Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 11. März 2004
Aktenzeichen: 1 BvR 517/99

(BVerfG: Beschluss v. 11.03.2004, Az.: 1 BvR 517/99)

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 wird nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Die Urteile des Landgerichts Duisburg vom 28. April 1998 - 42 O 84/97 und 42 O 90/97 - und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 1999 - 20 U 74/98 und 20 U 75/98 - verletzen die Beschwerdeführerin zu 2 in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Urteile des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an dieses Gericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin zu 2 zur Hälfte zu erstatten.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes auf eine Fernseh- und auf eine Zeitschriftenserie.

I.

1. a) Die Beschwerdeführerin zu 1 ist Verlegerin und Herausgeberin der Zeitschrift "Auto Bild". Die Zeitschrift enthält regelmäßig eine Seite mit der Überschrift "Auto Bild hilft". Die Serie wird mit folgenden Worten eingeleitet: "Ärger mit der Werkstatt oder gar Pfusch ab Werk€ Wir versuchen zu helfen, wenn das Auto Kummer macht. Mit Erfolg - wie die Beispiele auf dieser Seite belegen." Es folgen sodann Beispiele, in denen Aktivitäten der Redaktion zu Zahlungen aus Kulanz geführt hatten.

In dem Ausgangsrechtsstreit nahm der Kläger, ein Rechtsanwalt, die Beschwerdeführerin in Anspruch, es zu unterlassen, die Leser aufzufordern, sich an die Zeitschrift zu wenden, und über Fälle zu berichten, in denen die Zeitschrift Lesern geholfen hat. Die Serie verstoße gegen Art. 1 § 1 RBerG in Verbindung mit § 1 UWG, da die Beschwerdeführerin mit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in die anwaltliche Sphäre eingreife. Das Landgericht wies die Klage im Wesentlichen ab.

Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht durch das angegriffene Urteil die Entscheidung ab und verurteilte die Beschwerdeführerin antragsgemäß. Der Kläger greife mit seinem Antrag nur die von der Beschwerdeführerin in "Auto Bild" veröffentlichte Ankündigung an, nicht auch die dann folgende Tätigkeit der Beschwerdeführerin bei der Entgegennahme, Prüfung und Weiterleitung von Leserzuschriften. Für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es deshalb nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin mit diesen weiteren Tätigkeiten gegen das Rechtsberatungsgesetz oder andere Vorschriften verstoße, sondern nur darauf, wie ihre allein angegriffene Ankündigung rechtlich zu beurteilen sei. Diese würde jedenfalls von einem nicht unerheblichen Teil der Adressaten dahingehend verstanden, der Verlag der Zeitschrift werde sich mit der Frage befassen, ob ihnen gegen die beteiligten Werkstätten oder Kraftfahrzeughersteller rechtlich begründete Ansprüche zustünden und er werde bei der Durchsetzung solcher Ansprüche behilflich sein.

Die von der Beschwerdeführerin eingelegte Revision nahm der Bundesgerichtshof durch den weiter angegriffenen Beschluss nicht an. Das beanstandete Vorgehen sei - auch unter Berücksichtigung der Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG - selbst dann zu Recht als Verstoß gegen § 1 UWG untersagt worden, wenn die Beschwerdeführerin bei der tatsächlichen Durchführung ihrer Hilfeleistung, zu der keine Feststellungen getroffen worden seien, nicht gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßen haben sollte, da sie jedenfalls eine unerlaubte Tätigkeit angeboten habe.

b) Mit ihrer fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG.

In der Verurteilung läge ein Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, weil der Beschwerdeführerin die von ihr vorgenommenen Leserkontakte zu Recherchezwecken untersagt wurden. Dieser Eingriff sei nicht durch Art. 1 § 1 RBerG gerechtfertigt. Die vom Oberlandesgericht und vom Bundesgerichtshof praktizierte Anwendung dieser Vorschrift sei zur Erreichung der mit dem Rechtsberatungsgesetz verfolgten Ziele ungeeignet, nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Insbesondere führe die Unterlassungsverpflichtung nicht zum beabsichtigten Schutz der Anwaltschaft, weil es gar nicht zu einer Konkurrenz zwischen Medien und der Anwaltschaft komme.

