Fachmann - hier ein Elektrotechniker mit Erfahrungen in der Entwicklung und Montage elektrischer Installationsgeräte - den ursprünglichen Figuren 1 und 2 in Verbindung mit Seite 1, Absatz 2 und Seite 5, Absätze 1 und 2 der ursprünglichen Unterlagen. Die zulässige Verwendung der Bezeichnung "Rahmen" (Z 24 erteilter PA 1) entnimmt der Fachmann Seite 5, Absatz 2, Satz 1 der ursprünglichen Unterlagen, die Einfügung "...des Installationsgerätes" (Z 29/30 erteilter PA 1) der Figur 1 in Verbindung mit der dortigen Seite 6, Zeilen 4 bis 6.

2. Zum erstmals in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Widerrufsgrund Der Senat sieht sich durch die Rechtsprechung des BGH (vgl GRUR 1995, 333 - Aluminium-Trihydroxid) daran gehindert, den erstmals in der Beschwerdebegründung vom 26. Februar 1999 (S 2 ab Z 2) vorgetragenen Widerrufsgrund "mangelnde Neuheit und Erfindungshöhe" gegenüber einer Europäischen Patentschrift mit älterem Zeitrang von Amts wegen aufzugreifen, da dieser Widerrufungsgrund nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patentamt war (BGH aaO, S 337 li Sp Abs 4).

Da der angefochtene Beschluß dem Senat nur "im Umfang des erstinstanzlichen Streitgegenstandes" zur Überprüfung unterbreitet wird (BGH, aaO, S 337, li Sp, Abs 5), der im vorliegenden Falle die Behauptung mangelnder Neuheit und mangelnder Erfindungshöhe nicht umfaßte, bleibt auch dann kein Raum für eine Überprüfung hinsichtlich des neu geltend gemachten Widerrufsgrundes, wenn dieser von der Einsprechenden und nicht - wie in der genannten BGH-Entscheidung geschehen - durch den Senat in das Verfahren eingeführt wird.

Daß sich der vorliegende Fall tatbestandlich vom Regelfall der eingeschränkten Prüfungskompetenz über die vom BGH angesprochenen Ausnahmen hinaus ("Einverständnis des Patentinhabers", vgl BGH, aaO, S 337, re Sp, Abs 4, offengelassen; "Verteidigung des Patents in geänderter Fassung", vgl BGH, GRUR 1998, 901 - Polymermasse) unterscheidet und sich damit die Entscheidungskompetenz auch auf den neu eingeführten Widerrufsgrund erstreckt, ist nicht ersichtlich.

Dies gilt umsomehr, als die Einsprechende den Widerrufsgrund mangelnder Patentfähigkeit schon vor dem DPMA hätte geltend machen können. Sie hätte nämlich unschwer erkennen können, daß der erteilte Patentanspruch nur geringfügige Änderungen gegenüber den ursprünglichen Unterlagen enthält.

Schon aufgrund der von ihr in der Einspruchsschrift vom 20. April 1998 aufgezeigten gravierenden Unterschiede zwischen der ihr vorliegenden (fehlerhaft gedruckten) Offenlegungsschrift und dem Patentgegenstand, erst recht aber im Hinblick auf die Erwiderung der Patentinhaberin vom 31. Juli 1997, wäre eine Akteneinsicht in die Prüfungsakte geboten gewesen. Dabei hätte sie ohne weiteres feststellen können, daß der Einspruch hinsichtlich des einzigen innerhalb der Einspruchsfrist geltend gemachten Widerrufsgrundes möglicherweise nicht zum Erfolg führen könnte. Aufgrund der geänderten Beurteilungslage hätte sie noch vor Beschlußfassung der Patentabteilung die in der Beschwerdebegründung benannte Druckschrift "nachschieben" können, welche die Patentabteilung nach herrschender Rechtsprechung von Amts wegen hätte berücksichtigen müssen, wenn diese einer Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegensteht (Schulte, PatG, 5. Aufl., § 59, Rn 122, 123, 125 mwN).

Dr. Kellerer Schmöger Schmidt Dr. Kaminski Ju






BPatG:
Beschluss v. 10.01.2001
Az: 19 W (pat) 15/99


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