Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Oktober 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 314/09

(BPatG: Beschluss v. 06.10.2009, Az.: 6 W (pat) 314/09)

Tenor

Das Patent 101 45 711 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 27. Oktober 2005 veröffentlichte Patent 101 45 711 mit der Bezeichnung "Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung für eine Abdeckung" ist am 26. Januar 2006 von der Einsprechenden I und am 27. Januar 2006 von der Einsprechenden II Einspruch erhoben worden. Die Einsprüche sind mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweisen die Einsprechenden u. a. auf folgende Druckschriften:

(E1) EP 0 650 060 A1 (E2) DE 43 11 267 A1.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten: neuer Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I bzw. Hilfsantrag II jeweils vom 21. September 2009, Patentansprüche 2 und 3 sowie übrige Unterlagen wie erteilt.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hauptund Hilfsanträgen durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahe gelegt werden könne.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung für eine Abdeckung, die an einer Öffnung vorgesehen ist, mit einem elektrischen Motor (20) zur Betätigung der Abdeckung zum Öffnen und Schließen der Öffnung, mit zumindest zwei Drehzahlsensoren (16, 17) zur Erzeugung von Impulssignalen (ICa, ICb), die auf der Grundlage der Drehzahl des elektrischen Motors zueinander unterschiedliche Phasen aufweisen, und mit einer Positionserfassungseinrichtung (10) zur Erfassung der Position der Abdeckung auf der Grundlage eines der Impulssignale und zur Beurteilung einer Bewegungsrichtung der Abdeckung entsprechend einem Signalpegel einer der Drehzahlsensoren, wenn der andere Drehzahlsensor eine Flanke des Impulssignals erfasst, wobei die Positionserfassungseinrichtung eine Anormalität des Drehzahlsensors erfasst, wenn die beurteilte Rotationsrichtung mehrfach eine Umkehrung wiederholt."

Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet:

"Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung für eine Abdeckung, die an einer Öffnung vorgesehen ist, mit einem elektrischen Motor (20) zur Betätigung der Abdeckung zum Öffnen und Schließen der Öffnung, mit zumindest zwei Drehzahlsensoren (16, 17) zur Erzeugung von Impulssignalen (ICa, ICb), die auf der Grundlage der Drehzahl des elektrischen Motors zueinander unterschiedliche Phasen aufweisen, und mit einer Positionserfassungseinrichtung (10) zur Erfassung der Position der Abdeckung auf der Grundlage eines der Impulssignale und zur Beurteilung einer Bewegungsrichtung der Abdeckung entsprechend einem Signalpegel einer der Drehzahlsensoren, wenn der andere Drehzahlsensor eine Flanke des Impulssignals erfasst, wobei die Positionserfassungseinrichtung eine Anormalität des Drehzahlsensors erfasst, wenn die beurteilte Rotationsrichtung mehrfach bei erfassten Flanken aufeinanderfolgender Impulse des Impulssignals eines der zumindest zwei Drehzahlsensoren eine Umkehrung wiederholt."

Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet:

"Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung für eine Abdeckung, die an einer Öffnung vorgesehen ist, mit einem elektrischen Motor (20) zur Betätigung der Abdeckung zum Öffnen und Schließen der Öffnung, mit zumindest zwei Drehzahlsensoren (16, 17) zur Erzeugung von Impulssignalen (ICa, ICb), die auf der Grundlage der Drehzahl des elektrischen Motors zueinander unterschiedliche Phasen aufweisen, und mit einer Positionserfassungseinrichtung (10) zur Erfassung der Position der Abdeckung auf der Grundlage eines der Impulssignale und zur Beurteilung einer Bewegungsrichtung der Abdeckung entsprechend einem Signalpegel einer der Drehzahlsensoren, wenn der andere Drehzahlsensor eine Flanke des Impulssignals erfasst, wobei die Positionserfassungseinrichtung eingerichtet ist, Umkehrungen der Rotationsrichtung (zu)* zählen und eine Anormalität des Drehzahlsensors erfasst, wenn die gezählte Anzahl der Umkehrungen der beurteilten Rotationsrichtung eine vorbestimmte Anzahl überschreitet."