Die Beschwerdeführerin macht unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 2001 (BGH, NJW 2002, S. 2879 <2880>) in einem weiteren Schriftsatz geltend, dass die dort vorgenommene, auch das vorliegend angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts ausdrücklich einbeziehende Bewertung von Ankündigungen verfehlt sei. Ebenso wie in dem dort entschiedenen Fall fehle es auch hier an einer Ankündigung der Beschwerdeführerin, die geltend gemachten Ansprüche auf ihre rechtliche Begründetheit zu überprüfen.

2. a) Die Beschwerdeführerin zu 2 ist ein privatrechtlicher Fernsehveranstalter ("SAT.1"). Am 26. Februar 1997 strahlte sie erstmals die Sendung "Jetzt reicht's!" aus. In der Sendung, die den Untertitel "Wir kämpfen für Ihr gutes Recht" trug, wurde über Fälle berichtet, in denen sich Verbraucher durch Unternehmen oder Behörden ungerecht behandelt fühlten. In dieser Sendung ging es um eine überhöhte Anwaltsrechnung der Eheleute G., um eine fehlerhafte Möbellieferung der Firma P.-Möbel an eine Frau S. und um eine vermeintlich unzureichende Beratung der Eheleute R. durch einen Autohändler im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung eines Kaufvertrages. Über die Fälle wurde dabei nicht nur durch Moderation oder Gespräch im Studio berichtet, sondern auch durch Beiträge, in denen der Reporter Attila mit den Zuschauern gemeinsam deren Vertragspartner aufsuchte, um sie durch ein Gespräch vor laufender Kamera von der Berechtigung des Anliegens zu überzeugen und Abhilfe zu erreichen.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens, drei Rechtsanwälte, sahen in den Sendeinhalten Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz und nahmen die Beschwerdeführerin deshalb in zwei Verfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Durch Urteile jeweils vom 21. März 1997 gab das Landgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren den von den Rechtsanwälten erhobenen Anträgen statt. Die Beschwerdeführerin sei auf Grund der Sendung mit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befasst, so dass den Klägern ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG in Verbindung mit Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG zustehe. Die von der Beschwerdeführerin hiergegen eingelegten Berufungen wies das Oberlandesgericht durch ebenfalls gleich lautende Entscheidungen jeweils vom 16. Dezember 1997 mit einer Präzisierung des Unterlassungstenors zurück. Die Beschwerdeführerin betreibe konkrete Rechtsbesorgung im Einzelfall, wie die Behandlung der Fälle in der Sendung vom 26. Februar 1997 belege (OLG Düsseldorf, AfP 1998, S. 232).

Nachdem das Landgericht auf Antrag der Beschwerdeführerin die Erhebung der Klage zur Hauptsache angeordnet hatte, verfolgten die Kläger die Unterlassungsansprüche auch im Hauptsacheverfahren. Durch Urteile jeweils vom 28. April 1998 verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführerin antragsgemäß auf Unterlassung. Untersagt wurde ihr, in der Sendereihe "Jetzt reicht's" dazu aufzufordern, sich bei Ärger an die Redaktion zu wenden, und über Fälle zu berichten, in denen die Redaktion erfolgreich geholfen hatte. In den Tenor wurde als Beispiel der Wortlaut der Sendung im Hinblick auf die Hilfestellung für die Eheleute R. gegenüber dem Autohändler eingestellt. Ferner wurde der Beschwerdeführerin untersagt, gegenüber Dritten auf Grund der auf ihre Anforderung erfolgten Zuschriften von Zuschauern zum Zwecke der Wahrnehmung rechtlicher Interessen einer bestimmten Person tätig zu werden, sowie eine solche Tätigkeit anzukündigen und/oder hiermit zu werben, insbesondere die Sendereihe mit dem Untertitel "Wir kämpfen für Ihr gutes Recht" zu versehen. Zur Begründung wurde auf die im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteile des Oberlandesgerichts Bezug genommen. Die von der Beschwerdeführerin eingelegten Berufungen wies das Oberlandesgericht durch Urteile jeweils vom 12. Januar 1999 in der Sache zurück.

