Bundespatentgericht:
Urteil vom 16. März 2010
Aktenzeichen: 4 Ni 40/08

(BPatG: Urteil v. 16.03.2010, Az.: 4 Ni 40/08)

Tenor

I. Das deutsche Patent 195 00 529 wird für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 195 00 529 (Streitpatent), das am 11. Januar 1995 angemeldet worden ist. Das Streitpatent wurde im Zuge eines Einspruchsbeschwerdeverfahrens durch Beschluss des Bundespatentgerichts vom 30. Januar 2007 beschränkt aufrechterhalten und anschließend vom Deutschen Patentund Markenamt in der geänderten Fassung neu veröffentlicht (Druckschrift DE 195 00 529 C5 -Streitpatent). Es betrifft eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät und umfasst in der geltenden Fassung 10 Patentansprüche, die alle angegriffen sind. Anspruch 1 lautet wie folgt:

1. Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät, wobei das Beatmungsgerät eine Gasdosiervorrichtung (15) für Beatmungsgase und eine die Gasdosierung beeinflussende und überwachende Steuereinheit (8) umfasst, mit einer Anzeigeeinheit zum Ausgeben von Parametern, mit einem Eingabeelement (21) zum Verändern eines vorgewählten Parameters und mit einem Quittierschalter (22) zum Übernehmen des veränderten Parameters in die Steuereinheit (8) als neuen Einstellwert, dadurch gekennzeichnet, dass die Bedieneinheit (14) einen interaktiven Flachbildschirm (19) (Touch Screen) mit einer berührungsempfindlichen Oberfläche aufweist, dass der Flachbildschirm (19) die Anzeigeeinheit umfasst, dass innerhalb des Flachbildschirms (19) erste und zweite Eingabesektoren (23, 24) und Ausgabesektoren (25, 26, 27) für Beatmungsformen und Beatmungsparameter vorhanden sind, dass eine als ein Tastenfeld (20) ausgebildete Eingabeeinheit (20) vorgesehen ist, die zur Aktivierung vorgewählter Eingabesektoren (23, 24) auf dem Flachbildschirm (19) dient, wobei innerhalb des ersten Eingabesektors (23) Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) und innerhalb des zweiten Eingabesektors (24) Beatmungsform-Einstellsegmente (241, 242, 243) für einstellbare Beatmungsformen vorgesehen sind, wobei bei Berührung eines der Beatmungsform-Einstellsegmente (241, 242, 243) zu dem ausgewählten Beatmungsform-Einstellsegment (241) korrespondierende Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 234, 235, 236, 237) innerhalb des ersten Eingabesektors (23) angezeigt sind, und dass durch Berührung zumindest eines der Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) eine Wirkverbindung des ausgewählten Beatmungsparameter-Einstellsegments (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) mit dem Eingabeelement (21) und/oder dem Quittierschalter (22) hergestellt wird.

Wegen des Wortlauts der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht erfinderisch. Zur Begründung trägt sie vor, im Stand der Technik seien zum Anmeldezeitpunkt Bedieneinrichtungen für medizinische Geräte mit den Merkmalen des Patentgegenstandes ebenso wie berührungsempfindliche Flachbildschirme bereits bekannt gewesen und deren bloße Kombination erfordere kein erfinderisches Tätigwerden. Hierzu bietet die Klägerin Zeugenbeweis an und beruft sich im Übrigen auf folgende Druckschriften und Dokumente:

N1 US 5 237987A N2 DE 3923568C1 N3 Siemens-Elema AB: Servo Ventilator 300, Operating Manual 5,1, Mai 1993, S. 1-116 N4 North American Dräger: Narkomed 4 Operator's Instruction Manual, Rev. B, 23. Dezember 1993, S. 2-26 bis 2-29, 5-9-1 bis 5-9-8, 5-9-17 bis 5-926, 5-10-3, 5-11-1, 5-12-3, 5-13-4, 5-14-5, 5-15-3, 5-16-2, 5-18-30 und 518-31 N4a North American Dräger: Narkomed 4 Operator's Instruction Manual, Rev.

A, 25. März 1994, S. 2-1 bis 2-24 N5 NL 8801322 A (mit deutscher Übersetzung N6) N7 US 5 189609A N8 DE 3923024A1 N9 US 5 231981A N10 Klocke, Heiner u. a.: "An anesthesia information system for monitoring andrecord keeping during surgical anesthesia". In: Journal of Clinical Monitoring, Vol. 2, No. 4, Oktober 1986, S. 246-261 N11 US 4 756706 N12 US 5 247434A N13 DE 4238259A1 N14 North American Dräger: Narkomed 4 -1990 Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent DE 195 00 529 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Meinung, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liege nicht vor.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist nicht patentfähig, weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, § 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m § 4 PatG. Die Nichtigkeit des Anspruchs 1 erfasst auch die Unteransprüche 2 bis 10.

