Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Dezember 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 24/01

(BPatG: Beschluss v. 23.12.2002, Az.: 27 W (pat) 24/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts 31. Oktober 2000 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 142 323 hinsichtlich der Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung/das Internet" der angegriffenen Marke 397 37 722 zurückgewiesen worden ist.

Die Löschung der angegriffenen Marke 397 37 722 wird im Umfang dieser Waren angeordnet.

2. Im übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke D.K.Y.

für

"Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung/das Internet; alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte."

ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke DKNY eingetragen als Wortmarke unter der Nr 142 323 für ua für die Waren

"Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen für Herren, Damen und Kinder; Mäntel, Trenchcoats, Jacken, Blazer, Kleider, Röcke, Bodys, Anzüge, Overalls, Hosen, Unterhosen, Hosenröcke, Kaftane, Shorts, Pareos, Overalls mit Latz und Trägern, Sweater, Strickjacken, Blusen, Hemden, T-Shirts, Westen, Sweatshirts, Schwitzhosen, Trainingsanzüge, Übungs- und Aerobic-Bekleidung, Gymnastikanzüge, Krawatten, Krawattentücher (Ascots), Schals, Halstücher, Handschuhe, Gürtel, Morgenmäntel, Miederwaren, Pyjamas, Nachthemden, Halter, BHs, Slips, Unterwäsche, Mieder, Badebekleidung, Strumpfwaren (nämlich Strumpfhosen, Strümpfe, Kniestrümpfe, lange Strümpfe, Trikotstrümpfe, Socken und Leggings); Schuhwaren, nämlich Schuhe, Stiefel, Sportschuhe, Turnschuhe, Pantoffeln, Sandalen, Riemchensandalen und Espadrilles; Kopfbedeckungen, nämlich Hüte, Mützen und Baskenmützen."

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch zurückgewiesen, da die jüngere Marke ungeachtet der Frage der Warenähnlichkeit selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe einen hinreichend großen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei nicht liquide, so dass nur von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden könne. Die durch den zusätzlichen Buchstabe "N" in der Widerspruchsmarke begründete Abweichung trete für das Publikum ohne weiteres erkennbar hervor und entfalte sowohl bei englischer wie deutscher Aussprache eine derart offensichtliche akustische Wirkung, dass der angesprochene Verkehr keine Schwierigkeiten habe, die sehr kurzen Vergleichsmarken sicher voneinander zu trennen; dieser Buchstabe bleibe auch nicht stimmlos oder unbetont, sondern werde vom Publikum auch bei flüchtigem Kontakt nicht überhört. Auch schriftbildlich unterschieden sich die beiden Zeichen durch diese Abweichung deutlich. Schließlich scheide auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen aus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie macht zunächst eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend, die sie auf eine eidesstattliche Versicherung der Vizepräsidentin der amerikanischen Firma D... Company, einer Lizenznehmerin der Widerspre- chenden, und auf weitere Unterlagen, insbesondere Prospekte, Statistiken und Presseberichten stützt. Beide Zeichen würden für die identischen Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen" beansprucht; auch seien die Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der angegriffenen Marke ähnlich zu den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren "Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Datenverarbeitungsgeräte und Computer". Beide Marken seien klanglich und schriftbildlich verwechselbar, ja nahezu identisch. Der zusätzliche, weiche und stimmlose Konsonant "N" in der älteren Marke trete klanglich und schriftbildlich nicht weiter in Erscheinung; die Hinzufügung von Punkten in der jüngeren Marke wiederum werde klanglich überhaupt nicht wahrgenommen und erscheine auch schriftbildlich nur in irrelevantem Maße.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist dem entgegengetreten. Ihrer Auffassung nach liegt keine erhöhte, sondern vielmehr eine eher unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vor, da sie als nicht aussprechbare Bezeichnung, die früher überhaupt nicht schutzfähig gewesen sei, nur einen eingeschränkten Schutzumfang haben könne. Die Vergleichsmarken seien auch nicht verwechselbar, da der zusätzliche Buchstabe "N" bereits ein Viertel des Gesamtumfangs der älteren Marke ausmache und die jüngere Marke um ein Drittel erweitern würde. Es handele sich hierbei auch nicht um einen unauffälligen Buchstaben, der zu einem grundlegend unterschiedlichen Gesamteindruck der jeweiligen Marke führe. Dies entspreche auch der Entscheidungspraxis der nationalen und europäischen Gerichte zu vergleichbaren Buchstabenmarken. Schließlich bestehe zwischen den Waren "alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" und "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung/das Internet", für welche die angegriffene Marke geschützt sei, und den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke keine kennzeichenrechtlich relevante Ähnlichkeit.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Dabei hat die Inhaberin der jüngeren Marke darauf hingewiesen, dass die Buchstabenfolge "D.K.Y." für "Don«t Kill Yourself" stehe und die Marke im wesentlichen nur zur Unterstützung eines gemeinnützigen Programms zur Verhinderung von Selbstmorden Jugendlicher eingesetzt werden soll.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde hat hinsichtlich der für die angegriffene Marke geschützten Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung/das Internet" teilweise Erfolg, weil insoweit für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken besteht (§§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