b) Mit ihrer fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Zwar sei das Rechtsberatungsgesetz auf der generell abstrakten Ebene nicht zu beanstanden, auf der Rechtsanwendungsebene hätten die Gerichte jedoch der Rundfunkfreiheit nicht hinreichend Rechnung getragen. Auch die szenische Aufbereitung konkreter Rechtsfälle im Rahmen von Sendungen unterhaltender Art falle in den Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit. Zu einer Kollision mit dem Normzweck des Rechtsberatungsgesetzes komme es jedenfalls dann nicht, wenn der Fall juristisch korrekt aufbereitet und durch die breite Öffentlichkeit Druck auf eine Firma ausgeübt werde. Der mit dem Einsatz des Herrn Attila erzielte Effekt stehe nicht in einem Konkurrenz-, sondern eher in einem Ergänzungsverhältnis zur anwaltlichen Tätigkeit. Es handele sich weder um unzulässige Rechtsbesorgung noch um ein im Sinne des Wettbewerbsrechts unlauteres Verhalten. Die zivilgerichtlichen Entscheidungen beschnitten die Beschwerdeführerin in ihrer Freiheit der inhaltlichen Programmgestaltung; diese sei ein integraler Bestandteil der Rundfunkfreiheit.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 nicht und die der Beschwerdeführerin zu 2 insoweit nicht zur Entscheidung an, als sie gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerichtet ist. Im Übrigen gibt sie der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 statt.

1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 ist unzulässig, soweit sie gegen Entscheidungen im Eilverfahren (Urteile 2 a und b, 4 a und b des Rubrums) gerichtet ist.

Die Verfassungsbeschwerde ist als außerordentlicher Rechtsbehelf konzipiert, der rechtskräftige Gerichtsentscheidungen nur ausnahmsweise in Frage stellen soll (vgl. BVerfGE 22, 287 <290 f.>; 68, 376 <379 f.>). Sie ist nicht zulässig, wenn dem Beschwerdeführer ein Weg zur Verfügung steht, auf dem er die Beseitigung der Grundrechtsverletzung ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts erreichen kann (vgl. BVerfGE 33, 247 <258>; 78, 58 <68>; 92, 245 <256>). Sofern sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegen die Verletzung von Grundrechten in diesem Verfahren wendet, sondern ausschließlich Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen, ist die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache vor der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts geboten, es sei denn, dies sei dem Beschwerdeführer im Einzelfall unzumutbar (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22>).

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt aber auch, wenn der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde nicht nur gegen die Hauptsacheentscheidungen, sondern zugleich gegen die im Eilverfahren getroffenen Entscheidungen richtet, sofern ihnen keine eigenen Grundrechtsverletzungen, etwa im Hinblick auf Verfahrensgrundrechte, zu Grunde liegen. Zwar verliert eine einstweilige Verfügung nicht ohne weiteres ihre Wirkung, wenn in einem Hauptsacheverfahren oder im Verfahren der Verfassungsbeschwerde festgestellt worden ist, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung nicht gerechtfertigt war. Nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren hätte die Beschwerdeführerin aber die Möglichkeit, gemäß § 927 ZPO die Aufhebung der einstweiligen Anordnungen wegen veränderter rechtlicher Umstände zu beantragen (vgl. auch BGHZ 122, 172 <178>). Dem Anliegen der Beschwerdeführerin wird durch den Angriff gegen die im Hauptsacheverfahren ergangenen Entscheidungen danach hinreichend Rechnung getragen. Eine eigene Beschwer der im Eilverfahren getroffenen Entscheidungen ist demgegenüber nicht ersichtlich.

2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen betreffen Streitigkeiten, die nach den Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) und des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beurteilen sind. Deren Auslegung und Anwendung ist Sache der dafür zuständigen Zivilgerichte. Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich nach, ob die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten - hier der Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG - beachtet worden sind oder ob eine unverhältnismäßige Beschränkung grundrechtlicher Freiheit erfolgt ist (vgl. BVerfGE 97, 12 <27>).

a) Das Grundrecht der Pressefreiheit der Beschwerdeführerin ist nicht verletzt.