II.

1.

Das Streitpatent betrifft eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät. Ein Beatmungsgerät mit einer Mischund Dosiereinrichtung für medizinische Gase zur Beatmung von Patienten mit einer Steuereinheit, die die Einstellung und die Überwachung der Beatmungsparameter nach den Vorgaben des Benutzers erlaubt, ist gemäß der Beschreibung des Streitpatents aus der Patentschrift US 5 237 987 (N1) bekannt, wobei dort die Parameter durch eine Menüstruktur zu wählen seien (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002]). Zur Änderung von Beatmungsparametern sei dabei die Auswahl der zu ändernden Werte in der Menüstrukturmittels eines Drehknopfes, anschließend die Selektion mittels eines Quittierschalters, die zahlenmäßige Änderung des Wertes durch den Drehknopf und schließlich die Übernahme des neuen Wertes durch einen weiteren Druck auf den Quittierschalter erforderlich (vgl. a. a. O., Abs. [0003]). Diese Vorgehensweise soll nachteilig sein, weil erst die zu ändernden Parameter mittels des Drehknopfes zu selektieren seien, bevor sie geändert werden könnten. Dies erschwere die Bedienung des Gerätes im klinischen Routinebetrieb, wo häufig ein unmittelbarer Zugriff auf die zu ändernden Werte notwendig sei (vgl. a. a. O., Abs. [0004]). Zwar sei des weiteren aus der Patentschrift DE 39 23 568 C1 (N2) eine Bedienund Informationseinheit für einen Schutzanzug bekannt, die einen in fünf Sektoren aufgeteilten, ausklappbaren und berührungsempfindlichen LCD-Bildschirm aufweise, wobei drei Sektoren als Eingabemedium und zwei Sektoren als Anzeigemedium dienten (vgl. a. a. O., Abs. [0005]). Nachteilig soll aber auch hier sein, dass ein zu verändernder Parameter zunächst aus einem Menükomplex ausgewählt werden müsse und keinen unmittelbaren Zugriff erlaube (vgl. a. a. O., Abs. [0006]).

2.

Dementsprechend stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, ein Beatmungsgerät der genannten Art derart zu verbessern, dass Einstellparameter übersichtlich darstellbar und vom Anwender einfach zu verändern sind (vgl. a. a. O., Abs. 0007]).

3.

Diese Aufgabe soll durch den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gelöst werden, der mit Gliederungspunkten versehen lautet:

M1 Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät, M2 wobei das Beatmungsgerät eine Gasdosiervorrichtung (15) für Beatmungsgase M3 und eine die Gasdosierung beeinflussende und überwachende Steuereinheit (8) umfasst, M4 mit einer Anzeigeeinheit zum Ausgeben von Parametern, M5 mit einem Eingabeelement (21) zum Verändern eines vorgewählten Parameters M6 und mit einem Quittierschalter (22) zum Übernehmen des veränderten Parameters in die Steuereinheit (8) als neuen Einstellwert, dadurch gekennzeichnet, M7 dass die Bedieneinheit (14) einen interaktiven Flachbildschirm (19) (Touch Screen) mit einer berührungsempfindlichen Oberfläche aufweist, M8 dass der Flachbildschirm (19) die Anzeigeeinheit umfasst, M9 dass innerhalb des Flachbildschirms (19) erste und zweite Eingabesektoren (23, 24)

M10 und Ausgabesektoren (25, 26, 27) für Beatmungsformen und Beatmungsparameter vorhanden sind, M11 dass eine als ein Tastenfeld (20) ausgebildete Eingabeeinheit (20) vorgesehen ist, die zur Aktivierung vorgewählter Eingabesektoren (23, 24) auf dem Flachbildschirm (19) dient, M12 wobei innerhalb des ersten Eingabesektors (23) Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) und innerhalb des zweiten Eingabesektors (24) Beatmungsform-Einstellsegmente (241, 242, 243) für einstellbare Beatmungsformen vorgesehen sind, M13 wobei bei Berührung eines der Beatmungsform-Einstellsegmente (241, 242, 243) zu dem ausgewählten Beatmungsform-Einstellsegment (241) korrespondierende Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 234, 235, 236, 237) innerhalb des ersten Eingabesektors (23) angezeigt sind, M14 und dass durch Berührung zumindest eines der Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) eine Wirkverbindung des ausgewählten Beatmungsparameter-Einstellsegments (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) mit dem Eingabeelement (21) und/oder dem Quittierschalter (22) hergestellt wird.