* vom Senat ergänzt Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 und 3 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständiggeblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Die fristund formgerecht erhobenen Einsprüche sind ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

3.

Zum Hauptantrag:

a. Die erteilten Ansprüche sind zulässig.

Der erteilte Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3, die erteilten Ansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 5.

Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

b.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

c.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist unbestritten neu, er ist jedoch nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der EP 0 650 060 A1 (E1) ist bekannt eineÖffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung für eine Abdeckung, die an einer Öffnung vorgesehen ist, mit einem elektrischen Motor zur Betätigung der Abdeckung zum Öffnen und Schließen der Öffnung (Sp. 1, Z 1 bis 6), mit zumindest zwei Drehzahlsensoren zur Erzeugung von Impulssignalen, die auf der Grundlage der Drehzahl des elektrischen Motors zueinander unterschiedliche Phasen aufweisen, und mit einer Positionserfassungseinrichtung zur Erfassung der Position der Abdeckung auf der Grundlage eines der Impulssignale (Fig. 1 und Sp. 3, Z, 46 bis 53) und zur Beurteilung einer Bewegungsrichtung der Abdeckung entsprechend einem Signalpegel einer der Drehzahlsensoren, wenn der andere Drehzahlsensor eine Flanke des Impulssignals erfasst (Fig. 1 und Sp. 1, Z. 7 bis 10).

Von dieser bekannten Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 durch die Merkmale, wonachdie Positionserfassungseinrichtung eine Anormalität des Drehzahlsensors erfasst, wenn die beurteilte Rotationsrichtung mehrfach eine Umkehrung wiederholt.

Dieses Merkmal ist gemäß der Streitpatentschrift so zu verstehen, dass aus der Abfolge zweier aufeinanderfolgender Signale ICa, ICb der Drehzahlsensoren (Hall-ICs 16, 17) auf die Rotationsrichtung des Motors geschlossen werden soll, wie dies bspw. in der Absätzen [0037] und [0038] zu den Figuren 2b, 2c erläutert wird. Liegen demnach zwei Signale ICa, ICb unterschiedlicher Hall-ICs 16, 17 vor, so folgen entgegengesetzt gerichtete Flanken aufeinander, wie in Fig. 2(a) zu erkennen ist. In einem solchen Fall wird angenommen, dass der Motor konstant in eine Richtung dreht. Liegen demgegenüber, wie in Abs. [0040] i. V. m. den Fig. 4 und 5 erläutert wird, nur Signale eines der Sensoren ICa oder ICb vor, während das durch den jeweils anderen Hall IC erzeugte Signal auf einem konstanten Pegel beibehalten wird, so folgen gleich gerichtete Flanken aufeinander. In einem solchen Fall wird angenommen, dass der Motor mehrfach seine Drehrichtung ändert. Dieser mehrfache Drehrichtungswechsel soll dann gemäß dem geltenden Anspruch 1 als Anormalität eines der Drehzahlsensoren angesehen werden.

Eine vergleichbare Auswertung ist bereits auch aus der DE 43 11 267 A1 (E2) bekannt.

Ausweislich der Ausführungen in Sp. 5, Z. 62 bis 67 ermittelt die dort erläuterte Auswerteschaltung aufgrund der ansteigenden und abfallenden Flanken die Drehrichtung der Motorwelle. Wie im Weiteren zur Figur 6 ausgeführt wird, ist eine Auswerteschaltung vorgesehen, die immer dann einen eine Funktionsstörung des Meßsystems anzeigenden Signalwert ausgibt, wenn jeweils zweimal hintereinander ein Signalpuls aus ein und demselben Ausgangssignal A oder B auftritt (Sp. 6, Z. 60 bis 67).

Dies ist aber genau das gleiche wie beim Streitgegenstand, wo ebenfalls von zwei oder mehr Signalen aus ein und demselben Hall-IC auf einen mehrfachen Drehrichtungswechsel des Motors geschlossen wird, was dann als Anormalität des Drehzahlsensors (= Hall-IC) gewertet wird.

