Landgericht Mönchengladbach:
Beschluss vom 3. November 2004
Aktenzeichen: 5 T 484/04

(LG Mönchengladbach: Beschluss v. 03.11.2004, Az.: 5 T 484/04)

Ein Beschluss, mit welchem festgestellt wird, dass der Verfahrenspfleger seine Tätigkeit als Rechtsanwalt ausübt, ist für den Bezirksrevisor mit der einfachen Beschwerde anfechtbar.

Einem Verfahrenspfleger, der im Hauptberuf Rechtsanwalt ist, steht grundsätzlich nur eine Vergütung nach den Sätzen des § 1 BVormG zu.

Eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz kommt für den anwaltlichen Verfahrenspfleger ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein als Verfahrenspfleger bestellter Laie in gleicher Lage wegen besonderer rechtlicher Anforderungen einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom

19.08.2004 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 04.07.2004 wurde eine vorläufige Unterbringung der Betroffenen wegen Eigengefährung angeordnet. Zum Verfahrenspfleger wurde Herr Rechtsanwalt R........... bestellt. Dieser nahm an der Anhörung der Betroffenen am 05.07.2004 teil. Aufgrund einer abgegebenen Freiwilligkeitserklärung der Betroffenen hob das Amtsgericht den Unterbringungsbeschluss am 22.07.2004.

Unter dem 23.07.2004 hat der Verfahrenspfleger eine Festsetzung seiner Vergütung nach den Vorschriften des RVG in Höhe von 399,04 EUR beantragt. Durch den angefochtenen Beschluss vom 19.08.2004 hat das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt festgestellt, dass Beschwerdegegner als Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Gegen diesen Beschluss hat der Bezirksrevisor beim Landgericht am 07.09.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass die Beiordnung als Rechtsanwalt nicht notwendig gewesen sei. Hiergegen wendet sich der Verfahrenspfleger mit der Begründung, dass im Rahmen einer Unterbringung schwierige Fragen rechtlicher Art zu klären seien. Hiermit sei ein Laie überfordert. Aus diesem Grunde sei bei einer Unterbringung nach PsychKG auf jeden Fall professioneller Rechtsrat für den Betroffenen unter Beiordnung eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger erforderlich.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Landeskasse ist als einfache Beschwerde nach § 19 FGG zulässig. Gem. § 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG findet gegen die Entscheidungen nach Abs. 1 Satz 1 - 3 und den Absätzen 2 und 3 dieser Vorschrift die sofortige Beschwerde statt. In § 56 g Abs. 1 Nr. 2 FGG, der über §§ 70 b Abs. 1 Satz 2, 67 Abs. 3 Satz 3 FGG auf den Verfahrenspfleger im Unterbringungsverfahren nach PsychKG anwendbar ist, ist ein Beschluss der hier vorliegenden Art als anfechtbare Entscheidung nicht genannt. Es handelt sich vielmehr um eine Zwischenentscheidung, die eine endgültige Festsetzung vorbereiten soll. Daraus schließt das OLG Hamm (FGPrax 2001, 18), dass der Beschluss von Seiten des Bezirksrevisors nicht anfechtbar sei. Dieser Auffassung sind aber das OLG Düsseldorf (NJW-RR 2003, 427) und das OLG Köln (FamRZ 2001, 1643) zu Recht entgegengetreten. Denn die Feststellung, dass der Verfahrenspfleger eine Tätigkeit als Rechtsanwalt ausübt, ist für die spätere Festsetzung der Gebührenhöhe ebenso bindend, wie im Betreuungsverfahren die Feststellung, dass der Betreuer sein Amt als Berufsbetreuer ausübt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Zutreffendes Rechtsmittel gegen den Feststellungsbeschluss ist damit die einfache Beschwerde nach § 19 FGG, nicht die sofortige Beschwerde nach § 56 FGG (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Die eingelegte sofortige Beschwerde ist als einfache Beschwerde zu behandeln.

Die Landeskasse ist durch die Entscheidung des Amtsgerichts auch beschwert. Ist der Feststellungsbeschluss für die spätere Vergütungsfestsetzung bindend, so ist die Landeskasse auch nach § 20 Abs. 1 FGG beschwerdebefugt, da die Vergütung nach RVG in der Regel erheblich höher ist als die Vergütung nach § 1835 BGB i.V.m. § 1 BVormVG.