Die Verpflichtung zur Unterlassung der Ankündigung und der Berichte über Erfahrungen in der Zeitschrift berührt den Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieses Grundrecht wird durch die allgemeinen Gesetze beschränkt. Zu diesen gehört das Rechtsberatungsgesetz (vgl. BVerfGE 41, 378 <390>; 75, 246 <275 f.>; 97, 12 <26 f.>; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 1251; 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2002, S. 1190) ebenso wie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) (dazu vgl. BVerfGE 102, 347 <360>). Sie rechtfertigen die Verurteilung der Beschwerdeführerin.

aa) Was erlaubte Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist, bedarf angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der Abklärung im Einzelfall, die einerseits die durch das Gesetz geschützten Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 97, 12 <28>, zu Art. 12 GG). Die Vorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, die eine geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einer Erlaubnispflicht unterwirft, wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass sie die unmittelbare Förderung konkreter Rechtsangelegenheiten erfasst, sofern diese einem gewissen Abschluss, sei es zwecks Rechtsgestaltung, sei es zwecks Rechtsverwirklichung, zugeführt werden sollen (vgl. BGH, NJW 1956, S. 591 <592>; NJW 2002, S. 2877; OLG Düsseldorf, AfP 1992, S. 153; OLG Dresden, AfP 1996, 180). Eine Rechtsbesorgung ist nicht schon bei jeder Tätigkeit gegeben, die auf die Verwirklichung oder Gestaltung konkreter Rechte gerichtet ist (vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 f.; NJW 2002, S. 2879 f.; NJW 2002, S. 2880 f.; NJW 2002, S. 2882 f.; NJW 2002, S. 2884 f.). Das Rechtsberatungsgesetz beruht nicht auf der Vorstellung, dass Streitigkeiten über die Durchsetzung von Forderungen und Verbraucherinteressen stets mit Schwerpunkt auf rechtlichem Gebiet und als Rechtsstreitigkeiten geführt werden und damit diesem Gesetz unterliegen. In der täglichen Praxis gibt es auch andere Wege der Streitbewältigung. Insofern haben auch die Massenmedien eine eigene Rolle übernommen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Januar 2004 - 1 BvR 1807/98 -).

(1) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und insbesondere nicht willkürlich, dass die Gerichte die Ankündigung der Beschwerdeführerin dahingehend gedeutet haben, sie sei auf Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ausgerichtet. Dabei sind die Gerichte in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise davon ausgegangen, ein nicht unerheblicher Teil der Leser werde die Ankündigung dahingehend verstehen, die Beschwerdeführerin werde sich zugunsten der Hilfe Suchenden mit der Frage befassen, ob sie rechtlich begründete Ansprüche haben, und ihnen bei der Durchsetzung solcher Ansprüche behilflich sein. Die Gerichte haben in der Ankündigung in nachvollziehbarer Weise eine eigenständige Tätigkeit gesehen. Dies ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil die Beschwerdeführerin selbst vorträgt, die Redaktion habe Hilfe bei der Bewältigung alltäglicher Probleme mit Kraftfahrzeugen geben wollen. Dass dies keine rechtliche Hilfe sein sollte, war den in der Zeitschrift abgedruckten Beispielsfällen nicht zu entnehmen, da aus ihnen nicht hervorging, auf welche Weise die Redaktion Zahlungen der betroffenen Unternehmen bewirkt hatte.

(2) Unbegründet ist die Rüge der Beschwerdeführerin, diese Einordnung verletze ihr Grundrecht auf Pressefreiheit, da ihr Leserkontakte zu Recherchezwecken untersagt worden seien. Zwar wird von der Pressefreiheit auch die Verschaffung von Informationen erfasst, die publizistisch verbreitet werden sollen (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 62, 230 <243>; 66, 116 <133>). Dieses Recht wird jedoch durch die Unterlassungsverpflichtung nicht beeinträchtigt. Die Gerichte durften die Aufforderung an die Leser, Beschwerden an die Redaktion zu senden, und das darauf bezogene Versprechen der Hilfe so bewerten, wie sie sich für die Adressaten darstellte und darauf die Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes beziehen. Die Gerichte haben ausgeführt, aus der Sicht der Adressaten erscheine die an sie gerichtete Ankündigung nicht als Maßnahme journalistischer Recherche, sondern als Angebot der Rechtsbesorgung. Zielt die Ankündigung ihrem Schwerpunkt nach auf eine Rechtsbesorgung im Sinne einer Verwirklichung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten, so greift der Zweck des Rechtsberatungsgesetzes, nämlich der Schutz der Rechtsuchenden sowie von Gerichten und Behörden vor dem Tätigwerden unqualifizierter Rechtsberater (zum Regelungszweck vgl. BVerfGE 97, 12 <26 f.>).