Soweit beide Zeichen jeweils für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedekkungen" bestimmt sind, liegt - was zwischen den Beteiligten auch außer Streit steht - Warenidentität vor. Darüber hinaus ist eine enge Ähnlichkeit auch zwischen der Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung/das Internet" der jüngeren Marke und den Waren "Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer", für welche die Widerspruchsmarke ua geschützt ist, zu bejahen. Denn bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen ist ua auch ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen (vgl EuGH, GRUR 1998, 922, 923 Tz 23 - Canon). Unter diesem Gesichtspunkt stellen sich Datenverarbeitungsgeräte und die Erstellung von EDV-Programmen als einander ergänzende Produkte und Dienstleistungen dar, da erstere zwingend auf Software zum Betrieb angewiesen sind, die wiederum - als Dienstleistung - erst entwickelt und erstellt werden muss; häufig ist es sogar so, dass sog Systemhäuser Software entwickeln (also nicht nur "fertige", also bereits entwickelte Software als Ware liefern), wobei hier auch nur die Anpassung/Weiterentwicklung bereits vorhandener Software im Vordergrund stehen kann. Dem Kunden ist häufig gar nicht bewusst, ob in das Endprodukt bereits existierende "fertige" Software (also die bloße Ware) unverändert oder abgewandelt eingebaut wurde oder ob das Gesamtprodukt ganz oder teilweise aus (in Form einer Dienstleistung) völlig neu entwickelter Software besteht. Aus Sicht des (Privat- wie Firmen-) Kunden macht es also - vorbehaltlich der Lizenzfrage - kaum einen Unterschied, ob ihm von der mit Entwicklung von Software beauftragten Firma eine "fertige" Ware (also eine schon vorhandene, von ihm lizenzierbare) oder eine von dieser erst neu zu entwickelnde Software geliefert wird. Insofern sind die Berührungspunkte zwischen der Dienstleistung "Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen" - über den Zwischenschritt "Datenverarbeitungsprogramm" als Ware - und der Ware "Datenverarbeitungsgeräte" als notwendiges Mittel zur Realisierung des erstellten Datenverarbeitungsprogramms schon so groß, dass zwischen ihnen eine beachtliche Ähnlichkeit vorliegt (vgl 30 W (pat) 243/93 vom 6. Februar 1995 - zitiert in Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S 104).

Keine Ähnlichkeit liegt allerdings zwischen den Waren der Widerspruchsmarke auf der einen Seite und den Waren "alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" der angegriffenen Marke vor; dies wird letztlich auch von der Widersprechenden nicht anders gesehen, welche sich hierzu nicht näher geäußert hat. Mangels Unähnlichkeit dieser Waren liegt daher eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken insoweit nicht vor, so dass die Beschwerde schon aus diesem Grund teilweise unbegründet ist.

Soweit sich identische oder beachtlich ähnliche Waren und Dienstleistungen gegenüberstehen, hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke selbst dann nicht ein, wenn man von einer nur normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeht. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke meint, die Widerspruchsmarke genieße - was dann auch für die jüngere Marke gelten würde - wegen der Art ihrer Zusammensetzung aus Einzelbuchstaben einen von Haus aus eher unterdurchschnittlichen Schutzumfang, kann dem nicht gefolgt werden. Denn entgegen ihrer Ansicht gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, auf welchen nach der Rechtsprechung des EuGH abzustellen ist (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; GRUR 1998, 387, 390 - Sabèl/Puma) einer nicht aussprechbaren Buchstabenkombination, welche wie eine Abkürzung wirkt, jegliche betriebliche Hinweisfunktion abspricht, einem ebenfalls aus Einzelbuchstaben neu gebildeten, jedoch aussprechbaren Wort dagegen Phantasiecharakter beimißt (vgl nunmehr auch BGH GRUR 2001, 344 - DB-Immobilienfonds; MarkenR 2002, 332 - DKV/OKV). Eine Buchstabenkombination ist nur dann als von Haus aus nicht oder nur schwach kennzeichnungskräftig zu erachten, wenn sie beschreibende Bedeutung hat (vgl BGH MarkenR 2002, 256 -IMS) oder markenrechtlich verbraucht ist (vgl BGH aaO, S 334 liSp - OKV/DKV). Diese Voraussetzung ist bei der besonders eigentümlich wirkenden Buchstabenfolge "DKNY" aber zweifellos nicht erfüllt. Ob die Widerspruchsmarke "DKNY", die eine - von der Inhaberin der angegriffenen Marke unbestritten - bekannte und gut benutzte Modemarke ist, im Bekleidungsbereich darüber hinaus sogar eine über dem Durchschnitt liegende Kennzeichnungskraft besitzt, kann hier dahingestellt bleiben.

Auch bei Zugrundelegung einer normalen Kennzeichnungskraft reicht entgegen der Auffassung der Markenstelle der zusätzliche Konsonant "N" in der Widerspruchsmarke für einen hinreichenden Abstand der Vergleichsmarken jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht aus. Denn der Konsonant "N" ist, worauf die Widersprechende zutreffend hingewiesen hat, eher klangschwach. Da er sich in der Mitte der Widerspruchsmarke findet, ist insbesondere bei schneller Wiedergabe beider Zeichen - sei es in deutscher oder englischer Aussprache - daher nicht auszuschließen, dass er bei der Aussprache der Widerspruchsmarke akustisch stark zurücktritt und deshalb vom Gegenüber nicht wahrgenommen wird. Demgegenüber kommen die in beiden Marken gleichermaßen anzutreffenden klangstärkeren Buchstaben "D" und "K", zumal sie sich jeweils am Markenanfang befinden, und der wegen seines seltenen Gebrauchs besonders auffallende Endkonsonant "Y" deutlich zu Gehör. Bei einer nicht jeden laut ganz deutlich akzentuierenden Sprechweise beider Zeichen, wie sie im Alltagsleben üblich ist, kann auch ein aufmerksamer Verbraucher sie daher leicht verwechseln.

Da eine rechterhebliche Verwechslungsgefahr beider Marken daher für einen Teil der von der jüngeren Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht auszuschließen ist, war der Beschluss der Markenstelle daher aufzuheben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen wurde, und die Beschwerde im übrigen zurückzuweisen.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.

Dr. Schermer Friehe-Wich Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 23.12.2002
Az: 27 W (pat) 24/01


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