Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 11. Oktober 2010
Aktenzeichen: 2 Wx 146/10

(OLG Köln: Beschluss v. 11.10.2010, Az.: 2 Wx 146/10)

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 15. September 2010 wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. September 2010, 209 O 189/10, aufgehoben.

Die Sache wird an den zuständigen Einzelrichter der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln zur erneuten Entscheidung über die Erinnerung der Beteiligten zu 1) vom 30. Juli 2010 gegen den Kostenansatz des Landgerichts Köln in der Kostenrechnung vom 26. Juli 2010, Kassenzeichen 70057782 510 2, zurückverwiesen

Gründe

1.

Die Beteiligte zu 1) hat bei dem Landgericht einen Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG sowie zusätzlich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (= Verfahren nach §§ 49 ff. FamFG) gestellt. Beide Verfahren sind von dem Landgericht in einer Akte unter einem Aktenzeichen bearbeitet worden. Nachdem das Landgericht sowohl dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch dem Antrag in der Hauptsache stattgegeben hat, hat die Kostenbeamtin des Landgerichts unter Bezugnahme auf § 128 e Abs. 1 KostO mit Datum von 26. Juli 2010 für die "Entscheidung über Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 IX UrheberrechtsG" eine Gebühr von 1.600,00 € in Rechnung gestellt und zur Begründung ausgeführt, "der Streitwert 8 Werke wurde von der Kammer festgesetzt." Die hiergegen von der Beteiligten zu 1) als Kostenschuldnerin eingelegte Erinnerung vom 30. Juli 2010 hat die Zivilkammer des Landgerichts in ihrer gerichtsverfassungsmäßigen vollen Besetzung durch den angegriffenen Beschluss vom 2. September 2010 zurückgewiesen. Eine förmliche von der Kostenbeamtin unterzeichnete Abhilfeentscheidung findet sich nicht in den Akten. In den Akten ist lediglich eine Abschrift eines Schreiben an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) abgeheftet, in dem es u.a. heißt (Bl. 81 d.GA.):

"in der Zivilsache

H. GmbH helfe ich der mit Schriftsatz vom 30.7.2010 eingelegten Erinnerung nicht ab.

Die Kostenrechnung wurde entsprechend der Streitwertfestsetzung durch die Kammer ( 8 Werke ) erstellt.

Sie werden auf die Möglichkeit der Streitwertbeschwerde hingewiesen.

Mit freundlichen Grüßen

Auf Anordnung

U.

Justizamtsinspektorin

- automatisiert erstellt, ohne Unterschrift gültig -"

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die am 16. September 2010 erhobene Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 15. September 2010. Dieser hat das Landgericht nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

2.

a)

Die Beschwerde ist nach § 14 Abs. 3 Satz 1 KostO statthaft. Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist das Oberlandesgericht berufen (§ 14 Abs. 4 Satz 2 KostO i.V.m. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG; Art. 111 Abs. 1 FGG-RG); das vorliegende Verfahren ist nach dem Inkrafttreten des FGG-RG am 1. September 2009 eingeleitet worden. Die Entscheidung hat hier nicht durch den Einzelrichter des Senats zu ergehen, da die Zivilkammer über die angefochtene Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entschieden hat (arg. aus § 14 Abs. 7 Satz 1 2. Halbs. KostO).

b)

In der Sache hat das Rechtsmittel zumindest vorläufig Erfolg, weil das Landgericht bei seiner Entscheidung gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen hat und damit ein nicht heilbarer Verfahrensfehler vorliegt (vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Auflage 2010, § 568 Rn. 8). Vorliegend hat die Zivilkammer die angegriffene Entscheidung in der vollen gerichtsverfassungsmäßigen Besetzung durch 3 Richter getroffen. Gemäß § 14 Abs. 7 Satz 1 KostO hat das Gericht über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz indes durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden. Damit war vorliegend das Gericht bei seiner Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß besetzt (vgl. auch Senat, FGPrax 2005, 233, für den gleichgelagerten Fall einer Entscheidung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beschluss bei einer ordnungsgemäßen Besetzung anders ausgefallen wäre. Zudem ist es jedenfalls denkgesetzlich nicht ausgeschlossen, dass der zu der Entscheidung berufene Einzelrichter von den beiden vorliegend nicht zur Mitwirkung berufenen Richtern überstimmt worden ist.

