Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. August 2003
Aktenzeichen: 5 W (pat) 439/02

(BPatG: Beschluss v. 13.08.2003, Az.: 5 W (pat) 439/02)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Der Antragsgegner ist Inhaber des am 24. August 2000 mit 9 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 298 24 217 (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung "Gurtbandförderer". Das Streitgebrauchsmuster ist aus der deutschen Patentanmeldung 198 54 327.1-22 mit Anmeldetag vom 25. November 1998 abgezweigt worden. Die Schutzdauer ist auf 6 Jahre verlängert worden.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Gurtförderer mit Obertrum (3) und Untertrum (4, 4') sowie mehreren winklig zueinander liegenden Tragrollen (2, 2'), wobei die erste (2) mit einem Antrieb versehen ist und der Fördergurt (1, 1') an seinem Seitenrandbereich einen Zahnriemen (7) aufweist, der mit einem an der ersten Tragrolle (2) angeordneten Zahnkranz (6) kämmt und am inneren Rand des Zahnriemens (7) eine obere und eine untere Wulst (11) vorgesehen sind, gegen die schräg stehende Führungsrollen (12) anliegen."

Hierauf sind 7 Unteransprüche rückbezogen. Wegen des Wortlauts dieser Ansprüche wird auf die Registerakte verwiesen. Schutzanspruch 9 war als nebengeordneter Anspruch auf einen "Fördergurt für Gurtförderer" gerichtet.

Die Antragstellerin hat am 18. Juni 2001 die Löschung des Gebrauchsmusters in vollem Umfang beantragt und sich auf fehlende Schutzfähigkeit berufen. Hierzu hat sie sich auf insgesamt zehn Schriften aus dem Stand der Technik gestützt.

Nach rechtzeitigem Widerspruch des Antragsgegners hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 17. Juni 2002 dem Löschungsantrag teilweise entsprochen, indem sie das Gebrauchsmuster gelöscht hat, soweit es über die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 8 hinausgeht.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, die sie in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2003 nur noch mit den folgenden Druckschriften begründet hat, für die die Nummerierung aus dem angefochtenen Beschluß übernommen wird:

(2) AT-PS 355 983

(3) DE 43 25 477 A1

(7) EP 0 349 830 A1

(8) DE-AS 2 055 682 und

(9) DE 93 17 675 U1.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, daß der Gegenstand des aufrechterhaltenen Streitgebrauchsmusters gegenüber dem dargelegten Stand der Technik nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Juni 2002 insoweit aufzuheben, als darin der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, und die vollständige Löschung des angegriffenen Gebrauchsmusters anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Wegen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Der jetzt noch gegen die Schutzansprüche 1 bis 8 gerichtete Löschungsantrag ist nicht begründet, weil der geltend gemachte Löschungsgrund aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG nicht gegeben ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht schutzfähig iSv §§ 1 bis 3 GebrMG wäre.

A 1. Der Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters betrifft einen Gurtförderer mit folgenden Merkmalen:

(a) Gurtförderer mit Obertrum und Untertrum.

(b) Der Gurtförderer weist mehrere winklig zueinander angeordnete Tragrollenauf, von denen die erste mit einem Antrieb versehen ist.

(c) Der Gurt weist an dem Seitenrandbereich einen Zahnriemen auf.

(d) Der Zahnriemen kämmt mit einem an der ersten Tragerolle angeordneten Zahnkranz.

(e) Am inneren Rand des Zahnriemens ist ein oberer und ein unterer Wulstvorhanden.

(f) Gegen die Wülste liegen schrägstehende Führungsrollen an.

Da der Gurtförderer gemäß Merkmal (b) mehrere winklig zueinander angeordnete Tragrollen (2) aufweist, handelt es sich um einen Kurvengurtförderer. Die Ausstattung des Fördergurtes (1) mit einem Zahnriemen (7) an seinem Seitenrandbereich, mit an dessen innerem Rand angeordneter oberer und unterer Wulst (11), dh mit auf beiden Seiten des Gurtes (1) an dieser Stelle vorhandenen Wülsten (11), gegen die schrägstehende Führungsrollen (12) anliegen, ist in den Figuren (1) und (3) des Streitgebrauchsmusters dargestellt.