(3) Hinter der Ankündigung stand allerdings auch der - nicht besonders ausgesprochene - Wunsch der Redaktion, Material über berichtenswerte Fälle zu erhalten und die Leser an die Zeitschrift zu binden. Das mit einer von Journalisten initiierten Aktion verbundene Anliegen, durch sie berichtenswerte Ereignisse zu produzieren oder in dem Vorfeld Informationen über publizistisch interessante Vorfälle zu erhalten, ändert nichts an der Maßgeblichkeit der allgemein für eine solche Aktion - hier die Ankündigung - geltenden rechtlichen Maßstäbe. So wie die Pressefreiheit nicht die rechtswidrige Beschaffung von Informationen deckt (vgl. BVerfGE 66, 116 <137>), so schützt sie auch nicht rechtswidrige Maßnahmen zur Schaffung von Ereignissen, die Anlass für eine spätere Berichterstattung werden sollen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes die Presse bei ihrer Recherchearbeit behindert, also bei dem Auffinden und Sammeln von Informationen. Betroffen ist lediglich die Möglichkeit, ein Ereignis zu schaffen, das zu Informationen führen soll.

Allerdings umfassen die gerichtlichen Verurteilungen die Pflicht der Beschwerdeführerin, es zu unterlassen, den Lesern über Fälle zu berichten, in denen die Zeitschrift geholfen hat. Ein solches Verbot könnte nicht allein darauf gestützt werden, dass die Informationen aus einem Ereignis stammen, das unter Verletzung der Rechtsordnung zustande gekommen ist. Die Verbreitung von Informationen fällt nicht schon deshalb aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG heraus, weil sie rechtswidrig erlangt worden sind (vgl. BVerfGE 66, 116 <137>) oder weil über rechtswidriges Verhalten berichtet wird. Die angegriffenen Entscheidungen betreffen aber nicht ein Verbot solcher Veröffentlichungen. Sie sind - wie die Gründe ergeben - vielmehr einschränkend dahingehend zu verstehen, dass lediglich die Ankündigung der Rechtsberatung untersagt wird, und zwar auch, wenn sie mit einem Bericht darüber verbunden ist, dass die den Lesern versprochene Hilfeleistung in früheren Fällen zum Erfolg geführt hat. Eine solche auf die rechtswidrige Ankündigung bezogene Unterlassungsverpflichtung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet auch nicht die Annahme eines Verstoßes gegen § 1 UWG. In Zuwiderhandlungen gegen das Rechtsberatungsgesetz sieht die Rechtsprechung, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten, die Wettbewerbswidrigkeit der gegen das Gesetz gerichteten und deshalb als sittenwidrig eingeordneten Handlungsweise (vgl. BGH, NJW 1956, S. 749; NJW 1967, S. 1558; stRspr). Das ist verfassungsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Annahme der Fachgerichte, dass zwischen der Beschwerdeführerin und Rechtsanwälten ein Wettbewerbsverhältnis gegeben ist, wenn und soweit die Beschwerdeführerin im Bereich der Rechtsberatung tätig wird.

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

Die Vereinbarkeit von Art. 1 § 1 RBerG mit Art. 12 GG ist grundsätzlich geklärt (vgl. BVerfGE 97, 12 <26 f.>). Für eine Verletzung von Verfassungsrecht bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes ist vorliegend nichts ersichtlich. Für die Beschwerdeführerin wirkt das Rechtsberatungsgesetz wie eine Berufsausübungsregelung. Die Berufsausübung aber kann aus vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls eingeschränkt werden. Das Rechtsberatungsgesetz dient einem solchen Zweck.