§ 14 Abs. 7 Satz 4 KostO steht der Berücksichtigung des dargelegten Verfahrensmangels nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann (lediglich) auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung ein Rechtsmittel nicht gestützt werden. Vorliegend fehlt es aber bereits an einer irgendwie gearteten Entscheidung des Einzelrichters zur Übertragung auf die Kammer. Vielmehr hat dieser von der nach § 14 Abs. 7 Satz 2 KostO grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, das Verfahren dem Gericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung förmlich zu übertragen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, keinen Gebrauch gemacht. Dann findet § 14 Abs. 7 Satz 4 KostO ebenso wenig Anwendung, wie die Parallelvorschrift des § 568 Satz 3 ZPO in den Fällen, in denen ohne Übertragungsentscheidung eine Kammer anstelle des zuständigen Einzelrichters über eine Beschwerde i.S.d. §§ 567 ff. ZPO entschieden hat (vgl. Senat, FGPrax 2005, 233 m.w.N.). Da somit vorliegend noch keine Entscheidung des zuständigen Einzelrichters getroffen worden ist, ist der angegriffene Beschluss aufzuheben und das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG an den zuständigen Einzelrichter zurückzuverweisen.

3.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch Bedenken bestehen, ob bereits eine Entscheidung der Kostenbeamtin über die Frage der (Nicht-)Abhilfe vorliegt (vgl. hierzu § 35 Abs. 2 KostVfg; Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Auflage 2010, § 14 Rn. 90). Dem bei den Akten befindliche Schriftstück, datiert auf den 4. August 2010 (Bl. 81 d.GA.), kommt letztlich keine Wirkung zu, da es nicht von der Kostenbeamtin unterzeichnet worden ist. Entscheidungen des Gerichts, hierzu gehört auch Entscheidungen der Kostenbeamtin über die Frage der Abhilfe oder Nichtabhilfe, sind ohne Unterschrift nicht existent, sondern stellen lediglich Entwürfe dar. Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses ist die äußere Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung der Entscheidung. Der in dem Schreiben vom 4. August 2010 aufgenommene Hinweis "automatisiert erstellt, ohne Unterschrift gültig" ersetzt nicht die erforderliche Unterschrift. Dieser Zusatz lässt nicht erkennen, dass das Schriftstück tatsächlich von der namentlich bezeichneten Kostenbeamtin verfasst worden ist und dass der Inhalt auf einer eigenverantwortlichen Prüfung beruht. Gegen eine solche eigenverantwortliche Prüfung spricht zudem der Umstand, dass sich die Kostenbeamtin bisher mit den in der Erinnerungsschrift erhobenen Einwendungen nicht befasst hat. Der in dem Schreiben aufgenommene Hinweis, die Kostenrechnung sei "entsprechend der Streitwertfestsetzung durch die Kammer ( 8 Werke ) erstellt" worden, ist bereits deshalb unzutreffend, weil die Kammer ausweislich der dem Senat vorgelegten Akten weder für das Hauptsacheverfahren noch für das eigenständige einstweilige Anordnungsverfahren eine entsprechende Streitwertfestsetzung vorgenommen hat.

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass weder der Kostenrechnung noch der Entscheidung des Landgerichts mit der gebotenen Bestimmtheit entnommen werden kann, ob die Gebühren für das Hauptsacheverfahren, für das Verfahren auf Erlass einer Anordnung oder für beide Verfahren in Ansatz gebracht worden sind. Mit dem Inkrafttreten des FamFG hat sich auch das Verfahren in den Sachen nach § 101 Abs. 9 UrhG grundlegend geändert. Bei den bisher nach dem FGG zu entscheidenden Anträgen war das Verfahren der einstweiligen Anordnung, soweit die Rechtsprechung diese Möglichkeit anerkannte, Teil des Hauptsacheverfahrens (vgl. nur Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage 2003, § 19 Rn. 30). Der Gesetzgeber hat nunmehr eine verfahrensmäßige Trennung von Hauptsache sowie einstweiliger Anordnung vorgenommen (BT-Drucks. 16/6308, S. 199). In dem Anwendungsbereich des FamFG ergeht eine Entscheidung über eine (zusätzlich) beantragte einstweilige Anordnung nicht mehr in dem Hauptsacheverfahren. Vielmehr handelt es sich - entsprechend der Situation einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO (vgl. hierzu nur BT-Drucks. 16/6308, S. 199) - um ein gesondertes Verfahren. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist als ein eigenständiges - von der Hauptsache losgelöstes - Verfahren ausgestaltet, welches auch einer separaten Anfechtung unterliegt (vgl. dazu nur Keidel/Giers, FamFG, 16. Auflage 2009, § 49 Rn. 4). Daher muss über die einstweilige Anordnung durch gesonderte, mit einer Begründung, einer Rechtsbehelfsbelehrung sowie einer Kostengrundentscheidung zu versehenden Beschluss entschieden werden (vgl. Keidel/Giers, aaO, § 51 Rn. 26); zudem können auch in diesem Verfahren Gebühren nach der KostO anfallen (vgl. Keidel/Giers, aaO, § 51 Rn. 26).

3.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 14 Abs. 9 KostO nicht veranlasst. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 14 Abs. 4 Satz 3 KostO).






OLG Köln:
Beschluss v. 11.10.2010
Az: 2 Wx 146/10


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