2. Durch das Streitgebrauchsmuster soll nach den Angaben in der Beschreibung (S 2 Abs 2), ausgehend von einem Stand der Technik, bei dem das Förderband über ein Reibrad angetrieben wird, somit ein Kurvengurtförderer geschaffen werden, bei dem die Oberfläche des Fördergurtes durch die Kraftübertragungseinrichtung nicht beeinträchtigt wird.

Als Fachmann zur Lösung dieser Aufgabenstellung ist ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Fördertechnik anzusehen, der mit der Problematik bei Kurvengurtförderern vertraut ist.

B Die Neuheit des Gegenstandes nach dem Schutzanspruch 1 ist unbestritten. Der beanspruchte Gurtförderer ist zweifelsohne gewerblich anwendbar und beruht auch auf einem erfinderischen Schritt; denn der dargelegte Stand der Technik führt nicht zum Gegenstand des Schutzanspruches 1 und zwar auch dann nicht, wenn sich der angesprochene Fachmann über eine bloß routinemäßige Durchsicht hinaus eingehend damit auseinandersetzt.

1. Als nächstkommender Stand der Technik ist der aus der DE 43 25 477 A1 (3) bekannte Kurvengurtförderer mit Obertrum und Untertrum - Merkmal (a) - anzusehen. Dieser hat winklig zueinander angeordnete Endwalzen (5), von denen eine mit einem Antrieb versehen ist (Sp 1 Z 64 bis Sp 2 Z 2). Es können auch weitere Rollen (als Zwischenabstützung) zum Einsatz kommen (Sp 2 Z 49-53). Damit ist auch Merkmal (b) vorbekannt. Der aus 3 bekannte Fördergurt weist an dem Seitenrandbereich auch einen Zahnriemen (2) -Merkmal (c) - auf, und dieser Zahnriemen kämmt - entsprechend Merkmal (d) - mit einem an der ersten Tragrolle angeordneten Zahnkranz (4). Nicht verwirklicht sind bei diesem Stand der Technik somit die Merkmale (e) und (f). Zwar ist auch dort am inneren Rand des Zahnriemens (2) ein Profilgurt (3) angebracht (Sp 3 Z 30-33), der in Zusammenwirkung mit Rollen (9) ua zur Führung des Endlosgurtes (1) bzw zur Übertragung der radial nach innen gerichteten Kräfte dient (Sp 4 Z 6-12). Die Zunge dieses Profilgurtes (3) läuft, wie in Figur 1 zu erkennen ist, in der Nut der Rollen (9), so dass der Gurt auch in seiner horizontalen Lage gehalten wird. Diese Konstruktion verhindert somit auch ein Abheben des Fördergurtes nach oben und erlaubt die Nutzung der gesamten Gurtbreite als Auflage (Sp 2 Z 24-30). Eine damit praktisch identische Ausführungsform eines Fördergurtes mit Zahnriemen und Profilgurt wird in der DE 93 17 675 U1 (9) beschrieben und auch dargestellt (vgl Fig 1, 2 iVm S 6 Abs 2, S 8 Z 3-24 u. S 9 Abs 2).

Eine Anregung, diesen in den Druckschriften 3 bzw 9 beschriebenen Profilgurt durch einen Wulst und einen zweiten Wulst auf der anderen Gurtseite zu ersetzen, sowie gegen diese Wülste schrägstehende Führungsrollen anliegen zu lassen, erhält der Fachmann in diesen Schriften allerdings nicht.