3. Bei der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 liegen, soweit sie zulässig ist, die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93 c BVerfGG) vor. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (zu den Schranken der Rundfunkfreiheit vgl. BVerfGE 35, 202 <223 ff.>; 66, 116 <135 f.>; zur Verfassungsmäßigkeit des Rechtsberatungsgesetzes vgl. BVerfGE 75, 284; 97, 12).

a) Die Beschwerdeführerin wird durch die Entscheidungen vom 28. April 1998 und vom 12. Januar 1999 in ihrem Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

aa) Die angegriffenen Entscheidungen beeinträchtigen die Möglichkeit der Beschwerdeführerin als Rundfunkveranstalterin, Sendungen nach eigenen publizistischen Vorstellungen zu gestalten. Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit reicht von der Verschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht (vgl. BVerfGE 91, 125 <134>; stRspr). Vom Grundrechtsschutz umfasst sind die Art und Weise der Darstellung im Rundfunk unabhängig davon, ob es sich um ein eher informatives oder eher unterhaltendes Sendeformat handelt (vgl. BVerfGE 35, 202 <222 f.>). Die Rundfunkfreiheit ist allerdings ebenso wie die Pressefreiheit durch das Rechtsberatungsgesetz und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb als allgemeine Gesetze beschränkt.

bb) Die Gerichte haben die in die Fernsehsendung eingebaute Aufforderung der Beschwerdeführerin an die Zuschauer, sich bei Ärger an die Redaktion zu wenden, sowie die Werbung für diese Sendung mit dieser Aufforderung als unzulässig angesehen und zur Unterlassung verurteilt. Die Verurteilung wurde ferner auf Tätigkeiten zum Zwecke der Wahrnehmung der Interessen der Zuschauer erstreckt, die sich an die Redaktion gewandt haben, sowie auf die Berichterstattung über die durchgeführte Art der Hilfeleistung. Die Beschwerdeführerin verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz in Verbindung mit § 1 UWG, indem sie ankündige und dafür werbe, dass sie für die Zuschauer "kämpfen" werde und dass insbesondere mittels der Kamerapräsenz Interessen der Zuschauer bei Unternehmen und Behörden durchgesetzt werden sollen. Auch sei sie durch die Sendung konkret rechtsbesorgend tätig geworden, denn es seien einzelfallbezogen Ansprüche Dritter mit dem Ziel ihrer Durchsetzung aufgegriffen worden. Die Beschwerdeführerin habe sich nicht auf rechtliche Hinweise allgemeiner Art beschränkt. Die Berichterstattung habe allenfalls am Rande eine Rolle gespielt.

Die Deutung der Fernsehsendung als Ankündigung einer Rechtsbesorgung unterliegt einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht dahingehend, ob die Rundfunkfreiheit hinreichend berücksichtigt worden ist. Die Ausführungen im Tenor und in den Gründen der angegriffenen Entscheidungen ergeben, dass Gegenstand der Verurteilung der Beschwerdeführerin - anders als im Fall der Beschwerdeführerin zu 1 - nicht eine eigenständige Ankündigung der Rechtsbesorgung ist. Die Aufforderung an die Zuschauer war in die Fernsehsendung integriert. Der in dem Tenor der Urteile als Beispiel herangezogene Beitrag in der Sendung vom 27. Februar 1997 betraf ein typisches Vorgehen der Beschwerdeführerin. Aus dem Beitrag war für den Zuschauer erkennbar, welcher Typ an Hilfestellung angeboten wurde. Rechtsfragen wurden dabei ersichtlich nicht erörtert. Der Reporter Attila nutzte die Wirkung öffentlicher Medienberichterstattung, um die angesprochenen Unternehmen zu einem Entgegenkommen zugunsten der Eheleute R. zu bewegen (vgl. zu einem ähnlichen Fall BGH, NJW 2002, S. 2879 <2880>). Dieses Verhalten wurde in den angegriffenen Entscheidungen als Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes eingeordnet, ohne dabei zugleich die Bedeutung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit einzubeziehen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei hinreichender Berücksichtigung des Grundrechts zur Nichtanwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes auf die hier betroffene Tätigkeit gekommen wären.

