Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2005
Aktenzeichen: 7 W (pat) 310/03

(BPatG: Beschluss v. 08.06.2005, Az.: 7 W (pat) 310/03)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit dem jeweils am 8. Juni 2005 überreichten einzigen Patentanspruch und einer Seite Beschreibung.

Gründe

I.

Die Erteilung des Patents 196 24 717 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Regeln des Walzgutdurchlaufes durch eine kontinuierliche Walzstraße" ist am 29. August 2002 veröffentlicht worden. Am 28. November 2002 ist gegen die Erteilung des Patents Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents im Hinblick auf die Veröffentlichung Neue Hütte, 37. Jahrgang, Heft 12/92, Dezember 1992, Verfahren zur Längskrafterfassung in kontinuierlichen Walzstraßen (S 431 bis 436), nicht patentfähig sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende noch auf die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigte österreichische Patentschrift 356 622 und deutsche Patentschrift 968 271 Bezug genommen und eine Ablichtung der zum Streitpatent parallelen österreichischen Patentschrift 406 233 überreicht.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen (einzigen) Patentanspruch mit Beschreibung vorgelegt.

Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des Patents auch in der beschränkt verteidigten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und daher nicht patentfähig sei. Sie beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit dem am 8. Juni 2005 überreichten einzigen Patentanspruch mit Beschreibung.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patents in der verteidigten Fassung patentfähig sei.

Der geltende Patentanspruch lautet:

"Verfahren zum Regeln des Walzgutdurchlaufes durch eine kontinuierliche Walzstraße aus Walzgerüsten mit die Walzen tragenden Walzwellen, einem den Walzwellen vorgeordneten Walzgetrieben und einem an das Walzgetriebe anschließbaren, stufenlos in seiner Drehzahl regelbaren Einzelantrieb, nach dem eine sich mit den Verformungs-Drehmoment ändernde physikalische Kenngröße vor und nach dem Anstich des jeweils nachfolgenden Gerüstes gemessen und dann die Drehzahl des Antriebes für dieses nachfolgende Gerüst in Abhängigkeit von der beim Anstich festgestellten Kenngrößenänderung geregelt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass bei Verwendung von Elektromotoren für die Einzelantriebe als Kenngröße eine Reaktionskraft an einem Walzgetriebelager der zugehörigen Gerüste gemessen und zum Regeln der Antriebsdrehzahlen herangezogen wird."

Laut Beschreibung (Sp 1 Z 58 bis 62 iVm Sp 1, Z 3 bis 14) soll die Aufgabe gelöst werden, ein Verfahren der im Oberbegriff des Patentanspruchs angegebenen Gattung anzugeben, das auf verhältnismäßig einfache Weise ein zugund druckarmes Walzen auch bei Elektroantrieben der Walzgerüste sicherzustellen erlaubt.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der verteidigten Fassung stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.

Als zuständiger Fachmann ist hier ein Diplomingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Regelung von Walzstraßen anzusehen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik unbestritten neu.

In der österreichischen Patentschrift 356 622, die in der Beschreibung des angefochtenen Patents zum Nachweis des gattungsbildenden Standes der Technikgenannt ist, ist ein Verfahren mit den im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs angegebenen Merkmalen beschrieben. Insbesondere zeichnet sich das aus dieser Druckschrift bekannte Verfahren dadurch aus, dass eine sich mit dem Verformungs-Drehmoment eines Walzgerüstes ändernde physikalische Kenngröße vorund nach dem Anstich des nachfolgenden Gerüstes gemessen und dann die Drehzahl des Antriebes für dieses nachfolgende Gerüst in Abhängigkeit von der beim Anstich festgestellten Kenngrößenänderung geregelt wird. Bei dem bekannten Verfahren wird als physikalische Kenngröße der Hydraulikdruck im hydraulischen Antrieb des Walzgerüstes verwendet. Somit unterscheidet sich das streitpatentgemäße Verfahren von dem bekannten Verfahren durch die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs angegebenen Merkmale.

Dieses Merkmal, dass als Kenngröße zum Regeln eines Walzantriebes eine Reaktionskraft an einem Walzgetriebelager verwendet wird, ist auch weder in einer der weiteren im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften, noch in den übrigen im Erteilungsverfahren berücksichtigten Druckschriften offenbart. Aus keiner dieser Druckschriften ergibt sich außerdem das Oberbegriffsmerkmal, dass die Drehzahl eines nachfolgenden Gerüstes in Abhängigkeit von der Änderung einer physikalischen Kenngröße am vorausgehenden Gerüst beim Anstich des nachfolgenden Gerüstes geregelt wird.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch, dessen gewerbliche Anwendbarkeit ohne weiteres ersichtlich ist, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von dem aus der österreichischen Patentschrift 356 622 bekannten gattungsgemäßen Verfahren ergibt sich zwar ohne weiteres die Notwendigkeit, eine andere physikalische Kenngröße als den Hydraulikdruck des Walzenantriebs zu verwenden, wenn - wie an sich bekannt - Elektromotoren zum Antrieb der Walzen eingesetzt werden. In Neue Hütte, aaO, ist im Zusammenhang mit dem sogenannten Quotientenverfahren aber nur ein Sensor zur Messung der Walzkraft erwähnt. Außerdem wird an gleicher Stelle darauf hingewiesen, dass weiterhin das Drehmoment direkt an der Welle gemessen werden solle (S 432 reSp Abs 2). Weitere Einzelheiten zur Ausbildung und Anordnung des Walzkraftsensors enthält die Druckschrift nicht. Naheliegend erscheint daher allenfalls die Anbringung eines Sensors zur Messung der Walzkraft an einem Teil des Walzgerüstes aber nicht die streitpatentgemäße Messung einer Reaktionskraft an einem Walzgetriebelager.

Bei der in der deutschen Patentschrift 968 271 beschriebenen Einrichtung zum Regeln der Spannung im Walzgut in Walzenstraßen werden Druckmessvorrichtungen gegenüber von Einbaustücken der Walzen im Gerüstrahmen angeordnet. Hieraus erhält der Fachmann offensichtlich keine Anregung dafür, entsprechend der Lehre des Streitpatents eine Reaktionskraft an einem Walzgetriebelager zu messen und zum Regeln der Antriebsdrehzahlen heranzuziehen. Die Kommentierung dieser Druckschrift in der AT-PS 406 233, auf die die Einsprechende besonders Bezug genommen hat, ergibt nichts Anderes.

Eine Anregung zur Heranziehung einer Reaktionskraft an einem Walzgetriebelager beim Anstich des nachfolgenden Walzgerüstes zur Regelung der Antriebsdrehzahl dieses nachfolgenden Walzgerüstes ergibt sich auch aus keiner der im Einspruchsverfahren nicht aufgegriffenen, im Erteilungsverfahren berücksichtigten Druckschriften.

Tödte Eberhard Köhn Dr. Pösentrup Hu






BPatG:
Beschluss v. 08.06.2005
Az: 7 W (pat) 310/03


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