Hinsichtlich des Wortlauts der übrigen, unmittelbar oder mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift DE 195 00 529 C5 Bezug genommen.

4. Die Bedieneinheit gemäß dem Anspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn sie ergibt sich für den Fachmann unter Berücksichtigung seines Wissens und Könnens in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften N3 und N4.

Den hier einschlägigen Fachmann sieht der Senat als einen Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik, der im Zusammenhang mit Beatmungsgeräten speziell mit der Entwicklung von Bedieneinheiten für solche Geräte befasst ist und der selbst über Kenntnisse in der Erstellung von Software verfügt bzw. bei Bedarf einen Informatiker hinzuzieht.

Dieser Fachmann kannte vor dem Anmeldetag des Streitpatents aus der Druckschrift N3 eine Bedieneinheit (control panel) für ein Beatmungsgerät (servo ventilator 300) (vgl. Seiten 12 bis 17 und 24) [= Merkmal M1], das eine Gasdosiervorrichtung (gas modules) für Beatmungsgase (air, O2) [= Merkmal M2] und eine die Gasdosierung beeinflussende und überwachende Steuereinheit (control unit 1) [= Merkmal M3] umfasst. Die Bedieneinheit (control panel) weist eine Anzeigeeinheit (vgl. Seite 24, 27 und 40: front panel fields 2, 4, 5, 6; displays / bargraphs) zum Ausgeben von Parametern [= Merkmal M4], Eingabeelemente (vgl. Seite 28: control knobs) zum Verändern eines vorgewählten Parameters [= Merkmal M5] und einen Quittierschalter (vgl. Seiten 31 und 32: touch pad) zum Übernehmen des veränderten Parameters in die Steuereinheit (control unit 1) als neuen Einstellwert auf [= Merkmal M6].

Zum Eingeben von Parametern wird zunächst mit einem Drehknopf (control knob) im Beatmungsform-Auswahlfeld (mode selection 3) der Schalttafel (front panel) eine bestimmte Beatmungsform (mode) ausgewählt. Sodann leuchtet bei den Drehknöpfen (control knobs) zum Einstellen der dieser Beatmungsform zugeordneten Parameter ein gelbes Lämpchen (yellow light) auf. Mit diesen aktiven Drehknöpfen können dann die entsprechenden Parameter nacheinander eingestellt werden (vgl. Seiten 31 und 32 [set parameter guide] und Seiten 77 bis 93 [ventilation modes]). Die ausgewählte Beatmungsform wird zunächst durch Drücken einer dieser Beatmungsform zugeordneten Folientaste (touch pad) im Beatmungsform-Auswahlfeld (mode selection 3) bestätigt. Danach blinkt neben dem Drehknopf für den ersten einzustellenden Parameter das gelbe Lämpchen. Nach dem Einstellen eines Wertes wird zur Bestätigung wieder die Folientaste (touch pad) im Beatmungsform-Auswahlfeld (mode selection 3) gedrückt. Das gelbe Lämpchen blinkt nun neben dem Drehknopf für den nächsten einzustellenden Parameter. Auf diese Weise werden der Reihe nach alle der ausgewählten Beatmungsform zugeordneten Parameter eingestellt (vgl. Seiten 31 und 32 [Abschnitt "Set Parameter Guide"] und Seiten 77 bis 93 [Abschnitt: "Ventilation modes"]).

Bei der aus der N3 bekannten Bedieneinheit ist jedem Parameter ein eigener Drehknopf zugeordnet (vgl. Seite 28). Zwar werden die zu der gerade eingestellten Beatmungsform zugehörigen Parameter durch ein leuchtendes gelbes Lämpchen neben dem jeweiligen Drehknopf angezeigt. Aber durch Drücken der einer anderen Beatmungsform zugeordneten Folientaste (touch pad) im Beatmungsform-Auswahlfeld (mode selection 3) ist es möglich, sich auch die der anderen Beatmungsform zugeordneten Parameter durch ein leuchtendes gelbes Lämpchen anzeigen zu lassen. Bestimmte Drehknöpfe für Parameter sind auch gleichzeitig mehreren Beatmungsformen zugeordnet (vgl. Seite 33). Dadurch kann es u.