2. Nun sind zwar aus der EP 03 49 830 A1 (7) sowie der DE-AS 2 055 682 (8), der ältesten im Verfahren befindlichen Entgegenhaltung, schon Kurvenfördergurte mit an den jeweiligen Außenseiten angebrachten Randleisten bekannt, die einen oberen und einen unteren Wulst ausbilden, gegen die schrägstehende Führungsrollen anliegen (vgl 7 Fig 1, 2 und 8 Fig 3, 4). Diese Gurtförderer erfüllen jedoch lediglich die Merkmale (a) und (f) des Schutzanspruchs 1. Die Druckschriften 7 und 8 enthalten insbesondere keinen Hinweis darauf, die darin beschriebenen Fördergurte mit Zahnriemen für den Antrieb auszustatten.

3. Zahnriemenantriebe für Fördergurte sind dem Fachmann andererseits allgemein bekannt, und wie die AT-PS 355 983 (2) zeigt (vgl insb Fig 1 bis 4 iVm der zugehörigen Beschreibung), auch bei Kurvengurtförderern. Dort wird das Kurvenförderband (3), das an seinem äußeren Rand mit einer flexiblen Zahnstange (4) (nach dem Wortlaut des Streitgebrauchsmusters, mit einem Zahnriemen) ausgerüstet ist, mittels eines Antriebsorgans (2) über wenigstens ein Zahnrad (7), welches im Eingriff mit der flexiblen Zahnstange steht, angetrieben. Um eine radial nach innen gerichtete Verschiebung des Kurvenförderbandes zu verhindern, halten konisch nach außen gewölbte Führungsscheiben (5) die entsprechend abgeschrägte innere Flanke des Zahnriemens (4) nach außen und führen damit das Förderband (3) (vgl Fig 3 iVm S 3 Z 15-33). Durch diese Konstruktion bedarf es ersichtlich keiner zusätzlichen Profile, insbesondere Wülste um den über Zahnriemen angetriebenen Fördergurt in der Kurve eben zu führen.

4. Sofern der Fachmann jedoch von den aus den Druckschriften 7 und 8 seit langem bekannten Fördergurten mit wulstförmiger Randleiste ausgeht und diese mit einem Zahnriemenantrieb versehen wollte, so liegt es nicht schon deshalb nahe, die beidseitig an diesen Fördergurten vorhandenen endständigen Wülste weiter nach innen zu verlagern und den Zahnriemen am äußeren Rand des Fördergurtes anzubringen, nur weil im Stand der Technik gemäß den oben erläuterten jüngeren Druckschriften 3 und 9 ein Profilrand auf der Innenseite es Zahnriemens angeordnet ist. Diese Anordnung ist dort nur als bevorzugte Ausführungsart angegeben (Anspruch 9 von Druckschrift 3 bzw Anspruch 8 von Druckschrift 9). In der DE 93 17 675 U1 (9) erfährt der Fachmann sogar, dass die Anbringung des Zahnriemens am Endlosgurt beliebig ist (S 7 Abs 2). Es ist daher kein Anlaß erkennbar, aus dem heraus der Fachmann die Konstruktion des aus den Druckschriften 7 oder 8 bekannten Fördergurtes mit endständiger wulstförmiger Randleiste hätte aufgeben und nunmehr ein Zahnriemenbauteil mit am inneren Rand angeordneter oberer und unterer Wulst hätte vorsehen sollen. Die Auffassung der Antragstellerin, dies sei naheliegend gewesen, ist nicht frei von einer rückschauenden Betrachtungsweise.

5. Die im Vorverfahren berücksichtigten weiteren Druckschriften DE 44 42 982 C2 (1), WO 94/27 895 A1 (4), DE 195 47 893 A1 (5) und DE 42 13 035 A1 (10) kommen dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht näher. Da sie von der Antragstellerin zu Recht in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen wurden, erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf.

C Die weiterhin noch geltenden Schutzansprüche 2 bis 8 des Streitgebrauchsmuster betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gurtförderers nach dem Hauptanspruch; sie haben daher ebenfalls Bestand.

III Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 97 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Werner Barton Frowein Hu






BPatG:
Beschluss v. 13.08.2003
Az: 5 W (pat) 439/02


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