Der Fachmann konnte also die aus der DE 43 11 267 A1 (E2) bekannte Auswertung auf eine Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung nach der EP 0 650 060 A1 (E1) übertragen und gelangt damit ohne Umwege zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1.

Eine solche Übertragung hat für den Fachmann auch nahe gelegen, wenn er die aus der EP 0 650 060 A1 (E1) bekannte Öffnungsund Schließsteuerungsvorrichtung hinsichtlich ihrer Betriebssicherheit verbessern wollte, wie es aufgabengemäß gewünscht wird (Abs. [0012] der Streitpatentschrift). Denn in der DE 43 11 267 A1 (E2) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch den dort erläuterten Positionsgeber die Zuverlässigkeit erhöht und die Eignung für den Dauerbetrieb verbessert werden kann (Sp. 2, Z. 3 bis 5).

Hieran vermag auch der Hinweis der Patentinhaberin, wonach gemäß der DE 43 11 267 A1 (E2) das Funktionsstörungssignal, welches sich bei einer (gewollten) Reversierung der Motordrehrichtung ergeben kann, unterdrückt werden kann (Sp. 7, Z. 1 bis 6), nichts zu ändern, da daraus keinesfalls abgeleitet werden kann, ein hier zuständiger Fachmann würde diese Druckschrift nicht berücksichtigen. Denn die dort beschriebene Schaltung setzt sich insgesamt mit der Funktionskontrolle des Positionsgebers auseinander, bei dem beim Auftreten von zumindest zwei aufeinanderfolgenden Pulsen in ein und demselben Ausgangssignal A oder B von der Auswerteschaltung eine Funktionsstörung detektiert wird (Sp. 3, Z. 29 bis 36). Sie offenbarte damit bereits am Anmeldetag des Streitpatents einen Lösungsweg, der in den oben aufgeführten Punkten mit demjenigen nach der DE 101 45 711 übereinstimmt.

4. Zum Hilfsantrag I:

a. Es mag dahinstehen, ob der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I zulässig ist, er ist zumindest nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 lediglich durch die Einfügung "bei erfassten Flanken aufeinanderfolgender Impulse des Impulssignals eines der zumindest zwei Drehzahlsensoren" hinter dem Wort "mehrfach" in der 3-letzten Zeile.

Dies drückt aber nichts anderes aus, als auch schon der erteilte Anspruch 1 aussagt. Es wird lediglich noch präzisiert, dass bei der Fehlererkennung die Flanken aufeinanderfolgender Impulse berücksichtigt werden sollen. Dies erfolgt aber auch bereits bei dem Positionsgeber nach der DE 43 11 267 A1 (E2), wo ebenfalls aus der Abfolge zweier aufeinanderfolgender Signale auf eine Anormalität geschlossen wird.

Insoweit gelten die Ausführungen zum Hauptantrag hier sinngemäß.

5. Zum Hilfsantrag II:

a. Es mag dahinstehen, ob der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II zulässig ist, er ist zumindest nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lediglich durch die Einfügung "eingerichtet ist, Umkehrungen der Rotationsrichtung zählen und eine Anormalität des Drehzahlsensors erfasst, wenn die gezählte Anzahl der Umkehrungen der beurteilten Rotationsrichtung eine vorbestimmte Anzahl überschreitet." hinter dem Wort "Positionserfassungseinrichtung" in der 5-letzten Zeile.

Auch dieser Anspruch wiederholt -wie der Hilfsantrag I -somit lediglich die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 und präzisiert diese, er enthält aber gegenüber dem erteilten Anspruch 1 keine neuen oder anderen Merkmale, wie auch die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat.

Insoweit gelten auch hier die Ausführungen zum Hauptantrag sinngemäß.

5. Die übrigen Ansprüche fallen notwendigerweise mit dem Hauptanspruch (vgl. BGH GRUR 1989, 103 "Verschlussvorrichtung für Gießpfannen" i. V. m. BGH GRUR 1980, 716 "Schlackenbad").

Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 06.10.2009
Az: 6 W (pat) 314/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bc7cdac4f77c/BPatG_Beschluss_vom_6-Oktober-2009_Az_6-W-pat-314-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share