U. zu einer Verwechslung der zur gerade aktiven Beatmungsform zugehörigen Drehknöpfe mit anderen Drehknöpfen kommen. Außerdem ist die Schalttafel (front panel) der Bedieneinheit durch die Vielzahl von Drehknöpfen sehr unübersichtlich. Gerade unter Zeitdruck ist daher eine Fehlbedienung des Beatmungsgerätes möglich. Im Notfall kann dies für einen Patienten schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Dem Fachmann waren vor dem Anmeldetag aber auch medizinische Geräte bekannt, die nicht -wie das Beatmungsgerät der N3 -elektromechanisch, sondern elektronisch gesteuert waren, und er kannte die durch eine solche elektronische Steuerung ermöglichten Vorteile.

So kannte der Fachmann die Druckschrift N4, die ein Anästhesie-System (Narkomed 4 Anesthesia System) mit einem berührungsempfindlichen, interaktiven Flachbildschirm als Bedienund Anzeigeeinheit betrifft (vgl. Seiten 2-25 bis 2-27: main display [touch screen]) [= Merkmale M7 und M8]. Anästhesie-Systeme sind bekanntermaßen auch mit Beatmungsgeräten ausgestattet bzw. mit solchen gekoppelt, da narkotisierte Patienten ggf. beatmet werden müssen (vgl. Seite 5-9-3: ventilator; bzw. die ergänzend zur N4 genannte Druckschrift N4a, Seite 2-19: AV-2 anesthesia ventilator). Mit dem aus der Druckschrift N4 bekannten Anästhesie-System werden daher auch Atmungsparameter überwacht und auf dem interaktiven Flachbildschirm (main display) angezeigt (vgl. Seiten 5-9-5 und 5-9-6 [Abschnitt: Monitor Screen]: breathing pressure, respiratory flow and volume) [= Teil des Merkmals M10]. Als Parameter können u. a. die Alarmgrenzen (alarm limits) für den zu überwachenden Atemdruck (breathing pressure), den Atemstrom (respiratory flow) und das Atemvolumen (respiratory volume) eines Patienten eingestellt werden. Dazu wird über ein Tastenfeld (Seite 2-25: main key panel) durch Drücken der entsprechenden Taste (monitor setup key) die Darstellung der Seite mit den Sektoren zur Eingabe der Alarmgrenzwerte auf dem Bildschirm aktiviert (vgl. Seiten 5-9-7 und 5-9-8 [Abschnitt: Monitor Setup Screen]) [= Merkmal M11]. Zum Eingeben der Alarmgrenzwerte für bspw. den Atemdruck (breathing pressure) wird das entsprechende Parameter-Einstellsegment (key) auf dem Bildschirm berührt, wodurch eine Wirkverbindung dieses Segments mit einem als Eingabeelement und Quittierschalter dienenden Drehknopf (vgl. Seite 2-27: selection dial) hergestellt wird. Anschließend wird mit dem Drehknopf (selection dial) der gewünschte Wert eingestellt und durch Drücken des Drehknopfs dieser Wert bestätigt und übernommen (vgl. Seite 5-14-5) [= Merkmale M5, M6 und M14].

Mit dem aus der Druckschrift N4 bekannten berührungsempfindlichen, interaktiven Flachbildschirm (touch screen) als Bedieneinheit ist somit auf Grund der übersichtlichen Anzeige und der intuitiven Bedienung eine einfache und weitgehend fehlerfreie Eingabe von Parametern möglich. Der Fachmann war dadurch angeregt, die ihm aus der Druckschrift N3 bekannte elektromechanische Schalttafel (front panel) als Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät weiter zu entwickeln, um mit Hilfe eines elektronisch gesteuerten Bedienkonzepts die Eingabe von Parametern leichter, übersichtlicher und dadurch für den Patienten sicherer zu machen.

Für den Fachmann war es naheliegend, das vorteilhafte Bedienkonzept gem. Druckschrift N4 auf das aus der Druckschrift N3 bekannte Beatmungsgerät zu übertragen und dort ebenfalls eine Bedieneinheit mit einem interaktiven, berührungsempfindlichen Flachbildschirm (touch screen) und einer entsprechenden Menü-Führung bei der Eingabe von Parametern vorzusehen. Dazu musste er lediglich den bereits aus der Druckschrift N3 bekannten Ablauf bei der Auswahl von Beatmungsformen und dem Einstellen der dieser Beatmungsform zugeordneten Parameter mit Hilfe einer entsprechenden Software auf einen interaktiven, berührungsempfindlichen Flachbildschirm (touch screen) als Bedieneinheit umsetzen. Die Darstellung einer Seite mit Sektoren zur Auswahl von Beatmungsformen und zur Eingabe von Parametern auf dem Bildschirm kann, wie bereits aus der Druckschrift N4 bekannt (vgl. Seite 2-25), durch Drücken einer entsprechenden Taste (key) eines Tastenfeldes (main key panel) aktiviert werden [= Merkmal M11].