Das Oberlandesgericht geht zwar auf die Rundfunkfreiheit ein, weist der Ausrichtung der Sendung an Informations- und Unterhaltungsinteressen der Zuschauer und dem daran anknüpfenden Schutz durch die Rundfunkfreiheit allein deshalb keine Bedeutung zu, weil in der Sendung ein konkreter Einzelfall dargestellt wird. Nicht geprüft wurde hierbei, ob diese Bewertung auch im Hinblick darauf Bestand haben kann, dass die publizistische Betätigung ihren Ausgang zwar an dem jeweiligen konkreten Problemfall nahm, in der Zielsetzung und Wirkung der Berichterstattung aber darüber hinausging, indem zugleich und möglicherweise schwergewichtig allgemeine Informations- und Unterhaltungsinteressen befriedigt wurden. Soweit sich ein Rundfunkveranstalter auf journalistische Weise mit Streitigkeiten befasst, muss das Grundrecht der Rundfunkfreiheit bei der Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes auf eine solche publizistische Betätigung berücksichtigt werden. Insofern war von Bedeutung, dass die Gerichte die als rechtswidrig beurteilte Ankündigung der Rechtsbesorgung aus der Gesamtgestaltung der Fernsehsendung hergeleitet haben. Es unterblieb die Frage, ob die Art der Betätigung des Rundfunks die vom Rechtsberatungsgesetz erfassten Schutzgüter überhaupt gefährden konnte, und es wurde nicht im Zuge einer Abwägung mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit geklärt, ob den publizistischen Belangen Vorrang zukommt. Auch unterblieb die Prüfung, ob die Handlung deshalb nicht vom Rechtsberatungsgesetz erfasst würde, weil die Berichterstattung nur die von den Medien ausgehende Wirkung nutzte, um Forderungen auf Grund des öffentlichen Drucks durchzusetzen, ohne dass der Schwerpunkt der Hilfestellung im rechtlichen Bereich lag (vgl. zu einer solchen Lage BGH, NJW 2002, S. 2877 <2878>).

Es steht mit der Rundfunkfreiheit nicht im Einklang, publizistische Betätigungen, die nicht zu einer Gefährdung des vom Rechtsberatungsgesetz geschützten Rechtsguts führen können, unter Berufung auf dieses Gesetz zu unterbinden. Bei der Auslegung des Begriffs der Rechtsberatung ist den Interessen der Rundfunkveranstalter an publizistischer Betätigung ebenso gerecht zu werden wie denen der Fernsehteilnehmer an der Rezeption von Fernsehsendungen, hier solcher über Streitigkeiten des täglichen Lebens und deren unkonventionelle Bewältigung.

Ergäbe die Bewertung der Sendung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit im vorliegenden Fall, dass der Sendeinhalt und insbesondere das dort berichtete Vorgehen des Reporters Attila nicht als Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes anzusehen wäre, dann erschiene auch die Aufforderung an die Zuschauer in einem anderen Licht. Es könnte sich dann ergeben, dass die unmittelbar in eine solche Sendung einbezogene Aufforderung, sich bei Ärger an die Redaktion zu wenden, nicht auf eine Rechtsbesorgung im rechtstechnischen Sinne gerichtet war. Jedenfalls muss die Aufforderung an die Zuschauer im Rahmen des publizistischen Verwendungszwecks bewertet werden. Dieser zielte auch darauf, einzelne Zuschauer mit ihren Anliegen in die Gestaltung der Sendung einzubeziehen und diese anhand des Einzelfalls publizistisch so zu gestalten, dass sie ihrerseits den Informations- und Unterhaltungsinteressen der Allgemeinheit dient. Diesen publizistischen Verwendungszweck haben die Gerichte bei ihrer rechtlichen Beurteilung ausgeblendet.

b) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den dargelegten Grundrechtsverstößen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte bei Beachtung der sich aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit ergebenden Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Die Entscheidungen sind daher wegen Verletzung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aufzuheben. Die Sachen sind zur Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

III.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Es ist angemessen, die Anordnung der Auslagenerstattung für die Beschwerdeführerin zu 2 auf die

Hälfte der ihr entstandenen Kosten zu begrenzen, weil die Verfassungsbeschwerde nur einen entsprechend begrenzten Erfolg hat.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






BVerfG:
Beschluss v. 11.03.2004
Az: 1 BvR 517/99


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