2.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Beiordnung des Beteiligten zu 1. als Verfahrenspfleger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt war nicht notwendig. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 08.06.2000 (FamRZ 2000, 1280-1283) ist der Verfahrenspfleger nach der gesetzlichen Ausführung dieses Instituts ein besonderer Pfleger, der für seine Aufgaben anwaltliche Qualifikationen mitbringen kann, aber nicht notwendig mitbringen muss. Da das geltende Recht keine Klassifizierung von Verfahrenspflegern kenne, erscheine es naheliegend, auch für die Vergütung von Verfahrenspflegern einheitliches Recht zur Anwendung zu bringen. Mit dem Vergütungssystem des Entwurfs, nachdem sich die Vergütung des Vormundes, Betreuers oder Pflegers künftig nach dessen durch Ausbildung erworbene Qualifikation bestimme, werde dieser Weg in besonderem Maße geebnet. Nach dieser Konzeption des Gesetzgebers sei die Verfahrenspflegschaft keine anwaltspezifische oder dem Anwaltsberuf vorbehaltene Tätigkeit. Der Verfahrenspfleger sei ein Vertreter eigener Art, für den der Gesetzgeber keine besondere berufliche Qualifikation oder Ausbildung fordere und kein eigenes Berufsbild geschaffen habe. Der Gesetzgeber habe es vielmehr den Gerichten überlassen, geeignete Personen auszuwählen. Es gehe dem Gesetzgeber in erster Linie nicht darum, dem Betroffenen einen Rechtsberater für das konkrete Verfahren zu verschaffen, sondern ihm - mit der Hilfe einer geschäftsfähigen und der Organisation der alltäglichen Geschäfte erfahrenen Person - einen gesetzlichen Vertreter zur Durchsetzung von tatsächlich formulierten oder auch nur zu ermittelnden Interessen und Wünschen im Verfahren zur Seite zu stellen. Aus diesem Grunde stehe dem Verfahrenspfleger, der im Hauptberuf Rechtsanwalt sei, grundsätzlich nur eine Vergütung nach den Sätzen des § 1 BVormVG gemäß der Regelung in § 67 Abs. 3 FGG zu (BverfG, a.a.O.). Allerdings sei die Regelung entgegen des Wortlautes nach dem Willen des Gesetzgebers nicht abschließend. Trotz des Ausschlusses in § 67 Abs. 3 FGG erlaube es § 1835 Abs. 3 BGB, die Dienste des Verfahrenspflegers, die zu seinem sonstigen Gewerbe oder Beruf gehörten, als Aufwendungen nach der für diese Leistungen geltenden Gebührenordnung oder Taxe abzurechnen. Für den anwaltlichen Verfahrenspfleger sei daher trotz des ausdrücklichen Ausschlusses von § 1835 Abs. 3 BGB in § 67 Abs. 3 Satz 2 FGG in diesen Fällen eine Liquidation nach der Bundesgebührenordnung (jetzt RVG) für Rechtsanwälte möglich. Danach könne ein Rechtsanwalt Vergütung nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte für solche Tätigkeiten verlangen, bei denen ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BVerfG, a.a.O.). Auf der Grundlage dieser Bundesverfassungsgerichtsentscheidung entspricht es gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der in einem Unterbringungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt in der Regel keine Honorierung nach RVG (früher BRAGO) verlangen kann (BayObLG, MDR 2001, 1376; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 427; Kammergericht Berlin, FamRZ 2003, 936; OLG Köln, FamRZ 2001, 1643 für einen Verfahrenspfleger im Betreuungsverfahren; OLG Zweibrücken, MDR 2002, 297). Nur dann, wenn ein als Verfahrenspfleger bestellter Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde, könne diese Tätigkeit nach dem RVG abgerechnet werden. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist die Entscheidung des Amtsgerichts, den Verfahrenspfleger als Rechtsanwalt beizuordnen, nicht gerechtfertigt. Es handelt sich vorliegend um den "Normalfall" eines Unterbringungsverfahrens nach PsychKG. Weder bei Beginn der Unterbringung noch während des laufenden Unterbringungsverfahrens waren Tätigkeiten des Verfahrenspflegers notwendig, die überdurchschnittliche rechtliche Schwierigkeiten mit sich brachten. Ein zum Verfahrenspfleger bestellter juristischer Laie hätte im konkreten Verfahren weder für die Führung des Verfahrens selbst, noch für die Teilnahme im Anhörungstermin einen Rechtsanwalt beigezogen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch dann, wenn der Verfahrenspfleger nicht als Rechtsanwalt beigeordnet wurde, im Laufe des Verfahrens aber eine Tätigkeit notwendig wird, für die ein juristischer Laie einen Rechtsanwalt beigezogen hätte, für diese konkrete Tätigkeit eine Abrechnung nach RVG erfolgen kann, während die restliche Tätigkeit des Verfahrenspflegers nach § 1 BVormVG abzurechnen ist. Der Verfahrenspfleger kann auch nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten eine Abrechnung nach RVG verlangen. Dies ist nach der Rechtsprechung des OLG Stuttgart (NJW-RR 2004, 424) nur dann der Fall, wenn ein zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt bei der Übernahme des Amtes auf eine Vergütung nach RVG vertrauen durfte. In dem entschiedenen Fall war gleichzeitig mit der Bestellung des Rechtsanwalts zum Verfahrenspfleger festgestellt worden, dass die Verfahrenspflegschaft einer spezifischen anwaltlichen Tätigkeit bedurfte, da es sich um eine Freiheitsentziehung durch Unterbringung handelt. Entsprechend hatte der Verfahrenspfleger einen Vergütungsantrag nach BRAGO gestellt. Das Amtsgericht hat dem Verfahrenspfleger nur eine Vergütung nach BVormVG gewährt mit der Begründung, dass die Verfahrenspflegschaft einer anwaltsspezifischen Tätigkeit nicht bedurft hätte. In diesem Fall sieht das OLG Stuttgart einen Vertrauensschutztatbestand gegeben. Diese Fallkonstellation ist mit dem hier gegebenen Fall nicht vergleichbar, da im Bestellungsbeschluss vom 04.07.2004 lediglich genannt ist, dass Herr Rechtsanwalt Rudolf Hermanns zum Verfahrenspfleger bestellt wird. Damit ist letztlich nur der Beruf des Verfahrenspflegers angegeben. Dies reicht nicht aus, um in dem Verfahrenspfleger das berechtigte Interesse zu wecken, dass die Abrechung nach RVG zulässig ist. Hierfür ist eine ausdrückliche Feststellung - wie in dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall - erforderlich. Hinzu kommt, dass vorliegend für den Bezirk des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt bisher die Regelung galt, dass eine Pauschalvergütung abgerechnet wird. Auch insoweit konnte allein durch die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Verfahrenspfleger kein Vertrauensschutz entstehen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich. Die Tragung der Gerichtskosten richtet sich nach § 131 KostO. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 13a FGG ist ebenfalls nicht erforderlich, da nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführerin außergerichtliche Kosten entstanden sind.






LG Mönchengladbach:
Beschluss v. 03.11.2004
Az: 5 T 484/04


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