Für den Fachmann war es auch naheliegend, auf dem interaktiven Flachbildschirm -analog zu den Auswahlfeldern der aus der Druckschrift N3 bekannten Bedieneinheit (vgl. Seite 24: fields 1-8) -einen Eingabesektor mit Einstellsegmenten (touch keys) sowohl für die Beatmungsformen (entsprechend dem Beatmungsform-Auswahlfeld "mode selection 3") als auch für die Beatmungsparameter (entsprechend den Feldern 2, 4 und 5), und entsprechende Ausgabesektoren zur Anzeige der eingestellten Werte vorzusehen [= Merkmale M9, M10 und M12]. Dem in der Druckschrift N3 (vgl. Seiten 31 und 32) vorgegebenen Ablauf entspricht es, den interaktiven Flachbildschirm mit Hilfe einer Software so einzurichten, dass durch Berühren eines Einstellsegments (touch key) im Beatmungsform-Eingabesektor zuerst die gewünschte Beatmungsform ausgewählt wird. Die dieser Beatmungsform zugeordneten Beatmungsparameter-Einstellsegmente (touch keys) können dann, wie aus der Druckschrift N3 bekannt, bspw. entsprechend farblich gekennzeichnet werden.

Ebenso war es für den Fachmann naheliegend, nur die einer zuvor ausgewählten Beatmungsform zugeordneten Beatmungsparameter-Einstellsegmente (touch keys) in dem entsprechenden Eingabesektor anzuzeigen [= Merkmal M13]. Schließlich ist es gerade ein Vorteil der elektronischen Bildschirmanzeige und -eingabe, dass mit wechselnden Abbildungen hierarchisch gegliederte Steuerungsprozesse übersichtlicher dargestellt und Fehler bei der Eingabe dadurch leichter vermieden werden können als bei einer elektromechanischen Bedieneinheit, wie sie -mit den beschriebenen Nachteilen -aus der Schrift N3 bekannt ist.

Durch die Druckschrift N4 wurde der Fachmann dazu angereget, auch diese Funktionalität in der Bedienerführung bei einem interaktiven, berührungsempfindlichen Flachbildschirm als Bedieneinheit vorzusehen. Denn auch bei dem aus dieser Schrift bekannten interaktiven Bildschirm (touch screen) als Bedienund Anzeigeeinheit ist die Bedienerführung so eingerichtet, dass bei Berührung eines Einstellsegments (touch key) innerhalb eines Sektors (right side of the screen) mit Einstellsegmenten (touch keys) zur Auswahl einer bestimmten Konfigurationsseite (configuration screen), nur die ausgewählte Seite (bspw. "Alarms -alarm limits") mit ihren zugehörigen Einstellsegmenten (keys) innerhalb eines anderen Sektors des Bildschirms (right side of main display) angezeigt wird. Um eine andere Konfigurationsseite (configuration screen) mit ihren zugehörigen Einstellsegmenten (keys) anzuzeigen, muss lediglich das entsprechende Einstellsegment (key) im Sektor zur Auswahl der Konfigurationsseiten berührt werden (vgl. Seite 5-9-17 [Abschnitt: System Configuration Screens]). Die Eingabe bzw. Änderung eines Wertes für einen Beatmungsparameter erfolgt dann analog zur Eingabe eines Alarmgrenzwertes für bspw. den Atemdruck, wie bereits in der Druckschrift N4 beschrieben (vgl. Seite 5-14-5 i. V. m. den obigen Ausführungen zur Druckschrift N4 betreffend das Merkmal M14).

Damit gelangte der Fachmann in naheliegender Weise zu der Bedieneinheit nach Patentanspruch 1 des Streitpatents.

Interaktive Flachbildschirme mit berührungsempfindlicher Oberfläche (touchscreen) als Bedieneinheit mit einer durch entsprechende Software realisierten, intuitiven Benutzerführung zur Eingabe bzw. Anzeige von Parametern waren zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents im Übrigen auch bei weiteren medizinischen Geräten bekannt und üblich (vgl. bspw. die Druckschrift N5 (mit deutscher Übersetzung N6) oder N10).

5.

Die ebenfalls angegriffenen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 10 teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt ist in ihnen nicht erkennbar und wurde von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V.m. §709 ZPO.

Rauch Voit Dr. Morawek Dr. Müller Veit Pr






BPatG:
Urteil v. 16.03.2010
Az: 4 Ni 40/08


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